In der Nacht hatte es geschneit. Soweit das Aug reichte, war alles weiss. Die Äste des Baumes ächzten unter der Schneelast. Und die Vögel duckten sich dicht zusammen und plusterten sich auf. Das Vogelhäuschen am Baum war kaum zu erkennen. Die Landschaft atmete Stille.

Martha stand in der warmen Stube und betrachtete andächtig die verschneite Welt. So unberührt und rein gefiel ihr der Schnee. Ihrem Kater Milo weniger. Misstrauisch beäugte er das Weiss vor dem Katzentürchen. Er zögerte. Sollte er es doch wagen, hinaus zu gehen?

Ein plötzlicher Entschluss, und Milo war draussen im Schnee. Blitzschnell hob er sein nasses Pfötchen und schüttelte es, um es alsbald wieder in den eklig nassen Schnee zu senken. Dann machte er einen Satz vorwärts und versank wieder bis zum Bauch in der weissen Masse. Und wieder und wieder. Man könnte meinen, ein Häschen hüpfte durch den Schnee.

Ein Zetern und Schimpfen erfüllte plötzlich die Stille. Die Spatzen beim Vogelhäuschen kommentierten lautstark die Anwesenheit des Feindes. Sie beschimpften ihn und flatterten aufgeregt in die Luft. Doch Milo schenkte ihnen keine Beachtung. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, so wenig wie möglich mit dem kalten Weiss in Berührung zu kommen. Sein Fell wurde immer schwerer und zog ihn erdwärts. Unter die Stauden geduckt kroch er langsam wieder dem warmen Zuhause zu. Da: Eine Berührung mit einem Zweig entlud eine Staubwolke Schnee über Milo. Vor Schreck sprang er in die Höhe, worauf sich noch mehr nasser Schnee über ihn ergoss.

Martha beobachtete alles und konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Mit einem Scheppern des Katzentürchens sprang Milo zurück in die warme Stube. Sofort strich er Martha flattierend um die Beine, sodass jetzt Martha ihrerseits einen Satz in die Höhe machte. Sie scheuchte Milo aufs Frottiertuch auf der warmen Heizung. Dort putzte sich der Kater ausgiebig.

Behaglich schnurrend rollte sich Milo zusammen. Martha setzte sich mit ihren Stricksachen in den Lehnstuhl. So in der Wärme sitzend liess sich der erste Schnee geniessen.


© Pia Koch-Studiger


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