Der Milliardenfüßer

Autor: Hartmut Holger Kraske

Als Milliardenfüßer bin ich natürlich ein Fabeltier. Letzteres tut meiner herausragenden Stellung in der Gesellschaft natürlich keinen Abbruch. Im Gegenteil; Mein Alleinstellungsmerkmal und die Tatsache dass ich als Fabeltier meinen Mythos strategisch einsetze verhilft mir zu lukrativen Positionen in der Geschäftswelt und neuerdings auch in der Politik. Mein Grundkapital erwerbe ich auf relativ banale Art; Ich bin gefragter Werbeträger für Turnschuhe. Bei Milliarden Füßen kann ich für Milliarden modische Sneakers Werbung machen. Gleichzeitig. Da ich aufgrund meiner gigantischen Länge zweimal den Globus umspanne und dadurch quasi permanent Kosmopolit bin, ist es kein Problem für mehrere konkurrierende Hersteller gleichzeitig zu werben. Turnschuhe. Okay. Ich bin zwar kein Sportler, aber Sneakers sind heute ohnehin mehr modisches Accessoire als Turnbekleidung. Ich habe mich mal in Ausdruckstanz versucht, aber... ich will nicht wirklich darüber reden. Meinen mythischen Ruf als Fabeltier habe ich auch meiner vornehmen Zurückhaltung als Privatperson zu verdanken. Zwar bin ich oft auf Werbeplakaten zu sehen. Privat halte ich mich gerne unauffällig im Hintergrund, wenn ich nicht gerade von einem Wildlife-Magazin zum Insekt des Jahres gewählt werde und mein Foto auf der Titelseite platziert wird. Wie kann ein Riesenmilliardenfüßer inkognito um die ganze Welt reisen ohne entdeckt zu werden? Nun, ich kann mein Äußeres ganz geschickt meiner Umwelt anpassen. Durchaus kann ich einen Teil meines chameleonähnlichen Körpers dem Buckingham Palance angleichen, während ein Teil von mir aussieht wie ein Vorortghetto von Paris. Ganz weltmännisch kann ich mich unentdeckt durch die New Yorker Strassen schlängeln, während ich mich in Berlin verrenke und zu einer perfekten Kopie des Brandenburger Tors aufbäume. Alles Gleichzeitig, während mein Kopf in Australien schwitzt und mein Hinterteil in Alaska eine Erkältung bekommt. Die Vorteile Weltbürger zu sein überwiegen deutlich. Ich kann mein Turnschuhgeld auf den Cayman-Inseln, in der Schweiz und auf der Vatikanbank bunkern. Ich habe keine Staatsangehörigkeit und fühle mich überall zuhause. Juristisch gesehen bin ich als Insekt eine Persona non grata, was mich nicht davon abhält in der Geschäftswelt und in der Politik ordentlich mit zu mischen und im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Meine Geschäftspartner haben kein Problem mit meinem Status. Im Gegenteil; Ich bin überall zugleich und offiziell ja nur ein Fabeltier. Mein Kopf kann hier der Strippenzieher sein und anderswo mein Hinterteil ein perfekter Strohmann für Geschäfte aller Art. In letzter Zeit kommen mir Zweifel, ob meine Taten wirklich redlich sind. Ich sorge für die Umverteilung des Geldes. Auf der einen Seite wird der Geldhaufen immer größer und schwerer. Auf der anderen Seite gibt es beinahe kein Geld mehr. Wäre die Welt noch eine Scheibe, geriete sie böse in Schieflage und auch die Reichen dieser Welt würden dann schnell von dieser Scheibe fallen. Das viele Geld wäre natürlich nichts Wert, könnte man sich keine Macht dafür kaufen. Man hat mich zu den Bilderbürgern eingeladen. Es wird mir sogar ein Sitz im Lenkungsausschuss angeboten. Da ich persönlich nicht daran glaube, dass 31 Mitglieder einer geheimen Elite das Geschick von mehreren Milliarden Menschen lenken können, habe ich beschlossen die Welt auf andere Weise zu retten. Ich löse all meine geheimen Konten auf, lasse mir mein Vermögen in Bargeld auszahlen und stecke die Geldscheine in meine Milliarden Turnschuhe. Wo immer in der Welt ich Bäume mit starken Ästen sehe kicke ich meine mit Bargeld gefüllten Schuhe in das Geäst. Die Schnürsenkel hängen meine Geldschuhe in die Bäume auf der ganzen Welt und beim nächsten Sturm wird es Geld regnen für alle Menschen. Ich bin inzwischen überzeugt davon, dass nur der Wind das Geld der Welt gerecht verteilen kann. Diese Menschen sind dazu offensichtlich nicht in der Lage. Der nächste Sturm wird kommen. Mit nackten Füßen werde ich dann wieder über den Globus wandeln, werde mich gut fühlen, auch ganz ohne Geld, und vielleicht werde ich mich noch einmal im Ausdruckstanz versuchen. Ich bin der Milliardenfüßer. Milliarden Füße gehen in die selbe Richtung über diese Welt. Ich bin überall dort wo mich niemand vermutet. Die Bäume hängen voller Geld und wir warten auf den nächsten Sturm.

Der Milliardenfüßer

© by Björn Coen


© by Hartmut Holger Kraske


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Kommentare zu "Der Milliardenfüßer"

Re: Der Milliardenfüßer

Autor: possum   Datum: 30.01.2020 0:43 Uhr

Kommentar: Dies hast du fein verfaßt hier!
Lieben Gruß!

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