Demonstrationsbericht

Demonstrations-Bericht

Von Alexej Licharew

geschrieben am 12.ten.Dezember zWeiTauSendfÜnfzehN

Heute ereignete sich eine Demonstration. Die Antwort war eine noch größere Gegendemonstration. Mitten in der Innenstadt von Leipzig. Zwischen der Artur-Hoffmann-Straße und der Karl-Liebknecht-Straße, in der Höhe von der Feinkost bis hin nach Connewitz. Zum Hauptaustragungsort wurde die Karl-Liebknecht-Straße erkoren. Die gesamte Straße, mitsamt den kleinen Geschäften, Restaurants und Bars pulsierte wie lange nicht mehr, sie erzitterte durch heftige Krawalle, die stundenlang währten und sie bebte vor Enthemmung und irrationaler Gewalt. In ihr randalierten eine nicht zu unterschätzende Menge Antifaschisten gegen die staatliche Exekutiv-Gewalt, gegen die Polizei. In ihr versammelten sich Tausende von Gegendemonstranten, um passiven Widerstand gegen die faschistische Bedrohung zu leisten. In ihr eskalierte ein Aggressionspotential von beiden Seiten, sowohl von der Bürgerlichen als auch von der Staatlichen. Aber der Reihe nach.
Einige Wochen zuvor wurde zum 12.12. eine Nazi-Demonstration angesetzt und von der Stadtverwaltung auch legitim genehmigt. Es sollte eine Art „Sternenmarsch“ werden, höchst wahrscheinlich zur Provokation, da die faschistischen Gruppierungen anfänglich drei Demonstrationen planten, inszeniert von der Partei Die Rechte, von der Offensive für Deutschland und von Thügida, die aus drei unterschiedlichen Himmelsrichtungen den Leipziger Stadtteil Connewitz umkreisen und für sich, zumindest für den Bruchteil einer Stunde, vereinnahmen wollten. Allerdings etablierte sich bereits seit den frühen 1990er Jahren eine links-autonome Szene in Connewitz. Kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands besetzten einige, aber nicht wenige die leerstehenden Häuser und kultivierten durch ihr aktives Tätigsein alternative Wohn- und Lebensformen. Eine langjähige Tradition links-politischer Praktiken, selbstbewusster Aktionen und Manifestationen prägen das Gesicht des Stadtteils bis heute und sind Ausdruck einer anti-kapitalistischen, anti-faschistischen und anti-rassistischen Weltanschauung, die durch die Jahre hindurch verschiedenste Formen seiner selbst realisierte. Heutzutage zählt Connewitz zu den Hochburgen links-politischer Lebensorte, in der ständig wie regelmäßig kritische Themengebiete aufgegriffen, durchleuchtet und verarbeitet werden. Viele politisch motivierte Köpfe gestalten somit eine Fülle an systemhinterfragenden Informationsveranstaltungen und engagieren sich nicht zu letzt für eine aufgeklärte und gerechtere Welt. Kritische Straßenkunst und subversives Gedankengut zählen ebenso zum festen Bestandteil des Viertels wie die soziokulturellen Zentren, die unzähligen Bars, Kneipen und Lokalitäten, die rituellen Versammlungsorte und die offen links ausgerichteten Buchhandlungen. Und diese antifaschistische Bastion, diese links-politische Festung, dieser fremdenfeindlich-feindliche Ort wurde von den Faschisten offenkundig bedroht. Im Vorfeld wurden bereits über 1000 rechtsorientierte Demonstranten vorangekündigt, die mitten in Connewitz, als auch in der Südvorstadt zur Demonstration eingeladen haben, welche mit der Abschlusskundgebung an der HTWK einen Höhepunkt setzten wollten. Und von daher fühlten die politisch linksausgerichteten Autonomen eine Art beschützende Pflicht, eine tiefenwirksame Handlungs-Notwendigkeit, damit diese Insel der politisch Unverdorbenen unbedingt geschützt werden sollte. Sie wollten den patriotischen Nationalisten keinen Raum, und auch keinen Mikro-Meter in ihrem Gebiet zur Entfaltung geben. Von daher wurde schon frühzeitig von den links-politischen Aktivisten zur Gegenoffensive gerufen, von Antifa-Gruppen, von linksorientierten Bündnissen und mehreren Parteien. Schon frühzeitig organisierten sich ihre Kräfte und mobilisierten ähnlich denkende Menschen aus vielerlei Regionen: aus Berlin, Dresden, Halle, Hannover, Heidelberg, usw. In einem Aufruf von der Partei die Linke hieß es: „Wir wollen den Nazis keinen Triumph gönnen. Nicht nur, weil es um Connewitz und die Südvorstadt geht, sondern weil gerade in diesen Zeiten Protest gegen Rassismus und Nationalismus dringend notwendig ist, ob am 12.12. im Süden oder montäglich in der Innenstadt. Protest gegen Nazis bedeutet auch Solidarität mit Geflüchteten und das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten.“
Die Stimmung war eine Gereizte, eine Ungewöhnliche, eine Wachsame. Gleich 10 Kundgebungen gegen die fremdenfeindliche Gesinnung fanden statt, für Toleranz und Vielfalt, für Asyl- und Bleiberechte, für Menschlichkeit und Frieden. Unter anderem am Connewitzer-Kreuz, am Werk 2, sowie in der Simildenstraße und am HTWK. An der Paul-Gerhard-Straße fand ein Friedensgebet, sowie eine Mahnwache der ev.-luth. Kirchgemeinde Leipzig statt.
10 Kundgebungen und ein zahlreich besuchter Gegenprotest sollten gegenüber der Faschisten-Demonstration eine mächtige Gegenkraft bilden, die sich keineswegs von der offenkundigen Provokation einschrecken ließ. Die Demonstrationsbehörde legte die Marschrouten der Faschisten fest. Diese hatten gegen die Absichten der Rechten reagiert und entschieden sich für eine mögliche Demonstration außerhalb von Connewitz im Osten der Südvorstadt. Die Route selbst betrug in etwa 600 Meter. Jedoch war bereits vor dem Aufeinandertreffen der unterschiedlich gepolten Massen eine Sicherheitszone von der Polizei aufgebaut worden, damit die feindlich zueinander gesinnten Gruppen sich nicht in die Quere kämen, und jeder in Ruhe, so ein Polizeibeamter, jeder in Ruhe demonstrieren könne.
Doch die vorgestellte Ruhe blieb nur eine leere Vermutung, und sie wurde zu einer zerplatzten Hoffnung, als die Gegendemonstranten sich zu formieren entschieden. Die Polizei war selbst mit 13 Hundertschaften zu diesem Demonstrationstag anwesend,
zudem kamen unzählige Polizeiautos, dicke Räumfahrzeuge und stählerne Wasserwerfer.
Es war alles andere als ruhig, bedachtsam oder besinnlich, sondern viel eher wild, ausufernd, überbordend und rabiat. Der Faschisten-Aufmarsch war zu ungefähr 14 Uhr angesetzt worden. Seit etwa 13 Uhr liefen bereits Hunderte von Menschen aufgeregt in sämtlichen Straßen der Innenstadt umher. Es tummelten sich viele Aktivisten, zumeist schwarz gekleidet und mit schwarzen Sonnenbrillen, anonym und gespannt, in der Nähe der Nato, dem orangefarbenen Kinosaal zwischen der Schenkendorfer- und der Körner-Straße. Ungeduldig warteten sie was passierte. Einige rauchten Zigaretten, andere blickten neugierig umher oder unterhielten sich mit ihren Nachbarn. Von Minute zu Minute wuchs die Anzahl der Faschismus-Gegner und der gesamte Platz war bereits überfüllt von Demonstrierenden. Bekannte Gesichter erschienen hier und dort in den Wahrnehmungsfeldern der Protest-Teilnehmer. Mehrere kleinere und größere Gruppen hatten sich gebildet und ahnten von dem, was noch geschehen würde. Autos und Straßenbahnen fuhren zu diesem Zeitpunkt keine mehr. Die Anzeigetafeln der Haltestellen wurden bereits vor dem Demonstrationsbeginn vorsorglich mit hölzernen Platten abgeschirmt. Einige Zivilisten und Passanten versteckten sich entweder in den Geschäften oder mieden die ungeheure Ansammlung schwarzvermummter Aktivisten, die von außen betrachtet, etwas Unangenehmes, etwas Unheimliches und Unberechenbares an sich hatten. Es brodelte bereits. Die zwischenmenschliche Temperatur stieg an, allmählich aber kontinuierlich. Je mehr Demonstranten an dem Versammlungsort eintrafen, desto größer wurde die innerlich verspürte Unruhe. Ein angespanntes aber aufmerksames Gefühl breitete sich in den Gruppen aus und bemächtigte sich der Individuen zu seinen Zwecken. Ein aufgestautes Unbehagen, ein latentes Unterdrückungsgefühl entstieg merklich aus seinem diffusen Zustand und nahm konkrete Gestalt und vereinigte Organisiertheit an. Plötzlich formierte sich ein schwarzer antifaschistischer Block, der aus etwa 100 bis 200 autonom vermummten Protestteilnehmern bestand, aus dem Norden herkommend, mit einer bestimmenden Lautstärke, die dicht an dicht gedrängt, in Richtung Süden zur Kurt-Eisner-Straße marschierten. Viele, die davor nur unbestimmt auf den Bürgersteigen, wie auf glühenden Kohlen standen, mengten sich mit in die frisch formierte, tatkräftig gewordene Gruppe hinein und verstärkten den schwarmähnlichen Organismus mit ihrer Präsenz. Allerdings war dieser antifaschistische Organismus auf Konfrontation und Gewalt aus, auf kurzweilige Zerstörung. (Zwar nicht alle, aber ein nicht unerheblicher Teil) Lauthals grölten einige von Aggression erfassten Köpfe in die Atmosphäre, es vibrierten Parolen zwischen den betonharten Häusern, und es rannten die Schwarz-Gekleideten mit Frust im Magen hin zur Kurt-Eisner-Straße. Zahllose Böller schepperten durch die Straßen. Dicke Pflastersteine wurden geworfen. Mehrere Fensterscheiben, hauptsächlich von zwei Bankfilialen wurden zahlreich beschossen, circa 30- bis 40-mal innerhalb von 2 Minuten, und auch die Scheiben von Straßenbahnhaltestellen zersplitterten, verglaste Werbetafeln zerschepperten und einige Scheiben in Autos zerkrachten. Es glich einer schwarzen Welle, welche sich durch die aufgeschreckte Straße Richtung Süden voranrollte, und aus der heraus, Wurfgeschoße und andere handhabbare Gegenstände in die Gutsituiertheit der Öffentlichkeit hineinkrachten. Es schien wie ein Rachefeldzug zu sein, wie eine emotionale Explosion, wie eine gewollte Verletzung aus dem Zustand der Verletztheit. Die Böller donnerten, links wie recht, hinten wie vorne, wie Dynamit. Flaschen flogen in hohem Bogen in Richtung Polizei, die in voller Montur und in Lauerstellung an der Kreuzung Karl-Liebknecht Kurt-Eisner-Straße auf die Gegendemonstranten verharrte. Die Flaschen zerklirrten auf den Helmen, zersprangen an den kugelsicheren Uniformen, und zerplatzten auf dem Asphalt vor und zwischen den Polizeibeamten. Aufgefundene Steinplatten wurden kurzerhand gespalten, indem sie auf die Bordsteinkanten geschmissen worden. Die dadurch abgeplatzten Gesteinsbrocken wurden schlagartig in die Richtung der Staats-Beamten geschleudert. Die Polizei wurde augenblicklich zum Feindobjekt deklassiert und allerhand scharfkantige Steine, verletzungsfähige Gegenstände und unterschiedlichste Farbbomben wurden als Angriffsmittel verwendet, um die Polizisten mutwillig einen Schaden zuzufügen. Doch diese, bereits in ausgerüsteter Erwartungshaltung, nutzte die entladene Aggression, um selbst zum Angriff überzugehen. Sie schwärmten ebenso in kleineren geschlossenen Gruppen aus, um die Antifaschisten zu verunsichern. Schwarze Schlagstöcke kamen zum Einsatz. Sie schossen mit Tränen- und Reizgas, überall wo man hinsah waren kleine unscheinbare Gaspatronen verstreut, aus denen weißer Rauch ausströmte und die Atmosphäre vergiftete. Das Gas drang tief in die Augen und Atemwege der Antifaschisten und sie zogen sich augenblicklich zurück. Zum einen weil die Polizisten selbst auf Gewalt mit Gewalt reagierten und zum anderen, weil das Tränen- und Reizgas unangenehm in den Sehorganen und den Lungen schmerzte. Ständig in Begleitung von Wut- und Zornausrufen, von lautem Geschrei und brüllender Verzweiflung, von Hass, Angst, Enttäuschung und Liebes-Mangel. Rauchbomben wurden von beiden Seiten geschmissen, sowie auf beiden Seiten eine Art Lust am Schaden des Anderen wirksam war. Ein Defizit an innerer Selbstbeherrschung veranlasste die Gewalt gegenüber den Konkurrenten. Ein Defizit an Einsicht und Verständnis ließ die Gegenreaktion nicht minder gewalttätig erscheinen. Es kämpfte Defizit gegen Defizit. Es kämpfte Maßlosigkeit gegen aufgerüstete Angst. Es kämpfte Misstrauen gegen funktionalisierte Hörigkeit. Es kämpfte das Nicht-Gehört-Werden gegen die Willkür staatlicher Gewalt. Die aggressiv gewordenen Anti-Faschisten waren auf dem Rückzug. Doch nicht minder der Zerstörungstrieb, der mitunter, durch die ungebührlichen Angriffe, auf die Polizisten übergeschwappt war und dadurch gleichsam eine emotionale Übertragung stattfand. Zum Teil sind einige Schwarz-Aktivisten geflüchtet, zum Teil wurden sie durch das rigorose Eingreifen der Polizei unachtsam verscheucht. Denn der Zusammenhalt der Gegendemonstranten war der Polizei wie ein Dorn im Auge, der schnellstmöglich beseitigt werden sollte. Eine Art Kräfte-Messen, ein Wer-ist-hier-wohl-gewaltiger, wer hat hier die Kontrolle, wer darf hier am ehesten wen verletzten. Schnell wurden mehrere Barrikaden von den zurückgedrängten Gewaltdemonstranten erbaut. Grüne und schwarze Müllcontainer aus Hartplastik, zum Teil randvoll mit Unrat und Abfall gefüllt, wurden auf die bereits unordentlich gewordene Straße gezerrt. Hölzerne Sitzbänke, lose Stühle und unangekettete Tische, die vor den Restaurants standen, wurden unverhofft demontiert und auf die Straßen gebracht. Hier und dort wurden Zementsäcke aufgestochen und somit die Straße teilweise verwüstet. In den Polizisten selbst entfesselten sich nun ebenfalls aufgestaute Aggressionen, denn sie agierten ebenso gereizt, unausglichen und rabiat. Untertänig führten sie Befehle ihrer Vorgesetzten aus, wurden selbst zum Zweck der Chaosvermeidung von der Stadtverwaltung instrumentalisiert, setzten wissentlich staatlich legitimierte Gewaltpraktiken ein und drohten den Extremisten wie sie nur selten drohen können. Laut forderten sie die Demonstranten auf, dass sie verschwinden sollten, es sollte Platz gemacht werden, und zwar schleunigst, egal ob Protestant oder Passant, egal ob politischer Aktivist oder Zivilist. Wie auf einer Treibjagd wurden die Jagdobjekte belauert, beobachtet, observiert, dann aufgescheucht, bedrängt und getrieben, um sie dann in die Ecke zu zwängen, damit sie symbolisch (z)erlegt werden könnten. In sämtliche Straßen und Gassen zerstreuten sich die Schwarz-Maskierten und gewaltfreien Mitdemonstranten, wie flinke Ameisen, streng verfolgt von aufgebrachten Polizisten. Doch in den darauf folgenden Minuten wurden Einige von Ihnen unsachlich an die Zäune gedrückt, andere wurden schroff an die Wände gedrängt und es wurde brüllend bedroht und beleidigt. Sogar ein älterer Mann mit Hut auf dem Kopf wurde rücksichtslos zu Boden gestoßen, einfach so, obwohl er gar kein aktiver Teil der Demonstration war, sondern nur weil er mehr oder minder passiv in die Polizeigruppe hineingeraten ist, die sich marschierend ihren Weg bahnte und der ältere Herr nichtsahnend und ein wenig verwirrt, unabsichtlich ein Hindernis für die Aufgerüsteten darstellte, sodass er gewaltsam von den Beamten niedergestoßen wurde. Im Nachhinein hatte er sich noch bei anderen Polizeibeamten kräftig aufgeregt, in einen tiefen sächsisch: „So geht das doch nicht! Das kann doch nicht wahr sein! Das ist doch sinnlos!“
Die Polizei, trainiert in Gleichgültigkeit und selektiver Wahrnehmung, winkte ihm spöttisch ab, ignorierte ihn, scheinbar wie abgesprochen, in leicht arroganter Haltung mit den Worten: „Ja, Ja alter Mann. Wir wissen bescheid. Gehen sie gefälligst weiter. Wir haben hier wichtigeres zu tun. Und stehen sie nächste Mal nicht im Weg herum.“ Der alte Hutträger regte sich aber auf, meine Güte, er schimpfte und bezornte die Staatsdiener mit teils üblen, teils wahren Worten. In glühender Aufgebrachtheit nahm seine Empörung sprachliche Expression an. Ich konnte ihn verstehen. Wir waren an der Feinkost. Ein Demonstrant wurde schwer am Kopf getroffen, wahrscheinlich von irgendeinem Geschoß seitens der Polizei. Er lag zusammengekauert am Boden, hatte noch einen epileptischen Anfall erlitten und am Hinterkopf sah man eine tiefe Platzwunde klaffen. Auf den Stein-Platten des Gehwegs direkt unter ihm war eine größerwerdende Blutlache zu sehen. Andere Demonstranten schrieen jähzornig auf die Polizisten ein: „Ihr Gewalttäter! Verschwindet!“ Nicht weit entfernt gestikulierte eine ärgerlich gewordene Frau, eine rothaarige Punkerin mit Bier in der Hand und kreischte nahezu hysterisch einige Beamte mitten ins Gehirn: sie sollten unbedingt den Krankenwagen rufen, ein Notarzt solle sich um Ihn kümmern, sie könnten ihn nicht einfach unbehandelt hier liegen lassen, er dürfe nicht verrecken, den ihr, so die Punkerin zu den Menschen in Polizeiuniform, ihr würdet auch nicht verrecken wollen, ihr machtet für euch so, um nicht verrecken zu müssen und also lasst auch ihn nicht verrecken. Einige Beamte, selbst von Wut und Unsicherheit ergriffen, schirmten den Verletzten ab, verjagten all die drum herum gruppierten Protestanten und rechtfertigten sich wiederum mit herrischer Stimme: dass sie ja genau wüssten, was sie täten, und wer den hier wohl die Polizei und wer den wohl für den Schutz zuständig sei, usw.usf. Der Krankenwagen traf kurz darauf ein. Der am Bodenliegende konnte von den Sanitätern unmittelbar notversorgt und alsbald in den Krankenwagen eingelagert werden. Die Situation wandelte sich.

Nach der anfänglichen Aggressions-Entladung beruhigten sich die hitzig gewordenen Seelen wieder für eine kurze Zeit. Die Polizisten lösten ebenfalls ihre Geschlossenheit auf und verstreuten sich in den vielen kleinen Nebenstraßen. Sie befanden sich auf Demonstranten-Jagd. Einige wurden festgenommen, der Großteil jedoch war längst geübt im Davonlaufen. In den folgenden Minuten beruhigten sich auch mehr oder weniger die Gemüter der Polizisten und sie wurden von ihrer Schaltzentrale wieder zurückgerufen. Die nach allen Seiten hin Geflüchteten versammelten sich mehr oder minder unabgesprochen in einigen losen Gruppen. Aus allen Seitenstraßen und Gassen formierte sich wieder eine amorphe Masse, die sich stromhaft in Richtung Kurt-Eisner-Straße drängte. Nicht weniger unzufrieden, nicht weniger kampfbereit. Fast die gesamte Karl-Liebknecht-Straße war zu diesem Augenblick überschüttet mit verärgerten Faschismus-Gegnern. Sie wussten, dass das ganze Spektakel erst vor 30 Minuten begonnen hatte und die Sonne stand noch stundenlang hell am Firmament. Durchdrungen von einer Mischung aus Kampfbereitschaft, affektivem Aufgeschrecktsein, moralischer Entrüstung und Tatendrang wurde innerlich bereits ein Gegenangriff geplant. Der Geländegewinn der Polizei sollte wieder rückgängig gemacht werden und so marschierten sie behänd in Richtung Süden. Einige Farbbomben worden nochmals geschmissen, aber lediglich vereinzelt, hier und da worden noch ein oder zwei Böller gezündet, aber die Kräfte sammelten sich vorerst, um sich nicht frühzeitig völlig zu verausgaben. Die Antifaschisten haben zu diesem Zeitpunkt noch keinen, nicht einen Faschisten überhaupt gesehen und deswegen erschien es dem einen oder anderen Aktivisten als nahezu sinnlos, das ganze aufgestaute Kraftpotential gegen die Polizei zu verplempern. Als dann die Demonstrierenden in die Kurt-Eisner-Straße einbogen, standen hier und dort bunt gekleidete Menschen, mit Weihnachtszipfelmützen auf ihren Köpfen, die mit einem freundlichen Lächeln wärmenden Tee und Brezeln verschenkten. Einige nahmen die Geschenke gerne an und bedankten sich mit einem guten Gefühl. Wie in einem Strom unbekannter Menschen liefen die Aktivisten dennoch zielbewusst zur Arthur-Hoffman-Straße. Hier und dort sah man bekannte Gesichter, hier und dort machte man neue Bekanntschaften mit noch unbekannten Seelen. Als wir der Arthur-Hoffmann-Straße zusehends näher kamen, erblickten wir, bis wohin die Polizei zurückgewichen war. In unmittelbarer Nähe sollte die Faschisten-Demo stattfinden, doch bereits eine Parallelstraße davor, bei der Bernhard-Göring-Straße würde die Kurt-Eisner-Straße komplett dicht gemacht. Sie wurde fast wie hermetisch abgesperrt, sodass die polizeiliche Bewachungstätigkeit, mithilfe der blau-weißen Metallautos den ungehinderten Durchgang verhinderten. Eine aufgereihte und nebeneinander stramm in Reih und Glied stehende Polizeistaffel positionierte sich noch vor den Polizeifahrzeugen. Dicke Schutzhelme trugen die aufgerüsteten Beamten. Und die Demonstranten wurden unausgesprochen genötigt einen Umweg zu gehen. Der Plan der Polizisten war, dass Anti-Faschisten und Faschisten nicht direkt aufeinander treffen sollten, da es dadurch vermutlich zu unberechenbaren Auswirkungen kommen könnte, und diese nicht unmittelbar erwünscht seien, sondern sollte durch die polizeiliche Absperrung eine Art Graben zwischen Links und Rechts entstehen, ein künstliches Abstandhalten, eine unsichtbare Wand. Von daher versammelten sich viele Links-Aktivisten genau dort, wo die Polizei ihnen gewährte, stehen zu dürfen und verriegelten sämtliche Nebenwege, auf dass die Links-Extremisten sowie die Rechtsextremisten sich nicht vis-a-vis begegneten; somit wurde eine offene Konfrontation beider Gesellschaftsgruppen von vornherein vermieden.
In dem Gemenge war nun ein rotfarbenes Lautsprecher-Auto von den Linken zu hören. Oben auf dem Dach waren dicke schwarze Boxen befestigt und es wurde ein Interview mit einem kompetenten Aktivisten geführt. Er schilderte in prägnanten Worten den bis dahin ablaufenden Ereignishergang, erläuterte in wenigen Sätzen einige markante Geschehnisse und gelegentlich durchschallten Hintergrundsinformationen die Membranen der Lautsprecher. Einige Demonstranten, die sich an der Straßenkreuzung befanden, hörten aufmerksam dem Gespräch zu, doch die meisten verwickelten sich selbst in Gespräche mit ihren Nächsten und Freunden. Wir waren nun in einer Phase der allgemeinen Erholung und der seelischen Regeneration angelangt. Der Kräutertee war immer noch eine wärmende Wohltat, die manch einer bereitwillig zu teilen verstand. Interessante Gespräche durchdrangen sowohl die Atmosphäre als auch die miteinander interagierenden Gesprächsteilnehmer. Manche Lungen konnten wieder reizgasbefreit atmen und die vielen aufmerksamen Augen nahmen viele unterschiedliche Sinneseindrücke wahr. Wir konnten uns gut über die durchlebten Vorgänge unterhalten, über Gehörtes, Gesehenes und Erfahrendes und wussten die Erfahrungsinhalte sinnvoll mit anderen Ereignissen und Themengebieten zu verknüpfen. Die ganze Situation war in diesem Moment weniger überhitzt, weniger aufgebracht, sodass jeder für sich und mit den Anderen, seinen Nächsten, in Erwartung oder auch ohne, die Zeit Raum werden ließ.
Im Verlaufe der Zeit wurde die Menschenmenge immer dichter und dichter. Wir standen nun mitten in der Arthur-Hoffmann-Straße. Eine metallische Barrikade, aufgebaut von der Polizei, versperrte uns den Weg. Die Demonstranten aber wollten unnötige Auseinandersetzung gerade zu diesem Zeitpunkt mit der Polizei nicht zwingend provozieren, und fügten sich einsichtig der vorgeschriebenen Anordnung, sodass sie genau dort stehen blieben, wo es von der Polizei als verhältnismäßig sicher bewertet wurde. Doch der Schwarm ballte sich vor der Absperrung mehr und mehr zusammen. Die Anspannung wuchs. Die Ruhe nahm ab. Die Empfindungen im einzelnen Subjekt waren frequenziell von der Kollektiv-Empfindung überlagert. Emotionale Bindungskräfte ließen uns für den Augenblick zu einem gemeinsam handelnden Organismus zusammenwachsen. Die Absicht war klar: der faschistischen Fremdenfeindlichkeit sollte öffentlich eine Ohrfeige verpasst werden, Intoleranz und Chauvinismus sollten konsequent intoleriert werden, und sämtliche Ausdrucksformen von Rassismus und nationaler Überheblichkeit dürften kein Raum in der offenen Gesellschaft gewährleistet werden. Demokratismus und Solidarität mit allen politisch Verfolgten, mit allen zu Unrecht entrechteten, mit allen Kriegs- und Terrorflüchtlingen waren die starken unausgesprochenen Werte unseres Gewissens, auch wenn wir nicht herrschen wollten.
Dennoch marschierten die Faschisten etwa gegen 14.30 Uhr ungefähr 100 Meter entfernt vor den Anti-Faschisten, die kontrolliert im Zaum gehaltenen wurde, ihre Route entlang. Schwarz-Weiß-Rot-Fahnen schwenkend, auf den nationalvölkische Symbole zu erblicken waren, stiefelten sie die Kurt-Eisner-Straße entlang und bogen nordwärts in die Arthur-Hoffman-Straße ein. Beim ersten Eintreten in das antifaschistische Wahrnehmungsfeld sind bereits knallharte Rufe und Schreie wie Pfeile durch die Luft abgeschossen wurden. Pfiffe und Abneigungs-Gebrüll durchwanderten die Straßen und rüttelten kräftig an die Faschisten-Ohren. Das eine Ufer signalisierte dem Anderen, dass der politische Feind hier in der Stadt nicht erwünscht, nicht gewürdigt sei, sondern viel eher geunwürdigt werde. Und ein links-politischer Chor erhob sich aus den Reihen und die Faschisten hörten den Gesang: „Haut ab! Haut ab! Haut ab!“ unter lauten Beifall durchströmte die Parole den Zwischenraum und wie brennende Pfeile sollten die Rufe die Faschisten im Herzen tief treffen. Denn dem erneuten Erwachen eines Nationalbewusstseins sollte durch die Stärke eines transnationalen Bewusstseins der Garaus gemacht werden. Die Geschichte dürfte keine Wiederholung finden. Alle nationalsozialistischen und rassentheoretischen Bestrebungen sollten im Keime vernichtet werden. Ariertum, völkische Reinheit, Rassenhass und Fremdenangst dürften keine weiteren Wurzeln mehr in den Herzen der Menschen graben. Und die bereits braungewordenen Seelen sollten wieder zur Offenheit und zur Menschenliebe gereinigt werden.
Wenn man zum Beispiel Früchte zulange an der Luft liegen lässt, bekommen sie nach einem gewissen Verstreichen der Zeit ebenfalls Braune Flecken, fangen mitunter an zu schimmeln, und naturgemäß setzt der allgemeine Verwesungsprozess ein. Sie verrotten. Und in diesem Verrottungsvorgang spielen sich viele bio-chemische Reaktionen ab, wodurch die Frucht zu einer vollständig braunwerdenen, übelriechenden und ungenießbaren Frucht mutiert, welche man eher auf den Kompost oder in die Bio-Tonne schmeißt, als das sie noch längere Zeit liegen gelassen werde und eventuell, noch andere Früchte mit ihrer Schimmelei und ihrer Fäulnis ansteckte. Von daher kann man sagen, dass braunes Obst Fäulnis-Obst ist. Und man könnte sagen, das braune Herzen gleichsam Fäulnis-Herzen sind.

Minutenlang hielt das laute Geschrei an. Die Wutausrufe fanden in zahlreichen Ausdrucksformen ihre anklagende Form und die Abneigung gegenüber den faschistisch Gesinnten verwandelte sich spürbar in aggressive Erregung und offenkundigen Hass. Die Anhänger der Gegenseite, die nicht minder unzufrieden waren, nahezu die gleichen Hassgefühle für den Rivalen verspürten, und von vornherein den offenen Konflikt ebenso so suchten wie fanden, grölten eine Vielzahl unverständlicher Halbsätze heraus, schwenkten scheinbar stolz ihre historisch veralteten Fahnen und bauschten sich auf, wie die Hühner, die mal wieder nationalistisch gackern wollten. Die Hühner und aufgeplusterten Hühnen, die bissigen Hunde, die zynischen Zucht-Hühner massenverdorbener Ignoranz. Mit vorgeschwellter Brust und ebenso schwarzen Sonnenbrillen brüllten einige affektierte Glatzköpfe dem antifaschistischen Schwarm etwas zu ihrer Verteidigung entgegen. Es war eine Wechselwirkung des Geschreis wie von Berserkern, ein Kampf des Brüllens, eine kurzweilige Kraft-Demonstration; ein Gegacker, das irgendwie keiner wirklich gänzlich verstand. Wer könnte sich in der Lautstärke überbieten und wer gäbe zuerst klein bei? Wer dürfte hier wen Anschreien? Wer ist hier wohl der Klügere? An Aggressivität und Beschädigungsbereitschaft nahmen sich beide nichts. Nur weil ein aufgebrachter Organismus schrie, wurde die Gegenseite dazu gewissermaßen wie aufgestachelt, seinen Schmerz ebenso herauszuschreien. Und die Schreie waren mehr als bloße Stachel, obschon diese mitunter reichlich wehtun können, so glichen die Schreie, wie bereits erwähnt, brennenden Pfeilen. Und wenn Pfeile in den Körper eindringen, zumal wenn sie in Flammen stehen, verursachen diese, ob man will oder nicht, einen Schmerz, mehrere Formen des Unbehagens und in konzentrierter Empfindung sogar Zorn. Der Zorn, der dort pfeilschnell abgefeuert worden war, produziert nahezu identisch eine Art Gegenzorn, der nicht weniger als der Zorn, begründet und verursacht worden ist, und ebenfalls nach organisierter Vergeltung und triebhafter Rache drängt. Der Schmerz selbst speist sich aus den vielfältigsten Quellen des Alltags, der durch das lebensweltliche Interagieren der Menschen miteinander entstand, und er sich mitunter im Schmerzgedächtnis der Menschen wie einprägte. Im alltäglichen Erleben werden die verschiedensten Schmerzsituationen häufig ertragen oder verdrängt, viele Begebenheiten, die eine Art seelischen Schmerz erzeugen, wie Enttäuschungen, Vertrauensbrüche oder nicht zufriedengestellte Erwartungen werden zwar nicht ignoriert, aber unterbewusst ins Schmerzgedächtnis gewissermaßen wie eingelagert. Sodass auch der latent zugefügte Schmerz, der Schmerz derjenigen, welche zum Beispiel in ihren Arbeitsverhältnissen systematisch unterdrückt werden, der heimliche Schmerz der nicht Gehörten, der offene Schmerz der Missbrauchten, sich Stück für Stück in den Individuen aufschichtet und er in dieser Situation zwischen Anti-Faschisten und Faschisten den Anlass genutzt hat, sich zu bündeln, um sich wirkungsvoll zu veräußerlichen und zu entladen. Um die inneren Konfliktspannungen der Individuen zu mindern, schienen die Gegner, erwartungsgemäß, zu einem Hassobjekt erniedrigt zu werden. Die wechselseitige Anspannung wurde nach außen hin verlagert, sodass beide rivalisierenden Lager ihren inneren Frust, ihren Hass, sowie ihre Aggressionen konzentrierten und wie zornerfasst gegen die Angriffe der Anderen ankämpften. Der Zorn sowie der Gegenzorn, welche sich beidseitig in einem Spannungsverhältnis befanden, schienen beide nicht aus dem Nichts zu kommen, sondern viel eher aus einem Schmerzzustand resultierend, der in sich konzentriert den Schmerz zu Zorn verwandelt, mit der unbewussten Absicht durch die verschiedensten Ausdrucksformen des Zorns weiteren Schmerz in anderen Individuen zu erzeugen. Wie meine Mama bereits sagte: „Nur verletzte Seelen, können andere verletzen.“ Dieser produzierte Schmerz muss kein Schmerz sein, wie wenn jemand einen 5 Kilo Hammerschlag direkt gegen den Brustkorb des Anderen wuchtet, sondern sind es subtilere Formen des Schmerzes, wie das Gefühl des Abgelehnt- und Beleidigt-Werdens, die Empfindung des Ausgegrenzt-Seins, der Umstand, dass der Andere nicht als gleichwertiges Subjekt anerkannt wird, aufgrund anderer Meinung, anderer Lebensansicht, anderer Gewohnheiten und Verhaltensweisen. Mir scheint, dass je mehr Schmerz ein Individuum erleiden muss, ihm zu Unrecht angetan wurde oder es ihm von seiner Mitwelt aufgedrängt ward, desto eher transformiert sich der innere Schmerz in bewussten Zorn, desto eher geschieht ein Umschlag von der Quantität an Schmerz zu einer neuen Qualität an Zorn. Es ist dann eine Art Wechselwirkungsverhältnis zwischen Schmerz und Zorn und Zorn und Schmerz aktiv. Schmerz, der seine Veräußerlichung gegenüber anderen Lebenssubjekten findet, produziert einen gleichwertigen Gegenschmerz, sowie auch der Zorn, wenn er gegen andere Subjekte angewendet wird, einen äquivalenten Gegenzorn hervorruft. Und somit eine emotionale Spannung und Verspannung erzeugt. Einen Kampf. Einen Kampf der Emotionen. Einen Kampf der Ideologien. Einen Kampf der Unterdrückten gegeneinander. Dieser Kampf muss ein Kampf gegen die Unterdrücker werden. Ein Kampf gegen die herrschende Klasse, oder es bekämpfen sich weiterhin nur die Beherrschten untereinander, was nicht das Ziel der allgemeinen Befreiung des Menschen sein darf, sondern eine Möglichkeit darstellt, um seelisch, gruppenübergreifend wie kollektiv stärker zu werden.

Nach einer Weile ist die magere Gruppe von 150 Faschisten vollständig nordwärts in die Arthur-Hoffman-Straße verschwunden. Doch eine Vielzahl von Anti-Faschisten war immer noch in Rage. Ameisenflink rannten sie wieder zu Kurt-Eisner-Straße und versuchten einen Durchgang zu finden, um eventuell den Faschisten doch noch offen zu begegnen. Allerdings wurden sie von den bereits missmutig dreinblickenden Polizisten empfangen und aufgehalten. Weil die Polizisten in diesem Augenblick als ein leibhaftiges Hindernis wahrgenommen wurden und die Anti-Faschisten innerlich bereits tobten, fing die Phase der offensichtlich gewaltaffinen Aggressionsauslebung an. Anfänglich wurden die Polizisten geschubst und beleidigt, teils sogar provoziert: „Was soll das hier? Wieso beschützt ihr die Faschisten? Ihr Affen! Ihr aufgerüsteten Affen!“ Die Polizisten, noch unbehelligt von diesen Provokationen, schubsten nur vereinzelt zurück und ließen die Aggression in sich langsam aufköcheln. Wieder wurden Böller und Rauchgranaten von Seiten der Links-Extremisten gezündet. Doch diesmal greiften die Polizisten ebenso schnell zu Reiz- und CS-Gas. Um eine vorzeitige Eskalation frühzeitig im Keime zu ersticken, wurden mehrere Gaspatronen abgeschossen, und das Sondereinsatzkommando der Polizei ist dann in Formation gegangen. Sie hatten vermutlich Instruktionen erhalten, das Ganze nicht aus dem Ruder kippen zu lassen, und dem aufkeimenden Konflikt mit unbarmherziger Strenge und starrer Entschlossenheit entgegen zutreten. Die Konfliktsituation hatte sich nun zusehends in Richtung Karl-Liebknecht-Straße verlagert. Die herumrollenden und weißen Rauch ausströmenden Gaspatronen wurden von einigen aufgebrachten Aktivisten versucht, wieder in Richtung der Polizei zu schießen. Manche hoben sie sogar auf und warfen diese wieder zu den Polizisten zurück. Viele der Aktivisten hatten bereits wieder ihre schwarzen Masken über ihre Schädel gestülpt oder hielten sich ihren Schal vor den Mund, um die giftigen Gase nicht unmittelbar einatmen zu müssen. Doch der Wind wehte das Gas durch die gesamte Straße und die Antifaschisten wurden genötigt kurzzeitig zu flüchten. Penetrant und unangenehm kratze das Gas in den Augen, als hätte man zu viele Zwiebeln mit einmal geschnitten. Doch zu unserem Glück war es kein Senfgas gewesen. Hier und da hörte man angewidertes Husten. Wutausfälle und fanatisches Geschrei durchjagten die Luft. Als plötzlich, in diesem halben Durcheinander ein halbes Dutzend dunkelgrün lackierte Räumfahrzeuge, die aussahen wie Panzer bloß ohne Schießrohre vorne dran, und dicke, massive stahlgepanzerte Wasserwerfer von hinten heranrollten. Jetzt fingen die Anti-Faschisten an zu randalieren. Von den offenkundigen Drohfahrzeugen uneingeschreckt, wurden die metallischen Zäune niedergerissen, ein Haufen Flaschen wurden wieder geschmissen und mehrere Farbbomben in Richtung der Polizei gefeuert. In der Karl-Liebknecht-Straße bombardierte man die tonnenschweren Wasserwerfer mit einer Flut von Steinen und hier und dort fingen bereits die ersten Mülltonnen an zu brennen. Dicke, schwarze, CO2-reichhaltige Rauschschwaden stiegen zum Himmel hoch und es roch nach verbrannten Müll, Plastik und Unreinheit. Die Polizisten waren ebenso verunsichert wie wutdurchströmt, denn nichts scheint den deutschen Ordnungshüter mehr Ärgernis zu bereiten als Unordnung, Chaos und Nicht-Bestätigung von Erwartungen. Mit zorndurchflammten Herzen liefen die Aktivisten, Extremisten wie auch die gewaltfreien Anti-Faschisten durch die Straßen und leisteten der Polizei offenen Widerstand. Teilweise gewaltlos, zum Teil jedoch auch nicht ohne Gewalt. Die Polizisten schwärmten wieder in ihren Rudeln aus und versuchten einige der Gewalt-Extremisten zu schnappen. Die Wasserwerfer brachten sich in Position und spritzten ihren Wasserstrahl in eine verdichtete Menschenmenge hinein. Weil keiner vollständig durchnässt werden wollte, flohen sie schnell in alle Richtungen. Die Kreuzung von der Karl-Liebknecht-Straße und der Kurt-Eisner-Straße war nun zu einem Schlachtfeld geworden. Steine, unterschiedlichster Größe und Farbe flogen wie wild geworden herum. Geantwortet wurde mit schmerzerzeugenden Wasserstrahlen, Reizgaspatronen und Schlagstöcken. Immer lauter und bedrohlicher formulierten die Polizisten ihre Forderungen, dass die Aktivisten hier verschwinden sollten, immer schriller und lauter brüllten die Aktivisten zurück, dass sie die Fresse halten sollten, und sie sich nichts von solchen Gewalttätern sagen ließen. Es war wie ein Katz und Maus Spiel. Wenn die einen mit einem Angriff attackierten, so wurde kurz darauf mit einem Gegenangriff reagiert. Wenn eine Gruppe eine Fluchtbewegung signalisierte, kam die andere Gruppe schlagartig gefolgt, um den Gegner nicht aus den Augen zu verlieren. Währenddessen wurden unzählige Fensterscheiben eingedonnert. Auf den Straßen brannten an die zwanzig oder dreißig Müllcontainer. Straßenbarrikaden waren aufgebaut worden und Kabelschächte wurden in Brand gesetzt. Nicht die Vernunft war hier am Werke, sondern die Affekte. Nicht der Wille zur Verständigung war hier aktiv, sondern der Wille zur Beschädigung. Und diese beschädigenden Affekte schaukelten sich durch die Provokationen und Gegenprovokationen zunehmend weiter auf. Es kam zu einer feindlich gesinnten Affektsteigerung. Eine regelrechte Zerstörungswut, eine innere Lust, ein Verlangen an der aggressiven Destruktion materieller Sachgegenstände wurde offenkundig; ein zerstörender Trieb war aktiv, eine Aggressionslust. Selbst bei den Polizisten flammten die Triebe auf und sie ereiferten sich an den Praktiken der Konfliktstrategien zur Abwehr von Gefahren und Eskalationen. Doch anstatt diese vernunftsgemäß einzudämmen, wollten sie den Gegenprotest so gut es geht zerschlagen, anstatt ohne Gewalt auf die Angriffe zu reagieren wurden ebenso einstudierte und langerprobten Gewaltpraktiken eingesetzt, um den Aufstand der Massen zu zerstören. Bis hin zur Nato erstreckte sich nun das Kampffeld. Bis hin zur Nato, wurde die Karl-Liebknecht-Straße in gewaltvoller Ekstase und Unruhe versetzt. Die Räumfahrzeuge fuhren mit großen Lautsprechern durch die Straße und warnten die Demonstranten vor weiteren Gewaltexzessen. Die Wasserwerfer fluteten die Massen in regelmäßigen Abständen mit einer gehörigen Portion nasskalter Flüssigkeit. Und die Rauchbomben vernebelten überall den Blick bis auf 50 Metern. Kleinste Glassplitter lagen auf den Gehwegen verstreut. Gerüste waren auf die Straße geschleppt wurden, und es knallten die Böller und zersplitterten scharf die Flaschen auf dem Asphalt. Es kam zu einer völligen Enthemmung aggressiver Triebe. Und weil der Protest sich bereits abgekoppelt hat von seiner politischen Motivation, schien die Gewalt zu einer Art Selbstzweck zu verkommen. Der Widerstands-Protest, zu dem von den Links-Politischen Gegnern des Faschismus aufgerufen worden war, um den politischen Zorn auf die Straße zu bringen, damit ein symbolisches Zeichen gegen die faschistische Weltanschauung gesetzt werde, verwandelte sich zunehmend in ein überbordendes Spektakel linksextremer Wuthandlungen und kippte alsbald in einen Akt irrationeller Gewaltausübung. Und in dieser aggressiven Triebauslebung, in dem mutwilligen Befeuern des äußeren Konflikts schien die innere aufgestaute Spannung nach außen hin abgebaut zu werden und es kam mehr oder minder zu einer Befriedigung unbefriedigter Triebenergien. Doch beschädigt wurden weniger Leute, Menschen oder Tiere als vielmehr materielle Sachgegenstände, die Unterscheidungsmerkmale der Besitzenden und Weniger-Besitzenden. Nicht das das nicht gewollte wurde, aber das Zerstören, um des Zerstörens willen, schien ein Gewaltausdruck zu sein, aus einer bereits inneren, zumindest partiell existierenden Verstörtheit. Dabei schien der offen ausgetragene Konflikt ein Konflikt um die Vormachtsstellung der Karl-Liebknecht-Straße zu sein. Wer hatte den eigentlichen Anspruch auf das Territorium, und wer müsste nur genügend Mittel und Gegenstände einsetzten, um seinen Anspruch zu verteidigen. Selbst die Polizisten waren nun keine pflichtbewussten Ordnungshüter mehr, sondern gewalteinsetzte Konfliktakteure, aktive Protest-Gegner, Aggressoren. Sie hatten die scheinbare Absicht, nicht unbedingt den Konflikt zu schlichten, sondern zu gewinnen. Dagegen wetterten aber die Protestierenden. Wie ein Sturm der Verdammten, wie ein Unwetter der Empörten donnerten die materialisierten Angriffe auf die Staats-Knechte ein. Steine hagelten auf die Polizisten und ihre Fahrzeuge nieder. Es zuckten wie wild-geworden die elektronischen Blitze durch das emotionale Gewebe der Massen. In voller Erregung durchströmten die Aktivisten die Straßen und versuchten der Polizei offen die Stirn zu bieten. In ungehinderten Angriffshandlungen wurden sie von ihrer eigenen Unzufriedenheit wie gejagt, wie getrieben, auf dass die selbst von ihren Gegner gejagt und getrieben wurden. Gleichsam wie auf einer doppelten Treibjagd. Einer Triebjagd. Die Polizisten fühlten sich jetzt als die Herrenmenschen persönlich. Selbst waren sie in der Gewissheit, bestens ausgerüstet zu sein. Mit dicken kugelsicheren Westen, glockenähnlichen Schutzhelmen, mit Reizgaspistolen und Schlagstöckern, hatten sie die meterhohen Wasserwerfer und die staatliche Legitimität zur Gewaltanwendung auf ihrer Seite. Teils in geschlossenen, teils in ungeordneten Formationen taktierten sie wie abgesprochen in diesem Katz- und Maus Spiel zu ihrem Nutzen und fühlten sich spürbar mächtig in ihrer Überlegenheit.
Sie konnten lautstark rumgröllen, fast rumpöbeln, scheuchten die friedlichen Demonstranten, welche gewaltlos in diesem Unwetter agierten, je nach Willkür und Laune durch die Straßen umher und ließen ihren persönlichen Frust an denjenigen aus, die sie für schwach empfanden. Dieses Hin und Her, diese wechselseitigen Versuche den politischen Gegner zu schwächen, seinen Kampfwillen zu brechen dauerten eine Weile an. …..und dann?

Nach einer gewissen Zeit jedoch versammelten sich die hartnäckigen Aktivisten wieder an der Kreuzung Karl-Liebknecht Kurz-Eisner-Straße. Es war bereits dunkel geworden und die Außen-Temperatur hat deutlich abgenommen. Der Wille der Aktivisten der Exekutiv-Gewalt des Staates Widerstand zu leisten, war immer noch ungebrochen. Sie ließen sich nicht durch Bedrohungen, Beleidigungen, Einschreckungen und einer aggressiven Angriffssprache vollständig in die Flucht schlagen. Sie waren zum kämpfen gekommen, und dieser Kampf hielt an. Komme was da wolle. Und sei es auch nur auf energetischer Ebene….bis sie…..
Vier riesige martialisch dreinblickende Wasserwerfer standen nun mitten auf der Kurt-Eisner-Straße, dicht neben einander gereiht und versperrten den Weg. Oben auf dem Dach der Fahrerkabine hatten sie jeweils zwei große Flutscheinwerfer aufscheinen lassen, sodass der Platz hellauf beleuchtet wurde. Ringsherum standen die Polizisten gesammelt, und rückten näher und dichter zusammen. In einem respektablen Sicherheitsabstand standen die Demonstranten in den drei übrigen Straßenmündungen und sammelten ihre Kräfte. Hier und da liefen uneingeschrockene Links-Extreme vor den polizeilichen Wasserwerfern umher, und zeigten den Bullen, hasserfüllte Parolen schreiend, den himmelwärts erhobenen Mittelfinger. Es sah aus wie ein Kampf zwischen Mensch und Maschinen. Wie David gegen Goliath. Wie die materialisierte Ungleichheit. Zwar waren die Demonstranten dem Polizeieinsatzkommando zahlenmäßig überlegen, vielleicht auch geistig, das gewiss, aber die Polizisten verließen sich auf die Maschinengewalt, die sie den Demonstranten von vornherein verboten hatte. Das sorgte für Angst und schmälerte die Bereitschaft aufs Ganze zu gehen. Und das wussten die Polizisten. Um die Massen zu kontrollieren, müsste in den gewaltabstinenten Demonstranten nur eine hinreichende Menge an Angst produziert werden, die das Aktionspotential hemmt, revolutionär aufzubegehren. Und wer Mittel und Methoden entwickelte Angst zu erzeugen, um die Angst und die emotionale Unsicherheit gleichsam zu kultivieren, handelt in der Absicht, seine uneingeschränkte Herrschaft zu konservieren. So auch die Polizisten. So auch der bürgerlich kapitalistische Staat. Er setzte Maschinen ein, die nicht davor zurückschreckten in den Angriffsmodus überzugehen und hielt somit die Aufbegehrenden in einen Zustand der Furcht und der persönlichen Existenzsicherung gefangen. Außer einige. Einige stellten sich mutig der maschinellen Bedrohung entgegen und spielten mit dem Risiko von dem Wasserstrahlen getroffen zu werden. Es war eine Mischung aus leichtsinniger, fast intuitiver Tapferkeit und einem zähen Widerstandswillen, aus protestierender Handlungsbereitschaft und offenvorgetragener Abneigung gegen die Polizei;
Den Brüdern und Schwestern, die sich uniformierten und andere zu zwingen versuchen.

Als wir diesem bereits etwas abgekühlten Spektakel aufmerksam zusahen, fingen wir mit einem neuen, jedoch bereits alten Spontanbekannten für uns an, zu imaginieren. Ein wenig. Wir stellten uns eine Szene vor, wie auf den hell beleuchteten Platz direkt vor unseren Füßen, repräsentativ ein Polizist gegen einen Aktivisten einen Eins-zu-eins-Kampf kämpfen würde, ohne die Beihilfe von seinen Kollegen oder irgendeiner maschinellen Technik, sondern wirklich ein fairer Kampf eins gegen eins, so wie damals im antikem Rom die Gladiatoren in den Manegen ihre Kräfte gegeneinander gemessen haben, um ihre Stärke zu beweisen. So wäre es sicherlich interessant gewesen zu erfahren, wer heutzutage aus in diesem Kampf siegreich hervorginge, und wer sich dem Sieger zu beugen hätte. Indessen sprangen die Demonstranten vor den Wasserwerfern herum und versuchten die Polizisten weiterhin unsachgemäß zu provozieren. Sie entblößten ihre Ärsche und pöbelten unverständliche Halbaussagen heraus. Derweilen stellten wir uns einen Stockkampf vor, ungefähr zwanzig Stockkämpfer auf der einen und zwanzig auf der gegnerischen Seite, mit langen, dünnen, aber robusten Holzstöcken, wie die Chinesen es manchmal machen, wenn sie zu Samurai-Kämpfern ausgebildet werden, oder wie die gekauften Protestteilnehmer es auf dem Maidan machten. Diese müssten sich dann, solange gegenseitig verprügeln, bis die eine Gruppe, aus kämpferischer Überlegenheit heraus die andere vollständig nieder prügelte und sich die andere Gruppe geschlagen zurückziehen müsste. Das wäre ein Kampf, wobei wirklich der strategisch sowie technisch bessere gewinnen würde; mit gleichen Mitteln und gleichen Vorraussetzungen. Was wir aber tatsächlich sahen, war eine Manifestation ungleicher Bedingungen und Kampfmittel. Eine verteidigungstechnisch hoch aufgerüstete Polizei gegen eine Menge von zu Verzweiflung und Ohnmacht neigenden Links-Aktivisten, bei der lediglich Vereinzelte ihre Gewaltaffinen Hemmungen beseitigen können und wirklich einen aktiven Widerstand gegen die Bewaffneten bewirken und leisten wollten. Der aktive Widerstand jedoch richtete sich von Seiten der extrem gewordenen Anti-Faschisten nur auf materielle Beschädigung und Chaosproduktion. Aus dieser materiellen Ungleichheit der Verteidigungs- und Angriffsmittel heraus, stellten wir uns mit meinem Nächsten, den ich während der Demonstration kennen gelernt habe, eine Hulk ähnliche Figur vor. Diese war bereits so dunkelgrün geworden, so von Chlorophyll gesättigt, wie die Blätterkrone eines Ahorn-Baumes im Spätsommer, und ebenso zornaufgeladen waren, als ob der entladene Zorn der Demonstranten ihn gleichsam mit Inhalt gefüllt hatte. Er trug ein schwarzes Stirnband um seinen grimmig dreinschauenden Schädel und eine riesige Good-Night-White-Pride-Tätowierung prangte auf seinem Rücken. An seinen Ohr hing ein Hello-Kitty-Ohrring. Wir stellten uns vor, wie diese Figur zu den dunkelblauen Wasserwerfern geht, diese unten an der Karosserie packt, sie hochstemmt, 5 Meter in die Höhe schleudert und mit einem gewaltigen Round-House-Kick etwa 20 Meter weit in die Straße hineinwuchtet. Und es scheppert. Es scheppert so laut, dass es kracht und es kracht so kräftig, als wüsste der Krach, dass er kracht und zwar brachial. Und das viermal hinter einander. Bei jedem einzelnen Wasserwerfer. Und jedes Mal, bei jedem Hochschleudern der tonnenschweren Metallautos brüllte er wie nur 8 Bären gemeinsam brüllen können. Begleitet von einem regen Beifall der Demonstranten, Von Jubelschreien und motivierenden Lobpreisungen. Die Polizisten, schreckenserfasst und besorgt, wären wie gelähmt stehen geblieben, allenfalls hätten sie ihm noch Platz gemacht, um seinen brodelnden Zorn nicht abzubekommen. Verschüchtert musterten sie diesen dunkelgrünen Titanen und blickten fast scheu und angsterfüllt dem maschinenzerschmetternden Treiben zu. Schlagstockhiebe oder Gewährkugeln hätten ihn nichts ausgemacht, da er jede Menge kugelsichere Muskeln besitzt. Und kurz nach der Aktion wäre er auch wieder verschwunden. Oh, wäre das ein Spaß. Welch niedergeschlagenen Gesichter die Polizisten wohl machen würden, wie gedemütigt die Hochmutigen wohl danach dreinblickten und welch ausgelassenes Fest dann wohl von Seiten der Demonstranten begänne. Es wäre wirklich ein schreckenbefreiendes Freuden-Spektakel. Eine zeitweilige Befreiung von der Polizeigewalt und der ausführenden Staatskontrolle. Ein erholsames, repressionsüberwundenes Aufatmen.
Doch anstatt dessen drohte eine aus den Lautsprechern dröhnende Ansage, dass der Platz innerhalb von 5 Minuten zu räumen wäre. Weitere Gewaltangriffe und Beamtenbeleidigende Provokationen werden nicht geduldet, sodass diese umgehend zu unterlassen zu seien hätten. Oder so ähnlich. Bei Nicht-Einhaltung der Warnungen sähen die Beamten sich gezwungen entsprechende Maßnahmen in die Wege zu leiten, die weitere Beschädigungen und Eskalationen zu unterbinden wüssten. Mit von, , …adel…höfisch….altbackend…..schlecht verkünstelte Herrschaftssprachlichkeiten…pups ….mit drohungen und einseitigen Gewalthlsgehabe das die Atmosphäre vergiftete …..ohhhh…pardon …gelaber…prämoderner Herrschschaftsignoranz und… …. Einige Demonstranten lachten lautstark auf, was fast wie ein wenig künstlich wirkte. Andere blickten unaufgeregt herum und schauten bereits, wo ein geeigneter Platz sei, um danach hingehen zu können. Die Polizisten standen in Gruppen gebildet, vor und neben den Wasserwerfern.
Dabei geschah etwas für den gesamten Abend ungewöhnliches und fast magisches. Mit der rührendste Augenblicke, den wir während der ganzen Demonstration wahrnehmen konnten, war, wie zwei scheinbar eingeschüchterte Polizisten, eine Frau und ein Mann, vielleicht ein Pärchen, dicht an dich neben den Anderen in ihrer Formation standen und klammheimlich Händchen hielten. In merklicher Nervosität drehten sie aufgeregt ihre Köpfe bald nach rechts, bald nach links und schauten, von welchen Seiten eventuell potentiell Gefahr drohte. Dieses blitzartig auftauchende Bild hat uns etwas sagen wollen. Ich hatte den Eindruck, dass ähnlich wie bei den friedlichen Demonstranten, denen die Gewaltexzesse, sowie die gesamte stattgefunden habende Treibjagd eine nicht zu unterschätzende Menge Furcht einflössten, die Polizisten ebenso nicht völlig angstbefreit in dem Wirrsal des Abends agierten, und Hilfe und Beistand bei ihren Nächsten suchten. Fest drückten sie ihre behandschuhten Hände ineinander und versuchten einander seelisch wie emotional zu unterstützen. In diesem Händchenhalten konnte man die menschliche Schwäche hinter den Masken sehen, die sich als Polizei tarnten. Dieses Händchenhalten symbolisierte sowohl Angst, als auch Stärke, versinnbildlichte eine Unsicherheit, die nur gemeinsam bewältigt werden konnte, sowie ein latentes Unbehagen, welches die Nähe des Anderen brauchte, um nicht alleine in diesem heillosen Durcheinander zu versinken. Hier offenbarte sich etwas, was während der gesamten Gegenprotest-Aktion am ehesten der Liebe ähnelte, die trotz der chaotischen Unordnung und Bedrohung, nicht zurückwich und standhaft blieb. In diesem Händchenhalten zeigten die Polizisten ihre wahre Stärke. Denn sie zeigten, dass sie mehr waren als bloße Automaten, mehr als emotionslose Befehlsempfänger, mehr als instrumentalisierte Erfüllungsgehilfen staatlicher Kontrolle, welche, wenn es Hart auf Hart komme, repressive Maßnahmen ergriffen, um die Oberhand zu behalten, nein sie zeigten, dass sie ebenso emotional, wie seelisch mit einander verbunden waren, Schutz, Sicherheit und Unterstützung bedürften und in erster Linie Menschen waren, fühlende Lebenssubjekte, ebenso verunsichert, beunruhigt, schutzbedürftig jedoch mehr oder minder vereint, um weitere Menschen zu wahren und nicht zu beherrschen.

Kurz darauf fingen allerdings die Wasserwerfer wieder an, ihr Wasser in die Menge zu schleudern. Augenblicklich dröhnte lautes Geschrei in der Atmosphäre. Erneut schepperte und polterte, rauschte und tobte es in der Menschenmenge. Die Polizei wollte der Veranstaltung endgültig eine Ende setzen und ohne nochmalige Warnungen oder Sicherheitsanweisungen gingen die Polizisten zum rücksichtslosen Angriff über. Die Demonstranten schienen verwirrt zu sein. Sie schienen von dieser negativen Überraschung fast wie überrumpelt zu werden. Mit solch einem radikalen Angriffsmanöver von Seiten der Einsatztruppe hätten sie nicht gerechnet. Die Einsatztruppe strömte ohne Umschweife pfeilschnell in Richtung der Demonstranten entlang und hatten nun angefangen den Platz vollends zu räumen. Sämtliche Demonstranten nahmen schnurstracks die Beine in die Hand und liefen was das Zeug hielt. Der Größtteil der Polizisten war alles andere als handzahm gewesen, sondern das schlichte Gegenteil war der Fall. Die Meisten waren spürbar gereizt und arrogant, unnachgiebig und cholerisch. Sie fühlten sich stark in ihrer geschlossenen Gruppe und machten sich ein Vergnügen daraus lauthals herum zu kommandieren, und aus ihrer Position heraus, die schwachen Demonstranten zu demütigen. Wir waren z.B. in eine Seitenstraße eingebogen. Es war bereits nachtdunkel geworden, doch an den Hauptstraßen brannte noch das Laternenlicht. Weil die Polizisten nicht lange mit sich diskutieren ließen, wollten sie, ob man wollte oder nicht, dass man ihren Befehlen folge zu leisten habe. Sie forderten z.B. einen Demonstranten aus der Menge auf, welche jetzt in sämtliche Himmelsrichtungen verstreut war, schneller zu gehen, nein viel eher sollte er laufen, schneller laufen, noch schneller laufen, rennen! Doch dieser sagte anfänglich, dass er nicht laufen könne, gehen ja, aber laufen überstiege seine Möglichkeit, da er etwas am Fuß habe, und er somit schlicht und ergreifend nicht befähigt sei, zu rennen. Er könne nicht umhin, weiter in dem Tempo, in dem er bereits lief, weiterzulaufen. Doch mehrere Polizisten spürten seine Unsicherheit, sie fingen an den Unsicheren zu umschwärmen und stachelten ihn auf, dass er gefälligst weiter laufen, schneller laufen solle. Doch dieser schrie zu seiner Verteidigung zuerst hysterisch, dann zunehmend verzweifelnd, dass er einfach nicht schneller laufen könne, es ginge einfach nicht, da er schlicht und ergreifen nicht in er körperlichen Lage dazu sei, weil er eine folgenschwere Verletzung an seinem Fuß habe, und ihn diese daran hindere, das Tempo zu erhöhen. Doch die Polizisten, die zunehmend gereizter und pöbelnder würden, fingen nun an, ihn anzurempeln, zu bedrängen, schubsten ihn in ihrer Horde hin und her und griffen ihn alsbald am Nacken, rüttelten in gewaltsam am Körper, und drohten ihm in herrisch einschreckender Tonlage: „Du sollst gefälligst schneller laufen! Hörst du! LOS! Lauf! Lauf! Oder du kannst was erleben. Lauf! Du Tölpel!“ Sie waren bereits innerlich wie aufgebracht, verärgert, ja fast wütend, weil er ihren Befehlen nicht gehorchte. Bis einer der Mitdemonstranten ihm hilfreich, um Beistand bemüht, herannahte und auf die Polizisten einreden wollte, dass er nicht schneller laufen könne, wie er bereits so oft sagte, und das sie doch aufmerksamer hinhorchen sollten, wenn jemand, der verletzt ist, mit ihnen spricht. Diese Aktion haben die Polizisten genutzt, um ihren Zorn von dem einen Demonstranten abzuwenden, um sich mit ihren Aggressionen dem Anderen zuzuwenden. Sie fingen nun an diesen Demonstranten unsachgemäß herum zu schubsten, zu bedrängen, am Kragen zu packen und zu bedrohen. „Was hast du gesagt?“ und sie stießen ihn beiseite, sodass der Demonstrant strauchelte und zu Boden stürzte. „Lass den liegen! Lass den liegen!“ Erschall es von mehren Polizeimännern. Er wurde mehrmals in dem Gerangel von einigen Polizisten, die in dem Rudel vorbei liefen, hastig getreten, rüde beschimpft, von oben nach untern unsachgemäß angeschrieen. Nach kurzer Zeit jedoch zerrte man ihn wieder nach oben und er wurde weiter in die Richtung getrieben, wohin ihn die Polizei haben wollte. „Verschwinde! Du Idiot! Sieh zu, das du Land gewinnst! Du Stümper!“
In unmittelbare Nähe brannte eine gelbe, umgestürzte Mülltonne. Einige Protestrufe erschallten noch gelegentlich in der Umgebung, doch es war nicht mehr die gleiche Intensität, wie noch vor 2 Stunden. Die Polizisten waren in ihrem Räumungmodus. „Verschwindet! Los! Verschwindet! Haut ab! Die Veranstaltung ist vorbei! Geht nach Hause! Los! Geht!“ und noch weitere Imperative mussten die Demonstranten anhören, welche ich hier nicht länger aufzählen möchte. Irgendwann waren die Aktivisten erschöpft, und auch die Polizisten gingen nach und nach die Batterien leer. Zwar sah man hier und da Vereinzelte, die immer noch nicht genug hatten, und hier und dort einige Steine aus dem Gehwegen herauswühlten, aber nach einer Weile sah man auch solche nicht mehr. Ich für meine Person verweilte kurzweilig auf der Höhe der Nato und stand an der Straßenbahnhaltestelle, wo die Glasscheiben vollständig nieder gekracht waren. Aus dem Süden kamen nun ungefähr 15 bis 20 Polizeiautos herangefahren, rollten dicht an mir vorbei, sodass ich sie nahezu atmen habe hören können, und sie fuhren weiter in die nördliche Richtung der Stadt. Ich beobachtete das polizeiliche Treiben, wartete bis alle an mir vorbei gefahren waren, betrachtete noch kurzzeitig das zurück gelassene Chaos ringsherum, die Sachbeschädigungen und die materielle Unordnung und wusste mir nicht anderes zu helfen als in den Innenhof der Feinkost zu gehen. Dort war ein veganer Weihnachtsmarkt aufgebaut worden, mit vielen leckeren veganen Speisen, warmen Getränken, umweltfreundlichen und fairtraide gehandelten Produkten und jeder Menge Zivilisten, die nicht wussten, nahezu nicht einmal ahnten, was draußen auf der Straße vor noch einigen Minuten passiert war. Ich begrüßte diesen augenblicklichen Situationswechsel und war erfreut, nach stundenlanger Anspannung, wieder erholsame Entspannung genießen zu dürfen. In diesem Sinne, Carpe Diem!


© Alexej


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