Guten Tag, ich bin die Seele des Staates. Als solche bin ich angehalten mir fortgesetzt Sorgen zu machen. Sorgen mache ich mir aber nicht nur, um den Erhalt einer gesunden Psyche insgesamt, sondern auch um den Fortbestand derer, die mich aufgebaut haben.

Das will heißen: mir sind die Hennen ganz wichtig, ohne die es keine Nester gibt. Hähne gibt es ja genug – Wasser- stolze- damische- und sonstige Hähne, Göckel halt hauptsächlich! Jeder von ihnen denkt an dumme Hühner, aber die sterben immer mehr aus!

Heutzutage gelüstet es die Hennen nicht einfach mehr nach großen Eiern, einem kleinen Nest und dem passenden Stall. Es gelüstet sie nach Paradiesvöglen, denn Vögeln im Paradies bietet mehr als den Fortbestand der lästigen Unarten. Frau kann ausweichen!

Denn auch Hühner sind quasi Menschen, ob das dumme Bauern nun wahrhaben wollen oder nicht. Sie lechzen nach Zuwendung im höchsten Grad! Ihr Gackern bleibt dabei selbstverständlich unbeeinflusst – davon hängt ja das Glück oder Unglück eines Staates auch nicht ab.

Das Glück eines Staates hängt davon ab, ob er seine Identität bewahren kann, oder nicht (immer vorausgesetzt, sie wäre jemals erfolgversprechend gewesen). Leider gibt es eine bestehende Identität aber nur, solange die Nester noch gefüllt werden.

Nun könnte ich, als die Seele des Staates einfach sagen: „Offiziell hat ein warmes Nest hierzulande gar keinen hohen Stellenwert, aber ich lege, pro Ei, einen Geldschein dazu, um es auszupolstern, das Nest. Das gefällt aber leider nur ganz dummen Hühnern!

Gebildete, wie auch eingebildete Hühner sehen in dieser Geste keine Aufwertung ihres Brutgeschäfts, sie fühlen sich einfach seelisch vernachlässigt – wie das bei Hühnern allgemein, von Natur aus, der Fall zu sein scheint. Man kann, aus der Perspektive anspruchsvoller Hühner, eben nie genug tun!

Andererseits gelingt es manchen Hähnen aber, durch allzu dreistes Auftreten, Schutz und Sicherheit in einer derart – im wahrsten Sinne des Wortes – blendenden Weise vorzuspiegeln, daß Hennen aller Art nur noch ans Legen denken und sich nicht mehr mit dem Denken anlegen.

Das befriedigt ebenfalls ungemein! Woher allerdings sollen die einheimischen, trieblahmen Mastgöckel, die schon eher an Kapaune, als an streitbare Federnträger erinnern, noch den aufrechten Gang hernehmen, der ihnen überall mühevoll aberzogen wurde?

Der ist doch schon entweder gar nicht mehr modekonform, oder alternativ, nur noch von besonders rücksichtslosen Exemplaren imitierbar – weil er aus dem Gengut bereits weitestgehend gestrichen worden zu sein scheint.

Den sollte man wieder rekultivieren können, man müsste also in Wirklichkeit das Volk im Allgemeinen eher entkulturalisieren, damit die männlichen Vertreter der Gesellschaft wieder etwas mehr „präsenter“ wirken (wie das Hennen so auszudrücken pflegen).

Dem stehen jedoch, zumindest im Augenblick noch, starke Hemmschwellen entgegen, aus anerkannt geltenden Moralbegriffen heraus. Nichtwahr?! Doch das bringt mich auf eine fantastische und sicherlich völlig richtige Idee: wir brauchen einfach einen anderen Glauben!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Die Seele des Staates 1"

Re: Die Seele des Staates 1

Autor: axel c. englert   Datum: 04.11.2015 15:00 Uhr

Kommentar: Ich wollt', ich wär' ein Huhn -
Scheint heut kaum opportun...

LG Axel

Re: Die Seele des Staates 1

Autor: Uwe   Datum: 06.11.2015 12:27 Uhr

Kommentar: Ja, "wir brauchen einfach einen anderen Glauben!"
Und nicht einen, der dem jetzigen Richtungen ähnelt.

Re: Die Seele des Staates 1

Autor: Uwe   Datum: 06.11.2015 12:31 Uhr

Kommentar: "m" liegt neben "n",
hn!
Also, "DEN jetzigen Richtungen".
Passiert nir micht mocheimnal, umd mum Alf, bim ich zufriedem, nit neimen Geschriebemem.

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