Alle Welt jappelt lauthals nach der Freiheit.
Jeder will dieses persönliche Lebensgefühl genießen, keiner Diktatur mehr zu unterliegen. Nie mehr einen Diktator!
Oder eine einzigste und größste Partei!
Um eine so freie Gesellschaft zu erringen, gaben Menschen ihr Leben, wurden Regime gestürzt. Kaum ist das Werk vollbracht, der Diktator von einem ordentlichen Gericht verurteilt, oder in einem Asyl untergebracht, indem er seine mitgeführten Millionen verprassen kann, aber kein Volk mehr stört, da unterwirft sich der Revolutionär von Gestern einem anderen Regime.
Oft, ohne dass er es bewusst wahr nimmt.
Der Konsument von TV- Sendungen merkt es meist zu spät:
Irgendwann übernimmt das Programm die Führung!
Selbst Intimstes geschieht nach dem Wohl und Willen der Programmgestalter. Und es passiert freiwillig, ja jeder begibt sich selbst in diese Diktatur! Es geschieht leicht und fast beiläufig. Ein Druck auf die Fernbedienung und schon ist es passiert.
Sie sind drin!
Nein, nicht im Internet.
Im TV- Programm.
War es in früheren Jahren ein oder zwei öffentlich-rechtliche Sender, die den Sex in der Fußball- Halbzeitpause kreierten, sind es später die privaten Sender geworden, deren Programme zum Beispiel den gemeinschaftlichen Gang zur Toilette organisierten.
In den Neubaublöcken und Mehrfamilienhäusern erhöhten sich schlagartig Wasserverbrauch und eine eindeutige Geräuschkulisse durchdrang die so dünnen Trennwände der Geschosse und Aufgänge.
Gelackmeiert war immer derjenige, der in der untersten Etage wohnt, da alles von oben geräuschvoll hinter ihm einen Knick in der plastilinen Abwasserleitung passierte. Die Vorstellung dessen, was hinter ihm geschah, ließ ihn oft genug sein eigenes Werk nur unvollkommen vollziehen, was am Ende auch zu gesundheitlichen Schäden führte.
Hier war er endlich, der Beweis dafür, dass Plattenbauten gesundheitsschädlich sind. Aber nur im Zusammenhang mit TV- Sendern.
Den Besitzer eines Eigenheimes konnte solches nicht passieren, aber sein Lebensweg wurde an solchen Abenden auch vom Rhythmus der TV- Programme bestimmt. Der Gang vom Wohnzimmer in die Küche und wieder zurück in das Wohnzimmer, wahrscheinlich mit einer neuen, vollen Bierflasche in der Hand oder einer neuen Chiptüte wurde für den Außenstehenden anhand der an,- und ausgehenden Zimmer,- und Flurbeleuchtung nachvollziehbar, die Abschirmung der eigenheimlichen Intimität transparent. Das eigen Häuschen an sich ad absurdum geführt.
Die Bemühungen der Diät - und Nahrungsergänzungstoffeindustrie ebenso, wie die finanziellen Aufwendungen der Konsumenten.
Auch die Haustiere wurden einbezogen, obwohl in den seltensten Fällen Tiere Konsumenten von TV- Programmen sind.
Gassi - Gehen im TV - Takt.
In jenem Eigenheimviertel gingen schlagartig die Außenbeleuchtungen an, so verriet es der milde Lichtschimmer, der plötzlich über der Region erschien, während im Elektrizitätswerk ein geringer Zeigerausschlag den plötzlich erhöhten Strombedarf signalisierte.
Was war also in den Plattenbauten und Einfamilienhäusern vor sich gegangen ?
Vor vielen, vielen Jahren gab es Tageszeiten, da waren die Straßen eines Ortes, sei es nun Dorf oder Stadt wie leer gefegt.
Während man vergeblich versuchte, von einem Passanten eine Auskunft über Weg und Ziel zu bekommen, es war ja keiner Passant, konnte man in den Fenstern der Wohnzimmern jenen silberhellen Lichtschimmer beobachten, den die Fernsehröhren jener Zeit von sich gaben. Es war gegen 20,15 Uhr und ein "- Straßenfeger -" war auf Sendung.
Alle Menschen, sogar Nachbarn suchten Nachbarn auf, denn nicht jeder Haushalt hatte zu jener Zeit einen eigenen Fernsehapparat, waren vor einer solchen Schwarz-Weiß-Kiste versammelt und vom Geschehen auf dem Bildschirm fasziniert. Am längsten hielt sich dieser Effekt durch die Übertragung von Fußballspielen.
Das ist heute etwas anders, den "Straßenfeger" wie damals gibt es heute sehr, sehr selten. Von der Ausnahme Fußball einmal abgesehen. So gesehen wäre die Diktatur des Fernsehers eigentlich beendet, aber sie ist es nicht wirklich. Sie hat sich weiter entwickelt. Insbesondere seit es die privaten TV- Sender gibt, ist sie nahezu unheimlich perfektioniert worden.
Wissen sie eigentlich wodurch?
Richtig! Es ist die Werbung!
Na, fällt es ihnen jetzt auch wie Schuppen aus den Haaren?
Nach den ersten sieben Minuten des –vielleicht- interessanten Filmes donnert ihnen die Werbung ins Haus oder besser in ihr Wohnzimmer. Ihr Fernsehgerät entwickelt ein Eigenleben, was die Lautstärke anbetrifft.
Die Werbung will laut sein! Sie haben ihren Fernsehapparat leise gestellt? Der Nachbar soll sein eigenes Programm sehen dürfe?
Nichts da!
Lächerlich! Jetzt kommt die Werbesendung.
Ob Damenbinde oder andere Details des Intimlebens von Mensch und Tier, hier kommt sie: Laut und aufdringlich!
Werbung!
Was nun folgt, wissen wir alle.
Während sich der eine Teil der fernsehsehenden Menschheit auf den Weg ins Bad macht, erreicht ein anderer Teil bereits die Küche und den Kühlschrank.
Einem ganz anderen Teil läuft die Galle über.
Er schreibt seinen ersten Protestbrief an die entsprechende Fernsehanstalt oder Fernsehfirma, bekommt zwar keine Antwort, hat aber das Gefühl etwas unternommen zu haben.
Mit diesem Gefühl oder dem Gefühl in den nächsten Minuten nichts auf´s WC zu müssen oder mit dem beginnenden Völlegefühl einer guten Zwischenmahlzeit versehen, geht es an den nächsten Teil des – vielleicht- interessanten Filmes.
Die Handlung auf dem Bildschirm driftet diffus oder geradezu direkt auf einen Höhepunkt zu, ihre Hand verharrt gebannt über dem Aschenbecher oder der Keksdose oder der Chips- Schale, ganz leise flüstert die Hauptdarstellerin die entscheidenden Worte,
da knallt ihnen die Dame in den engen Höschen zu, dass irgendeine Molkerei aus irgendwelchen Milchresten und irgendwelchen Obstsäften die Vitamine anbietet, die ihr Körper inzwischen sowieso nicht mehr verkraften kann.
Oder es ist Bohlen.
Der ihnen süffisant die Zähne bleckend irgendwelche Unwahrheiten als Wahrheit verkaufen will.
Was machen Sie? Wie von Ferne gesteuert?
Lesen sie einfach weiter oben noch einmal nach.
Die eine Hälfte, die in der ersten Werbepause auf dem WC saß, geht –bis auf Opa Krause, der hat eine ausgeprägte Blasenschwäche – in die Küche und versorgt das Wohnzimmer mit Nachschub.
Die andere Hälfte macht, was sie ja inzwischen mit Sicherheit erahnen oder gar aus eigenem Erleben wissen.
Und, ach so, das habe ich vergessen: Bevor jetzt der eine zur Küche und der andere ins Bad marschiert, wird die Fernbedienung zur Hand genommen, der Ton ausgeschaltet oder zu mindestens wieder so leise gestellt, wie es für das Anschauen des Abendfilmes ausgereicht hatte.
Und alles geschieht fern gesteuert.
Sie springen an, wenn es der Programmdirektor vorgesehen hat.
Werbepause für Werbepause funktionieren sie so oder so ähnlich.
Nun könnte die Frage entstehen, wie man dieser Diktatur eigentlich noch entkommen kann.
Weiter Protestbriefe schreiben?
Hat kaum einen Sinn, die Sender können eher beweiskräftig erkennen, wer wann und wo ihr Programm und damit auch die Werbung sieht und können das sogar noch ihren Werbe- Kunden nachweisen und das alles auf unsere Kosten.
Außerdem bekommt die Deutsche Post noch ihr überhöhtes Porto in den Rachen geworfen. Anrufen hat übrigens ähnliche Effekte und außerdem bekommen sie ja doch nur irgendwelche Hausfrauen oder Studenten an den Apparat, die in irgendeinem Call- Center sitzen und so allgemeine Antworten geben müssen, das ihnen nur ein weiteres Galle überlaufen passieren kann.
Gut, alles ist wieder im Wohnzimmer oder wo anders, auf jeden Fall vor dem Fernsehgerät angekommen und erwartet das Ende des Werbeteils.
Wie soll es nun weiter gehen?
Das nächste Detail des – vielleicht- interessanten Filmes aufnehmen, um sich wieder von einer so blöden Werbegeschichte ärgern zu lassen?
Einen anderen Sender einschalten?
Damit kommen sie höchstens in den Genuss eines zeitlich verlagerten Werbezyklus.
Oder sie bekommen einen Film serviert, der ihnen das große Gähnen in den Kinnmuskel treibt.
Den Fernseher ausmachen?
Huhh!
Na Sie haben vielleicht revolutionäres Potential.

Dann gehen sie doch gleich

in´s Theater !


© Rainer Pick


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Beschreibung des Autors zu "Das schöne Wort FREIHEIT"

Was vielen im Fernsehprogramm stört, sind keineswegs immer die schlechten Filme, die ollen USA-Schinken oder mit heißer Nadel gestrickte TV- Krimis, die den Namen Krimi eher nicht verdienten. Es ist etwas aderes!

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