Das IV. Reich


„Ich gestehe mir ein daß ich glücklich bin“ verkündete der Herrscher des Reiches und „in meinem Dunstkreis geht die Sonne nicht unter“, dann wendete er sich unter donnerndem Applaus von der Menge ab, die er soeben unterrichtet hatte und begab sich in seine Gemächer. Dort erwarteten ihn die 333 Jung-Frauen seines Harems. „Oh“ flöteten sie und noch einmal „oh, es kommt der Herr der Herrlichkeit“.

„Jetzt bloß nicht schwach werden“ sagte sich der Herrscher, „du hast viel Arbeit vor dir liegen“. Und das stimmte. Da lag sie buchstäblich vor ihm zu seinen Füßen, die „Arbeit“, nein, der Lohn seiner Bemühungen war es, in die er so viel Schweiß investiert hatte. Nun würde er daran gehen etwas anderes als Schweiß abzusondern, etwas, das als die Bestätigung seines Erfolges in die Geschichte eingehen würde, als die verkörperte Weiterführung seiner Prinzipien. Das erträumte er sich jedenfalls. Immerhin war der Herrscher Regent über das Erfolg-Reich, dem geilsten Reich auf der ganzen Welt. Es war so groß, daß es von Horizont zu Horizont reichte, egal wo man auch stand auf der Erdkugel und gleichzeitig so klein, daß man es in Form von Kreditkarten bequem in der Tasche tragen konnte.

Seine Untertanen wohnten überall, wohin man auch sah und ihre Blicke taten ihm gut, waren sie doch Balsam für seine Seele… Denn sie strahlten genau jenen Grad an Devotion aus den er für sein Vorhaben brauchte. Das bedeutete Selbstbestätigung am laufenden Band. Ein Gefühl das man einlösen konnte. Eine stabile Währung für die schlicht alles zu erwerben war. Es durfte nur nicht ins Wanken geraten, dieses Gefühl…

Aber das Wanken, so gelobte der Herrscher – und das auch noch öffentlich – wolle er getrost anderen überlassen. Denjenigen nämlich, die in der großen Lebenslotterie das Los mit der Aufschrift „Diesmal war es nichts“ gezogen hatten und infolge dessen auch erfolglos geblieben waren. Denen, die von einer gewissen heißen Flüssigkeit verfolgt wurden, von diesem Etwas mit dem unaussprechlichen Namen. Früher wurde es verwendet um es dem heranstürmendem Kriegsvolk von der Mauer herab über die Köpfe zu gießen.

Das Wort dafür sollte dem Herrscher nie, niemals über die Lippen kommen, denn wer es ausspricht der hat es, so meinte er.
Denn er sei Realist, durch und durch, behauptete er stets, Aberglaube käme für ihn gar nicht in die Tüte, aber wer daran glaube es gäbe dieses…dieses…“Ding“, dieses „Material“ überhaupt, der lasse es auch über sich kommen und dann brauche er sich nicht wundern wenn es ihn verfolge.

Seine Untertanen hörten ihm gerne zu, denn sie waren samt und sonders mehr oder weniger verzweifelt und sie verzweifelten (pfui) auch geradezu an sich selbst, denn es wollte ihnen einfach nicht gelingen erfolgreich zu sein und so nahmen sie sich ein Beispiel nach dem Anderen, an ihrem herrschenden Vorbild. Und sie zahlten ihren Tribut! Der Herrscher sah das mit gnädigem Stolz, konnte er doch darauf wetten dass seine Leer-Schriften (Mein Krampf 1, Mein Krampf 2, Mein Krampf 3 usw.) reißenden Absatz fanden.

Sein Haus am See platzte bereits aus allen Nähten. Die dinglichen, die lebendigen Reichtümer der Erde häuften sich ohne Unterlass in Magazinen, Garagen, Hallen, Zimmern und Gängen. Die Wellness-Bereiche erklangen in hellem Frauengezwitscher, die Bibliothek war vom Murmeln ernster Unternehmerstimmen erfüllt, die immer damit beschäftigt sind, die Welt unter sich aufzuteilen und Regierungsämter zu gewähren. Und der integrierte Kindergarten füllte sich alljährlich mit einer neuen, fröhlichen Schar munterer Erben, deren spätere Doktorabreiten bereits jetzt schon von den Universitäten vorbereitet wurden.

Doch das tangierte ihn heute alles nur peripher. Heute hatte sich der Herrscher für den Rest des Tages freigenommen. Freinehmen bedeutete für ihn auch Freiheit von seiner Rolle. Er musste es einfach wieder tun: back to the Roots! Dafür zog er sich sogar um. Klammheimlich hatte er sich diesen Matrosenanzug machen lassen. Blaue Jacke, kecke Mütze, kurze Hosen. Darin sollte ihn niemand sehen. In seiner Limousine mit den schwarzgetönten Scheiben zog er sich um. Dann fuhr er in die Stadt. Er hielt vor einem Haus mit roten Laternen an der Einfahrt. Auf dem Klingelschild stand in goldenen Lettern „Madame Mom“.

Der Herrscher im Matrosenanzüglein stieg aus und klingelte schüchtern. Sofort wurde geöffnet. Ein kleines Mädchen um die 40 öffnete ihm freundlich: „Putzi, endlich kommst du mal wieder vorbei. Nur schnell rein mit dir - Mom erwartet dich schon“.

Mit ängstlich pochendem Herzen näherte sich der jetzt ehemalige Herrscher dem großen, dunklen Portal hinter dem ihn, wie er wusste eine mächtige Frau mit graugefärbten Haaren erwartete. Er schluckte, dann trat er ein. Zum Glück streckte sich ihm (wie immer) eine weibliche, grobe Hand entgegen… „Mein armer, kleiner Bub“ sagte eine rauchige Stimme, „ich hab schon gehört was du wieder alles angestellt hast, in der Zeitung steht ein blauer Brief nach dem andern an dich. Dafür werde ich dich ein kleines bisschen bestrafen müssen“. Der Herrscher weinte bitterlich „gewiss Mom“.

Kein Ton – außer einem kaum hörbaren, lang anhaltenden Wimmern vielleicht – war daraufhin in den heiligen Hallen der hohen Frau zu vernehmen…bis nach 3 Stunden ungefähr das Portal wieder aufflog und eine zornige Stimme durch den Flur donnerte: „Wann wirst du endlich mal die Verantwortung für dein Handeln übernehmen?? So kann das doch nicht weitergehen mit dir!! Ich schäme mich für dich!

Geknickt doch erfrischt, innerlich wieder hergestellt, verließ der Herrscher das geheimnisvolle Etablissement wieder, wobei er, je weiter er sich entfernte, Schritt für Schritt seine alte Größe zurückerlangte.
Das sanfte „ego te absolvo“ von Mom hörte er nur noch, weil er wusste daß sie es ihm jedesmal gütig nachschickte.

Auf der Heimfahrt lauschte er im Auto noch den gesetzten Tönen des bekannten Schlagers eines Sängers der sich selbst „Baron“ nannte…“wir sind geboren um zu herrschen mit den Wunden jeder Zeit“. Er fragte sich nicht, warum der „Baron“ ausgerechnet das Wort „jeder“ verwendet hatte, sondern hörte wieder auf mit dem Denken – jetzt zählte wieder nur noch der Erfolg!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Das IV. Reich"

Re: Das IV. Reich

Autor: Doris Demski   Datum: 15.04.2014 10:11 Uhr

Kommentar: gefällt mir³
LG D.D.

Re: Das IV. Reich

Autor: Alf Glocker   Datum: 15.04.2014 14:57 Uhr

Kommentar: Oho! Danke sehr! Auch für das kleine Zeichen über dem Mir. Das ist nicht nur ein besonderes Lob, das hast Du auch fein hingekriegt, liebe Doris.

LG A.G.

Re: Das IV. Reich

Autor: noé   Datum: 15.04.2014 22:59 Uhr

Kommentar: gefällt mir²
Das ³ würde es von mir bekommen, wenn Du Dich Deiner Lesegenuss schmälernden Fehler annehmen würdest, lieber Bruder.
BiSi

Re: Das IV. Reich

Autor: noé   Datum: 15.04.2014 23:00 Uhr

Kommentar: ...außerdem MAG ich den Grafen...
BiSi

Re: Das IV. Reich

Autor: Alf Glocker   Datum: 16.04.2014 7:48 Uhr

Kommentar: jaja, die Fehlerchen - gar schröcklich ist die Schreiberei!

CraBro

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