Antony Carl Dödelbröd, von seinen Freunden, wegen der ihm eigenen weltfremd-dämlichen Art zu philosophieren, nur Alf genannt, wünscht sich wieder einmal mehr zurückgeblieben zu sein. Zurückgebliebene haben’s einfach leichter, meint er. So, wie beispielsweise Fettie, sein Nachbar auf der Südseite. Den erschüttert rein gar nichts!

Sein Grundstück ist eine Wohltat für Einfältige, denkt sich Alf. Fettie hält es, ein paarmal im Jahr, rein! Er geht mit einem kleinen Flammenwerfer – wie das Ding wirklich heißt, weiß Alf nicht – durch sein Areal und verbrennt sämtliche Pflänzchen, die es gewagt haben, den Kiesboden zu verunzieren. Danach sprüht er Insektengift. Kein Unkraut! Kein Ungeziefer! Bei ihm haben sie jedenfalls kein Glück!

Das einzige, was Fettie gerne auf seinem Grundstück sieht, sind die beliebtesten Erzeugnisse menschlicher Hochkultur: Autos! Davon besitzt er einige. Genauer: seine gesamte Familie, die das Mehrfamilienhaus bevölkert, ist groß und alle sind motorisiert. Seine Frau, seine Söhne und Töchter, die man kaum zu Gesicht bekommt – außer sie bewegen ihre Blechkarossen über das weitläufige Grundstück – machen allesamt einen schwammigen Eindruck. Allesamt können sie, bei allem was nicht die Finanzen betrifft, nicht auf 3 zählen. Und fast alle besitzen, außer einer schweren Limousine, noch einen komfortablen Wohnwagen.

Jedes Jahr geht es einmal im Konvoi nach Italien oder Kroatien,
wo sie, in Mannschaftsstärke, über einen Campingplatz herfallen, um auszuspannen. Was sie dort die ganze Zeit miteinander reden,
ob hier, im großen Mehrfamilienhaus, auf dem freigebrannten und vergifteten Grundstück, oder in den sonnigen Gefilden, ist Antony Carl Dödelbröd ein Rätsel. Sprache und Kommunikation ist nicht grade ihr Ding. Wahrscheinlich reden sie ja über’s Essen. Das ist naheliegend…

Hier, im Ort, beteiligen sie sich quasi stark an der Kommunalpolitik. Sie beschuldigen eifrig ihre Nachbarn, das Eine oder Andere an ihnen verbrochen zu haben, betreiben Üble Nachrede,
oder sie sprechen über den Maschendrahtzaun jemanden an, von dem sie etwas wissen möchten, das ihnen Vorteile bringen könnte. An jedem Wahltag gehen sie, sauber gekleidet, im Gänsemarsch zur Urne, um für die traditionelle Regierungspartei zu stimmen. Vorher waren sie brav in der Kirche und keiner kann ihnen nachsagen, dass sie jemals, in aller Öffentlichkeit unangenehm aufgefallen wären.

Von oben, aus der Luft, oder aus dem Weltraum gesehen, mutet ihr großflächiges Domizil wie eine Insel der absoluten Korrektheit an. Ein sauberes, rein weißes Haus ist umgeben von einer frischgefegten Kiesfläche, einer riesigen, betonierten Veranda und mehreren chromblitzenden Automobilen, sowie den dazugehörigen Wohnwagen. Eine einzige Yucca Palme, auf der Veranda zeugt geschmackvoll von der artig gezügelten Liebe zur Natur, die einem Zivilisationsmenschen gerade noch gut zu Gesichte steht. Ein Augenschmaus insgesamt!

Um die Fetties herum herrscht dagegen das pure Chaos! Reihenhäuschen mit geschmacklos-kitschigen Gärtchen bestimmen das Gesamtbild! Eine unschöne Ausnahme bildet eine grasgrüne Fläche, auf der Apfelbäume stehen. Allerlei blindwütig wucherndes Gesträuch tut überdies kund: hier wohnen Öko-Banausen, die nichts Besseres zu tun haben, als ihre wertvolle Freizeit nicht mit Fußballgucken, sondern mit Pflegen und Ernten zu verbringen. Dort ist es von unangenehm laut zwitschernden Vögeln und rolligen Katzen einmal abgesehen, totenstill! Kein Kraftwagen rangiert eindrucksvoll, keine elefantösen Wohnwagen werden, unter gegenseitigem Zurufen, gereinigt, geparkt, verschoben. Dafür gibt es dieses penetrante Summen der Insekten, Monat für Monat, bis es endlich wieder kalt geworden ist.

Alfs Garten setzt dem Ganzen die Krone auf. Er ist die schiere Schande! Gleich hinter Fetties Maschendrahtzaun, an dem sich im Frühjahr schon die Wicken, als Sichtschutz, hochranken, ist alles von den verschiedensten Pflanzen geradezu übersät. Auf seiner Wiese – er hat nicht mal genug Pflichtbewusstsein, um einen ordentlichen Rasen zu erzeugen – wachsen Gänse- und Dotterblümchen. Auch Männertreu (wie der dorthin kommt kann allerdings Antony Carl Dödelbröd selbst nicht sagen) gedeiht üppig, im Verein mit so mancher wilden Schönheit. Er hat auch nichts gegen Schlüsselblumen, Bärlapp und Huflattich. Im Schatten seines Garten-Ateliers dominieren 3 verschiedene Arten von Farnen. Eine alte Eibe, ein bizarrer Buchsbaum, ein schneeweiß blühender Kirschbaum, eine kleine Pinie, eine imposante Magnolie, sowie blühende Sträucher, als da sind, Kirschlorbeer, Weigelie, Hortensie und Hibiskus vervollständigen das obszöne Gesamtbild vollkommener Unordnung auf‘s Empörendste.

Wem sollte das schon gefallen?! Zudem wimmelt’s bei dem Verrückten Alf noch von Ameisen! Roten und gelben, versteht sich. Die kommen nicht so gerne ins Haus wie Schwarze. Auch Käfer in den schillerndsten Farben, Hummeln und einige seltene Wespenarten treiben sich in dieser unanständig-überladenen Fülle herum. Die Wildheit dieses Fleckchens Erde bewirkt jedoch z.B., daß die meisten Vögel der Umgebung hauptsächlich Alfs Garten aufsuchen, um Würmer aus dem Boden zu ziehen, die es dort zu Millionen zu geben scheint. Der größte Nachteil dieses kleinen Barbarenreiches aber ist, daß es von sämtlichen Katzen der Umgebung als Klo benützt wird. Nirgends lässt sich verträumter scheißen als dort.

Dafür und für die obligatorischen Streicheleinheiten, die man sich (so man Katze ist) bei Antony Carl Dödelbröd abzuholen pflegt, bekommt er dann auch grässliche, aber gut gemeinte Geschenke:
halbe, oder auch ganze Mäuse, mit, im Tod, aufgerissenen Augen und hervorquellenden Gedärmen – gelegentlich sogar einen ermordeten Singvogel! Alf trägt sie dann unter Tränen (= leicht übertrieben) zu Grabe, in die Mülltonne. Und dabei ist er sich seiner skurrilen Weltfremdheit, die vermutlich auch eine Untat ist, voll bewusst!

Fettie und sein Clan ist sich für derlei krasse Geschichten viel zu schade! Er bleibt in seinem ehrlichen Traditionsbewusstsein fest verwurzelt. Sein ausgeprägter Sinn für praktische Belange, beflügelt ihn, in der Ausübung seiner täglichen, echten Pflichten, gegenüber dem Bruttosozialprodukt – und niemals würde er auf die Idee kommen seinen Nachbarn auf der Nordseite seines Anwesens auch nur annähernd für voll zu nehmen. Gott sei Dank!


© Alf Glocker


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Beschreibung des Autors zu "Ein vorbildlicher Bürger"

Ähnlichkeiten mit lebenden, oder scheintoten Personen sind rein zufällig und haben nichts mit der Wahrheit (hunds)gemein.

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Kommentare zu "Ein vorbildlicher Bürger"

Re: Ein vorbildlicher Bürger

Autor: noé   Datum: 11.04.2014 8:59 Uhr

Kommentar: Da kann man nur hoffen, dass ebenjene Nachbarn des Lesens unkundig sind - ansonsten...
BiSi noé

Re: Ein vorbildlicher Bürger

Autor: Alf Glocker   Datum: 11.04.2014 14:13 Uhr

Kommentar: der ist des Lesens unkundig - da könnt' ich wetten...
...wenn nicht, bin ich dran :-)))

Alf

Ach, was sag ich - - den gibts doch gar nicht!!!!!!

Re: Ein vorbildlicher Bürger

Autor: noé   Datum: 11.04.2014 14:17 Uhr

Kommentar: Zitat: "Ich war's nicht!" ;o))
BiSi

Re: Ein vorbildlicher Bürger

Autor: Alf Glocker   Datum: 11.04.2014 14:19 Uhr

Kommentar: Genau!
Das glaubt der (den es nicht gibt) bestimmt!

CraBro

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