Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich Sciencefiction-Filme und -geschichten satt. In diesen mehr oder weniger banalen Szenarien wiederholt sich doch immer eine kleine ständig ähnliche Auswahl von Ideen.

Entweder bedrohen die Außerirdischen uns, oder sie kommen in friedlicher Absicht. Entweder sie sehen ähnlich aus wie wir, dann sind sie eher freundlich oder sie sind Feinde, dann haben sie Merkmale der Tiere, die uns am meisten ängstigen oder ekeln. Klebrige Tentakel, aus den Kiefern tropfenden Schleim, das Fehlen eines kuscheligen Felles oder Augen, welche die absolute Kälte und Mitleidlosigkeit eines KZ-Kommandanten ausstrahlen.

Eine Befürchtung jedoch wird niemals dramatisiert. Dass uns die ersten extraterrestrischen Besucher mit unserer eigenen Bedeutungslosigkeit konfrontieren könnten, mit der Belanglosigkeit all dessen, auf das wir so stolz sind.

Und zwar, indem sie mit uns kommunizieren. Plötzlich würden sie uns mit Gedankengängen überraschen, die uns nicht nur schlagartig die Grenzen unserer Intelligenz, unserer wissenschaftlichen Forschung oder unserer sinnlichen Wahrnehmungen aufzeigen würden, sondern etwas, was noch viel schrecklicher wäre – die Grenzen unserer Fantasie. Die Grenzen dessen nämlich, worauf wir ja besonders stolz sind, weil wir es für unerschöpflich halten.

Dass wir Pläne, Visionen, Hoffnungen haben können, selbst wenn, oder gerade, weil diese irrational sind. Dass wir in Form von Kunst das Edelste auszudrücken vermögen, was uns zu existieren scheint. Plötzlich würden sie mit einem Satz, einer einzigen Argumentationskette klarstellen, dass unsere Wissenschaft, unser technischer Sachverstand, gemessen am Ganzen nichtig sind.

Sie könnten es sogar auf eine so drastische Weise tun, dass uns nicht das winzigste Terrain verbliebe, mit dem wir uns den Rest einer eigenen Bedeutung vorspiegeln könnten. Den Rest dessen, was wir für unangreifbar wertvoll halten, Liebe, Treue, Vertrauen.

Bliebe nichts davon, wäre nicht nur der Wert unseres Wissens, sondern auch der unserer Vorstellungskraft in Frage gestellt.
Könnten wir das verkraften? Nichts, aber auch gar nichts bliebe von unserer Anthropozentrik übrig, auch nicht die winzigen Reste, die wir trotz heftiger Ablehnung solcher eigentlich aufklärungswidriger Gedanken tief in unseren Herzen bewahrt haben.

Jeder von uns hat Momente erlebt, in denen er das Gefühl hatte, dem unvorstellbar Großartigsten begegnet zu sein, das er sich vorstellen konnte. Der Johannes-Passion von Bach, der Lektüre eines Gedichtes von Rilke oder dem Anblick eines Monet-Bildes. Oder auch mit etwas ganz Anderem. Etwas kleinerem, einem Saxophon-Solo von Charlie Parker, oder etwas ganz Großem, einem jubelnden Friedensschluss zwischen zwei sich seit ewigen Zeiten bekriegenden Völkern.

Mit einem Schlage würden wir erkennen, dass alle Ziele, nach denen wir seit Bestehen der Menschheit gestrebt haben, plötzlich zerstäuben würden wie Sandburgen im Wind. Natürlich könnte es sein, dass wir dann glücklich über die Grenzen unserer Vorstellungskraft wären. Aber das gliche wohl eher dem Wohlgefühl eines Menschen, der glaubt keine Schmerzen zu haben, weil eine Narkose ihm deren Abwesenheit vorgaukelt.

Können wir uns vor dem Hintergrund dieser Gedanken einen Besuch aus den Weiten unserer oder gar einen ferneren Galaxis eigentlich wünschen? Oder wollen wir lieber Träumer bleiben, die sich weigern, aufgeweckt zu werden? Schläfer, die von eigenen Werten träumen?

Alles was wir für groß halten, hat doch in der Regel nur eine Funktion – nämlich uns zu zeigen, wie klein wir sind.

Vielleicht sollten wir uns unserer eigenen Bedeutungslosigkeit bewusst sein, um zuweilen ein wenig größer sein zu können. Um unserer Seele die Fähigkeit zu erhalten, sich hin und wieder auf die Fußspitzen zu stellen.


© Peter Heinrichs


1 Lesern gefällt dieser Text.


Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Über die Folgen eines Besuchs von Aliens"

Re: Über die Folgen eines Besuchs von Aliens

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 01.04.2023 12:48 Uhr

Kommentar: Hallo Peter,
mit Interesse gelesen.
Liebe Grüße Wolfgang

Kommentar schreiben zu "Über die Folgen eines Besuchs von Aliens"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.