Dummkopf oder nicht Dummkopf?


Ein Vater klagte einem alten Freund der Familie, der auch schon seinem Vater gute Ratschläge gegeben hat, sein Leid.

„Mein Sohn ist so schlecht in der Schule, ich weiß gar nicht mehr was ich machen soll. Manchmal schreibt er auch gute Zensuren aber meistens …
Er wird auch oft von anderen als Dummkopf bezeichnet, was ihn sehr traurig macht.“

„Ach ja“ seufzte der alte Mann „die Schule. Ein Fluch und ein Segen zugleich. Dazu fällt mir folgende Geschichte ein.

Es waren einmal zwei Brüder, die sich immer gegenseitig unterstützen. Auch in der Schule schrieben sie immer voneinander ab, motivierten sich und spornten sich auch immer wieder an.
Die Interessen und Fähigkeiten der Brüder waren allerdings sehr unterschiedlich.
Während der erste Bruder eher handwerklich und sportlich veranlagt gewesen ist, bevorzugte der zweite Bruder eher die Wissenschaft und die Bücher.

So kam es wieder einmal, dass eine große Klassenarbeit geschrieben werden sollte. Es wurden einhundert Fragen aufgegeben von denen am Ende Zehn davon abgefragt wurden.
„Einhundert Fragen? Das schaffe ich niemals.“ Sagte der erste Bruder verzweifelt.
„Nur Mut“ sagte der Zweite „Dann teilen wir die Aufgaben einfach auf. Du lernst zehn Aufgaben und ich die restlichen Neunzig. Dann machen wir es so wie immer.“ Dabei zwinkerte er seinem Bruder schelmisch zu.

Am Tag der Klassenarbeit kam aber alles ganz anders. In der Klasse gab es einen Wasserschaden und sie mussten die Klassenarbeit in einem anderen Raum schreiben. Dort ergab es sich, dass sie dieses Mal nicht zusammensaßen und somit auch nicht voneinander abschreiben konnten.

Der Zufall wollte es, dass genau die zehn Fragen abgefragt wurden, die der erste Bruder gelernt hat, so dass der zweite Bruder, der die restlichen neunzig Aufgaben gelernt hat, sehr ins Schwitzen gekommen ist und nur wenig der gestellten Aufgaben beantworten konnte was zur Folge hatte, dass der erste Bruder die beste Note bekommen hat und der zweite Bruder die Schlechteste.

Wer von den Beiden ist also der Klügere?“ Fragte der alte Mann mit einem Schmunzeln im Gesicht.

„Sicher, die Schule ist wichtig und wir lernen dort sehr viel. Allerdings bekommen wir dort nur Impulse zu Themen und Bereichen die unser Interesse wecken könnten.
Ich vergleiche die Schule gerne mit einer Bibliothek. Sie präsentiert uns allerdings nur den Klappentext zu einem Thema. Letztendlich entscheiden wir selber ob dieser Klappentext, oder dessen Präsentation durch die Lehrkraft, uns dazu verleitet, dass wir auch das ganze Buch lesen und uns von Ihm fesseln lassen. Andererseits stellen wir es zurück in das Regal und schlagen es nicht mehr oder nur widerwillig wieder auf.

Was ich damit sagen möchte,“ fuhr der alte Mann fort „nicht alle, die in der Schule schlecht sind, sind auch Dummköpfe wie auch anders herum Diejenigen, die gute Schulnoten geschrieben haben nicht unbedingt intelligent sein müssen.

In der Schule werden Grundkenntnisse vermittelt, Manchmal gut und manchmal nicht so gut. Ein großer Teil des dort vermittelten Wissens wird in der zukünftigen Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler gar nicht mehr benötigt.
Welcher Teil? Das weiß man vorher nicht, das stellt sich im Laufe der Zeit heraus.

Vieles von dem Gelernten, was dann nicht mehr benötigt wird, wird dann Allgemeinbildung genannt und die Menschen, die dieses Wissen nicht mehr abrufen können werden dann auch nicht selten als dumm bezeichnet. Was natürlich nicht wahr ist. Nur weil für Andere etwas von Bedeutung und Wissenswert ist, bedeutet es nicht, dass es tatsächlich für alle eine Bedeutung haben muss.
Jeder Mensch hat eigene Stärken und Interessen die entwickelt werden müssen. Auch dein Sohn. Unterstütze und bestärke ihn dabei, seine persönlichen Fähigkeiten auszubauen und zu vertiefen.

Wer die eigenen Stärken kennt, dem ist es meistens egal was die Menschen von einem denken die sich nur stark und klug fühlen, wenn sie andere herabsetzen können, weil sie sich selber für klüger, und wichtiger halten als die Anderen.
Und wer weiß, vielleicht haben diese Menschen auch nur diese zehn Aufgaben gelernt mit denen sie sich dann regelmäßig profilieren und denken, sie wären etwas Besseres.“


© Michael Jörchel


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Beschreibung des Autors zu "Dummkopf oder nicht Dummkopf?"

Bildung
Weiß nichts von Hegel und Vergil.
Weiß nicht wie viele Sternlein stehen.
Weiß auch von Händel nicht sehr viel.
Weiß nichts von Flüsse oder Seen.

Ich weiß nichts von den Quanten,
von Algebra, Physik, Chemie.
Wie gut der Schiller Goethe kannte,
das interessierte mich noch nie.

Muss ich denn zum Leben wissen,
was wer wann wieso gesagt?
Soll ich wirklich wissen müssen,
was mich später keiner fragt?

Muss ich denn Shakespeare rezitieren
um gebildet zu erscheinen?
Über Sartre diskutieren,
damit die Anderen Gutes von mir meinen?

Wer sagt, was heute Bildung ist?
Ist sie wie vor hundert Jahren?
Ist alles was ich weiß nur Mist
nur weil es die Anderen sagen?

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Kommentare zu "Dummkopf oder nicht Dummkopf?"

Re: Dummkopf oder nicht Dummkopf?

Autor: Jens Lucka   Datum: 11.01.2023 18:16 Uhr

Kommentar: Ich , lieber Michael, glaube, dass das Wichtigste in der Schule dazu führte, wie die Zahnräder des Gehirns zur Funktion gebracht wurden um unsere Persönlichkeiten in ihre Richtung zu eichen, mit einigen Grundkenntnissen und Interessenschubser fürs Leben. Der Eine oder Andere wird vielleicht erst Spät geweckt.

Sehr interessant sind deine Zeilen. Ist das schöne Gedicht auch aus deiner Feder ?

Liebe Grüße von Jens

Re: Dummkopf oder nicht Dummkopf?

Autor: Michael Jörchel   Datum: 11.01.2023 18:32 Uhr

Kommentar: Hallo Jens,
vielen Dank für deine Worte.
Ich denke auch, dass Schule die Kinder inspirieren sollte.

Allerdings weiß ich aus Erfahrung, die ich sowohl als Schüler als auch beruflich gemacht habe, dass Schule eher ein Ort ist in der in einer vorgegebenen Zeit, vorgegebenes Wissen vermittelt werden muss und die Kinder danach beurteilt werden ob sie dieses vorgegebene Wissen gelernt haben.
Oftmals wird dieses Wissen nur im Kurzzeitgedächtnis gespeichert, so dass das Gelernte auch schon nach der Prüfung vergessen wird.
Die Freude, Bildung zu erlangen bleibt somit viel zu oft auf der Strecke.
Einsparungen im Bildungswesen und ungünstig zusammen gestellte Klassen mit zu vielen Kindern tun ihr Übriges um die Schule als einen Ort des Zwanges erscheinen zu lassen was ich sehr bedauerlich finde.

Herzliche Grüße.
Michael

PS : Das Gedicht ist auch von mir.

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