Nudging

© Dan Prescot

Macenzie, CEO der Atlas Inc. sieht sich die neusten Umsatzzahlen seines Konzerns an. Dann stutzt er, als er eine Fußnote findet. Wühlt durch die Unterlagen, findet das entsprechende Sheet, rennt zum PC, linkt sich in das Berichtswesen seines Konzerns ein und studiert die Zahlen. Immer wieder wandert seine Aufmerksamkeit zu dem Zettel mit der Fußnote. Dann nimmt er sein Handy und drückt die Nummer seiner Sekretärin.
"Irene? Irene, ich brauche morgen einen Termin mit diesem Werksleiter in dem kleinen Nest bei Frankfurt. Mensch wie heißt der denn nochmal? Richtig! Ferguson. Schaffen sie mir den ran! 12:00Uhr? Nein, schmeißen sie die vorherigen Termine um. Ich will den Mann um 8:00Uhr hier sehen! Was? Nein, ist mir egal das es schon 21:00Uhr ist. Der soll herkommen. Von mir aus holen sie ihn mit dem Helikopter!"

*

Es klopft an der Eingangstür
„Kommen sie rein.“
Ein hagerer Mann, Mitte 40 in einem zerknautschtem, aber teuren Anzug schreitet durch die Zimmertür. Macenzies Blick folgt dem Mann, bis er etwa einen Meter vor ihm stehen bleibt. Beide Männer mustern sich.
"Ferguson, raus damit! Wie haben sie das gemacht? 35% Leistungssteigerung in einem Monat und das jetzt schon seit einem Quartal?"
Ferguson öffnet sein Jacket und grinst.
"Guten Tag Herr Macenzie, das war ein langer Flug."
"Hm, in Ordnung. Was möchten sie trinken?"
"Es ist zwar noch früh am Morgen, aber da ich ohnehin nicht geschlafen habe...
Whisky bitte, irischen."
Ferguson löst seine Krawatte und knöpft den obersten Hemdknopf auf.
"Also kein Zufall! Ich bin gespannt, sie haben meine ganze Aufmerksamkeit!"
Macenzie trägt das fingerbreit gefüllte, bauchige Kristallglas zu seinem Werksleiter.
Ferguson schwenkt das Glas, schnuppert daran und nimmt einen genießerischen Schluck.
„Was motiviert Menschen? Geld? Macht? Nein, viel profaner! Ursprünglicher…“
„Sex?“
„Fast. Ein wenig subtiler ist es schon, aber nicht schlecht. Pheromone, richtig gemischt in einem Cocktail der Arbeitswut. Nichts motiviert mehr, bis zur Erschöpfung.“
„Sie manipulieren die Belegschaft? Setzen sie unter Drogen?“
„Unter Drogen? Nein, sicher nicht. Manipulieren? Nein, eigentlich auch das nicht. Nur ein wenig anschubsen, mehr nicht. Es sind nur Duftstoffe. Wir setzen sie der aufbereiteten Luft zu. Ein wenig Adrenalin, ein bisschen Botenstoffe, eine Portion Wohlbefinden und…“
„Das soll alles sein? Nur ein paar Gerüche? Mehr nicht?“
„Mehr nicht. Ich schwöre!“
„Das ist wirklich alles?“
„Das ist es! Die Leute geben alles für die Firma. Vielleicht leidet das Familienleben von einigen etwas. Manchmal funktionieren Beziehungen oder Ehen halt nicht.“
„Mein Gott was sagen sie da? Ist Ihnen klar was sie da sagen?“
„Ja, natürlich. Ich rede von 35%iger Leistungssteigerung, nachhaltig. Zudem ist da noch Potential. Wir haben die richtige Mischung noch nicht gefunden. Aber hey, eins ist sicher: Unsere Werkhalle riecht besser als die meisten Ehepartner, zu denen unsere Werker nach Hause kommen!“
„Wissen sie was das bedeutet?“
„Natürlich, 40% sind durchaus erreichbar.“
„Nein verdammt, ich meine die Konsequenzen!“
„Was für Konsequenzen? Was habe ich denn getan? Fragen sie in der Belegschaft herum. Alle sind zufrieden und glücklich. Zum Teufel, keiner würde auch nur in Erwägung ziehen uns zu verlassen! Die Unternehmenstreue ich absolut! Sie geht über allem, wirklich allem.“
„Wie sind sie nur auf die Idee gekommen?“
„Beziehungen. Da kommt man nicht mal eben über eine Annonce dran.“
Ferguson hält sein Glas hin. Nach kurzem Zögern nimmt Macenzie es an und füllt es nach und bringt es Ferguson zurück.
„Ich höre.“
Ferguson lächelt, nimmt einen Schluck.
„Sie wartet unten, wollen Sie sie kennenlernen?“

*

Da gleichmäßige Klatschen der Rotorblätter macht Ferguson müde. Er hat mittler-weile seit fast 48 Stunden kein Auge zugemacht, der Whisky bei Macenzie tat sein Übriges. Sicher sie hatte ihm gesagt, dass wenn es passierte, es schnell gehen würde. Ferguson findet trotzdem das Macenzie überzogen reagierte, ihn einfliegen zu lassen. Einerlei, Macenzie gehört nun ihm, das hat sie ihm versprochen.
„Was passiert nun, jetzt wo er uns gehört?“
Sie nimmt eine Phiole aus ihrer Tasche, öffnet diese und fährt leicht mit dem Verschluss ihren Hals entlang der Arterien. Dann nach drei Atemzügen setzt sie ein Lächeln auf.
„Fergi, mein Lieber, ich habe noch zu tun. Willst du einen Augenblick draußen warten?“
„Bist du verrückt? Wir sitzen in einem Hubschrauber!“
Sie lächelt weitere drei Atemzüge und fährt sich mit einer Hand durchs Haar.
„Wenn ich dich doch lieb bitte?“
Ferguson öffnet die Tür und wartet draußen.


© Dan Prescot


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