Liebe Studierende und Freunde des Längs-, Quer- und Diagonaldenkens,

Der Mensch ist bekannterweise ein Augenwesen, er glaubt erst einmal das, was er sehen kann. Seine anderen Wahrnehmungsmechanismen sind zwar oft noch vorhanden, jedoch meist rudimentär verkümmert.

Kann er wie Wale ein einziges Geruchsmolekül über Kilometer hin wahrnehmen? Kann er sich, ohne einen Kompass zu Rate zu ziehen, wie viele Zugvögel nach dem Magnetfeld der Erde orientieren? Nein, anstatt die Ereignisse seines Umfeldes mit allen Sinnen zu empfinden, benutzt er Instrumente, deren Informationen er wiederum lediglich mit seinem Gesichtssinn wahrnimmt.

Demzufolge neigt er dazu, ein Individuum als eine optisch klar begrenzte Entität zu definieren. Der Körper eines Lebewesens endet dort, wo seine Haut, sein Chitinpanzer oder sein Federkleid dieses von der Außenwelt abgrenzt.

Natürlich, denn das ist es ja was er sehen kann, andere Bestandteile eines Wesens, die unter Umständen über die sichtbare Außenhülle hinausreichen, nimmt er optisch nicht wahr. Vielleicht sind ja diese unsichtbaren Bestandteile das eigentlich Wesentliche dessen, was die Definition eines menschlichen Einzelwesens zwingend umfassen sollte, gar nicht sein somatisches, also materielles Ich. Aber für fast alle von uns ist ein Individuum das, was er sichtbar optisch eingegrenzt vor sich hat. Ziehen wir wieder einmal ein Beispiel heran:

Wir wandern durch den Wald und sehen einen Ameisenhügel. Wir sehen hunderttausende von winzigen Tierchen geschäftig umher rennen. Es ist uns gar nicht klar, selbst wenn wir es in Biologiebüchern gelesen haben sollten, dass das Wesen, dass wir hier vor uns haben, nicht eine Ameise ist oder eine Vielzahl von ihnen, sondern dass das Lebewesen der Ameisenstaat ist. Die einzelne Ameise spielt dabei die gleiche Rolle wie die einzelne Zelle im menschlichen Körper. Wir kämen beim Anblick eines Menschen jedoch niemals auf die Idee auszurufen: „Oh das sind aber viele Einzeller, die hier durcheinander wuseln und in diesem Biohaufen wohnen!“

Jedes Lebewesen, ja eigentlich alles, was existiert, ist ein System, in dem Einzelteile sich nicht nur summieren, sondern in dem sie sinnvoll zusammenwirken. Und jedes dieser Einzelteile besteht wiederum aus kooperierenden Einzelteilen und so weiter, bis sich die Untersuchungen im subatomaren Bereich selbst den empfindlichsten Instrumenten entziehen.

Ein Mensch besteht aus Zellen, diese wiederum aus Molekülen, diese aus Atomen, diese aus Teilchen und so geht es weiter. Warum erweitern wir diese Skala der Systeme nicht auch einmal in die andere Richtung?

Gesellschaften sind Organismen, die durch das Zusammenwirken von einzelnen Individuen existieren, und diese Gesellschaften sind wiederum Bestandteile eines Supra-Lebewesens, das den gesamten Erdball bedeckt.

Sollten außerirdische Wesen irgendwann einmal auf unserer Erde landen, während wir noch hier sind, so schickten sie vermutlich folgende Botschaft nach Hause:

„Dieser Planet Erde ist belebt, und zwar von einem riesigen, den gesamten Erdball umspannenden Lebewesen, das über eine nur geringe Intelligenz verfügt, denn es zerstört sich und auch die Umwelt, in der es leben muss. Die Zellen in diesem Riesenorganismus kämpfen sogar gegeneinander, anstatt systemkonform zu kooperieren. In diesem Lebewesen, das in der Sprache der Erde „Menschheit“ genannt wird, existieren nämlich absurde Dissonanzen zwischen seinen einzelnen Teilen.

Sie nennen es Kriege, es gleicht aber eher Kämpfen zwischen Leber und Lunge oder zwischen Hirn und Enddarm. Im Körper dieses Riesenwesens „Menschheit“ existieren aufgrund dieser Störungen ständig Entartungen und Krebsmetastasen, also ein Verlust der biologischen Balance, der zweifelsfrei darauf hindeutet, dass das weltumspannende Wesen „Menschheit“ sich im Endstadium seines Lebenszyklus’ befindet“.

Würde ein solcher Bericht eines außerirdischen Besuchers nicht zu denken geben? Vielleicht ja auch Ihnen, also machen Sie sich bis zum nächsten Mal ein paar Gedanken darüber.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.




© Peter Heinrichs


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Beschreibung des Autors zu "Über den Menschen als Einzelzelle in einem Riesenorganismus namens „Menschheit“ (Episode 7)"

Ein weiterer Vortrag des legendären Professors Anatolm Schwurbelzwirn

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Kommentare zu "Über den Menschen als Einzelzelle in einem Riesenorganismus namens „Menschheit“ (Episode 7)"

Re: Über den Menschen als Einzelzelle in einem Riesenorganismus namens „Menschheit“ (Episode 7)

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 05.04.2020 21:55 Uhr

Kommentar: Lieber Peter,
ich habe deine Geschichte mal wieder genossen und bin ein großer Fan von Professor Schwurbelzwirn. Und ich hoffe, dass niemals Außerirdische auf die Erde kommen ... die würden aus Verzweifelung über uns Blödmänner sterben.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Über den Menschen als Einzelzelle in einem Riesenorganismus namens „Menschheit“ (Episode 7)

Autor: mychrissie   Datum: 06.04.2020 1:19 Uhr

Kommentar: Danke Wolfgang, es freut mich, dass Du die Diagonalgedanken dieses noch vor seinem endgültigen Durchbruch stehenden Mannes goutierst.

Ich werden gleich noch mal eine Beschreibung seiner Persönlichkeit folgen lassen. Ich glaube ich habe das vor längerer Zeit schon mal eingestellt, mittlerweile aber vielfach geändert.

Liebe Grüße Peter

Re: Über den Menschen als Einzelzelle in einem Riesenorganismus namens „Menschheit“ (Episode 7)

Autor: possum   Datum: 07.04.2020 0:13 Uhr

Kommentar: Ein tolles Werk wieder, lieber Peter!

lieben Gruß!

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