Niemand konnte sie verstehen: Niemand wusste, wie es mit so einer Mutter ist.

"Kann ich reinkommen?" "JA!"
Warum konnte ihre Mutter sie nicht einmal in Ruhe lassen? War es denn wirklich so schwer? Als ihre Mutter das Badezimmer betrat, räumte sie schnell alles zusammen und verließ so schnell wie möglich das Zimmer.
"Du brauchst nicht rauszugehen. Ich bin gleich fertig."
Sie lächelte schwach und beeilte sich in ihr Zimmer zu kommen um sich fertig zu machen. In einer Woche würde sie ausziehen. Dann müsste sie sich nicht mehr Abends nach hause schleichen um ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen.
Sie ging schnell die Treppen runter und schlüpfte unauffällig durch die Tür.

Bis zum Abend schlenderte sie durch die Stadt und ging danach in eine Bar.
Als sie nach ein oder zwei Gläsern beschloss nach hause zurückzukehren, trottete sie viel zu langsam zur Tram um dann so lustlos wie möglich einzusteigen.
"Nächster Halt: Gärtnerstraße!"
Sie erhob sich von ihrem Sitz und stieg aus der fast komplett leeren Bahn aus.
Nach weiteren 5 min unter dem klaren Sternenhimmel, kam das Mädchen zu hause an. Bei diesem Gedanken verzog ihr Gesicht sich zu einer Grimasse. Klick.
Und schon ging das scheußlich gelbe Licht, was die 20-jährige verabscheute an und erhellte den leeren Flur. Sie neigte ihren Kopf nach rechts und schaute in die dunkelbraunen Augen, die die ihrer Mutter so ähnelten und betrachtete nun ihre dünnen Lippen, die zu einem schmalen Strich zusammengepresst wurden.
Jeden Abend geht das so, jeden Abend aufs neue musterte sie sich und fragte sich, warum sie ihrer Mutter so ähnlich sieht.
Darauf bedacht keinen Lärm zu machen, schlich sie sich in ihr Zimmer und versuchte zu schlafen.
Als sie aber nach langem hin und her wälzen nicht einschlafen konnte, beschloss sie ein Buch zu lesen.
Beim Durchwühlen der Schränke, stieß die 20-jährige auf etwas, wovon sie nie gedacht hätte es jemals wiederzusehen. Ihr Tagebuch aus Grundschulzeit.
Während sie die teilweise zerrissenen Seiten durchblätterte und versuchte ihre Schrift zu identifizieren, wurde sie mit der Zeit immer verwirrter und fragte sich, wann sie so geworden ist.
Vor 14 Jahren noch bewunderte sie ihre Mutter, wie eine Prinzessin. Und jetzt? Jetzt schleicht sie sich nach Mitternacht nachhause um mit ihrer Mutter nicht sprechen zu müssen. Vor 14 Jahren liebte sie es dieser Frau, die ein paar Zimmer weiter tief und fest schläft, so ähnlich zu sehen. Vor 14 Jahren hat sie ihr alles anvertraut.
Sie könnte noch lange mit dem aufzählen weitermachen.
"Ich muss das sofort ändern!" Ohne nachzudenken sprang sie auf und ihre Füße trugen sie, ohne auf ihren Verstand zu hören, der ihr sagte dies nicht zu tun zum Zimmer ihrer Mutter.
Ohne anzuklopfen stürmte sie hinein, lief auf das Bett ihrer Mutter zu und umarmte sie so heftig wie schon lange nicht mehr. Nach einigen Minuten ließ sie los um sich zu entschuldigen, stellte aber fest, dass die Augen ihrer Mutter immer noch geschlossen sind. Sie verstand sofort.
Eine einzelne Träne lief ihre Wange hinab und kaum berührte diese die Bettdecke, folgen weitere. Zu viele um sie zu zählen und zu viele um sie zu trocknen. Sie ließ sie einfach kommen. Ihre tote Mutter fest in den Armen weinte und schluchzte sie. Das Mädchen hoffte, dass bald keine Tränen mehr kommen würden aber im Gegenteil. Je länger sie dort saß und über die letzten 7 Jahre nachdachte, desto mehr Tränen schienen aus ihren Augen zu kommen. Viel zu spät verstand sie, dass ihre Mutter nur versuchte die verlorene Bindung zwischen ihnen wiederherzustellen, die verloren ging, als ihr Vater vor 7 Jahren starb. Ohne jeglichen Versuch die Tränen aufzuhalten saß sie dort bis zum Sonnenaufgang. Sie wartete bis die Uhr 7 schlug um allem ein Ende zu setzten. Immer noch schluchzend schliff sie sich in die Küche, öffnete eine Schublade und nahm das Feuerzeug heraus. Ohne zu zögern entflammte sie es und berührte mit der Flamme die Stelle, wo ihr nun gebrochenes Herz lag. In all der Trauer sah sie den Brief auf dem Küchentisch nicht, den ihre Mutter ihr am vergangenen Abend schrieb. Ihre Mutter wusste, dass sie den Sonnenaufgang nicht mehr erleben würde.
Es war zu spät, zu spät für alles. Zu spät um die brennende Leiche aus dem von den Flammen zerstörten Haus zu holen, zu spät um den Brief zu lesen. Es war einfach zu spät.
Manchmal sind Menschen, wie Namen, die man in den Sand schreibt. Ein einziger Windstoß weht sie fort.

Schreibt mir bitte, wie ihr es gefunden habt.


© sweeties story


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Beschreibung des Autors zu "Feuer ist kein Ausweg, aber manchmal die Erlösung von allem Leid"

Die Bindung zwischen Mutter und Tochter st einzigartig, wie man sagt. Aber diese nicht. Sie möchte ausziehen. So schnell weg von ihrer Mutter, wie möglich. Aber als sie alles klar sieht ist es schon zu spät, denn man kann die Vergangenheit nicht verändern machen. Und in diesem Fall die Zukunft auch nicht.




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