„Das Märchen von den drei Schwestern…


Vor langer, langer Zeit lebte im Dörfchen Jakobshausen, der Holzfäller Johann Wenzel. Er wohnte mit seinen drei Töchtern in einer Lehmkate. Seine gute Frau war vor fünf Jahren an einer Krankheit gestorben, so das er allein seine Töchter großzog.
Seine Töchter hießen Blauäugelein, Braunäugelein und die Jüngste hieß Sonnenäugelein.
Blauäugelein war die Älteste, und sie war wie eine Mutter zu ihren beiden Schwestern. Braunäugelein, die Mittlere war am meisten der Natur verbunden.
Alle drei Mägdlein liebten sich und es gab niemals Streit untereinander.
Der Holzfäller war ein liebevoller Vater, der immer versuchte, seinen Töchtern jeden Wunsch zu erfüllen. Jedoch sein karger Lohn reichte nicht weit. Es war nicht verwunderlich, dass seine drei Töchter mitarbeiten mussten.
Sie arbeiteten immer fleißig, und oft sangen sie bei ihrer Arbeit.
Es war schon Herbst und die Blätter der Bäume färbten sich herrlich bunt.
Wenzel schickte seine Töchter in den Wald, wo sie Pilze suchen sollten.
In diesem Wald wuchsen viele leckere Pilze, und ihre Körbe waren fast gefüllt.
Plötzlich und unerwartet stand ein großer, brauner Bär vor ihnen. Die Schwestern zitterten vor Angst, und sie drückten dicht aneinander.
Auf einmal begann der Bär mit menschlicher Stimme zu reden. Er sagte lauthals: „ Blauäugelein komm zu mir, und zieh mir aus meiner linken Tatze den spitzen Stachel heraus.“
Ängstlich zitternd begab sich das Kind zum Bären, und es zog ihm aus seiner Tatze den spitzen Stachel heraus.
Der Bär sprach: „ Du bist ein gutes Kind, dir wird noch viel Gutes widerfahren.“
Danach verschwand er im Dickicht des Waldes. Die Kinder berichteten ihrem Vater nichts vom Vorfall im Walde.
Ihr Leben und das Leben ihres Vaters verlief in normalen Bahnen. Inzwischen war der holde Frühling gekommen. Die Himmelschlüsselchen mit ihren gelben Köpfchen waren überall im dichten Wald zu sehen. Der Vater schickte seine Kinder in den Wald, sie sollten Himmelschlüsselchen pflücken. Wenzel verkaufte sie dann an die Dorfbewohner. Die Dorfbewohner legten dann immer die Himmelschlüsselchen auf die Gräber ihrer Verstorbenen.
Die fleißigen Schwestern hatten viele Sträuße und sie waren auf dem Heimweg.
Plötzlich stand vor ihnen auf dem Waldweg, ein großer, schwarzer Wolf.
Er war grässlich anzusehen, denn seine Augen leuchteten wie glühende Kohlen und seine gelben Zähne waren zu sehen.
Die Mägdlein ließen vor Angst ihre gepflückten Sträuße fallen und sie begannen schluchzend zu weinen.
Der Wolf sprach mit menschlicher Stimme: „ Ich tue euch nichts.“ Er setzte sich danach auf seine Hinterbeine und sagte: „ Braunäugelein befreie mich von den Kletten, die ich auf meinem Rücken habe.“
Braunäugelein befreite den Wolf von seinen Kletten. Der Wolf sagte zu Braunäugelein dankbar: „ Du bist ein gutes Kind, dir wird noch Gutes widerfahren.“
Plötzlich war der Wolf verschwunden, wie weggeblasen. Die Mägdelein gingen nach Hause, und der Vater freute sich über die vielen Himmelschlüsselsträuße.
Die drei Schwestern berichteten nichts von der Begegnung mit dem Wolf.
Erneut wurde es Herbst, und die Nebelschwaden tanzen über
dem Wald und über die Felder. Der Herbst hatte reichlich Eicheln, Kastanien und Bucheckern mitgebracht.
Der Holzfäller Wenzel schickte nun seine Kinder in den Wald und sie sollten Bucheckern sammeln. Die Bucheckern wurden von ihm immer gemahlen, und unter die Grütze gemengt, und so konnten sie ihre karge Kost ein wenig strecken.
Die Schwestern mussten sehr weit in das Waldinnere gehen um die Buchenbäume zu erreichen. Bei den Buchen angekommen sahen sie, das viele Bucheckern verstreut auf dem Waldboden lagen. Sie sammelten diese in ihre Tonkrüge, und sie freuten sich über die reichliche Anzahl. Als sie wieder aufbrachen, begann es zu dunkeln, und sie schritten zügig von dannen. Aber was war denn das? Sie hörten ein lautes Grunzen aus der Dunkelheit, und dann stand plötzlich ein großer, zottiger Keiler vor ihnen.
Seine weißen Hauer wirkten Angst einflößend. Der Keiler sprach mit menschlicher Stimme zu den ängstlichen Kindern. Er sagte: „ Sonnenäugelein ziehe den Kiefernspan aus meinem Hals, er bereitet mir große Schmerzen.“
Sonnenäugelein entfernte vorsichtig den Kiefernspan aus dem Hals des Keilers. Der Keiler sagte: „ Du bist ein gutes Kind, dir wird noch viel Gutes widerfahren,“ und die Dunkelheit verschluckte ihn.
Die Mädchen kamen müde und durchgefroren zu Hause an. Sie behielten das Ereignis für sich, und berichteten nichts davon ihrem lieben Vater. Der kalte Winter hatte im Lande Einzug gehalten.
Der Schnee lag bis zum Fenster an der Lehmkate hoch. Viele lange Eiszapfen hingen vom Dach der Lehmkate des Holzfällers Wenzel. Der Raureif hatte in allen Bäumen glitzernde Figuren geschaffen.
Bei dieser strengen Kälte blieben Wenzel und seine Töchter in der Lehmkate.
Es gab für die Kinder nicht viel zu helfen, und die Adventszeit war schon angebrochen, und deshalb sangen die Mädchen öfter am Tag Weihnachtslieder.
Blauäugelein und Braunäugelein hatten einen schönen Adventkranz geflochten, den ihr Vater an der Decke im Wohnzimmer befestigte.
Der Adventskranz mit den vier roten Wachskerzen schwebte nun mitten im Raum.
Einen Tannenbaum hatten die Mägdelein auch schon geschmückt, und er stand in einer Küchenecke. Der Weihnachtsbaum war mit Nüssen, trockenen Apfelscheiben und Lebkuchensternen geschmückt. Die Baumspitze war mit Rosshaar verziert.
Das Rosshaar hatte Wenzel vom Dorfschmied bekommen. Der Tannenbaum hatte nur vier Wachskerzen, weil die Wachskerzen, zur damaligen Zeit sehr teuer waren, und bei dem Holzfäller und seinen Kindern immer „ Schmalhans Küchenmeister“ herrschte.
Es schneite täglich und der Schnee lag so hoch, dass der Weihnachtsmann nicht nach Jakobshausen zu den Kindern kommen konnte. Es musste flugs ein Ersatz-Weihnachtsmann gefunden werden.
Der Küster Klumpfuß erklärte sich bereit, den Weihnachtsmann zu spielen.
Die Sonne lachte am Himmel und trotzdem schneite es, und das am Heiligabend. Die Uhr im Weihnachtszimmer zeigte die vierte Stunde, des Nachmittags an.
Blauäugelein, Braunäugelein und auch Sonnenäugelein waren so ungeduldig, dass sie abwechselnd aus dem Fenster schauten, doch ein Weihnachtsmann war nirgends zu sehen.
Plötzlich sahen sie eine Weihnachtsmannmütze, und dann den guten Mann wie er sich durch den hohen Schnee durch kämpfte. Er trug einen Jutesack auf seinem Rücken und in der rechten Hand hatte er einen Wurzelstock. Alle drei Kinder rieben sich mehrmals ihre Augen, und sie staunten nicht schlecht, denn in seinem Gefolge befanden sich der Bär, der Wolf und der Keiler.
Die Schwestern erschraken sehr. Sie überlegten, wo sie sich verstecken könnten. Die Besenkammer war für sie zu klein. Der Weihnachtsmann und die drei Tiere standen plötzlich in der Lehmkate. Ein helles, grelles Licht füllte die Kate aus, und wo die Tiere eben noch standen, waren drei hübsche Prinzen zu sehen.
Der Weihnachtsmann ließ seinen Jutesack fallen und bekreuzigte sich in demütiger Haltung.
Als Erster überwand der Holzfäller Wenzel seine Angst und sagte: „Seid willkommen meine lieben Gäste.“
Die drei Prinzen berichteten den Anwesenden, dass sie von einer bösen Hexe verzaubert wurden, und das ihre Erlösung nur durch drei liebevolle, hilfsbereite und gute Mägdlein erfolgen könne.
Alle feierten gemeinsam den Heiligabend und der Weihnachtsmann verteilte all seine Geschenke, er hatte jedoch für die Prinzen keine Geschenke.
Sie wünschten sich von den Mädchen je eine Haarlocke, die sie auch bekamen.
Die Prinzen öffneten ihr besticktes Wams, und jeder von ihnen legte die Haarlocke an sein Herz.
Am nächsten Morgen, der Weihnachtsmann hatte sich schon am
späten Abend von allen verabschiedet, wurde das Frühstück eingenommen. Danach sagte der Prinz, der vorher als Bär lebte: „Wenzel, ich möchte Blauäugelein mit auf mein Schloss nehmen.“
Bevor Wenzel antworten konnte, sagte der zweite Prinz, der vorher als Wolf verkleidet war: „Ich habe ein sehr schönes Schloss, und in diesem möchte ich mit Braunäugelein leben.“
Der Holzfäller Wenzel schaute die Prinzen an und über sein raues Gesicht kullerten viele Tränen.
Da rief ganz laut und bestimmend der jüngste Prinz, er lebte ja vorher als Keiler: „Ich nehme Sonnenäugelein als Frau und ich habe vier Schlösser, aber guter Wenzel, wir werden dich immer besuchen.“
Der Holzfäller zitterte sehr, und er begann zu schwanken. Er suchte Halt an der Wand. Dabei riss er die Kuckucksuhr zu Boden. Bei diesem Sturz hatte sich das Türchen der Uhr geöffnet, und der Kuckuck ließ unterbrochen sein „ Kuckuck“ hören.
Es war eine äußerst peinliche Situation. Der Holzfäller Wenzel gab schmerzlich nach, und wünschte den Prinzen, viel Freude und Frohsinn mit seinen lieben Töchtern.
Die Prinzen klatschten in ihre Hände, und drei edle Rösser standen plötzlich zum Aufbruch bereit.
Es war ein schwarzer Rappe, ein schneeweißer Schimmel und ein edler Blauschimmel mit einer schwarzblauen Mähne.
Die drei Mägdlein umarmten unter Tränen ihren lieben Vater. Wenzel sagte schluchzend: „ Liebe Kinder, das wird nicht euer Verderben sein.“
Die Schwestern waren ja in den Jahren zu bildhübschen Jungfrauen geworden. Die Prinzen setzten die Jungfrauen auf ihre Rösser und die Rösser flogen mit den Liebenden in verschiedene Richtungen davon.
Der Holzfäller blickte ihnen traurig nach, und er sah sie am weiten Horizont verschwinden.
Der schwarze Rappe flog mit dem Prinzen und mit Blauäugelein bis auf den Schlossplatz des Prinzen. Dort angekommen wartete schon eine große Menschenansammlung auf die Beiden. Sie wurden von den Versammelten mit Hochrufen und lautem Klatschen begrüßt. Der Prinz heiratet Blauäugelein. Nach der Heirat übergab der König die Krone an seinen Sohn, und der wurde nun König und somit Blauäugelein Königin.
Blauäugelein war eine gute Königin und eine umsichtige Landesherrin.
Immer wenn ihr Gemahl, der König, sich auf die Jagd begab, eilte sie zu den armen Tagelöhnern. Die Königin, sowie ihre Diener, verteilten dann an die Bedürftigen Brot, Kartoffeln, Mehl und Milch. Die Tagelöhner bekamen auch oft Silber- und Kupfermünzen, die Blauäugelein aus der Schatzkammer heimlich entnahm. Sie war im ganzen Königreich beliebt, und sie wurde von den Menschen sehr verehrt.
Der weiße Schimmel flog mit Braunäugelein und dem Prinzen in dessen Reich. Dort gelandet, zeigte der Prinz Braunäugelein stolz seine umfangreichen Länderein und seine stolzen Burgen.
Sie heirateten auch, und der Prinz bekam ebenfalls die goldene Krone von seinem Vater. Sie liebten sich und sie lebten glücklich.
Der König besuchte oft seine Landesfürsten um ihnen den nötigen Gehorsam beizubringen. Diese Abwesenheit nutzte Braunäugelein zu Ihrem Gunsten. Die Königin ließ dann immer eine große, leckere Tafel, für die armen Leute im Schloss herrichten. Aus allen Dörfern kamen die Leute und alle wurden gut beköstigt.
Daran sieht man, dass Braunäugelein auch eine gute Königin war.
Der Blauschimmel schwebte mit dem Prinzen und Sonnenäugelein auf den Burghof hernieder. Der König und die Königin und der ganze Hofstaat warteten schon sehnsüchtig auf die beiden Ankömmlinge. Die Heirat von Sonnenäugelein mit dem Prinzen fand bald statt.
Der König und die Königin wollten sich zur Ruhe setzen und deshalb bekam der Prinz frühzeitig die goldene Krone. Nun waren die Beiden, der Prinz und Sonnenäugelein das neue Königspaar. Das Königpaar war sehr gütig zu der Bevölkerung. Als erstes schaffte der junge König die Prügelstrafe ab, und als zweites verringerte er die Abgaben der Landbevölkerung.
Sonnenäugelein holte ihren Vater, den Holzfäller Wenzel, zu sich auf den Königshof. Wenzel sieht man jetzt öfter im königlichen Garten spazieren gehen.


© Jürgen


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