Wie der Leierkastenmann Kunibert zu Reichtum und Ansehen kam…
( ein Märchen für ältere Kinder und Erwachsene )


Nahe dem Dörfchen Morgenröte wohnte in einer Lehmkate der Leierkastenmann Kunibert.
Kunibert war groß, aber spindeldünn und hatte eine große, rote Nase, die fast sein ganzes Gesicht ausfüllte.
Er hatte eine Glatze, und nur ein spärlicher silberner Haarkranz verschönte sein Gesicht.
Kunibert besaß keine Frau und auch keine Kinder. Er hatte jedoch zwei Mitbewohner, den schwarzen Kater Schnurr und den grauen Papagei Joko.
Die Lehmkate in der sie wohnten war einsturzgefährdet. Das Dach war stark beschädigt, und am Schornstein fehlten etliche Mauersteine.
Zwei Fenster hatten kaputte Scheiben, die Eingangstür hing schief in den Angeln. Die Außenfassade hatte breite Risse, und die ursprüngliche Farbe war nicht mehr zu erkennen.
Die Seitenwände und das Dach waren vom Efeu umschlungen. An der linken Stirnseite des Hauses hatten sich drei junge Birken angesiedelt.
Die Nachtgespenster und die Räuber des Waldes fürchteten sich vor der Lehmkate, sie machten immer einen großen Bogen um diese herum. Die Dorfbewohner mieden auch Kuniberts Lehmkate, sie sagten immer, Kunibert hätte mit dem Teufel einen Vertrag geschlossen.
Kunibert war trotz seines äußern Erscheinungsbildes bei allen Dorfbewohnern und den Kindern sehr beliebt.
Der Leierkastenmann war immer freundlich und stets hilfsbereit. Für die Kinder hatte er immer Lakritzstangen und Trockenpflaumen bei sich.
Im Frühling und im Sommer ging er mit seinem Leierkasten auf die Dörfer, und machte zu allen Anlässen Musik. Im Spätherbst und im Winter knüpfte und band er Birkenreisigbesen, die er den Bauern und Tagelöhnern verkaufte. Bei dieser Arbeit saß sein Kater auf seiner linken Schulter, und der Papagei plauderte munter vor sich hin.
Es war ein sonnendurchfluteter Tag. Kunibert machte sich auf zum Dörfchen Kaltenau. Dort sollte er zur Hochzeit des Brautpaares aufspielen.
Die Hochzeitsgäste und auch das Brautpaar erwarteten ihn schon sehnsüchtig. Auch hatte sich der blinde Korbmacher Joseph eingefunden, der mit seiner Geige Kuniberts Leierkastenmusik begleitete.
Es wurde ausgiebig gefeiert, und Schnaps und Bier flossen in Strömen.
Der Leierkastenmann war so betrunken, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Er saß halb sitzend und halb liegend auf einem gepressten Strohballen.
Der Papagei Joko hatte irgendwie Schnaps ergattert, denn er
war auch stark betrunken. Er drehte sich im Kreis und fiel mehrmals auf seinen Rücken, dabei kreischte er lauthals: „Dankeschön, Dankeschön!“
Die Hochzeitsfeier war zu Ende, denn es war schon früh am Morgengegen vier Uhr.
Etliche Hochzeitsgäste, unter anderen der Dorfschmied Flammenherz, standen um den Strohballen auf dem sich Kunibert befand. Sie beratschlagten, wie man den Leierkastenmann am Besten nach Hause bringen könnte.
Die Tagelöhner Kunz und Torrund, die sich nicht an der Diskussion beteiligt hatten, kamen mit einer großen, klapprigen Schubkarre. Die beiden legten Kunibert in die Schubkarre und „ ab ging die Post.“ Der Papagei flog schon vorher auf Kuniberts linke Schulter und dort krallte er sich fest.
Der Weg war sehr weit bis Kuniberts zu Hause, und die Schubkarre schob sich äußerst schwer. Die beiden Tagelöhner hatten keine Lust mehr, sich mit der Schubkarre abzuquälen, so ließen sie diese mitKunibertund dem Papagei auf einen Feldweg stehen.
Auf dem Feld waren einige Rehe, die dort zufrieden grasten. Der Leierkastenmann in der Schubkarre begann auf einmal fürchterlich zu schnarchen, als die Rehe das Scharchen vernahmen, flüchteten sie in den Wald.
Es war inzwischen schon Mittag als der Bauer Roggenschrot zu der Karre mit Kunibert kam. Der Bauer wollte seine Kühe auf einer weit entfernten Koppel tränken. Roggenschrot verscheuchte die Bremsen und Fliegen, die auf Kuniberts Gesicht und auf seinen Armen saßen.
Kunibert schlief noch den „ Schlaf der Gerechten.“ Der Leierkastenmann war einfach nicht wach zukriegen. Der Bauer hob ihn mehrmals an,doch Kunibert fiel wie ein Sack in sich zusammen. Der Bauer ließ von seinen Bemühungen ab, und ging von dannen.
Die Nacht breitete ihr schwarzes Tuch über das Land aus, und ein
starker Regen mit hellen Blitzen breitete sich aus.
Joko bekam große Angst und kreischte aus Leibeskräften, erst jetzt
wachte der Leierkastenmann auf. Kunibert rieb sich seine Augen und fluchte vor sich hin. Ihm schmerzte sein Rücken, und seine Füße taten ihm mächtig weh. Doch wo waren seine Schuhe? Er hatte nur noch wollne Socken an.
Er raffte sich auf und ging vom Regen gepeitscht, das letzte Wegstück zu seiner Unterkunft. Als er sein Haus erreichte wunderte er sich sehr, denn seine Eingangstür stand weit offen. Kunibert betrat ängstlich sein Haus, und er begab sich in seine Küche, um im Küchenherd ein Feuer zu entfachen. Der Leierkastenmann wollte seine Laterne anzünden, die immer am Rande des Herders stand.
Doch was war denn das? Zwei große, feurige Augen leuchteten ihn an.
Es war der Oberteufel Hieronimus, der auf der Herdplatte saß.
Kunibert erschrak fast zu Tode. Er ging rückwärts und trat dabei
seinem Kater Schnurr auf den Schwanz.
Schnurr jaulte laut vor Schmerz auf. Dem Teufel schien das Jaulen des Katers zu gefallen, denn er begann lauthals zu lachen.
Kunibert wimmerte und er sagte ganz leise: „ Lieber Teufel, ich möchte noch nicht in die Hölle, ich will auch zu allen Leuten gut sein.“
Der Teufel sagte: „ Ich bringe dich nicht in die Hölle, du sollst zur
Sommersonnenwende für uns mit deinem Leierkasten Musik machen.“
Da fiel Kunibert eine zentnerschwere Last von den Schultern.“
Danach klatschte der Oberteufel in seine Hände, und plötzlich erschienen zwei Jungteufel, die einen bunten Teppich mit hatten.
Es war ein gestohlener Zauberteppich aus dem Orient.
Die Jungteufel nahmen den Leierkasten und setzten ihn auf den
Zauberteppich. Der Oberteufel zauberte den Leierkastenmann auf den Teppich.
Der Oberteufel Hieronimus murmelte einige Zauberworte und der Teppich begann zu fliegen.
Sie überquerten fliegend Berge, Flüsse und Felder, ehe sie am Ziel ankamen.
Sie hatten ihr Ziel erreicht, es war die große Waldlichtung am rauen Hexenberg. Dort warteten schon in großer Ungeduld Kobolde, Hexen, Teufel, Wald- und Wassergeister. Einige Hexen waren ihnen auf ihren Hexenbesen entgegen geflogen.
Zur Freude über die Ankömmlinge schlugen die Kobolde Purzelbäume und die Wassergeister spuckten übermütig Wasser. Die Hexen hielten ihre grauen Röcke hoch und tanzten laut kreischend.
Es war ein riesengroßer Lärm auf der Waldlichtung. Der Lärm war so laut, dass Kunibert vor Angst zitterte. Zu hören waren die Kobolde mit ihrem Gekicher, die Hexen mit ihren schrillen Stimmen, die Waldgeister mit ihren brunnentiefen Stimmen und die Teufel mit ihrem Eselgeblöke.
Kunibert griff zur Kurbel und ließ seinen Leierkasten erklingen.
Die Teufelsschar und die Geisterschar war so laut, dass alle Tiere aus dem Wald flüchteten.
Die versammelte Schar tanzte, sprang und trank in Mengen, Schlehen- und Holunderwein.
Alle waren über Kuniberts Leierkastenmusik begeistert und die hässlichen Hexen warfen Kunibert Kusshände zu.
Mit der ersten, zarten Morgenröte wurde der Spuk beendet.
Sie bedankten sich auf Hexenart, indem alle Kuniberts Kopf streichelten.
In kurzer Zeit hatte Kunibert eine Russ- und Kohleschicht auf seinem Kopf, er sah fürchterlich aus.
Einige Hexen meinten, jetzt passt er endlich zu uns.
Jeder Teufel und jede Hexe und auch die Übrigen schenkten Kunibert je einen Tannenzapfen oder einen Kiefernzapfen, als Dankeschön.
Danach war die gesamte, gruselige Schar verschwunden, als hätte sie die Erde verschlungen.
Der Leierkastenmann Kunibert steckte die Zapfen in seine Hosen- und Jackentaschen, doch nach kurzer Zeit holte er sie aus seinen Taschen, und warf sie auf den Waldboden.
Die Teufel brachten Kunibert auf dem Zauberteppich nicht nach Hause.
Den weiten, beschwerlichen Weg, in Richtung Heimat, musste Kunibert allein gehen. Es war sehr heiß und er machte an einer Quelle Halt.
Kunibert bückte sich und trank gierig das erquickende Quellwasser, doch was war das?
Ein glänzender Goldtaler fiel aus seiner Jackentasche. Ihm wurde aufeinmal ganz heiß, und seine Gedanken überschlugen sich, in heller Aufregung.
Es war ein Tannenzapfen, der sich in einen Taler verwandelt hatte.
Kunibert war ja so töricht gewesen, die eingesteckten Kiefern- und Tannenzapfen, die er von der schwarzen Schar erhalten hatte, aufden Waldboden zu werfen.
Er sprang von der Quelle hoch und eilte zu der Waldlichtung am
Hexenberg. Aus der Ferne sah er schon ein helles, goldenes Leuchten.
Alle Tannen- und Kiefernzapfen hatten sich in Goldtaler verwandelt.
Der Leierkastenmann zog seine Jacke aus, und verknüpfte diese
zu einem Sack. Er legte alle Taler in die sackartige Jacke und marschierte nach Haus.
Zu Hause angekommen legte er die Taler in eine Holztruhe.
Anschließend gab Kunibert einige Taler Hochwürden Langrock zur Instandsetzung des Kirchturms.
An jeden einzelnen Dorfbewohner verschenkte er zwei Taler. Für einen Taler konnte man, zur damaligen Zeit, schon ein Pferd kaufen.
Kunibert ließ ein schönes Haus erbauen. Das Haus hatte vier Türme und das Glas für die Fenster holten die Zimmerleute extra aus Böhmen.
Kunibert war nun sehr beliebt unter den Dorfbewohnern.
Hochwürden Langrock lobte jeden Sonntag Kunibert von der Kanzel.
Der Leierkastenmann lebte nun bis zu seinem Lebensende glücklich und zufrieden.
Sein Kater Schnurr und sein Papagei Joko lebten fortan „ in Saus und Braus,“ und wenn die Drei nicht gestorben sind, leben sie noch heute...


© Jürgen


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