Iray, der in diesen Tagen sieben Jahre alt wird, lebt mit seinen Schwestern, der älteren Adlit und der jüngeren Aram in Lardorf, einer kleinen Gemeinde zwischen mittelhohen Bergen und einem sehr großen Fluss. Während die Berge nicht so weit weg sind, er kann sogar mit seinem Fahrrad dorthin fahren, wenn er sich die Mühe macht den etwas steilen Weg hochzutrampeln, ist der große Fluss so weit entfernt, dass Iray nur manchmal an sein Ufer kommt, nur dann, wenn die Familie einen kleinen Ausflug macht, zum Beispiel an einem Sonntag Nachmittag, wenn alle mit ihren Fahrrädern über holprige Feldwege bis zu einer großen Wiese fahren, die direkt am Ufer liegt. Alle haben eigene Fahrräder, auch die kleine Aram, die aber noch nicht so weit radeln kann, deswegen sitzt sie dann in einem Fahrradanhänger mit Klimaanlage, das heißt, der Anhänger hat ein Plastikdach mit einem Fenster und das kann sie auf und zumachen. Wenn es zu warm ist, macht Aram das Fenster auf, wenn es zu kalt wird, machte sie es zu. Ist das nicht eine praktische Klimaanlage, die auch noch vor Regen schützt? Denn wenn es einmal richtig regnet, werden alle anderen nass, nur Aramchen nicht, die sitzt im Trockenen und lacht sich ins Fäustchen. Der Anhänger ist auch noch für etwas andere gut, man kann Fressalien hineinpacken. Weißt du was das ist? Fressalien sind nichts anderes als Dinge, die man essen kann. Komisch, mir fällt gerade ein, dass kein Mensch Saufalien sagt und es gibt auch keine Essalien, nur Fressalien, aber das ist nicht so wichtig, viel wichtiger ist, was da mitgenommen wird, zum Beispiel Salzstangen und eine Dose Leberwurst. Es ist dann immer sehr lustig, zuzuschauen, wie die Leute sich mit dem Zeigefinger Leberwurst auf Salzstangen schmieren. Iray ist eindeutig der Geschickteste, während Aram ihre Salzstangen immer ohne Wurst essen muss, weil sie die dünnen Dinger einfach nicht richtig bestreichen kann. Dafür ist sie aber eindeutig am geschicktesten, wenn es gilt, eiskalte Erbsen aus einer Tiefkühlpackung zu klauben, weil sie die kleinsten Fingerchen hat und jede Erbse einzeln fassen kann, während es bei den anderen immer viel zu lange dauerte und die Erbschen immer schon aufgetaut sind, bevor sie in den Mund gesteckt werden, was natürlich gar nicht geht, denn wer will schon aufgetaute, halb warme Erbsen essen? Zum Trinken nimmt die Familie übrigens immer eine Flaschen Holunderblütensirup mit oder auch Brombeersirup oder Pfefferminzsirup. Den Sirup kann man doch gar nicht trinken, wirst du sagen. Stimmt! Man muss ihn verdünnen, deswegen gehört zum Reisegepäck auch ein Kanister mit Wasser. Dumm ist, dass meistens die Becher vergessen werden und das führt zu einem Problem. Wie soll man das Getränk mit dem Holderblütensaft zubereiten? Weil das aber oft vorkommt, hat man aber auch dafür eine Lösung gefunden. Die Kinder nehmen jedes einen kleinen Schluck Sirup in den Mund, dann legen sie den Kopf ins Genick und sperren den Mund weit auf und der Papa oder die Mama schütten aus dem Kanister das Wasser nach. Etwas mühsam, aber wie hätte man es sonst machen können?

Du hast schon mitbekommen, dass zu der Familie mit den drei Geschwistern auch noch Mama und Papa gehören. Das ist doch selbstverständlich wirst du sagen, aber langsam, es gibt auch Familien, wo der Papa fehlt oder die Mama, dafür gibt es einen Klaus oder eine Helga, zu der man auch Mama oder Papa sagen soll, und natürlich gibt es Familien ohne Kinder, aber lassen wir das, das wird zu kompliziert. Diese Familie jedenfalls in dem Dörfchen Lardorf hatte alles, was man braucht, um eine richtige Familie zu sein, bis auf Hund und Katz. „Mir kommen keine Viecher ins Haus“, hatte der Papa mal entschieden und so waren die einzigen Haustiere von Bedeutung die Stubenfliegen und die Wespen, die ihre Nester unter den Dachziegeln bauten und sich einfach nicht an die Regeln halten wollten, dass keine Tiere in das Haus kommen sollten. Gegen Stubenfliegen kann man sowieso nichts machen und die Wespen werden einfach verachtet und gemieden, vor allem deswegen, weil sie gefährlich sind, wenn man sie ärgerte. Der kleine Iray hatte da so seine Erfahrung ,als er mal mit nackten Füßen im Gras herumlief und auf eine Wespe trat, die ihn prompt in den großen Zeh stach. Das hat vielleicht weh getan, aber nicht lange, dann war der Schmerz vergessen.

Aber ich wollte eigentlich eine ganz andere Geschichte erzählen. Der kleine Iraj, halt mal, der ist doch jetzt schon sieben und damit doch gar nicht mehr so klein, also gut, dieser nette Iraj hat eine Leidenschaft, er mag Brausepulver. Genau, diese himbeerrote oder giftgrüne Pülverchen in den Tütchen, auf denen ein Matrose eine Fahne schwenkt und auf denen „Ahoj-Brause“ steht. Du musst wissen, dass diese Brause schon dein Opa und deine Oma vor fast Hundert Jahren gerne getrunken haben. Wie? Pulver kann man doch nicht trinken! Natürlich nicht, man muss es wie mit dem Holunderblütensirup machen, man muss die Brause mit Wasser verdünnen, besser gesagt in Wasser auflösen, dann gibt es so etwas wie Cola antik oder Fanta uralt. Noch mal halt, man kann Brausepulver in Wasser auflösen, aber man muss es nicht. Irajs Opa hatte, als er, der Opa, so alt war, wie der Enkel, also der Iray heute, das heißt gerade mal sieben Jahre, das Brausepulver am liebsten mit Spucke angerührt. Das macht man so: man leckt als erstes eine Handfläche ab, damit die sauber ist. Dann schüttet man ein halbes Päckchen Brausepulver auf genau diese saubere Handfläche und dann fängt man an, so lange auf die Handfläche und das Pulver zu spucken, bis die richtige Verdünnung erreicht ist. Man muss zwei Dinge beachten, erst das Pulver, dann die Spucke, weil sonst die Spucke abhaut, wenn man das Tütchen aufmachen will, und man darf nicht daneben spucken, also nicht mit Gewalt die Spuck raus rotzen, sondern sie ganz sanft, ganz normal einfach loslassen. Das ist übrigens gar nicht so ekelig, wie es sich vielleicht hier anhört, weil es ja die eigene Hand und die eigene Spucke sind. Die eigene hat man ja ständig im Mund, es sei denn, der ist ganz trocken, dann kann man natürlich auch keine Spuckebrause machen. Bei Spucke von jemand anderem, da muss man sich das schon gut überlegen, von wem die sein könnte. Mir fällt gerade noch was anderes ein. Es gibt ein berühmtes Buch, in dem auch beschrieben wird, wie man mit Pulver und Spucke eine Brause zubereitet. Deine Mama und dein Papa haben ja Literatur studiert und lesen auch wie die Weltmeister, die können leicht herausfinden, wie das Buch heißt. Geschrieben hat es jedenfalls ein ganz berühmter Mann, der so ähnlich wie Heu heißt, wenn das noch nicht trocken ist. Aber ich schweife schon wieder ab. Zurück zu der großen Leidenschaft des netten und gar nicht mehr so kleinen Iraj. Schon wieder klein, vergiss es. Iraj ist schon ganz schön schlau und weiß, dass man manche Sachen billiger bekommt, wenn man größere Mengen kauft. Deswegen spart er sein Taschengeld, bis er so an die achte Euro zusammen hat. Dann geht er zum Lidl, gleich über die Straße, und kauft sich einen ganzen Becher voll Brausetütchen, 100 Stück à 5,8 g, steht auf dem Becher (deine Mama soll dir mal erklären, was dieses komische à bedeutet und dass man nicht á schreiben darf, weil das grottenfalsch wäre). Den Becher muss er dann gut verstecken, wenn er wieder zu Hause ist, weil Aramchen und auch Adlitchen auch gerne Brausepulver naschen, aber es ist natürlich nicht einzusehen, dass dies auf Irajs Kosten geht. Die beiden kaufen sich von ihrem Taschengeld lieber Marsriegel oder Vernusschnecken oder Saturnleckerli und manchmal tauschen sie, dann stellt sich die Frage, wie viel Tütchen Brause ist ein Marsriegel wert. Aber das nur am Rande. Iraj hat das perfekte Versteck gefunden, das ich hier natürlich nicht verrate, das wäre gemein. Also nehmen wir an, Iraj hat seine Vorräte gerade wieder aufgefüllt, hat sich ein Tütchen genommen und ist in den Garten gegangen und hat sich dort hinter einen dichten Busch gelegt. Das ist sein Lieblingsplatz, um in aller Ruhe zu brausen. Hier mixt er sich ein Brausespezial, sagen wir mal mit Waldmeistergeschmack, und genießt das prickelnde Gefühl auf der Hand und vor allem im Mund. Wenn er alles abgeleckt hat, die letzten Tropfen und Krümel, bleibt er noch ein Weilchen liegen, um den Nachgeschmack zu genießen. Das machen übrigens auch die Menschen, die edle Weine oder Schnäpse trinken. Sie lassen diese Getränke im Mund und auf der Zunge nachwirken, nur dass eine Flasche edler Wein vielleicht das 100fache oder noch mehr kostet, was man für ein Päckchen Brausepulver hinblättern muss. Ich habe mal im Flughafen Frankfurt in einem Laden eine Flasche Wein aus Frankreich gesehen, die, ungelogen, mehr als 1000 Euro gekostet hat. Das ist aber noch längst nicht die Obergrenze, ich sehe gerade im Internet, du weißt doch, da findet man alles, was man wissen muss oder auch das, was man gar nicht zu wissen braucht, Preise bis über 20000 Euro, für eine einzige Flasche! Idiotisch, findest du nicht auch? Ein VW-Polo für eine Flasche Wein.

Aber zurück zu unserer Geschichte. Iraj hatte also gerade mal wieder eine neue Vorratspackung Brausepulver gekauft, die Box sorgfältig versteckt, damit die beiden Naschkätzchen von Schwestern nicht alles wegbrausen, hatte sich ein Tütchen geschnappt und ist zu seinem Lieblingsplatz im Garten hinter dem dichten Schlehenbusch gegangen. Dort hatte er es sich gemütlich gemacht, hatte das Päckchen geöffnet, die Brause auf die Handfläche geschü...., halt, erst die Handfläche ablecken, dann schütten und schließlich die Brause zum brausen gebracht. Warum erzähl ich das eigentlich zweimal? Na klar, weil es so schön ist und man nicht oft genug beschreiben kann, wie angenehm es kribelt, wie es riecht, wie es leise sprudelt und blubbert und sich Bläschen bilden. Also weiter, Iraj fing endlich an zu lecken, es kribbelte nun auch auf der Zunge, es schmeckte süß und fruchtig, es war wie immer ------ fast wie immer. Denn irgendwie, irgendwas war doch anders oder doch nicht? Jedenfalls hatte es erst ganz normal gekribbelt und auch ganz normal geschmeckt, aber, aber, komisch, o weh, kimisch, kumisch .... alles wurde so ein bisschen seltsam. Die Welt wurde größer, oder er wurde kleiner. Jedenfalls war aus dem Busch ein großer Urwaldberg geworden und das Gras vor dem Busch hatte sich in einen Wald verwandelt mit vielen schlanken, grünen Bäumen. Ungläubig machte Iraj ein paar Schritte in den Wald und sah auf einmal etwas, was ihn erschreckte, aber als er erkannte, was es war, beruhigte er sich. Er sah nämlich einen ziemlich großen, braunen Stein, nicht so groß, wie er selbst, aber bis zu seinem Bauch, reichte er allemal, der auf einem glitschigen Holzstamm lag und sich langsam bewegte und als der Stamm mit dem Stein sich umdreht, waren da zwei Hörner, die sich ausdehnten und zusammenzogen und das allerkomischste war, auf den Spitzen der Hörner waren Augen, die ihn anstarrten, nicht böse, sondern nur überrascht. Jetzt merkte er, dass er einer Schnecke begegnet war und vor Schnecken braucht man ja wohl keine Angst zu haben, aber ganz nahe ran gehen wollte er an diese Erscheinung auch nicht, weil er sich ein wenig ekelte, denn der Bauch von der Schnecke war voller Schleim und, ehrlich gesagt, sie stank auch ein bisschen. Er ließ die Schnecke links liegen und wanderte nach rechts, weiter durch den Graswald. Dort begegnete ihm als nächstes ein rotes Sofakissen mit schwarzen Punkten, das sich beim näheren hingucken als Marienkäfer entpuppte, der eifrig dabei war, eine Blattlaus aufzuessen. So wie man einen ganz großen Brotlaib mit beiden Armen umschlingen würde, hatte der Marienkäfer die Laus mit seinen Vorderbeinen gepackt. Ein Käfer hat ja auch noch Mittel- und Hinterbeine, wie jeder weiß, der was von Käfern versteht, er gehört zu der Tiergruppe der Hexapoden, und die haben alle, wie der Name sagt, sechs Beine, denn nichts anderes heißt Hexapoden. Der Marienkäfer hatte also die Laus gepackt und schon sein Maul aufgerissen. So etwas hatte Iraj noch nie gesehen, das aufgerissene Maul eines Marienkäfers und davor eine fette, süße Blattlaus, denn Blattläuse machen ja so was wie Honig, das dann die Ameisen melken. Lass dir das mal von deinem Papa erklären. Das war zwar interessant, aber wie man eine Blattlaus frisst, wollte Iraj dann doch nicht weiter beobachten und so machte sich wieder auf den Weg und wanderte weiter durch den Wald. Dabei sah er Bäume mit breiten Kronen, die einen etwas kleiner, die anderen etwas größer. Einige waren umgeknickt und er konnte sehen, dass bei den kleineren die Kronen aus einem weißen Kranz und einer gelben Mitte bestanden, während die höheren ganz gelb waren, wie gelbe Schindeln, die in einander gesteckt waren. Er sah auch Bäume, die wie Palmen aussahen, ein dünner, hoher Stamm, aber statt der Palmblätter, waren lauter kleine Fallschirmchen so angeordnet, dass eine runde, durchsichtige Kugel entstand. Und dann waren da auch noch Bäume, die hatten dicke Stämme, und einen richtigen Hut und die Unterseite von dem Hut sah aus wie der Vorhang vor den schrägen Dachfenstern, man nennt so was Lamellen, weiße Lamellen. Einer von diesen dicken Bäumen war noch ganz klein, so dass Iraj den Hut von oben saß. Er war beeindruckt, denn der Hut war knallrot und voller weißer Punkte.

Natürlich kamen auch Tiere in dieser Wunderwelt vor, so zum Beispiel eine Schlange, die lang und braun und ganz geringelt war und ihren Kopf gerade aus der Erde heraus streckte. Komischerweise hatte sie weder ein Maul noch Augen und Iraj fragte sich, wie diese komische Schlange eigentlich fressen sollte. Zwischen zwei Bäumen war ein kräftiges Netz aus ganz dünnen Fäden gespannt, in das er hineinlief, als er die Schlange lange genug angeschaut hatte. Er hatte es erst bemerkt, als er von den Fäden aufgehalten wurde und einfach nicht weiter gehen konnte und dann auch noch merkte, dass einige dieser Fäden an ihm kleben blieben und er Mühe hatte, sich wieder von ihnen zu lösen, fast so, wie wenn man sich versehentlich Sekundenkleber auf die Finger schmierte. Als er es schließlich doch geschafft hatte, sich zu befreien, blickte er zufällig schräg nach oben und sah dort ein ganz seltsames Vieh. Es sah aus wie eine runde, schwarze Kugel von der acht lange, haarige Beine ausgingen, jedes Bein stand auf einem anderen Faden des Netzes. Das Vieh schaute ihn aus, sage und schreibe, acht Augen an, die unterschiedlich groß und ganz schwarz waren und jedes Auge schaute noch böser in die Welt, aber das Allerschlimmste war das Maul, denn direkt davor waren so etwas wie Hände oder Scheren und es schien, dass dieses Maul nur darauf wartet, etwas fressen zu können. Iraj glaubte einen Moment, dass dies Tier herabsteigen und sich auf ihn stürzen wollte, deswegen schrie er lauf auf. Das war gut, denn die Kugel mit den Beinen drehte sich rasch um und rannte davon, wobei immer eines der vielen Beine sich an einem der glatten Bäume mit einem Haken festkrallte. Auf dem Rücken war jetzt deutlich ein weißes Kreuz zu sehen, ein Zeichen, dass tödliche Gefahr von diesem Tier ausging. Rasch machte auch Iraj sich aus dem Staub, natürlich in die entgegengesetzte Richtung. Er lief eine ganze Weile, was gar nicht so einfach war, weil die vielen Bäume sehr dicht standen und er sie immer wieder umbiegen musste oder sich dazwischen drängen musste, um weiterzukommen. Das war zwar nicht schwer, weil die Stämme sehr biegsam waren, aber es war lästig und vor allem kam er nur langsam vorwärts. Schwer atmend hatte er sich auf einer kleinen Anhöhe hingesetzt, um zu verschnaufen, als er auf einmal einen Hubschrauber hörte, der immer näher kam und mal vor, mal hinter ihm, mal links, mal rechts zu sein schien. Endlich sah er ihn auch, er war richtig rund und voller Haare, die hatten sehr schöne Farben, leuchtendes Gelb, tiefes Schwarz und am Hinterteil waren sie weiß, wie bei einem Schimmel. Die Rotoren des Hubschraubers waren aber gar keine, er sah erst nur blinkende, funkelnde Lichter und erst als der Hubschrauber landete und das Brummen aufhörte, erkannte er die schönen, durchsichtigen Flügel, die sich wieder rasend schnell wie ein Propeller bewegten, als der Hubschrauber schon kurz darauf wieder startete. Bevor er wieder in Richtung Himmel verschwand, erkannte Iraj, dass diese Kugel nur sechs Beine hatte und dass an den hinteren große gelbe Gebilde hingen, die aussahen wie kleine Müllsäcke, du kennst ja den gelben Sack, den es überall gibt. Und am Kopf hatte der Hubschrauber zwei Fühler, vielleicht Antennen zum funken oder für den Radioempfang und daneben noch zwei sehr schöne, flache Schalen, die aus vielen bunten Glassteinen zu bestehen schienen und im Licht der Sonnenstrahlen, die bis zum Boden des Waldes drangen, wunderschön funkelten. Kaum war der Hubschrauber weg, kamen zwei Düsenjäger angebraust, es surrte und zischte und dann sah er sie auch, zwei fliegende Tiger mit gelben und schwarzen Streifen auf der glatten Haut. Während ihm der Hubschrauber harmlos, ja richtig gemütlich vorgekommen war, wie ein fliegender Teddybär, machten diese beiden Kampfflugzeuge einen sehr gefährlichen Eindruck und Iraj war sehr froh, dass sie ihn nicht entdeckten und nach ein paar Kapriolen und Schleifen wieder verschwanden, so schnell, wie sie gekommen waren.

Iraj fand das alles höchst interessant und spannend. Es war eine andere Welt, in der er herumwanderte und er hatte eigentlich gar keine Angst, nur bei den Düsenjägern war ihm etwas mulmig geworden, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er sich wieder zurückverwandeln könnte, in den großen Jungen, der er nun einmal war. Er hatte auch keine Angst, sich zu verlaufen, obwohl er wirklich nicht wusste, wo er sich gerade befand. Aber irgend wann, war er müde geworden und der Wunsch, wieder daheim zu sein, wurde immer größer und so dachte, ein bisschen ausruhen, könne nicht schaden. Er legte sich einfach dort hin, wo er gerade stand und war im Nu eingeschlafen. Und als er wieder aufwachte, war er tatsächlich wieder der große Junge und er war im Garten hinter dem Haus, in dem er wohnte, hinter einem dichten Busch und auf dem Boden lag ein leeres Tütchen mit Brausepulver. Er war, wie konnte es anders sein, eingeschlafen und hatte intensiv geträumt. Das wäre natürlich eine schöne Erklärung gewesen, es war nur seltsam, dass er am nächsten Tag, als er wieder etwas Brausepulver von seiner hohlen Hand abschleckte, gleich wieder in diesen seltsamen Traum verfiel und wieder hatte er ein paar ganz interessante Erlebnisse, wie zum Beispiel die Begegnung mit einer großen, grauen haarigen Tier mit rosa Schnauze, dass ihn ganz entsetzt anstarrte und dann rasch in einem Loch in der Erde verschwand. Oder diese gefährliche Situation, als erst eine große, dunkle Flatter mit ihren Flügeln, die ständig schlugen, die Sonne verfinsterte und kurz darauf von einem riesigen schwarzen Vogel mit einem gelben Schnabel verjagt wurde, der den Flatter flattern ließ und dafür versuchte, ihn, den kleinen Däumling aufzupicken und in seinem Schnabel wegzutragen. Zum Glück war das Loch, in dem das graue Tier verschwunden war, ganz nahe und im letzten Moment, bevor der spitze gelbe Schnabel ihn packen könnte, war er da hinein gewitscht. Was er dort sah und erlebte ist eine eigene Geschichte, die ich hier und heute nicht erzählen kann. Was aber unbedingt noch erzählt werden muss, ist die Geschichte, wie es eigentlich zu diesen seltsamen Träumen kam. Denn eine Sache kann ich hier schon vorwegnehmen, als die letzte Brausetüte aus dem Vorratsbehälter verbraucht war und er einen neuen angeschafft hatte, hörten diese Ausflüge in die Wunderwelt schlagartig auf. Es gab nur noch das Brausen und das Prickeln, den Duft und den Geschmack nach Waldmeister, aber sonst nichts, nur noch die Erinnerung.

Nachspann

Diese schönen Erlebnisse hatte unser Held Iraj bei jedem Tütchen Brause, das er mit der Handmethode und mit seine eigenen Spucke aufschleckte. Er hatte sich regelrecht daran gewöhnt, es aber niemandem erzählt, weder der kleinen noch der großen Schwester, weder Papa noch Mama, sie hätten es wohl nicht geglaubt und ihn nur ausgelacht. Vielleicht hätte er es seinem Opa erzählt, aber den sah er leider sehr selten. Und der schlaue Opa hätte vielleicht eine Erklärung für diese seltsame Geschichte gefunden, nachdem er sich die Mühe gemacht hätte, wie ein Detektiv zu recherchieren und bei der Firma, die das Brausepulver herstellt, die Ursache zu ermitteln. Tun wir mal so, als ob er es tatsächlich gemacht hätte und hier ist nun die Erklärung für die seltsame Wirkung eines hundsnormalen Brausepulvers auf einen völlig normalen Buben. In der Fabrik für Brausepulver war es zu einer Panne gekommen. Ein Stromausfall hatte bewirkt, dass die ganze Produktion für ein paar Tage unterbrochen werden musste. Keine Maschine lief mehr, die Leute waren alle damit beschäftigt, die Ursache der Störung herauszufinden und zu beheben. In dem ganzen Durcheinander war ein halb gefülltes Fass mit Brausepulver auf ein anderes Abfüllband gestellt worden. Von wem und warum, das wusste keiner mehr. Tatsache aber war, dass dieses halb volle Fass mit etwas ganz anderem aufgefüllt wurde. Mit einer Substanz, die selbst geruchs- und geschmacklos war, aber es in sich hatte. Man muss wissen, dass in der heutigen Zeit keine Firma mehr davon leben kann, Brausepulver herzustellen und zu verkaufen. Vielleicht konnte man das früher, aber heute gibt es soviel andere Leckereien, die Marsriegel und die Venusschnecken und die Saturnleckerli, da braucht man eigentlich gar keine Brause mehr. Und leider war es auch so, dass die Fabrik nur wenig Brausepulver verkauft e, dafür machte sie mit anderen Sachen Bombengeschäfte, mit Pülverchen, die einem zum Lachen brachte, wenn man traurig war und mit Tropfen, die einen jubeln ließen, obwohl man lieber weinen wollte und mit Pillen, die auch bei Regenwetter die Sonne scheinen ließen. So ganz genau wusste der Opa auch nicht, was die da alles produzierten, er wusste nur, dass es der Firma wirklich gut ging, weil es allen Firmen gut geht, die Pillen herstellen, weil die Menschen nun mal Pillen brauchen, wenn sie krank sind. Und das schöne an den Pillen von der Firma, die auch Brausepulver herstellte, war, dass man immer so freudig und entspannt war, wenn man etwas gegen Magendrücken, gegen Husten oder gegen Schwindelgefühle einnahm. Brause lief nicht so gut, denn wer will schon Brausepulver haben, wenn er heute stattdessen einen roten Bullen oder einen anderen Energy drink an jeder Ecke kaufen kann. Unnötig zu sagen, dass diese magischen Pülverchen auch in großen Mengen in genau diese Gesöffe gegeben wurden. Wenn wundert es, dass es der Firma gut ging.

Nun war also folgendes passiert, in das halbvolle Brausefass war eines dieser magischen Pulver gelangt , wurde gut untergemischt gemischt und der Inhalt wurde in Tütchen gefüllt. Zwar merkte die Firma sehr rasch, dass etwas nicht stimmte, weil plötzlich viele Anrufe kamen, von Leuten die Brause wollten, was sonst nie der Fall war. Manche waren so begeistert, dass die Firmenleitung Verdacht schöpfte und der Sache nachging und rasch herausfand, welche Panne bei dem Stromausfall passiert war, aber da war schon eine von diesen Großpackungen nach Eldorf gekommen und ausgerechnet Iraj, und nur er ,hatte sie gekauft. Es kam auch kein Nachschub mehr, denn die Firma passte seitdem höllisch auf, damit nichts mehr schief ging und sie konnte weiterhin ihre seltsamen, teuren Pülverchen an den Mann und ihre billige Brause an die Kinder bringen. Damit sich nicht noch einmal die zwei Sachen vermischten, stellten sie einen Mann ein, der nichts anderes zu tun hatte, als aufzupassen, dass kein Gefäß von dem einen Fließband, dem mit der Brause , auf das andere, dem mit den magischen Pülverchen gelangte. Und so war bald wieder alles normal und alle waren zufrieden nur Iraj war etwas traurig, weil er sich nie mehr in einen Däumling verwandelte, selbst wenn er 2 oder 3 oder noch mehr Tütchen mit Brause auf einmal aufschleckte.


© yupag chinasky


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