DIE LAUS IN DER RUMBAGURKE

döste den ganzen Tag über mucksläuschenstill vor sich hin. Abends aber, als Herr Tuba seinen Musikladen verschlossen und das Licht ausgeschaltet hatte, hüpfte sie unternehmungslustig auf die Beine und fing an, sich heftig zu kratzen.
Kritzekratze, kritzekratze ...
Das aber missfiel der Rumbagurke sehr.
»Aufhören!« schimpfte sie empört, so dass alle Instrumente verwundert aufhorchten.
»Was ist denn passiert?« wollte ein Trommelschlegel wissen.
»Eine dicke Laus kitzelt mich!« rief die Rumbagurke und rollte von einer Seite zur anderen. »Aufhööören!«
»Soll ich dich kratzen?« fragte der Trommelschlegel hilfsbereit.
»Ja», antwortete die Rumbagurke. »Nur zu! Vertreib die lästige Laus!«
Kritzekratzekritzekratze ...
Retsch, kretsch, retsch, kretsch - sauste der Trommelschlegel über den geriffelten Rücken der Rumbagurke. »Gut so?«
»Fester!« bibberte die Rumbagurke. »Weiter! Mehr links! Jetzt rechts! Höher!«
Kritzekratzekritzekratze ...
Retsch, kretsch, retsch, kretsch ...
Mit einem Satz sprang die Laus durch ein Loch im hölzernen Bauch der Rumbagurke auf die Pauke. Auf ihren haarigen Beinchen krabbelte sie über das Trommelfell, kletterte auf den Metallrand und plumpste herunter auf den Filzteppich, so dass die ringsum aufgeschreckten Instrumente sie für einen Moment aus den Augen verloren.
In der Dunkelheit erklang plötzlich die Triangel.
Das Klatschbecken hüpfte zischend auf und nieder.
Nervös rasselten die Rasseln.
Gereizt schellte der Schellenkranz.
Das Schüttelrohr schüttelte sich und fiel mit einem Seufzer in Ohnmacht.
»Wo ist das Biest?« hörte man eine erzürnte Stimme rufen.
»Weg mit dir!« klapperten die Castagnetten.
»Soll ich aufhören zu kratzen?« stöhnte der Trommelschlegel erschöpft.
»Weitermachen!« bellte die Rumbagurke. »Links! Rechts! Höher!«
Schrill pfiff die Blockflöte auf dem letzten Loch.
Hecktisch tönten die Klangstäbe.
Auch das Schlagzeug spielte verrückt.
Mit klirrenden Lauten meldete sich das Glockenspiel zu Wort.
Kritzekratzekritzekratze ...
Retsch, kretsch, retsch, kretsch ...
Auf dem Xylophon steppten zwei Trommel-stöcke.
»Wo ist die Laus?«
Die Bongos rieben ihre juckenden Felle an der Gardine.
Nun sauste die Laus balancierend über die Saiten der Gitarre.
Zitternd klimperten die Cimbeln.
»Weiterkratzen oder aufhören?« fragte der Trommelschlegel japsend die Rumbagurke.
»Weitermachen!«
Kritzekratzekritzekratze ...
Retsch, kretsch, retsch, kretsch ...
»Höher! Nicht so feste! Aufhören! Weiter! Mehr rechts! Nein, links!«
Das Klavier hob vorsichtig seinen Tastendeckel und lugte verstohlen umher. Alle Instrumente lärmten jetzt wie toll durcheinander! Dann aber fiel mit einem scharfen Knall das Crash-Becken vom Ständer: Platschschsch!!!
Augenblicklich herrschte Totenstille in dem kleinen Musikladen.
Herr Tuba öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. »Was ist denn hier los?» sagte er befremdet in den Raum hinein.
Stille, vollkommene Stille.
»Träume ich vielleicht?« sagte Herr Tuba murmelnd zu sich selbst. Er kratzte sich am Hinterkopf und löschte wieder das Licht. Dann schloss er die Tür und stieg langsam die Treppe hinauf zu seiner Wohnung. Unterwegs kratzte er sich umständlich am Hals, an der Schulter, am Rücken.
Kritzekratzekritzekratze ...
Leise, sehr, sehr leise kicherten alle Instrumente in sich hinein ...


© Erhard Schümmelfeder


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Beschreibung des Autors zu "DIE LAUS IN DER RUMBAGURKE"

Unvergessliche Vorlesegeschichten für Kinder als Ebook im Handel (amazon, Weltbild, ciando etc.) zu kaufen unter dem Titel "Der Mann der immer Unrecht hatte".




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