Blau, als ich erwache. Blau, als ich mich umsehe. Braun, als der Boden auf mich zurast. Wackelig bin ich auf den Beinen, als hätte ich keine Kraft mehr, meinen Kopf oben zu halten. Nackt bin ich, und ich weiß nicht, wer mir meine Kleider gestohlen hat. Fast sehne ich mich nach dem gewohnten Gewicht des weichen Stoffs auf meinen Schultern. Das kalte Holz drückt sich in meine Haut, die Bretter hinterlassen eine Spur, die nur ich sehen kann. Und nirgends, nirgends etwas außer blau und braun und einem Hut, den irgendein Witzbold neben mich gelegt hat. Vorsichtig fahren meine Finger über das geflochtene Stroh, mit Blicken verspeise ich die bunte Schleife, die mich an saftige Blumen- Moment!nHabe ich das gerade gedacht, gefühlt, gewollt?! Habe ich mich gerade zu der Schleife geneigt, um mit meinen Lippen den seidensanften Stoff zu umschließen? Wollte ich, ich gerade meine Zähne darin versenken? Sicher nicht!
Um mich abzulenken, starre ich an die Decke, ebenfalls blau, ich schiele durch meine langen, dichten Wimpern hindurch. Verdammt, wo kommen die her?! Das? das können doch nicht meine sein! Verwirrter denn je kratze ich mich hinter meinen langen, flauschigen?- Mitten in diesem Gedanken breche ich ab. Gott möge das verhüten, Gott soll mir sagen, jetzt, sofort, dass ich ein Mensch bin! Ein vollkommener Mensch, kein? kein halbes Tier!nMeine Finger fahren jetzt über mein Gesicht, erkunden, wie es sich anfühlt, eine langes, samtweiches Eselsmaul zu besitzen, wie es ist, aus größeren Augen als den meinen die Welt zu sehen. Und wie es ist, Hunger zu verspüren nach saftigen Gras und stacheligen Disteln. Mein Hirn schreit danach, zu rennen und zu hüpfen, auf einer grünen Wiese, mit einer hübschen Eselin, und doch weiß ich, dass ich mit meinen Menschenbeinen nie mit ihr mithalten könnte. Traurig sinke ich gen Boden, bette den Eselskopf auf meine zitternden Händen und döse hinweg, um der Eselin und der Wiese ein bisschen näher zu sein.
Als ich erwache, hat sich etwas verändert, weiß malträtiert meine gequälten Augäpfel, weiß, überall weiß, wahnsinnig werde ich! Ich schüttle den Kopf, meinen wunderschönen Menschenkopf mit der schmalen Nase und dem schiefen Mund. Ich schüttle ihn immer noch und zittere am ganzen Körper, ich schaukle immer noch hin und her, als sich quietschend eine Wandklappe öffnet und eine körperlose Hand einen gräulichen Brei in einem metallenen Napf hereinschiebt. Ich schreie, als die Klappe sich wieder schließt, ich sinke auf die Knie, hämmere gegen die eiserne Tür.
?Still!?, schreit es von draußen. Still, still, still! Still werde ich erst sein, wenn ich tot bin.


© Papermoon


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Beschreibung des Autors zu "Blau"

Ein seltsames Erwachen (ganz ohne den Einfluss von Alkohol^^)




Kommentare zu "Blau"

Re: Blau

Autor: Bine   Datum: 18.07.2012 21:46 Uhr

Kommentar: super und ganz ohne alkohol

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