Schon als er zum ersten Mal über die sandigen Wege der Insel Hiva Ova ging, faszinierte ihn die üppige Natur unter einem in intensivem Blau leuchtenden Himmel. Er begann zu verstehen, dass der Maler Paul Gaugin an diesem Ort zu einer Erweiterung seiner Sujets und seines Malstils inspiriert worden war. Vermutlich herrschte hier seinerzeit eine noch ungezwungenere Lebensweise vor, ursprünglich und den Traditionen folgend. Der Besucher wandelte hier auf den Spuren des berühmten Malers, konnte in dieser Umgebung den Stilwandel zum Postimpressionismus, der in eine exzessive Ausdruckskunst überging, nachvollziehen. Diese Entwicklung in der Malerei war vor vielen Jahren Thema seiner Dissertation gewesen. Er wusste aus Gaugins Biografie, dass dieser neben Bildern auch Rätsel hinterlassen hatte.
Nun, nach seiner Pensionierung, verwirklichte der Kunsthistoriker seinen Lebenstraum, das impressionistisches Ambiente dieser Insel, eingebettet in die natürliche Kraft expressionistischer Farben, in seiner Ursprünglichkeit zu erleben.
Schon nach wenigen Tagen des Aufenthalts nahmen ihn die Eindrücke der tropischen Insel im abgelegenen Nordosten Französisch Polynesiens gefangen. Auf seinen Erkundungstouren kam er durch Dörfer, die aus der Ferne wie an die Hänge geheftete Farbtupfer am Fuße der zerklüfteten Berge erschienen. Und immer wieder führte der Weg entlang palmengesäumter Buchten. Schon bald verspürte er die Magie dieses wahr gewordenen Traums einer Südseeidylle, ein Kontrapunkt zu seinem vorherigen Leben; frühere Zwänge und einengende Denkmuster machten eine Pause.
Dann im kleinen Dorf Atuona, ein Ort mit einer überschaubaren Einwohnerzahl, getragen von den ruhigen, lustbetonten Verrichtungen der Bewohner, die tagsüber häufig in den wenigen kleinen Geschäften oder um den zentralen Markt herum anzutreffen waren. Der Besucher schlug nach seinem Rundgang durch das Dorf den Weg zum Friedhof ein, wo sich die Gräber des Malers Paul Gauguin sowie des Sängers Jacques Brel befinden – beides Suchende, die in ihren späten Lebensjahren hier gelebt hatten. Auf Touristen trifft man in dieser abgelegenen Gegend sehr selten. Bei Begegnungen mit Einheimischen werden sie von diesen stets freundlich wahrgenommen.
So erging es auch ihm. Der Kunsthistoriker begegnete auf dem Rückweg vom Friedhof einer Familie, die sich während einer Unterhaltung als Nachfahren von Gaugins letzter Lebensgefährtin herausstellten. Die Einheimischen luden ihn in ihr Zuhause ein, dort wurde er bewirtet, und später, beim Erklären der Inselkultur, zeigten sie ihm unter anderem eine alte Holztruhe, die sorgfältig dekoriert und mit Abbildungen verschiedener bunter Motive versehen war. Diese Truhe enthielt unter anderem eine Sammlung von Pergamentfragmenten, auf denen kleine filigrane Zeichen zu erkennen waren. Der Kunstexperte sah sich die alten Blätter aus der Nähe an und erkannte darauf stilisierte Symbole, deren Deutungen auffallend klar waren: stilisierte farbige Herzen, die unterschiedliche Emotionen ausdrückten, Sonnen mit verschiedenen Gesichtsausdrücken, Palmen und Blumen mit kleinen Vögeln und anderen heimischen Tieren, sowie Alltagsmotive der Insel, alle kunstvoll und in leicht verständlicher Form dargestellt. Die Familie erklärte ihm, Gauguin hatte diese Zeichen entwickelt, um besser mit den Einheimischen kommunizieren zu können. Er fühlte sich während seines Aufenthalts auf der Insel sprachlich überfordert, und hatte so für sich eine Möglichkeit geschaffen, über de reine Mimik und Gestik hinaus, Stimmungen und Gefühle ausdrücken zu können. Diese Piktogramme hatten in ihrer Vielfalt dem Maler geholfen, Sprachlücken zu füllen. Der Besucher war fasziniert. Diese Symbole schienen eine Verbindung zwischen komplett unterschiedlichen Welten herstellen zu können, geschaffen von einem Mann, der als Künstler genial und zugleich Suchender gewesen war - doch das eigentlich Überraschende sollte noch folgen. Ein Familienmitglied erklärte ihm, dass vor einigen Jahrzehnten ein japanischer Tourist die Insel besucht hatte, diese Piktogramme in einer kleinen Galerie entdeckt hatte, von deren klarem Ausdruck so fasziniert war, dass er Kopien von diesen mit in seine Heimat genommen hatte - eigentlich nur Kleinkunst von einer Südseeinsel. Dem Kunstexperten wurde erst durch nähere Erklärungen der Familie klar, zu welcher Bedeutung sich diese Zeichen der Insel entwickelt hatten. Begeistert erklärte ihm das Familienoberhaupt, dass diese Bildsymbole die Grundlage für eine Bildsprache ganz spezieller Art geworden seien. Sie wurden zum Ursprung jener kleinen Zeichen, die heute weltweit als Emojis zur digitalen Übermittlung von Gefühlen und Gedanken benutzt werden.
Eine nie geahnte Erkenntnis für den Kunsthistoriker aus Europa – er war überwältigt. Die Notlösung Paul Gaugins, mit der er seine Sprachbarriere überwunden hatte, war zu einer speziellen Form der Sprache geworden, mit der heutzutage Menschen weltweit Botschaften austauschen. Als Künstler einer weit zurückliegenden Epoche hatte er die Grundlage für die Verknüpfung von moderner Kommunikation und Kunst geschaffen. Als Maler hatte Paul Gaugin der Kunstwelt mit seinen Werken einen wichtigen Impuls gegeben. Jedoch der aus der Not geborene Schritt zu einer schlichten Symbolik hatte in genialer Einfachheit die Umwandlung in ein Medium der alltäglichen modernen Kommunikation geschaffen.
Kommentar:Hi, sehr interessante Geschichte über eine Erfindung, die heute weltweit als stille Kommunikation genutzt wird und die sehr dezent das aussagt was einem berührt oder was man empfindet! Eine sehr schöne Idee die heute gar nicht wegzudenken ist. Genauso wichtig wie alles was die Menschheit weitergebracht hat. Ein nettes Lächeln kann man gar nicht süßer erfahren als durch ein solches Symbol. Ich nutze es selber sehr oft! Danke für diese Geschichte!
lg Michael
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