Die wundersame Geschichte des Mr. Robert Starmer

Der Tod ist ein einzigartiges Phänomen, das ein jeder Mensch nur einmal erlebt.
Jeder geht aber auf seine eigene Art und Weise, wenn der Tod ihn holen kommt.
Das erfuhr auch der alte Mr. Robert Starmer.
Doch lest diese kleine Geschichte selbst.
 
***

Draußen ging langsam die Sonne unter.

Der alte Mr. Robert Starmer stand vor seinem großen Wohnzimmerfenster, schob die Gardine langsam ein wenig zur Seite und schaute wehmütig auf die leerstehende Terrasse vor seinem Haus, wo er noch vor einem Jahr mit seiner geliebten Frau zusammen an den warmen Sommerabenden bis tief in die Nacht hinein gemütlich und vertraut ihr Zusammensein genossen hatten.
 
Ganz plötzlich und unerwartet war aber seine Frau Marlene gestorben und seitdem lebte der Alte ganz allein in dem weitläufigen Haus, das weit draußen einsam und verlassen am Rande der Stadt lag, wo sich nur selten irgendwelche Menschen hin verirrten.
 
Der ausgedehnte Rasen war mittlerweile total verwildert, weil der alte Starmer ihn nicht mehr aus körperlichen Gründen mähen konnte. In Wirklichkeit hatte er aber auch keine große Lust mehr dazu, den Garten samt Rasen in Ordnung zu halten. In seinem Alter wartete man tatsächlich nur noch auf den Tod, der eigentlich jeden Tag zuschlagen konnte, wie Mr. Starmer so dachte. Also ließ er die Arbeit aus Desinteresse einfach liegen.

Das gesamte Grundstück wurde von einer sehr hohen Hecke aus Thujen begrenzt, vor der hier und da einige mächtige Fichten standen, die hoch in den Himmel hinein ragten. Sie waren fast so alt wie er selbst.
 
Gerade wollte Mr. Starmer das Wohnzimmerfenster wieder verlassen, als es draußen in seinem Garten einen sehr lauten und heftigen Knall gab, gefolgt von einem sehr hellen Blitz, der aber gleich wieder verschwand und nur einige qualmende Rauchschwaden hinterließ.
 
Der Alte schob neugierig abermals die Gardine zur Seite, weil er wissen wollte, was da draußen vor sich ging und erblickte zu seiner großen Überraschung ein leuchtendes Lichttor, das ganz plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, auf seiner Terrasse erschienen war.
 
Der Durchmesser des Lichttores betrug wohl etwas mehr als zwei Meter. Hier und da gab es noch einige kleinere elektrische Entladungen, die sich allesamt wie kleine lebendige Feuerzwerge schnell über den äußeren Rand der Lichterscheinung bewegten, bis auch sie schließlich völlig verschwanden.

Ganz plötzlich trat eine unheimliche Stille ein, die den alten Mann etwas Zögern ließ.

Nach einer Weile des Wartens verließ Mr. Starmer das Wohnzimmer und ging nach draußen. Er benutzte sicherheitshalber den Hinterausgang seines Hauses, von wo man aus über den weiten Hof, sowohl den Garten, als auch die Terrasse, gut erreichen konnte.
 
Am Ende der Hauswand blieb er stehen und lugte vorsichtig um die Ecke, hinüber zur Terrasse, auf der das helle Lichttor immer noch stand, ohne sich auch nur ein Stück weit vom eingenommen Ort weg bewegt zu haben.

Dann geschah etwas seltsames.

Ganz plötzlich hörte der alte Starmer zu seiner großen Überraschung die Stimme seiner längst verstorbenen Frau Marlene, die ihm so vertraut war. Sie rief mit sanften Worten immer wieder nach ihm.
 
Dann blickte er langsam und vorsichtig um die Hausecke.
 
Im gleichen Moment wurden ihm schlagartig die Knie weich, denn aus dem hellen Lichtkranz trat auf einmal seine geliebte Frau Marlene wie ein Geist hervor, als wäre ihre körperliche Hülle keine feste Materie. Sie selbst war ebenfalls von einem hellen Licht umgeben, das zu pulsieren schien.

Dann breitete sie auf einmal ihre Arme weit einladend auseinander und kam lachend auf ihren Mann zu, der sich jetzt von der Hausecke gelöst hatte und wie zu einer Salzsäule erstarrt war.
 
„Marlene, bist es du?“, stammelt der Alte verwirrt und konnte es nicht fassen, dass seine verstorbene Frau plötzlich leibhaftig direkt vor ihm stand. Sie war wieder so jung und genauso schön wie früher, als sie sich kennen gelernt hatten in ihre Jugendzeit.
 
„Ja, mein lieber Robert, ich bin es wirklich. Deine Marlene ist wieder da, um dich zu holen, Liebster. Aber ich kann nicht lange hier bleiben und muss bald wieder zurück in meine neue Welt, die einfach eine wunderbare ist. Komm' mit Robert! Wir werden dort für immer zusammen sein. Du wirst wieder genauso jung wie ich werden.“
 
Auf einmal ergriff seine Frau Marlene energisch die rechte Hand ihres völlig verdutzten Mannes und zog ihn liebevoll hinüber zu dem hellen Lichttor, das auf der Terrasse vor ihrem Haus auf sie wartete.
 
Der alte Starmer war wie hypnotisiert, bekam keinen einzigen Laut über die Lippen und ließ sich widerstandslos von seiner hübschen jungen Frau mitnehmen. Etwas später gingen beide in den jetzt flimmernden Lichtkranz hinein und verschwanden darin, der sich auf einmal wie ein verblassendes Bild langsam aufzulösen begann, bis auch der letzte Rest von ihm verschwunden war, als hätte es ihn nie gegeben.
 
Auf der Terrasse aber, wo das helle Lichttor einst so plötzlich erschienen war, lag jetzt der tote Körper des alten Mannes, der dort mit einem friedlichen Lächeln im Gesicht gestorben war.
In der anderen, jenseitigen Welt, wo es keinen Tod und kein Altern gab, waren beide wieder als junge Menschen in Frieden vereint – für immer.
 
ENDE
 
(c)Heiwahoe


© Heiwahoe


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Kommentare zu "Die wundersame Geschichte des Mr. Robert Starmer"

Re: Die wundersame Geschichte des Mr. Robert Starmer

Autor: Michael Dierl   Datum: 03.05.2025 8:42 Uhr

Kommentar: Morning, Tja, der Tod scheint ja ein Happy End zu haben! Immerhin sieht man seine verflossene wieder. Für manchen wohl ein Albtraum und für andere eine schöne Überraschung. Gut wenn man wieder aussieht als wenn man Mammutbäume umgraben könnte. Das macht Hoffnung! Leider weiß man zu wenig über diese "schöne" Zeit nach der Katastrophe.

lg Michi gern gelesen! Dir ein schönes WE!

Re: Die wundersame Geschichte des Mr. Robert Starmer

Autor: Heiwahoe   Datum: 03.05.2025 19:41 Uhr

Kommentar: Hallo Michi!

Der Homo sapiens weiß eigentlich im Prinzip nichts über das sog. Jenseits. Aber genau deswegen fasziniert es ihn ja so sehr.

Jede Weltanschauung des Menschen auf diesem Planeten hat ihre eigene Idee, was nach dem Tod geschieht. Auch haben sie ofe eine gemeinsame Vorstellung eines Gerichts und von der Unsterblichkeit der Seele.

Wenn man beispielsweise vor dem Grab eines Angehörigen steht und auf die dort gepflanzten Blumen schaut, entsteht in eigenartiger Weise die Vorstellung in einem, sie mögen doch im Himmel sein (und nicht in der Hölle).

Die Vorstellung von Himmel und Hölle ist nämlich so alt wie die Geschichte der Menschheit selbst, denn die meisten Menschen tragen irgendwie eine tiefe Überzeugung in sich, dass das Leben hier auf der Erde nicht die letzte Station sein kann und es ein Weiterleben in irgendeiner Form gibt.

Dir eine schöne Zeit!

Gruß

Heiwahoe

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