Das ist eine fiktive Kurzgeschichte


Der nasskalte Morgen in Berlin begann mit einem heftigen Regenschauer.




Mittlerweile war es Ende Februar geworden, und der Winter befand sich immer mehr auf dem Rückzug. Dagegen verdeckten graue Regenwolken die meiste Zeit den den trüben Himmel über dieser deutschen Metropole und die allgemeinen Temperaturen waren eigentlich zu warm für diese Jahreszeit.




Die Menschen regten sich allerorten über das schlechte Wetter auf. Nichtsdestotrotz mussten sie es hinnehmen wie es war und sich damit zufrieden geben, was die Natur für sie an Klimakapriolen bereit hielt.




Wegen des miesen Morgenwetters hasteten die Stadtbewohner mit hochgezogenen Schultern und eng anliegenden Mantelkragen durch den stickigen Dschungel aus Straßen und Gebäuden. Niemand hatte auch nur einen Blick für den anderen. Deshalb bemerkte auch keiner die Gestalt, die aus einem altmodisch aussehenden Auto stieg und wie beiläufig in der regennassen Umgebung aufmerksam herumschaute.




Ein paar Sekunden später ging die Person ans Ende des geparkten Fahrzeuges, öffnete den Kofferraumdeckel und holte eine länglich aussehende, schwarze Tasche heraus. Die ominöse Gestalt, ein etwa fünfunddreißig Jahre alter Mann, schulterte das Gepäckstück und steuerte schließlich direkt auf den Eingang eines ziemlich herunter gekommenen Hotels zu, das in einer dunklen, nur diffus beleuchteten Seitenstraße lag.




Vor dem überdachten Eingang des schäbigen Hotels stand ein fettleibiger Portier, der den heran nahenden Mann aus wässerigen Augen aufmerksam beobachtete. Kaum stand der Gast vor ihm sagte er zu ihm: "Hier wird im Voraus bezahlt! Eintragung in die Gästeliste nur auf Wunsch. Kostet allerdings etwas mehr. Ist das klar? Außerdem dulden wir keine Weiber auf dem Zimmer! Wenn Sie nicht damit einverstanden sind, dürfen Sie sich gleich wieder umdrehen und Leine ziehen, mein Herr!"




"Ich akzeptiere natürlich. Ich werde ihnen deshalb auch keine Unannehmlichkeiten bereiten."




"In Ordnung, dann gehen Sie bitte zur Kasse rüber! Die liegt genau in dieser Richtung, gleich gegenüber von unserem Standort. Die Dame an der Rezeption wird Sie dort in Empfang nehmen", sagte der Portier und ließ den Mann mit der umgehängten Langtasche passieren.




Als der neue Gast vor der sich reserviert benehmenden schon etwas älteren Frau stand, forderte sie von ihm mit herrischer Stimme sofort die übliche Kreditkarte an. Der unbekannte Mann griff in seine rechte Brusttasche, zog eine goldfarbene Bankkarte daraus hervor und legte sie demonstrativ auf die Theke. Aufmerksam beobachtete er die Reaktion der grauhaarigen Hotelrezeptionistin.




Gierig fingerte diese nach der Geldkarte, steckte sie geübt in den Schlitz eines Computers und wartete ab was passieren würde.




Einen Moment später weiteten sich ihre Augen und ihr Verhalten wurde schlagartig freundlicher. Offenbar befand sich auf der Kreditkarte eine ziemlich hohe Summe an Guthaben. Dann sagte sie mit höflich gespielter Stimme: "Sir, wenn Sie es wünschen, gebe ich Ihnen unser bestes Zimmer oben im fünften Stockwerk. Von da aus haben Sie einen fantastischen Blick über die ganze Stadt, da unser Hotel zudem noch auf einer kleinen Anhöhe steht und somit alle anderen Gebäude weit genug überragt. Ich sehe gerade, dass in der fünften Etage noch ein sehr komfortables Zimmer frei ist."




Der Gast nickte zustimmend mit dem Kopf und nahm die Codekarte für das besagte Hotelzimmer wortlos entgegen. Die alte Dame zog den Rechnungsbetrag vom Guthaben ab und reichte die Geldkarte an seinen Besitzer zurück und deutete auf den Aufzug gleich neben der Rezeption.




Der Mann setzte sich in Bewegung und steuerte direkt auf den Fahrstuhl zu. Im fünften Stock stieg er aus und marschierte zielstrebig den langen Korridor entlang. Irgendwie roch es hier oben nach abgestandener Luft. Aber das störte ihn nicht weiter. Endlich erreichte er die Tür mit der Nummer 510, zog die Codekarte durch das elektronische Schloss und stand nur wenige Sekunden später im tadellos hergerichteten Zimmer.




Der neue Hotelgast stellte seine Langtasche behutsam auf dem Boden ab und trat ans Fenster. Die alte Empfangsdame hatte recht gehabt. Der Blick über die Stadt war perfekt. Fast jede Straße und jede Kreuzung konnte er ohne Schwierigkeiten einsehen. Zufrieden ließ er sich auf das weiche Bett fallen, das in der rechten Ecke gleich neben dem Fenster stand.




Nach einer Weile stand er wieder auf, öffnete die lange Tasche und breitete den Inhalt vor sich auf dem Bett aus. Dann begann er vorsichtig damit, die einzelnen Teile einer Waffe zusammenzubauen, die sich bald als ein hochmodernes Scharfschützengewehr entpuppte. Nachdem alles zusammengesetzt war, kontrollierte der Mann ein letztes Mal seine Spezialwaffe mit Schalldämpfer, steckte das geladene Magazin in den Magazinschacht und lud durch. Danach ging er zum Fenster, öffnete es behutsam und blickte angestrengt in die Tiefe.


In Gedanken ging er immer wieder den Plan durch, schätzte die ungefähre Entfernung zum Ziel ab und stellte sich den Fluchtweg vor, den er sich zurecht gelegt hatte, um unerkannt verschwinden zu können.




Plötzlich summte sein Smartphone. Sekunden später baute sich ein Bild auf. Das schöne Gesicht einer jungen Frau erschien. Dann fing sie an zu sprechen.


"Hier spricht Madame Butterfly. MX, hören Sie mich?"




"Ja, laut und deutlich. Das Bild ist erstklassig. Die Übertragung steht. Wie ist die Lage, Madame Butterfly?"




"Das Ziel fährt in einen schwarzen Mercedes. Zwei Begleitfahrzeuge fahren hinterher. Die drei Fahrzeuge nähern sich jetzt der Kreuzung direkt vor ihrem Hotel. Sie sind jetzt noch zwei Häuserblocks weit entfernt. Machen Sie sich bereit, MX!"




"Alles klar! Ich bin bereit, Madame Butterfly“.




Hören Sie genau zu, MX! Ich befinde mich in einem unauffälligen, weißen Lieferwagen gleich neben der Kreuzung. Also passen Sie auf, wohin Sie schießen. Der erste Schuss muss sitzen. Ich bin nur dazu da, um den Abschuss zu bestätigen, damit unser Kunde sicher sein kann, dass alles wunschgemäß erledigt worden ist. Nach erfolgreicher Liquidierung der Zielperson wird das Geld sofort auf das von Ihnen angegebene Konto überwiesen. Gehen sie jetzt an die Arbeit MX!"




"Keine Angst, ich bin einer der besten Scharfschützen und habe bis jetzt noch kein Ziel verfehlt. Ich beende das Gespräch. Das Zielobjekt nähert sich der Kreuzung. Ab jetzt Sendepause, Madame Butterfly."




Der Mann stellte sich in aller Ruhe ans geöffnete Fenster, zog die Vorhänge zu und positionierte das Scharfschützengewehr am Holzrahmen. Dann suchte er durch das Zielfernrohr nach seinem Opfer. Bald hatte er den schwarzen Mercedes gefunden und zoomte die ahnungslose Zielperson heran.




Die saß still im Fond der Limousine und hatte irgendein Blatt Papier in der Hand, das sie konzentriert durchlas.


Der heimliche Schütze drückte das Gewehr mit dem lange Zielfernrohr fester an die Schulter. Sein Zeigefinger krümmte sich langsam um den Abzug. Die Ampel an der Kreuzung sprang plötzlich auf Rot und der schwarze Mercedes-Benz kam augenblicklich zum Stehen. In diesem günstigen Augenblick drückte der Mann am Fenster ab.


Lautlos verließ das Geschoss den schallgedämpften Lauf des Scharfschützengewehres, durchschlug mühelos das gepanzerte Seitenfenster des Mercedes und traf die deutsche Bundeskanzlerin voll in den Kopf, der wie eine reife Melone zerplatzte. Gehirnmasse, Knochensplitter und ein riesiger Schwall Blut verteilte sich im Wageninnern. Im nächsten Moment fiel der Oberkörper des Opfers seitlich auf den Leder bezogenen Rücksitz, wo sich eine große Blutlache bildete. Im nächsten Augenblick raste die Staatskarosse auch schon mit hoher Geschwindigkeit über die belebte Kreuzung, bog mit quietschenden Reifen in eine enge Seitenstraße und verschwand darin mit den zwei anderen Begleitfahrzeugen, die mit heulenden Sirenen und Blaulicht hinterher rasten. Überall sprangen Passanten kreischend auseinander oder brachten sich in den umliegenden Hauseingängen und hinter geparkten Fahrzeugen in Sicherheit.




Nach dem treffsicher abgegebenen Schuss zerlegte der Schütze sein Gewehr seelenruhig in seine Einzelteile, verstaute alles akkurat wieder in der schwarzen Langtasche, warf noch einmal einen prüfenden Blick aus dem Fenster, schloss es vorsichtig, zog die Vorhänge zu und verließ gut gelaunt das Hotelzimmer.




Am Ende des Korridors öffnete er leise und behutsam die Balkontür, stieg über die Feuerleiter runter in den Innenhof und verließ auf diese Weise den inneren Bereich des Hotels. Bald hatte er sein in der Nähe abgestelltes Fahrzeug erreicht, verstaute sein eingepacktes Scharfschützengewehr unter einer dicken Decke im Kofferraum und nahm wenige Augenblicke später hinter dem Lenkrad seine Autos Platz. Dann startete er den Motor und das altmodisch aussehende Fahrzeug setzte sich mit wachsender Geschwindigkeit in Bewegung.




Keine fünf Minuten später summte abermals sein Smartphone. Ein Bild baute sich auf. Kurz danach krächzte eine künstliche Stimme.




"Hallo MX! Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet. Die deutsche Bundeskanzlerin ist tot. Die Nachricht von dem Attentat geht gerade um die ganze Welt. Die Menschen sind überall geschockt, aber das ist uns egal. Unser Auftragsdienst hat das Finanzielle bereits veranlasst. Danke für die perfekte Zusammenarbeit! Wenn wir Sie wieder in Anspruch nehmen müssen, melden wir uns. Bis dahin wünschen wir Ihnen alles Gute! Ende der Durchsage!“




Der Mann hinter dem Lenkrad grinste ein wenig.




"Na klar. Solange die Kohle stimmt, übernehme ich jeden Auftrag. Davon lebe ich ja schließlich. Ich hoffe daher, dass wir schon bald wieder ins Geschäft kommen werden."




In diesem Moment wurde die Nachricht durch ein leises Piepsen unterbrochen. Das Bild auf dem Smartphone verschwand und der Attentäter konzentrierte sich jetzt auf das Einbiegen in die Fahrspur der Autobahn, die ihn weit ins Hinterland von Berlin bringen würde.




Während der Fahrt dachte der Auftragskiller darüber nach, wie viel Geld wohl jetzt auf seinem Geheimkonto lag. Das hing in der Regel vom Wert des Opfers ab, das zu beseitigen war, fiel ihm dazu ein und loggte sich mit einem bestimmten Kennwort in sein Konto bei einer Bank in der Schweiz ein. Eine Summe von weit über 1 Million Euro war erst vor wenigen Minuten eingegangen.



„Die deutsche Bundeskanzlerin war eben ein hohes Tier, und ich habe sie mit einem gezielten Schuss erledigt“, murmelte er mit halblauter Stimme zu sich selbst, grinste wieder so komisch, gab noch mehr Gas und raste über die breite Autobahn in Richtung Süden.



ENDE



(c)Heiwahoe


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Kommentare zu "Das Attentat auf die deutsche Bundeskanzlerin"

Re: Das Attentat auf die deutsche Bundeskanzlerin

Autor: Michael Dierl   Datum: 09.04.2024 21:20 Uhr

Kommentar: Hi, gut dass Du die Geschichte etwas verändert hast! Ist immer noch kitzlig genug! Ich hätte den Adolf genommen und dann die Geschichte etwas weitergesponnen, also als das aufgeführt was durch Hitler eingetreten ist und dann eine Rückführung zu dem Attentäter der in weiser Voraussicht, quasi wie ein Wahrsager sich selbst die Aufgabe gestellt hat diesen Kandidaten aus der Welt zu schaffen, nur weil er eine quasie Eingebung hatte die er gefolgt ist. Somit könnte er zufrieden wieder seiner Arbeit nachgehen wenn er nicht einige Stunden danach erfahren hätte dass er Hitlers Doppelgänger erschossen hat! Sogesehen dann doch wieder Pech mit seiner Glaskugel die ihm nicht alles erzählen konnte! ;-)

lg Michael

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