Da war dieses Rauschen eines Baches, dem ich folgte. Es führte mich zu einer Hütte oberhalb eines abgelegenen Tales. Ich ging um die Hütte herum, die Türe stand offen. Ich wagte einen Blick nach drinnen. «Hallo, ist da jemand?», fragte ich halblaut. Niemand meldete sich. Ich hörte ein Brutzeln in einer Pfanne. Ich wagte nicht einzutreten. Langsam ging ich wieder rückwärts, versuchte jedes unnötige Geräusch zu vermeiden. Als ich um die Hütte bog, kam mir ein bärtiger Mann entgegen. Er hatte Blut an den Händen. Er sah mich an. «Was wollen Sie denn hier?», fragte er. «Nichts», sagte ich, «ich bin nur am Durchwandern. Schönen Tag noch.» «Wollen Sie etwas essen?», fragte mich der Mann, «ich habe Spiegeleier auf dem Feuer.» «Nein danke», sagte ich, «ich muss weiter.» «Aber aber, warum denn so eilig», fragte mich der Mann, «der Tag ist noch jung. Ich habe gerade ein Tier ausgenommen», sagte er, «es hat furchtbar geblutet, ich muss zuerst die Hände waschen.» Ich stand wie versteinert da und wusste nicht, ob ich stehen bleiben oder wegrennen sollte. Vielleicht stimmte ja seine Geschichte. In der Hand trug er eine Schrotflinte. Er hätte mich jederzeit erschiessen können. Oder bildete ich mir das nur ein? «Nun, kommen Sie schon, wir essen etwas, nachher können Sie gestärkt weiterwandern.»

Wir traten in die Hütte, ich setzte mich auf die lange Bank. Es roch nach Feuer und frischen Spiegeleiern. An der Wand hing ein Bild von ihm und einer Frau. Er stellte die Waffe in die Ecke, wusch sich die Hände und drehte die Spiegeleier in der Pfanne. «Woher kommen Sie", wollte er wissen, "haben Sie Familie?» Diese Fragen kamen mir merkwürdig vor. Ich sagte: «Ich komme aus dem Dorf hinter dem Berg», was nicht stimmte, «habe eine Frau und 3 Kinder», was auch nicht stimmte, «und ich habe meiner Frau gesagt, dass ich zur Krete wandern und in 5 Stunden wieder zurück sein würde.» «Ich hatte einmal eine Frau, aber keine Kinder», sagte der Mann. Dann stand er auf, fragte, ob er kurz telefonieren könne, der Akku seines Handys sei leer. Ich gab ihm mein Handy, er ging nach draussen, schloss die Türe hinter sich und verriegelte sie. «Ach, du Scheisse», dachte ich.

Dass ich lebend aus dieser Hütte herauskam, verdankte ich einer Tellereisenfalle, die in den 80er-Jahren unbemerkt im Wald aufgestellt worden war, und der Schrotflinte, mit der ich mir den Weg nach draussen freischoss.

Zwei Tage später stellte sich heraus, dass der gesuchte Serienmörder Peter Metzger im Wald verblutet war. Die Leiche der 27-jährigen Sandra Obermüller fand man hinter einer umgefallenen Tanne in einem Erdloch, das mit Blättern zugeschüttet worden war. Ihr Freund Ferdinand Gschwend, für den Sandra die Liebe seines Lebens gewesen war, ist seither in psychiatrischer Behandlung. Der grossräumige Wald, der nationale Berühmtheit erlangte, wird seither von Wanderern und Bikern gemieden. Ich gehe noch immer wandern, mit Rucksack und allerhand gefährlichen Sachen drin.


© René Oberholzer


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