„Besuchen wir doch mal das Geschmeiß!“ Dieser Slogan machte in den Städten der Götter die Runde und die Lust zu sehen, was das bislang eher unschuldige Universum für missratene Kreaturen hervorbringen kann, wenn nur jemand gewillt ist seine Gesetze zu pervertieren, griff rasend schnell um sich. „Lerne die Abgründe einer Schöpfung kennen, wie sie nicht von selbst entstehen können, aber wohl irgendwie latent vorhanden sind“, sagten sich die Götter und die meisten betrachteten diesen lebendigen Unrat als lehrreiches Anschauungsmaterial dafür, wie man es auf keinen Fall machen sollte.

Die Erde galt als die Hölle schlechthin: als ihr lebendiges Gleichnis – als ein Beispiel für ein nicht mehr vertretbares Streben nach Macht und Gewalt. Wer hatte denn nur diesen unseligen Gedanken einer Schöpfung dieser unreinen Art, in die Phantasien der Götter geschmuggelt? Ein höheres Wesen, die Seele des Universums konnte es doch nicht gewesen sein – oder? Suchte sich der Kern des Seins tatsächlich in der Gosse des Machbaren? In welchen Pfuhl war denn die Wissenschaft geraten, wenn sie es jetzt schon nötig hatte Erfahrungswerte im Schmutz zu finden?

Doch ein intaktes Gewissen kümmert sich eben auch um hoffnungslose Fälle – und manchmal neigt es sogar dazu maßlos zu übertreiben! So geschehen im Fall zweier Städte, die ganz besonders viele Ekelgefühle bei den Göttern auslösten…sie konnten einfach nicht mehr hinschauen! Doch was störte sie so eklatant an dieser besonderen Art „menschlicher Kultur“? Was taten diese armen verirrten und verwirrten Wesen denn schon groß? Sie trieben Unzucht mit Tieren? Sie bevorzugten das gleiche Geschlecht? Sie misshandelten und versklavten (Menschenhandel) Artgenossen? Sie kleideten sich „falsch“? – Männer als Frauen und Frauen als Männer… Sie folterten zur Kurzweil! Sie logen und betrogen einander, daß es eine „wahre Freude“ war? Und sie beteten Dämonen an, die Menschenopfer forderten?

Später einmal, das ahnten alle, würde es auf der ganzen Welt, unter dem Deckmäntelchen der Politik und / oder des „Glaubens“ ähnlich zugehen und weder ein Gott, noch eine irdische Organisation würde sich ernsthaft darum kümmern. Warum sich also jetzt, in drei Teufels Namen, so große Sorgen machen?! Doch die Argumente der, für diesen Verwaltungsdistrikt Beauftragten, waren leider eben auch sehr verständlich. „Nun haben wir noch einmal – vielleicht die letzte Gelegenheit –, im größeren Rahmen, regelnd einzugreifen“, sagten sie sich…und sie bereiteten sich vor! Natürlich hätten sie wissen müssen, wofür ihre Aktion später ausgenutzt werden würde – man würde sie religiös verbrämen und damit zwielichtigen Machthabern fadenscheinige Argumente in die Hände spielen, die sie für ihre Zwecke schamlos ausnützen konnten.

Doch alle Bedenken wider die Bedenken blieben ohne Folgen, wohingegen die Folgen aus den Bedenken vernichtend waren: Eines schönen Tages erschienen zwei, wunderschön orangefarben funkelnde, Sterne am Himmel über Sodom und Gomorrha. Sie faszinierten das Volk. Es lief auf die Straße und jubelte laut: „Die Götter wollen uns mit einem Besuch belohnen!“ Priester in goldgewirkten Gewändern erschienen auf den Straßen, hoben beschwörend die Hände gen Himmel und sprachen ihre rituellen Formeln, zum Lob höherer Mächte. Dann spürten alle eine gewaltige, magnetische Welle, welche die Leute zu Boden drückte und dortselbst festhielt. Keiner konnte sich mehr bewegen. Es war zu spät!

An Flucht war nicht mehr zu denken und alle die eben noch überschwänglich gejubelt hatten begannen vor Angst zu zittern. Einer der vergoldeten Priester versprach noch großspurig „Eine Gefahr für die Bevölkerung besteht nicht – lobet die Herr‘n!“, dann kam für Sodom und Gomorrha das Jüngste Gericht! Das Firmament erschien wie glühendes Eisen! Die Luft verwandelte sich in eine einzige Explosion und augenblicklich löste sich alles Leben in einen, von Blitzen durchzuckten Dunst auf. Aus weiter Ferne mochte es ausgesehen haben als sei die Sonne auf der Erde gelandet und verhüllte sich nun sogleich in einer wunderlichen Wolke, die sich langsam wieder aufzulösen begann. Dann trat ein Stück unbebautes Land aus der wiedereinsetzenden Zeit hervor und gab den Blick auf eine einzige Ödnis frei, in der noch nie ein Mensch gelebt zu haben schien! Das Todeswerk war vollbracht!

Aber im Folgenden hagelte es massive Proteste aus den vereinigten Götterstädten, landauf, landab. „Wie konntet ihr das tun?“ hieß es da. Oder auch „Das waren weder Kleintiere, noch Dinosaurier, das waren Menschenwesen – und wie die sich benehmen, haben wir alle im Voraus gewusst. Sie sind nicht wie wir…anstatt freie Liebe haben sie eben ihre Perversitäten der mannigfaltigsten Art“. Da könne man doch eben, nichts machen, mutmaßten die Fachleute und sie verwiesen darauf, daß man wohl noch lange darauf warten müsse, bis sich aus diesem seltsamen, intelligenten Unrat einmal weise und integre Persönlichkeiten entwickeln würden. Sie einfach so zu vernichten, um damit Platz für neue, mutmaßlich bessere Menschen zu schaffen sei, auch für Götter, unklug und vermessen gewesen…wahre Worte!

Hinzu komme noch, daß es religiösen Eiferern nun wieder einmal offenstand zu behaupten, der Eingott, die Seele des Universums sei in Aktion getreten und habe ein Strafgericht veranstaltet, welches sie, die Priester und Propheten dieses Eingottes zu beurteilen hätten. Auf den Pöbel würde also ein noch größerer Pöbel folgen, der seine neu hinzugewonnene Macht auf genau die gleiche, absurde Art und Weise missbrauchen würde, wie sie die soeben Vernichteten auch schon missbraucht hätten. Was für ein Dilemma?! Die Götter kamen nicht umhin die Reisetätigkeit und die Mitarbeit für jedermann einzuschränken.

Die leitenden Gremien fragten auch immer öfter danach, wie weit denn der dringend benötigte Bau des großen Schicksalsgenerators gediehen sei. Dem wolle man in Zukunft derlei Entscheidungen über Leben und Tod – und wenn Tod, dann wie – übertragen. Zur Ausführung und Überwachung der Projekte aber würde dann weit weniger göttliches Personal gebraucht werden. In der Zwischenzeit lief jedoch alles wie gehabt weiter. Doch die Götter wurden jeweils vor dem Start zur Erde einzeln ermahnt, etwas mehr Güte walten zu lassen, egal womit sie konfrontiert werden würden.

Überaus wichtig schienen die nächsten Unternehmungen zu werden, denn die Bildung sogenannter „Großreiche“ kündigte sich, wie eine schwarze Gewitterwolke am Schicksalshorizont der Menschenwesen an. Höchste Aufmerksamkeit war geboten, denn alles sollte später ja auch einmal zusammenpassen und einen gewissen Sinn ergeben…und sei es womöglich auch nur der, daß vergleichsweise wenige ausgereifte Menschenwesen, vor der allgemein-fatalen Entwicklung ihrer gesamten Spezies, würden gerettet werden können. Die Zeichen verhießen nichts Gutes, doch dann traf der Schicksalsgenerator ein und man konnte wieder vermehrt Hoffnung schöpfen!


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren - 14- Der Göttertourismus"

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren - 14- Der Göttertourismus

Autor: Bluepen   Datum: 29.09.2020 12:19 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,

und alles ist seit damals beim Alten geblieben, geändert haben sich nicht einmal die Gläubigen!

LG - Bluepen

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren - 14- Der Göttertourismus

Autor: Alf Glocker   Datum: 29.09.2020 12:47 Uhr

Kommentar: ja, genau - leider!

LG Alf

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren - 14- Der Göttertourismus

Autor: possum   Datum: 30.09.2020 2:39 Uhr

Kommentar: Ich frage mich immerzu mehr ... bleibt denn insgeheim nicht so ziemlich Alles beim Alten ... nur eben geschickt getarnt in der modernen Weise! Zumindes was die Menschheit treibt!

Danke für deine Werke lieber Alf!
lieben Gruß!

Re: Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren - 14- Der Göttertourismus

Autor: Alf Glocker   Datum: 30.09.2020 6:53 Uhr

Kommentar: Ich danke Dir ebenso, liebe Possum!

LG Alf

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