Sonntagmorgen, alles bei uns im Haus schläft noch, trübes raues windiges Niederrheinwetter . Gegen zehn könnten wir zur Kirche gehen, ein kleines Gotteshaus, weggedrückt am Marktrand, um genügend Platz für örtliches Treiben und ausreichend Stellplätze für Autos zu belassen. Der große Bruder thront mitten im Ortskern, macht sich über Räumlichkeiten keinen Kopf, hier steh ich, schon immer.
Zur Kirche oder:
Motorrad raus,warme Sachen an, Tankrucksack packen und los.
Am Niederrhein fährt man immer im Wind, er kommt stets von vorne, nur im Reichswald herrscht Ruhe. Muffige Feuchtruhe. Grau und nass hängt ein moosiger Holzduft auf der Straße, Helmvisier auf, langsamer fahren und tief einatmen pur Wald, herrlich, der Wald ist viel zu kurz.
17 km sind es jedes mal zum Rhein, zwei breit gepflasterte Abfahrten ins Wasser ermöglichen einen Platz in der ersten Reihe. Motorrad aus und nichts... Stille absolut . Grau gleitet der Fluss hinab ins noch plattere Holland, Wolken begleiten ihn in die gleiche Richtung, in zwanzig verschiedene Grau und grauer Töne, so aber nur morgens um halb acht.
In der Motoradtasse, nur diese nehm ich mit , gieße ich heißen Kaffee und stelle die Thermoskanne ab auf einen viereckigen Steinquader der im Boden ein gelassen ist. An ihm ein dicker Stahlring zum befestigen von Schiffstauen, man ist geneigt an ihm einmal aus voller Kraft zu ziehen, richtig feste, bekomm dich schon raus, aber wenn mich jemand dabei sehen würde?
Von Rheinaufwärts treibt ein Tankschiff heran hoch auf dem Wasser, seiner Ladung entledigt , das Schiff dampft nicht, es rutscht im Wasser mit , der Schiffer ist scheinbar noch viel früher aufgestanden.

Am anderen Ufer grasen schwarzbunte Kühe, die haben es auch kalt, alle mit dem Hinteren in den Wind, besser als mit dem Maul in der Brise. In der Nähe hat ein Künstler vor Jahren rechteckige Stahlbügel auf der Wiese platziert, an ihnen hing Tuchbespannung und anderes Klimbim, die Zeit hat alles entfernt, wie weggeblasen. Die rostbraune Eisen helfen den Tieren ungemein, wenn es einmal juckt. Die Kunst ist was fürn Arsch.
Auf dem Wasser kommt Bewegung, gleich mehrere Schiffe schleichen um die Wette den Fluss hinauf.
Über mir ein großes V, in Bewegung, die Schenkel gleitend aus vielen Wildgänsen, gleicher Abstand, gleicher Anstellwinkel, wo lernt man so zu Fliegen, keiner drängt vor, keiner verdrückt sich, jeder hilft den anderen durch den Windschatten, ja Leute, so geht es auch. Sie ziehen übers Wasser von wo nach weiß ich nicht, langsam werden die Punkte aufgesaugt in der Bewölkung wie ein Schwamm, ich sehe sie nicht mehr und doch Fliegen sie.
Jetzt könnte ich auch auf der Kirchenbank warm sitzen, aufstehen, hinsetzen und die Glasmosaike der Kirchenfenster betrachten während der Pfarrer aus Lukas liest.
Hier ist es deutlich kälter, weiter, grauer wunderschön, in Sträucher und Büsche hängt trockenes Gras, Folienreste und kleines Geäst, zeigt an, so hoch stand der Rhein beim letzten Hochwasser, würde hier bis an den Schulter im Nassen stehen.
Natur pur, eine gigantische Kirche mit allen Facetten von Raum und Ehrlichkeit und ich kann bequem auf dem Motorrad sitzen bleiben. In der kleinen Kirche darf ich auch keine Zigarre rauchen?
Zigarrentabak aus Sumatra, Kaffee aus Kolumbien, Motorrad aus Japan, niederländische Schiffer mit Kohle aus Südafrika oder Treibstoff aus Nahost, hier zusammen auf ein paar qm niederrheinischem Pflaster, alles selbstverständlich?
Solche Momente sind nicht zu Toppen, meine ich, fahre nach Hause und werde eines besseren belehrt.
Runter vom Motorrad, ein Blick durchs Küchenfenster:
Zum Frühstück ist gedeckt, die Kinder trudeln halb verschlafen zu ihren Plätzen am Tisch, meine Frau, (KISHON schreibt immer:“ meine Frau, die beste von allen“ ) ich sage euch: Der Mann hat keine Ahnung!, wurstelt an einem Teller mit Aufschnitt.

Da fällt mir ein: Herr sei unser Gast und..... Egal , komm rein und frühstücke mit uns.
Danke.


© Kaslux


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