Liebes Tagebuch,

der Rummel. Jedes Jahr ein Highlight unserer Kleinstadt. Mal für mal wieder kommen dutzende Fahrgeschäfte, Schießbuden, Tonnen von Zuckerwatte, Süßwarenhändler und und und… Wie üblich ist auch der „Brake Dancer“ (ein sich im kreisdrehendes Fahrgeschäft) vor Ort gewesen. Meine Kumpel und ich waren hierbei einer Meinung: Jener war mit einer der besten Attraktionen unseres Festes. Aber ein Schatten legte sich über diese Veranstaltung. Wenige Tage zuvor kam ein Mann ums Leben, als er Zivilcourage zeigte. Er beschützte drei ältere Personen vor mehreren jugendlichen Dieben. Sie prügelten den Beschützer zu Tode. Vor allem meine Freunde und mich hatte dieses Verbrechen geschockt. Wir gehörten mit zu den wenigen Menschen die eben diese Zivilcourage besaßen und trotz des brutalen Verbrechens weiterhin besitzen. Aber uns allen schwirrten die Sorgen über mögliche negative Folgen von der Zivilcourage im Kopf herum. Und vor allem während des Rummels ist immer und überall von allen Besuchern Zivilcourage gefordert, weil es einfach viel zu viele Aggressoren gibt die meinen einfach los pöbeln, stehlen und prügeln zu müssen.

Nun war er endlich da. Der Eröffnungsabend. Unser Bürgermeister sprach wie immer einige Worte und erbat eine Schweigeminute für das Opfer der prügelnden Jugendlichen. Doch wie immer gibt es diese Idioten, die während einer Respektzollung nicht ihre vorlauten Münder hielten. Lachten und grölten und sogar noch heftiger: sie machten sich über das Opfer lautstark lustig. Ich konnte erkennen, dass es sich um eine bunt gemischte Gruppe à sechs Personen handelt. Bekannte aus der Nachbarschaft, aus dem Süden unserer Stadt und welche, die auf der gleichen Straße wie ich wohnten. Köpfe schüttelnd wurde die Schweigeminute beendet. Feierlich wurden die Geschäfte eröffnet und ein Großteil stürmte die Bierbuden um etwas von dem Freibierfass abzubekommen.

Es vergingen mehrere schöne Stunden und nun wollten wir endlich in unseren geliebten „Brake Dancer“ gehen. Doch davor standen erstmal die sechs Kumpanen, die bereits während der Eröffnungsrede Stunk gemacht hatten. Und auch hier schienen sie wieder zu stressen. Ein kleines Kind löste sich aus der Gruppe, welche einen Kreis gebildet hatte und flitzte auf uns zu:„Bitte,“ flehte das Kind, „helft uns!“ Meine beiden Kumpel und ich sahen genauer hin und sahen, dass in der Mitte mehrere kleine Kinder gefangen waren. „Bitte,“ er fing an zu weinen. „Keine Sorge, wir helfen dir.“ Wir näherten uns und riefen bereits aus einiger Entfernung, sie sollen die Kinder in Ruhe lassen. Doch die Jugendlichen lachten nur. Wir kamen näher und versuchten noch einige Passanten dazu zu bewegen uns zu helfen. Doch das Ergebnis war erschreckend:„Keine Zeit!“ oder „Ist nicht mein Problem!“ oder „Sind das meine Kinder?“ Mit noch größerer Wut im Bauch standen wir nun direkt vor ihnen. „Äy, was wollt ihr?“ fragte einer der Jugendlichen aggressiv. „Lasst die Kinder in Ruhe,“ antwortet mein Freund ruhig aber bestimmt. „Rückt euer Geld raus, ihr Bastarde!“ „Ey! Ganz ruhig Kumpel,“ versuchte ich zu schlichten. „Wollt ihr Prügel, den könnt ihr haben!“

Ich weiß nicht mehr genau, wie alles abgelaufen ist. Ich weiß noch, dass mein Adrenalin von null auf hundert schoss und ich dem ersten Schlag ausweichen konnte. Meinen blauen Flecken und Blutergüssen zu folge muss eine heftige Schlägerei gefolgt sein. Wirre Bilder schwirrten mir noch im Kopf herum und zwar von Passanten die schaulustig zusahen. Und nun blicke ich auf schwedische Gardinen. Ich erfuhr, dass ich von den Prügelknaben eine Anzeige erhalten hatte. Wegen Todschlag! Auch meine Kumpel. Ein Passant rief wenigstens noch die Polizei und den Krankenwagen. Obwohl wir in Unterzahl waren und dabei waren unschuldige Kinder zu beschützen, half keiner, wirklich kein einziger mit. Ich erinnere mich noch, was ich gelernt hatte über Notwehr, Nothilfe und Verhältnismäßigkeit. Wir leisteten Nothilfe und waren in Unterzahl, dem Gesetz nach hätten wir also das Recht auf unserer Seite haben müssen, als wir uns mit allen rechten Mitteln gewehrt haben. Genauso sieht es auch ein befreundeter Anwalt. Allerdings vergehen noch mehrere Wochen bis zum Prozess und solange muss ich in der Untersuchungshaft verweilen, während die Aggressoren weiter frei herumlaufen und neue unschuldige Kinder überfallen und verprügeln, womöglich auch zu Tode prügeln, ohne das auch nur irgendeine Person Zivilcourage zeigt und jenen dann hilft…


© Horst Schilling


0 Lesern gefällt dieser Text.


Beschreibung des Autors zu "Der Rummel"

Weitere Gedichte und Kurzgeschichten unter: ---> www.horst-schilling.jimdo.com <----

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der Rummel"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Der Rummel"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.