Wo schleppten mich meine Freunde wieder hin? Doch nicht schon wieder in den neuen Buchladen in der Stadt? Obgleich ich Bücher liebte, erschien mir dieses Buchgeschäft sehr unpersönlich und kühl. Ich sagte zu meinen Freunden, dass sie schon mal ins Buchgeschäft gehen sollten und ich gleich nachkomme. Sie verschwanden und ich schaute die geheimnisvolle Straße hinunter, an der wir gerade vorbeigegangen waren. Links und Rechts Altstadthäuser, eine Pflastersteinstraße, die von gelblichem Licht schwach beleuchtet wurde. Ich ging langsamen Schrittes diese Straße hinunter und schaute mich um. Dann blieb ich plötzlich stehen, denn mir fiel etwas ins Auge. Ich stand vor einem kleinen Buchladen und schaute durch das Schaufenster, in dem schöne antiquarische Bücher standen. Drinnen leuchtete nur ein kleines Licht. Ich hoffte, dass dieser kleine Buchladen noch geöffnet hatte und drückte die Türklinke runter.
Mit einem leichten knarren, öffnete sich die Tür und das Herz machte einen kleinen Freudensprung. Ich betrat das dunkle Buchgeschäft und schloss die Tür hinter mir. Dann blieb ich für einen Moment auf der Stelle stehen und sah mich um. Ja, so musste ein Buchladen für meinen Geschmack aussehen, dachte ich.
Das winzige Licht, was ich zuvor von draußen gesehen hatte, war eine Schreibtischlampe, die wenige Meter entfernt auf einem Tisch stand. Ich konnte niemanden sehen. Das gelbliche Licht von draußen, warf einen schwachen Lichtschein auf eines der Bücherregale. Meine Freunde hätten ganz bestimmt gesagt, dass es hier ekelhaft riechen würde, doch ich mochte den Geruch von alten Büchern. Ich näherte mich langsam dem Regal und fuhr mit dem Zeigefinger über die Buchrücken. Den Kopf hielt ich dabei geneigt, um die Titel lesen zu können. Einige Bücher kamen mir bekannt vor. Nur hatte ich noch keine antiquarischen Ausgaben von ihnen gesehen, da man mir immer nur neue Bücher schenkte. Dabei mochte ich alte Ausgaben viel lieber. Die alte Schrift, die wunderschöne Aufmachung, alles noch mit viel Liebe gemacht.
Ich zog ein Buch aus dem Regal und schaute es mir an und als ich es wieder zurückstellen wollte, hörte ich hinter mir plötzlich das Knarren einer Holzdiele. Erschrocken fuhr ich herum.
Unweit von mir stand jemand, dass Gesicht konnte ich nicht erkennen. Dann trat die Gestalt einen Schritt vor und das Gesicht wurde von dem gelblichen Licht der Straßenlaternen schwach angeleuchtet. Es war ein Mann mittleren Alters und er war merkwürdig angekleidet.
Er hatte so einen viktorianischen Stil, als wenn er nicht aus dieser Zeit käme. ,,Guten Abend. Ich habe gar nicht gehört, dass jemand meinen Laden
betreten hat´´, sagte er. Seine Stimme klang sehr sympathisch und hatte einen geheimnisvollen Unterton. ,,Ich bin noch nicht lange hier´´, sagte ich daraufhin ,,Ihr Buchladen gefällt mir.´´ Der Besitzer des Buchgeschäftes freute sich sehr darüber, dass mir der Laden gefiel und sagte, dass ich mich ruhig überall umsehen könnte. ,,Leider funktioniert das Deckenlicht momentan nicht´´, sprach der Buchhändler und holte von seinem Schreibtisch eine Kerze und zündete sie mit einem Streichholz an. Ich nahm sie dankend entgegen und schaute mir das nächste Bücherregal an, was sich ohne das Kerzenlicht schon völlig im Dunkeln befand.
,,Suchen Sie etwas Bestimmtes?´´, fragte der Buchhändler von seinem Schreibtisch aus. ,,Eigentlich nicht, aber englische Literatur interessiert mich sehr´´, antwortete ich. Dann stand er von seinem Schreibtischstuhl auf, kam zu mir und bat mich, ihm kurz die Kerze auszuhändigen. Dann ging er zu einem Bücherregal und schob es beiseite.
Ich staunte nicht schlecht. Da gab es tatsächlich noch einen versteckten Teil im Laden. Er war nicht sehr groß, aber links und rechts befanden sich Bücherregale, die gut gefüllt waren.
,,Hier habe ich englische Literatur´´, sagte der Buchhändler ,,Auf der linken Seite steht englische Literatur in deutscher Übersetzung und auf der rechten Seite englische Literatur im Original.´´ Er überreichte mir wieder die Kerze und ich sah mir das Regal mit den Originalen an. Der Buchhändler ging wieder zurück zu seinem Schreibtisch und ich ging mit der Kerze langsam das Regal entlang. Bei diesem Anblick schlug das Herz gleich höher.
Nicht nur, dass es die Originale waren, es waren ja auch noch antiquarische Ausgaben. Ich sah Bücher von meinen Lieblingsschriftstellern, Charles Dickens und Frances Hodgson Burnett. Am liebsten hätte ich diesen ganzen geheimen Teil des Ladens gekauft oder noch besser das ganze Geschäft.
Ich zog ein Buch aus dem Regal, dessen Aufmachung mir besonders gefiel, da rief mich plötzlich der Buchhändler nach vorne.
Ich behielt das Buch in der Hand und ging nach vorne zum Schreibtisch des Buchhändlers. ,,Es ist sehr kalt da draußen´´, sagte er ,,Möchten Sie vielleicht einen Tee?´´
Ich als Teeliebhaber, schlug dieses Angebot natürlich nicht aus und sagte: ,,Sehr gerne.´´ Der Buchhändler stand von seinem Schreibtischstuhl auf und ging in ein Hinterzimmer. Er bat mich, ihm zu folgen. ,,Was möchten Sie denn für einen Tee trinken?´´, fragte er und ging zu einem Schrank. ,,Am liebsten englischen Tee, wenn sie welchen da haben´´, sagte ich. ,,Den habe ich immer da´´, sagte der Buchhändler daraufhin und holte eine Teebox aus dem Schrank. Die Kerze, die er in der Hand hielt, stellte er auf den Tisch, der in Mitte des kleinen Zimmers stand. Dann füllte er Wasser in einen Teekessel und stellte ihn auf den Herd. ,,Sie dürfen sich gerne hinsetzen´´, sagte er und ich setzte mich an den Tisch ,,Na, was haben Sie da für ein Buch?´´
,,Eins von meinem Lieblingsschriftsteller Charles Dickens´´, antwortete ich. ,,Er gehört auch zu meinen Lieblingsschriftstellern´´, erzählte der Besitzer des Buchladens und setzte sich ebenfalls an den Tisch. ,,Das war sogar Charles Dickens erster Roman´´, fügte er noch hinzu. ,,Ich weiß, ich habe dieses Buch schon gelesen´´, sagte ich ,,Eine Weihnachtsgeschichte würde ich gerne haben wollen, denn dieses Buch kenne ich noch nicht.´´
,,Dann zeige ich Ihnen mal nach dem Tee etwas, was Sie dann sicherlich sehr freuen wird´´, sprach der Buchhändler geheimnisvoll zu mir. Dann stand er vom Tisch
auf, nahm den Kessel vom Herd und bereitete den Tee zu. Er schmeckte wirklich sehr gut. Als wir ausgetrunken hatten, stellte der Buchhändler die Tassen in ein Spülbecken und bat mich, ihm zu folgen. Wir gingen wieder in den Laden und er holte etwas aus einer Schreibtischschublade hervor und stellte es auf den Tisch. Es war eine Schatulle, die wunderschön verziert war. ,,Jetzt sollten sich alle Buchliebhaber und besonders diejenigen, die Charles Dickens gerne lesen, festhalten´´, sagte der Buchhändler und öffnete sie.
Die Schatulle war mit rotem Samt ausgelegt und in ihr, befand sich ein Buch. Der Buchhändler zog sich weiße Handschuhe über und holte es vorsichtig heraus. Ich dachte ich würde träumen, als ich sah, welches Buch mir gerade vor die Nase gehalten wurde. Es war die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, aber es war nicht einfach irgendeine Ausgabe. Der Buchhändler schlug die erste Seite auf und ich erkannte eine Signatur. ,,Die Erstausgabe, von Charles Dickens signiert´´, sagte er und klappte das Buch wieder zu.
,,Wie kommen Sie zu diesem Buch?´´, fragte ich etwas verwirrt.
,,Sie würden es ohnehin nicht glauben, wenn ich es Ihnen erzähle´´, sprach der Buchhändler ,,Aber wenn Sie es gerne wissen möchten, dann erzähle ich es Ihnen.´´ Er setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl und begann.

Es war im Dezember 1843. Charles Dickens veröffentlichte erstmals seine Weihnachtsgeschichte. Das Buch wurde binnen kürzester Zeit zum Renner. Auch ich ging in einen Buchladen und wollte diesen Roman kaufen, doch er war überall ausverkauft. Später wurden zahlreiche Raubkopien vom Buch gemacht, aber die wollte ich nicht haben. Als ich eines Tages bei einem Freund zu Besuch war, entdeckte ich in einem Bücherregal seiner Bibliothek die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Ich fragte ihn, ob er mir dieses Buch verkaufen würde. Er tat es ohne viel zu diskutieren, da er es schon gelesen hatte und es nicht wirklich nach seinem Geschmack war. Er fügte noch hinzu, dass es die vom Verfasser signierte Erstausgabe war. Ich fragte ihn, wie er an dieses Buch gekommen war. Dann erzählte er mir, dass ein Freund von ihm, mit Charles Dickens befreundet war und er von ihm dieses Buch hatte. Ich sah es als besonders wertvoll und hütete es sorgsam. Es kommt mir vor, als sei es erst gestern gewesen, dabei ist es 169 Jahre her.

Ich war mittlerweile schon auf den Schreibtisch hinab gesunken, weil ich gar nicht glauben konnte, was mir der Buchhändler gerade erzählt hatte. War es tatsächlich möglich, dass er aus dem 19.Jahrhundert kam? Ich war etwas durcheinander.
,,Ich habe ja gesagt, dass Sie mir nicht glauben würden, was ich erzähle´´, sagte der Buchhändler. ,,Wie ist es möglich, dass Sie aus dem Viktorianischen Zeitalter kommen?´´, fragte ich. ,,Das ist eine lange Geschichte´´, antwortete der Buchhändler ,,Zu lang, um sie jetzt erzählen zu können.´´ ,,Schade´´, dachte ich. Ich hätte diese Geschichte gerne gehört, denn so würde es für mich ein Rätsel bleiben, wie jemand aus dem 19.Jahrhundert jetzt im 21.Jahrhundert noch leben konnte und nicht einmal alt aussah.
,,Aber Sie können diese Geschichte lesen´´, sagte der Buchhändler etwas geheimnisvoll. Ein kleines Lächeln huschte über meine Lippe.
Der Buchhändler ging in den versteckten Teil des Ladens und bat mich, ihm zu folgen. Er ging bis ans Ende des linken Regals und zog 4 Bücher heraus, die er auf der Fensterbank ablegte.
Ich näherte mich der Stelle, an der nun die Bücher fehlten und sah, was sich dahinter befand.
In einer kleinen Einbuchtung, stand ein in Leder gebundenes Buch.
Der Buchhändler holte es heraus und sagte: ,,Ich habe diese Geschichte aufgeschrieben und hier steht sie drin.´´
Er überreichte mir dieses Buch. ,,Sie können es mitnehmen und wenn Sie sie gelesen haben, dann bringen Sie es mir einfach zurück´´, fügte er noch hinzu. Ich verstaute das Buch sorgfältig in meiner Umhängetasche und bedanke mich, dass er mir dieses Buch zur Verfügung stellte. Ich war sehr gespannt auf diese Geschichte und würde sie gleich nachher anfangen zu lesen.
Wir verließen den versteckten Teil des Ladens wieder und der Buchhändler schob das Regal davor. ,,Ich würde ja so gerne diese Erstausgabe von Dickens Weihnachtsgeschichte kaufen´´, sagte ich, obwohl ich wusste, dass er sie sowieso nicht verkaufen würde.
,,Dieses Buch ist leider unverkäuflich´´, sagte der Buchhändler mit einem leichten Lachen, dass sich sehr warm und freundlich anhörte. ,,Ich würde liebend gerne noch länger hier bleiben´´, sprach ich ,,Aber meine Freunde warten sicher schon auf mich.´´
,,Dann sollten Sie sie nicht länger warten lassen´´, sagte der Buchhändler ,,Ich hoffe, es hat Ihnen in meinem Laden gefallen.´´
,,Der beste Buchladen den ich je gesehen habe´´, antwortete ich.
Dann gab ich dem Buchhändler zum Abschied die Hand und öffnete die Ladentür. Als ich gerade über die Türschwelle trat, räusperte er sich, als wenn er noch etwas sagen wollte und ich drehte mich nochmal um.
,,Auf Wiedersehen´´, sagte der Buchhändler nur noch und ich verließ den Buchladen. Es hatte zu schneien begonnen und die Straße war schon vollkommen mit Schnee bedeckt.
Aus kurzer Entfernung hörte ich eine Mädchenstimme, die rief: ,,Da bist du.´´ Laura, eine gute Freundin von mir, kam auf mich zugelaufen. ,,Wir haben dich schon gesucht´´, sagte sie ,,Wo warst du denn?´´ ,,Ich war hier in diesem Buchladen´´, antwortete ich und drehte mich noch einmal zu ihm um. ,,Welcher Buchladen´´, fragte Laura verwirrt ,,Ich sehe da nur eine Backsteinwand.´´ Ich zwinkerte einmal mit den Augen, da ich selbst nur eine Backsteinwand sah, wo sich eben noch der Buchladen befand. ,,Naja, ist auch egal´´, sagte Laura schnell und wir gingen zusammen die Straße entlang, an deren Ende schon unsere Freunde warteten. Als ich bei mir zuhause angekommen war, setzte ich mich auf mein Bett und holte das Buch aus meiner Tasche. Aber was war das? Beim rein greifen fühlte ich noch ein zweites Buch. Dabei musste ich doch eigentlich nur ein einziges Buch in der Tasche haben. Ich holte beide heraus und im ersten Moment machte das Herz einen kleinen Hüpfer. Vor mir lag die Erstausgabe der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens.
Wie war das Buch in meine Tasche gekommen? Ich nahm es in die Hand und schlug die erste Seite auf. Über der Signatur erschien in goldenen Buchstaben ''FÜR JEMANDEN, DER ES WIRKLICH ZU SCHÄTZEN WEIß''. Ich konnte nicht glauben, dass ich nun im Besitz dieses Buches war. Mit zittrigen Händen legte ich das Buch ordentlich auf meinen Schreibtisch. Dann ging ich zurück zum Bett und holte das andere Buch, auf dessen Inhalt ich sehr gespannt war. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, schaute noch einmal zum Fenster hinaus in den Winternachtshimmel und schlug das Buch auf.


© Cedric McShane


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Beschreibung des Autors zu "The Secret Book Shop"

Es wird die Geschichte von einem jungen Mann erzählt, der mit seinen Freunden in ein neues Buchgeschäft in der Stadt gehen möchte. Dann gehen seine Freunde aber vor und der junge Mann geht in eine dunkle Straße, statt ebenfalls das Buchgeschäft aufzusuchen. Dort stößt er auf einen kleinen geheimnisvollen Buchladen. Ob dieser wohl geöffnet hat ?

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