Fahrt ins Grauen

Ein Handelsvertreter fuhr mit seinem Auto auf einer langen Landstraße dahin. Draußen war es schon ziemlich dunkel geworden. Ein leichter Nieselregen setzte ein. Ganz überraschend stotterte auf einmal der Motor und der Wagen blieb nach einer Weile ruckelnd stehen. Die Benzinanzeige zeigte auf Null.

„Verdammt noch mal, ich habe vergessen, den Tank vor der Fahrt vollzumachen. Jetzt stehe ich hier mitten in der Landschaft und weiß nicht, wie ich weiterkommen soll. Der Benzinkanister ist auch leer und weit und breit ist hier keine Tankstelle zu sehen, wo ich ihn vollmachen könnte.“

Auf einmal tauchten aus der Dunkelheit zwei helle Lichter auf, die langsam näher kamen. Es war ein Bauer mit seinem Traktor.

„Was machen Sie denn hier so einsam mitten auf der Landstraße?“

„Der Tank hat kein Benzin mehr. Deshalb ist mein Wagen stehen geblieben. Leider ist hier keine Tankstelle in der Nähe, sonst wäre ich schon längst losgegangen und hätte meinen Ersatzkanister vollmachen lassen. Der ist dummerweise nämlich auch leer.“

„Ich wohne hier ganz in der Nähe. Sie können bei mir übernachten, wenn sie wollen. Ich habe immer ein Zimmer frei für eventuelle Besucher.“

Der Handelsvertreter sagte zu, schob seinen Wagen ganz nach rechts an den Straßenrand und schaltete die Sicherheitsbeleuchtung ein. Dann stieg er auf den Traktor und die Fahrt ging los.

Als beide später in der Küche des Bauern saßen und gegessen hatten, zeigte er dem Handelsvertreter, wo er schlafen kann.

„Leider hat das Zimmer noch kein Licht, weil es ganz neu renoviert worden ist. Aber neben dem Bett auf dem Nachttisch steht eine Taschenlampe, die sie benutzen können, wenn sie auf die Toilette müssen. Ich wünsche noch eine gute Nacht, mein Herr!“

Der Bauer verließ das Zimmer und der Handelsvertreter schaltete die Taschenlampe ein, die den Raum hell ausleuchtete. Dann zog er sich aus, legte sich ins Bett und knipste das Licht aus.

Mitten in der Nacht wachte der Mann durch ein komisches Geräusch auf. Es hörte sich so an, als würde jemand eine Sense schärfen. Er griff nach der Taschenlampe und leuchtete durchs Zimmer und bald erfasste der Lichtkegel den Bauern, der mit roten Augen in der geöffneten Tür stand und aussah wie der leibhaftige Tod.

Der Handelsvertreter geriet in Panik, sprang aus dem Bett und flüchtete sich in eine Ecke des Zimmers, wo er zitternd vor Angst in die Hocke rutschte. Die bösartige Gestalt mit der Sense kam schnell näher.

„Endlich mal wieder frisches Blut. Ich habe lange darauf warten müssen. Leider verirren sich nur wenige Menschen in unsere einsame Gegend, aber jetzt habe ich Fleisch und Blut für viele Monate.“

In diesem Moment sauste auch schon die Sense herab und trennte mit einem hässlichen Knirschen den Kopf des Handelsvertreters vom übrigen Körper ab. Kein Schrei war zu hören, noch nicht einmal ein Stöhnen. Nur die beiden Augen des leichenblasses Gesichts waren weit aufgerissen vor Entsetzen.

Das Blut des Unglücklichen schoss wie eine pulsierende Fontäne aus dem offenen Hals und sammelte sich in einer versteckten Rinne, die zu einem großen Behälter führte, wo es gurgelnd verschwand.

Der alte Mann packte schließlich den leblosen Körper des Handelsvertreters und schleifte ihn in den Stall, wo er ihn in einen Bottich mit heißem Wasser rutschen ließ, um das Fleisch des Toten zu kochen. Dann ging er zurück ins Haus und fing an, das blutverschmierte Zimmer wieder fein säuberlich zu reinigen, bis es so aussah, als wäre es frisch renoviert worden.

„So, jetzt kann mein nächstes Opfer kommen“, murmelte der alte Mann grinsend in sich hinein, verließ den Raum, ging zu dem Behälter mit dem Blut und trank ausgiebig davon, bis sich Gesicht und Körper wie durch einen geheimnisvollen Zauber wieder verjüngt hatten.

Ein paar Monate später.

Draußen wurde es langsam dunkel. Es regnete ein wenig. Eine junge Frau fuhr mit ihrem Auto auf der gleichen Landstraße dahin. Plötzlich setzte der Motor aus und der Wagen blieb stehen. Die Benzinanzeige zeigte auf Null.

Auf einmal tauchten aus der Dunkelheit zwei helle Lichter auf, die langsam näher kamen. Es war ein Bauer mit seinem Traktor.


ENDE

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© Heiwahoe


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Beschreibung des Autors zu "Fahrt ins Grauen"

Das Böse ist immer und überall.

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