Ich hatte damals diese Freundin, sie war etwas durchgeknallt. Eine ganz spezielle Persönlichkeit. Ich hatte sie auf einem Festival kennengelernt. Sie stand direkt vor mir und war gut einen Kopf größer als ich. Ich hatte sie angetippt und gefragt, ob wir Plätze tauschen könnten, weil ich ihr sicher nicht die Sicht versperren würde. Sie hatte mich breit angegrinst und gesagt, dass das doch selbstverständlich sei. Sie war wohl, so wie ich, allein dort, also gingen wir ab dann zusammen zum Getränkestand.

Wir verstanden uns auf Anhieb gut, wollten zu den selben Bands und hatten sogar im selben Hotel ein Zimmer. Als Frau allein hatten wir uns beide nicht auf den Campingplatz getraut. Da waren uns dann doch zu viele betrunkene Männer die sich unter Alkoholeinfluss entsprechend schlecht unter Kontrolle hatten. Wir waren wie füreinander gemacht.

Als sich das Festival dem Ende neigte, tauschten wir unsere Nummern aus und versprachen uns in Kontakt zu bleiben. Im Gegensatz zu vielen potentiellen Freundschaft die genau an diesem Punkt scheiterten, weil man sich doch nicht gemeldet hat, wurde daraus die beste Freundschaft, die ich mir vorstellen konnte. Wir wohnten etwa zwei Stunden Autofahrt voneinander entfernt und trafen uns alle paar Wochenenden. Aber unter der Woche telefonierten wir ewig über alles, was die Woche über so passiert ist.

Sie war diese Art von Person, der man alles anvertrauen wollte. Und sie hatte so interessante Hobbies. Sie hat mir gezeigt wie man filzt und stickt. Wie man mit einer Räuchermischung die Wohnung von bösen Geistern befreien konnte. Sie hatte zwei Schlangen, eine Bartagame und mehrere Frösche. Und auch sonst war sie einfach so wahnsinnig interessant wie sonst niemand.
Als ich sie das erste Mal besuchte, schenkte sie mir eine Kette mit einem Anhänger, welcher in Kunstharz gegossene Schlangenhaut enthielt.

Das Schicksal hat uns damals zusammen geführt und ich werde dafür ewig dankbar sein.


© Menschenblind


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Kommentare zu "Meine beste Freundin"

Re: Meine beste Freundin

Autor: Michael Dierl   Datum: 06.03.2023 17:10 Uhr

Kommentar: Sowas gibt es nicht oft. Echte Freunde sind rar! Meist ist es nur einer oder zwei. Die anderen kann man vergessen! Die sind nur Trittbrettfahrer und auch nur bis zu einer gewissen Grenze die nur da sind wenn's einem gut geht. Wenn man krank ist wird man dann schnell erkennen wer von denen dann noch übrig bleibt. Wie heißt es so schön: Als man glücklich war auf Erden, wollten alle Freunde werden, aber als man war in Not waren all die "Freunde" "tot"!

lg Michael

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