Als Frau in einer Großstadt zu leben ist eine echte Katastrophe. Ich habe es damals selbst erlebt. Wenn man in einer belebten Ecke wohnt muss man nur das Haus verlassen, dann wird man angequatscht. Entweder auf eine nette Art und Weise, sodass man auch sagen kann, dass man kein Interesse hat, ohne großes Palaver. Und dann gibt es da halt noch diese andere, unangenehme Weise. Wenn jemand einen schon so anspricht, dass sich einem die Zehennägel kräuseln.

"Hey Hübsche, willste nicht mal was mit mir trinken gehen? Siehst geil aus."

Da könnt ich kotzen. Am schlimmsten ist das, wenn es von jemandem kommt der 30 Jahre älter ist als man selbst und unfassbar ungepflegt. Ich frage mich ernsthaft ob das jemals funktioniert hat oder ob diejenigen einfach nicht verstehen wollen, dass keine 20-Jährige jemals auf diese ekligen Anmachen anspringen würde. Am besten Lachen sie danach noch und fangen deswegen dann an zu Husten von den 30 Zigaretten täglich.

Auch dieses ständige Catcalling. Man muss nicht mal herausragend hübsch sein. Man muss einfach nur weiblich sein und beim Anblick keinen Augenkrebs verursachen. Das reicht, damit irgendjemand es für nötig hält einem einen komischen Spruch entgegen zu werfen.

Als ich abends allein aus der Altstadt gelaufen bin, habe ich regelmäßig meine Schlüssel zwischen die Finger geklemmt und in der anderen Hand ein Pfefferspray gehalten. Nur für den Notfall. Es reicht ja schon, wenn man jemanden mit einem leichten Lächeln grüßt. Das ist für manche schon eine Einladung.

Einmal kam mir kurz vor meiner Wohnungstür ein älterer Herr entgegen. Auf dem Land grüßt man höflicherweise zumindest mit einem leichten Lächeln. Das tat ich dann auch, als er an mir vorbei ging. Ich schloss dann die Tür auf und da es Nacht war, wollte ich die Tür auch wieder hinter mir schließen. Allerdings klemmte dort ein Fuß zwischen. Es war der ältere Herr. Ich fragte völlig entsetzt was das sollte und er sagte doch ernsthaft, dass mein Lächeln doch wohl eine Einladung auf einen Kaffee gewesen sei. Er hatte mittlerweile seinen Fuß aus der Tür genommen, also sagte ich nur Nein und schloss die Tür schnellstmöglich. Ich habe mich in dieser Nacht so unglaublich unwohl gefühlt wie nie zuvor.

Zum Glück lebe ich wieder auf dem Land.


© Menschenblind


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