Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit

© Alf Glocker

Es gab einmal einen Zwerg der Nasenweiß hieß, der hatte eine ganz,ganz, gaanz grooße , weiße Nase und ganz, ganz, gaanz blaue Augen. Mit diesen Augen blickte er einerseits treu und andererseits herzig, in eine, für viele sooo kleine Welt hinaus oder (von sich aus gesehen) in eine große hinein, daß ihm öfter einmal schwindlig wurde und er sich mit der Erde zu drehen begann. Immer dann fiel ihm jedoch sogleich ein, daß er gar nie nicht schwindeln wollte, weshalb er sich beherrschte, oder (wie die andern sagten) eben nicht beherrschte und Dinge zum Besten gab die nur wenigen gut taten, obwohl diese Taten gut waren.

Das geschah immer dann, wenn er seine ganz, ganz, gaanz große Nase in Sachen steckte, die ihn nichts anzugehen hatten, obwohl sie doch alle, also auch ihn angingen. Bei diesen Sachen handelte es sich nun aber leider um keine Teilchen von Menschchen, die so allerliebst mit diesen Teilchen anzusehen waren, daß einem Zwerg wie dem Nasenweiß schon wieder das Schwindeln hätte kommen können – nur um (nicht nur) seine ganz, ganz, gaanz große Nase in diese Teilchen stecken zu können, weil die Menschchen halt gar zu schön waren. So dachte der Zwerg natürlich auch bisweilen, hinter seinen ganz, ganz, gaanz treuherzigen, blauen Augen.

Doch Nase hin, Bläue her, bisweilen ist das Leben schwer! Für andre ist es federleicht, wobei der Zweifel den beschleicht, dessen Nase winzig klein und nichts als stumpf die Aügelein. Den Zwerg Nasenweiß störte das ein bisschen. Und genau dieserthalben oder auch dessenwegen stocherte er mit seinem gewaltigen Riechorgan in allen Häufchen, groß und klein, herum um naseweis zu sein. Immer wenn z.B. ein Vetter aus Dingsda, wo alle Vettern herkommen, einen furchtbaren Blödsinn angestellt hatte, dann schritt er – eigentlich nicht entschlossen, sondern völlig intuitiv – zur (Misse) Tat und erschreckte die kleine Welt der Vetternwirtschaftler auf eine, für sie schreckliche Weise.

Er rief, als einmal ein Kaiser in Unterwäsche vorbeikam: „Du bist ja fast nackt!“ Und als er zusehen musste wie sich ein Clown für den Vertreter Gottes auf Erden ausgab, weil er so schön säuseln konnte, da platzte ihm der Kragen und heraus fiel eins ums andere Bildlein von Stan Laurel, oder von Charlie Chaplin, von Harlod Lloyd, den Marx Brothers im Kaufhaus, oder dem Gespensterlori aus Madgaskar. Darüber empört wandten sich alle Klassenprimusse der gaanzen Unter- und der gaanzen oberen Überwelt gegen ihn, glaubten sich von Zivilcourage befallen, strömten herbei und versammelten sich sogar verschwörerisch in Plenarsälen, um sein Verbot zu beschließen.

„Wir wollen“ so besagte bald ein neues Gesetz, „daß es keine Zwerge mit ganz, ganz, gaanz großen, weißen Nasen mehr geben darf und deshalb verhängen wir ein Versammlungsverbot für mindestens einen Nasenweiß, der einerseits treu und andererseits herzig in genau UNSERE Welt hineinblicken will, um uns das Schwindeln anzudichten! Überall wo sich Zusammenrottungen von genau einem Nasenweiß bilden, muss die Ordnungsmacht einschreiten und die ganz, ganz, gaanz große, weiße Nase verknüppeln, damit endlich diese ganz, ganz, gaanz blauen Augen zuschwellen und sie nicht mehr die etwaigen Verdrehungen erkennen, oder ein Zwerg sich ihrer bewusst werden kann. Damit schien die Akte „Nasenweiß“ für immer geschlossen!

In Zukunft sollte es also keinem Schwindler mehr schwindlig werden und Zwerge mit großen Nasen sollten die gefälligst in Sachen stecken die einfach nur lieblich waren und sonst gar nichts! Jede blanke Nese die in anderen als in lieblichen Sachen angetroffen werde, sei sofort abzuschneiden und vor den Toren der Stadt (die es reichlich gab – ungefähr so viele wie Trotteln oder Matschbirnen) zu präsentieren, damit jeder fürderhin wisse was passiert wenn man nicht tut was man soll, nicht glaubt was man ihm von oben herab sagt, oder sich ganz einfach sträubt seine Nase im Zaum zu halten. Das erfuhr schließlich auch Zwerg Nasenweiß und er erschrak zuriefst, zuhöchst, zubreitest und zulängst.

Ausdauernd hielt er Zwiesprache mit seiner ganz, ganz, gaanz großen weißen Nase, wobei seine ganz, ganz, gaanz blauen Augen, nicht mehr treuherzig, solange schelmisch funkelten bis er etwas zu rümpfen begann! Wie von selbst zog sich die ganz, ganz, gaanz große Nase zu einem ganz, ganz, gaanz kleinen Näschen zusammen, dessen Flügel nicht einmal mehr ausreichten, um sie auszuspreitzen. Auf seine ganz, ganz, gaanz blauen Augen setzte er eine dicke rosa Brille, mit der er nicht mehr gut erkennen konnte woher der Wind wehte, dann wurde es still im Land. Nie wieder wurde der arme Zwerg daraufhin mehr gesehen, dafür brach aber eine fruchtbare Epidemie aus...

Überall bekamen die Leute plötzlich ganz, ganz, gaanz große, weiße Nasen, ihre Augen färbten sich ganz, ganz, gaanz blau und sie starrten damit einerseits treu und anderseits herzig in die Welt hinaus, die, Nase, um Nase bald so groß wurde wie sie in Wirklichkeit war. Und nun zeichneten sich auf einmal die Konturen des weltweiten Schwindels ab, der die Erde verdrehte und die Köpfe mit Mist vollgemacht hatte, solange es nur einen einzigen Nasenweiß gab. Infernalischer Jubel setzte ein! Und überall wo er hörbar wurde versammelten sich die Menschen mit ganz, ganz, gaanz großen weißen Nasen und ganz, ganz gaanz blauen Augen um elektrische Throne auf denen jetzt alle Schwindler saßen und brieten.


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit"

Re: Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit

Autor: Michael Dierl   Datum: 10.01.2022 8:46 Uhr

Kommentar: Ja, schöne Geschichte......ähnliches mußte ich immer dem 1. Kind unseres Bassistens erzählen, der schon viele Geschichten von seiner Mutter vorgelesen gekam und auswendig konnte. Da fragte mich damals die Susanne: Fällt dir nicht mal eine kurriose oder verrückte Geschichte ein, so ganz spontan? Ich überlegte da nicht lange und legte los. Seit dem Abend durfte ich immer eine Geschichte vor dem Einschlafen erzählen wenn ich wieder mal bei unserem Bassisten war. Ich hätte sie alle mal aufschreiben sollen. Deine Geschichte erinnert mich daran! Will mal versuchen ob ich das noch auf die Reihe kriege.

lg Michael schön gemacht.....mag solch Zeug heute immer noch!

Re: Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 10.01.2022 17:46 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
schön, deine Märchenstunde für Erwachsene.
Dieser "Beißer" auf deinem Bild erinnert mich an Pac-Man (altes Videospiel).
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit

Autor: Jens Lucka   Datum: 10.01.2022 18:14 Uhr

Kommentar: Hihi.. Ja spontane Geschichten der gruseligen Sorte war eins meine Welt, als ich im Schwimmlager den Kindern vor dem schlafen gehen abendlich etwas vortrug. ;-)
Heute gelingt es mir , glaube ich, nicht mehr so spontan.

Schön geschrieben. Gruß, Jens

Re: Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit

Autor: Michael Dierl   Datum: 10.01.2022 18:46 Uhr

Kommentar: Hi Jens, da sind wir ja sehr ähnlich gestrickt. Gruselig mußte es zum Teil damals auch bei mir sein!

lg Michael

Re: Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit

Autor: Sonja Soller   Datum: 10.01.2022 18:49 Uhr

Kommentar: Märchenhaft!!!!

Herzliche Grüße aus dem abendlichen Norden, Sonja

Re: Der Zwerg Nasenweiß und die weise Seite der Wahrheit

Autor: Alf Glocker   Datum: 10.01.2022 19:41 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Freunde!

LieGrü
Alf

...kann heute nicht näher auf irgendwas eingehen...miriss schwindlig...

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