Eine stille Reise

© Dan Prescot

Anselmus geht den Gang entlang. Die Wände links und rechts sind feucht und moderig. Seine Kleidung ist zerrissen und schmutzig. Die Ketten an den Händen und Füßen sind kalt und rau und haben die Haut aufgerissen. Ein wenig hinter ihm gehen die zwei Stadtwachen mit ihren Hellebarden. Anselmus hat es nicht eilig, doch immer wieder wird er gestoßen. Als er das Verließ durch das schwere hölzerne Tor verlässt, blendet ihn die Mittagssonne. Es ist heiß, nach den Tagen und Nächten in dem Kerker. Der Geruch der Stadt drängt sich ihm auf. Fäkalien, Schweiß, Staub und abgestandenes, fauliges Wasser. Der leichte Wind schafft es nicht sein klebriges Haar zu bewegen. Einen Augenblick stockt Anselmus im Schritt. Sofort stößt einer der Stadtwachen ihn seinen Lanzenschaft hart in den Rücken. Anselmus strauchelt und stürzt zu Boden. Die schweren Stiefel seiner Henkersknechte treten solange auf ihn ein bis er sich wieder hochgedrückt hat. Sein Gesicht ist an mehreren Stellen blutig. Mühsam schleppt er sich weiter und öffnet vorsichtig die Augen. Er blickt die schmale Gasse entlang zu dem Marktplatz, wo der Galgen wartet. Die Sonne leuchtet alles auf dem Marktplatz aus. Den ungeduldig warteten Mob, die angebundenen Pferde der Wachen und die Ziegen der Bauern, das unterbrochene Markttreiben, um auch ja nichts von dem Schauspiel zu verpassen. Er geht weiter die Gasse entlang. Im Schatten der schmalen, zweigeschossigen Fachwerkhäuschen der ehrbaren Bürger. Einige Insekten schweben im Sommerlicht über der scharf gezeichneten Schattenlinie vor ihm. Er schließt kurz die Augen. Ihm folgend hört er den scharfen Klang der Stiefel, die er so gut kennt. Als er aus den Häuserschatten tritt, blendet ihn das Licht ein weiteres Mal. Er blinzelt, um nicht wieder zu stürzen. Nochmals könnte er nicht aufstehen und die Wachen würden ihn aus Wut halb totprügeln, müssten sie ihn doch mitschleifen. Sein Kopf schmerzt entsetzlich und die Sonne bohrte sich erbarmungslos durch die Augen. Anselmus blinzelt die Tränen fort und versuchte seine Augen mit den Händen zu beschatten. Doch die Ketten, die seine Arme und Beine fesseln, sind zu kurz. Der Mob schreit und tobt als er den Marktplatz überquert. Fauliges Gemüse und Steine treffen ihn. Es schmerzt. Mühsam erklimmt er die Stufen zum Galgen. Der Henker greift nach seinem Arm und zerrt ihn unter den Strick. Ein Stoffbeutel wird ihm über den Kopf gezogen und das erbarmungslose Licht wurde von einer wohltuenden Dunkelheit abgelöst. Der Beutel muss wohl im Schattengelegen haben, denn er kühlt sein Haupt. Undeutlich hört er den Gerichtsdiener seine Missetaten und sein Urteil herunterleierten. Der Mob schweigt. Das Murmeln des Gerichtsdieners erinnert ihn an einen Bach auf den Feldern in seiner Jugend. Oft war er den Bachlauf gefolgt. Auch dieses Mal läuft er mit ihm um die Wette. Dem kleinen Stück Holz, das er hineinwirft. Die Sonne am blauen Himmel schmerzt ihn nicht, sie wärmt nur seine Haut. Das Gras unter seinen bloßen Füßen ist weich und saftig. Die Luft ist klar und duftet nach Gräsern und Kräutern. Er lacht laut auf und freut sich an der Bewegung. Schließlich kommt er an dem Bachsturz und übermütig stößt er sich ab und springt, als ob er nie wieder auf den Boden aufkommen will.


© Dan Prescot


2 Lesern gefällt dieser Text.




Beschreibung des Autors zu "Eine stille Reise"

Ein Augenblick, wie ein ganzes Leben.

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Kommentare zu "Eine stille Reise"

Re: Eine stille Reise

Autor: Bluepen   Datum: 16.09.2020 9:16 Uhr

Kommentar: Gut erzählte, historische Kurzgeschichte mit bemerkenswerte Ende!

LG - Bluepen

Re: Eine stille Reise

Autor: Dan Prescot   Datum: 16.09.2020 18:43 Uhr

Kommentar: Danke schön.

Re: Eine stille Reise

Autor: possum   Datum: 17.09.2020 1:44 Uhr

Kommentar: Gefällt mir ... deine Geschichte,

lieben Gruß!

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