Ich sass mit ihm in einem Zug, als er mir die Geschichte erzählte, als er versuchte es beiläufig klingen zu lassen. Ich habe es nicht verstanden. Ich habe den Schmerz in seinen Augen nicht gesehen.
Er sass in einem Zug mit dem Ziel nach Paris zu fahren, oder zumindest redete er sich das ein. Er wusste nicht wohin seine Reise ihn führte. Es gab keinen Plan, hatte es nie gegeben. Von Tag zu tag, von Bahnhof zu Bahnhof, solange das Geld reichte oder er nicht gefunden wurde. Er rann vor sich selbst weg, vor etwas in ihm, dem er sich nicht zu stellen traute. Kaputt. Ja, er war kaputt und er wusste nicht was er nun mit seiner leblosen Hülle tun sollte. Lange schaute er aus dem Fenster, vergass seine Gedanken in dem Moment wieder, als er sie zu Ende gedacht hatte. Da setzte sich ein Mann ihm gegenüber. Seine Gedanken schienen ebenso in der vorbeirauschenden Landschaft verloren zu gehen wie die seinigen. Doch in seinen Augen leuchtet Klarheit. Und als er diese Augen sah, zerfrass in das Verlangen nach eben dieser Klarheit. Nach Wissen. Nach einem Plan. Und so gerieten sie ins Gespräch und der Mann erzählte ihm seine Geschichte. Der Mann hatte gerade zwei Wochen bei seiner Familie verbracht und musst nun zurück. Er traute sich nicht zu fragen, aus welchem Grund der Mann ursprünglich an diesem Ort gelandet war. Aber der Mann erzählt ihm Geschichten, warnte ihn über sein Leben. Er sass im stillen Bewusstsein, dass der Mann nichts über in wusste und ihm doch so viel aus seinem Leben offenbarte nur da und lauschte den weisen Worten. Er musste es ihm angesehen haben, die dunkle Leere in seinem Innern, die Verzweiflung die tief in ihm sass und das Verlangen nach einem Plan. Einer Bestimmung. Der Mann kehrte zurück in ein Gefängnis und er ran vor einem weg. Ihr Wege trennten sich und er setzte seine Reise nach Nirgendwo fort. Verfolgt von seinen eigenen Schatten und unfähig in die Sonne zu blicken. Irgendwann ging er zurück von wo er kam. Er wusste das er zurückgehen musste. Seine Reise, seine Suche nach jener Klarheit die ihn einst aus zwei so fremden und doch so verbundenen Augen angeblickt hatte war erfolglose gewesen und hatte ihn stattdessen nur noch tiefer in sein Elend gestürzt. Doch ihm blieb noch eine Tat, ein Versprechen, dass er einlösen musste. Also ging er in einen Laden und kaufte eine Karte. Darauf schrieb er einige ungezwungene Wörter. Grüsse, welche man aus den Ferien seinen Freunden zukommen liess. Auf der Postkarte war ein Brücke zu sehen, die für seine Ortschaft typisch ist. Und dann ging er und warf sie ein.
Damit beendete er das Kapitel und als zwei Wochen später einem Mann ebendiese Karte in eine Gefängniszelle gebracht wurde, wusste der Mann was passiert war.

Eine bedeutungslose Geschichte von einer zufälligen Begegnung.


© Florence


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