Glorias Unglück und Erkenntnis

© EINsamer wANDERER

Tag eins. Die Wahrsagerin Gloria warf ihre Knochen in den Kreis aus Kiessand.

    »Du wirst beim nächsten Vollmond qualvoll sterben, junger Mann!«

    Riaens rettete besagten Kerl beim nächsten Vollmond davor von einem Stein verkrüppelt zu werden. Hätte sie es nicht getan, wäre er schwer verletzt anschließend von wilden Wölfen zerfetzt worden.

    Tag zwei. Gloria schmiss ihre Knochen erneut in den Kreis.

    »Ihr beide seid füreinander bestimmt und deine Frau wird viele Kinder gebären!«

    Die Gilde des Bösen brachte die beiden auseinander, weil der beste Freund des Mannes ihm die Frau ausspannen wollte. Die Frau wurde glücklicher als jemals zuvor. Der Mann wurde Alkoholiker und später ein Ära prägender Philosoph.

    Tag drei. Lustlos warf Gloria einen Knochen von sich.

    »Lass mal sehen ... Mhm-mhm. Du wirst an einer unheilbaren Krankheit sterben.«

    Diese Person wurde durch einen Trank von Mimi kuriert.

    Am vierten Tage hing über der Tür von Glorias Haus ein Schild mit der Aufschrift Geschlossen. Gloria zog sich deprimiert in ihrem Schrein zurück, den sie zu Ehren des Bürgermeisters errichtet hatte. Nur hier fand sie Ruhe und Einkehr.

    »Oh, Bürgermeister, dessen Name ich mich nicht zu erfragen traue, erkläre mir: Wieso sind alle meine Prophezeiungen plötzlich falsch? Früher konnte ich jemanden den Tod weissagen und dieser trat dann auch ein. Liegt es an mir? Weil ich alt und verschrumpelt bin? So antworte mir doch, gottgleicher Volksvertreter!« Mit einem Male überkam sie eine Erkenntnis. Ein Detail, das ihr bisher immer entfallen war. Sie hatte die Zukunft immer perfekt vorhersehen können, bis diese lockenköpfige Amazone aufgetaucht war. »Wenn diese-diese Riaens durch ihr Handeln das Schicksal verändern kann... Dann, dann hat unsere Welt ernstzunehmende Probleme. Es kann nicht gesund sein einfach alles auf den Kopf zu stellen. Diese Frau muss weg. Ich habe sie eh nie gemocht.«

    Gerade wollte die betagte Seherin zur Gilde der Helden gehen, um sie für ihre bloße Existenz übers Knie zu legen, als sich zwei vermummte Gestalten in Kutten mit großen Getöse und vielen Blitzen vor ihr materialisierten.

    »Hier haben wir den Ursprung dieser Anomalie.«

    »Ist sie besagte Anomalie?«, fragte der zweite und zeigte auf Gloria.

    »Sie hat Spuren davon, ist jedoch nicht der Ursprung.«

    »Seid ihr die Wächter des Schicksals?«, fragte Gloria.

    »Nicht im Geringsten. Wir sind nur die Wächter des Raum-Zeit-Kontinuums und dem rechtmäßigen Ablauf des Netzwerkes aus Ursache und Wirkung.«

    Ein Moment des Schweigens trat ein und Gloria gab den Vermummten mit ihrem Gesicht zu verstehen, dass sie nichts verstanden hatte.

    Der Redner lenkte schließlich ein. »Ähm, na klar sind wir die Wächter des Schicksals. Wer sollten wir sonst sein?« Er drehte sich zu seinem Nebenmann der nur energisch, aber wenig überzeugend nickte. »Und als Wächter des Schicksals brauchen wir die Hilfe einer Seherin. Denn weißt du, äh, unserer Wandteppich der Vorsehung hat gewisse, ähm, Löcher? Und wir sind hier um sie zu stopfen, um das Gleichgewicht, nun ja, wiederherzustellen.« Wieder wandte er sich an seinen Nebenmann. »Mach ich das richtig so?«

    Erneut nickte er energisch, aber wenig überzeugend.

    »Es ist wirklich schwierig mit den Leuten aus diesen altbackenen Realitäten zu sprechen. Die Führungsebene könnte uns wenigsten ein Wörterbuch zur Übersetzung mitgeben, statt dieser dämlichen Sanduhren, in denen jedes Korn eine Welt ist.« Diesmal wirkte das Nicken überzeugender.

    Der sprechende Vermummte seufzte schwer. »Mylady, könntet Ihr uns vielleicht mitteilen, wo wir die Quelle dieser Störung zu finden vermögen?«

    »Das ist alles die Schuld dieser Riaens! Dieses Blödchen hat alles durcheinander gebracht!«, keifte sie.

    Der Redner erschuf mit einer Handbewegung etwas, das an eines dieser neumodischen Menüs in Schenken erinnerte. »Ah, hier haben wir es. Riaens, Rasse: Amazone. Schicksal: Erloschen. Aber dennoch existiert sie. Also werden wir sie wohl oder übel entfernen müssen. Danach reseten wir die Realität bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie alles durcheinanderbrachte.« Er wandte sich wieder Gloria zu. »Wir danken Ihnen zutiefst, Teuerste. Okay, mal sehen. Wenn sie verschwindet wird dieses Dorf wie geplant noch vor seiner Errichtung von den Spinnen überrannt.«

    »Wie ich es einst prophezeite«, kommentierte Gloria stolz.

    »Bis auf wenige wird es keine Überlebende geben. Jaq wird nie erschaffen.«

    »Diese stumme Elfe hätte uns sowieso alle im Schlaf getötet.«

    »Mimi stirbt durch die Roten Tücher.«

    »Das hat diese verdorbene Kreatur verdient.«

    »Morrigan erwacht und durchlebt ihren Zyklus immer wieder und wieder, wobei sie über die Dorfbewohner kommt und die Überlebenden zu ihren Arbeitssklaven macht.«

    »Wenn es dem Schicksal so beliebt.«

    »Mit Ausnahme vom Bürgermeister. Dieser wird zu ihrem persönlichen Liebessklaven.«

    Hier horchte Gloria auf. »Wie war das?«

    »Der Bürgermeister wird zu ihrem Liebesklaven.«

    »A-aber wie sollen wir dann zusammenkommen? Wie soll er außerdem seine Frau für mich verlassen?«

    »Ihr kommt nicht zusammen und seine Frau stirbt beim ersten Spinnenangriff.«

    »DAS LASSE ICH NICHT ZU!«, schrie Gloria und warf ihre treuen Knochen mitten in die Schwärze der Kapuze. Die dadurch entstandene Explosion vernichtete sowohl ihn als auch seinen ruhigen Begleiter. Zurück blieb nur eine vor Wut schnaufende Wahrsagerin die sich einer unbequemen Wahrheit stellen musste. Ohne diese dumme Frau wäre sie tot und ihr Angebeteter ... ebenfalls. Sie verdankte Riaens einfach alles, obwohl diese all ihre Prophezeiung zunichtemachte.

    Seit diesem Tage hörte die Seherin auf die Zukunft vorhersagen zu wollen. Sie blieb zwar eine Schwarzseherin aus Leidenschaft. Doch lange Zeit wurde es still um sie. Man sah sie noch täglich, doch sie sprach kaum noch mit jemanden und zog sich in sich selbst zurück. Sie suchte nach einen neuen Weg in dieser für sie zerstörten Welt. Alles was sie kannte und wusste war auf den Kopf gestellt worden. Es war Zeit für Veränderung. Doch wie sollte diese aussehen?

    
The End


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Glorias Unglück und Erkenntnis"

09. August 2019 Aus persönlichen Gründen muss ich sämtliche Profile schließen. Leider kann ich mich nicht mehr darum kümmern. Solange die Plattform noch online ist, werden die Geschichten und alles weitere erhalten bleiben. Es ist unklar ob ich wiederkomme und selbst wenn, bleibt die Frage offen ob ich das Schreiben weiterhin brauchen werde oder ob es diese Seite noch gibt. So oder so, es gibt zu viele Unklarheiten, weshalb ich nicht versprechen kann je wieder zurückzukommen. Eine letzte Geschichte lasse ich euch als Abschiedsgeschenk da, viel Spaß damit. Mein Profil war sowieso nie etwas besonderes. Die Klickzahlen und Kommentare waren eher spärlich und übersichtlich, aber mir war es sowieso nie wichtig. Es zeigt mir nur, dass diese Community auch ohne mich weiter bestehen wird und irgendjemand sehr schnell meinen Platz dort einnehmen wird.
Aber natürlich werden einige es schade und unfair finden, dass ihre Lieblingsstorys nicht weitergehen. So ist das nun einmal im Leben. Mir war von Anfang an klar, dass ich irgendwann gehen werden würde, ob nun freiwillig oder nicht. Trotzdem habe ich die Zeit hier genossen, wie alles andere auch. Ich wünsche euch allen noch ein schönes Leben.
Lasst euch nicht unterkriegen. Dies hier ist ja nur das (vorläufige?) Ende einer kleinen Amateurkarriere. Und wie gesagt, alles endet irgendwann.
Diese Story ist mein Abschiedsgeschenk. Ich hoffe, ihr hattet alle viel Spaß an meinen dilletantischen Werken. Ich weiß nicht wann oder ob ich jemals wieder etwas publiziere, doch das Profil mit allem drum und dran bleibt erhalten. Ich wünsche allen die dies hier lesen ein schönes Leben noch.

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