Trennungsschmerz

© pixabay.com

Mir geht es scheisse. Kein Auge habe ich diese Nacht zugetan.

Seit mehreren Stunden sitze ich nun vor dem Laptop. Bisher habe ich mehr gedacht als geschrieben. Es ist als fertigt allein mein Verstand eine Geschichte an. Meine Finger, Geräte zum schreiben, sind jedoch sind wie gelähmt. Im spiegelnden Bildschirm sehe ich zahlreiche Tränen, doch kann meine zitternden Hände nicht zum abfangen motivieren.

Meine Atmung schwankt, mal schnell, mal langsam, doch bei weitem nicht mehr angenehm.

Vielleicht war es abzusehen dass es so kommt, vielleicht war ich einfach blind.

Oder aber ich habe gehofft und sowie ich es kenne, schlägt zerbrochene Hoffnung am brutalsten um sich.

Ich hatte es für sie versucht, Annäherung an ihre Familie, ihre Eltern ein wenig kennenlernen, für mich bis vor drei Jahren noch undenkbar.

Ich bin kein Familienmensch und hatte es auch nicht vor zu sein. Für sie habe ich mich geöffnet, so viel wie mir möglich war.

Wenn ich zurückblicke, die Familien sehe mit welchen ich zutun hatte, inklusive meiner eigenen und deren meiner ersten Freundin, die mich aufgrund meinen Deutschen Staatsangehörigkeit verachtete, waren diese Schritte die größten seit langer Zeit.

Nur habe ich gerade dieses Gefühl das sie überhaupt nichts wert waren.

Für viele Themen kann ich Empathie und Verständnis aufbringen, doch hier schlage ich fehl, wenn ich an Einladungen für Geburtstage, Weihnachten und Osterfeiern denke und damit die zwei großen Familienkreise vor meinem geistige Auge erblicke, manfifestiert sich die negative Vergangenheit in der neutralen Gegenwart.

Ich habe meine Abneigung vor Nähe zur Familie deutlich ausgesprochen, und dachte damit wäre es erledigt. Doch wie konnte ich glauben Teil von ihrem Leben zu sein, wenn der wichtigste Teil ihres Lebens aus Familie bestand. Ich bin wohl von mir selbst ausgegangen, habe der Familie nicht die nötige Priorität zugeschoben.


Nun hocke ich hier, verzweifelt und ohne Sinn.

Ich denke daran wie wir zusammen stundenlang spazieren gingen, wie ich sie im Kino umarmte, zum ersten Mal ihr Lächeln sah und mich diesem anschloss, wie ich sie küsste, streichelte, mit ihr ins Bett fiel, die Decke über uns zog und ihre Wärme spürte.

Diese körperliche Wärme wurde von kalten Worten verdrängt, als hätte sie bereits vor langer Zeit mit uns abgeschlossen.

Ein WIR gibt es nicht mehr. Bald wird sie all dies mit einem anderen machen.

Diese ekelhaften Bilder zerstören meine Gefühlswelt, stürzen mein Dasein ins Chaos. Am liebsten würde ich meinen Schädel gegen die Wand schmettern, mit der Hoffnung, Hoffnung, welch bescheuertes Wort, auf Erlösung.

Ich habe bisher nur zweimal dieses verzehrende Elend verspürt, damals als ich auf meinen Vater einschlug, und als sich meine erste Freundin versuchte vor meinen Augen umzubringen.

Dies wiederum zeigt mir auf eine seltsame Art und Weise wie viel sie mir bedeutet. Doch auch das zählt nicht mehr.

Ich will sie zurück, ich möchte derjenige an ihrer Seite sein, ich klinge wie ein kleines Kind das sein liebstes Kuscheltier verloren hat.

Doch was ich an meiner Seite vorfinde ist pulsierenden Schmerz, auf einmal fühle ich mich schwer, sacke zusammen.

Ironisch, momentan lebe ich selbst bei meinen Eltern, auch dies ist kein Geheimnis, auch dies schien für sie kein Problem zu sein. Ich lebe im Dachgeschoss, im Grunde eine eigene Wohnung, somit abseits von ohnehin kaum vorhandenen oder ausufernden Feiern.

Durch Bauarbeiten fällt das Dachgeschoss momentan weg, es ging eine Etage hinab, in so ziemlich jedem Feld.

Mit diesem Trennungsschmerz unter meine Eltern wandeln zu müssen wäre zutiefst demütigend, es fühlt sich wie ein weiteres Versagen an, davon hatte ich genug in meinem Leben.

Und wieder fühle mich wie ein kleines Kind, doch diesmal bin ich mit Angst und Wut bepackt.

Ich habe bereits meinen Freunden geschrieben, hoffe auf eine baldige Antwort. Mir ist bewusst dass ich meinem Schmerz am Ende allein gegenübertreten muss, doch dieser ist jetzt einfach zu mächtig.

Vor dem Zimmer tapsen meine Eltern rum, ahnungslos, so soll es auch so bleiben. Demütigung wäre der letzte Sargnargel den ich benötigen würde um die Wand mit meiner Stirn zu liebkosen.

Eigentlich frage ich mich warum ich überhaupt schreibe, glaube ich etwa damit verändert sich irgendetwas. Klingelt es auf einmal, und sie fällt mir um den Hals, vielleicht, dann kann sie mich auch gleich erwürgen, wäre angenehmer für mich als diese dämlichen, lügenden Illusionen in meinem Kopf. Irgendwie klang das schon halbwegs lustig, mein Sarkasmus schaltet sich wohl ein. Wie ein prophylaktischer Helm der mich vor dem schlimmsten bewahren möchte. Sollte ich diesen Helm überhaupt tragen, welcher alles runterspielt, so tut als wäre der Schmerz nicht real. Ich denke nicht, also was will ich nun eigentlich, ich weiß es nicht, zumindest rede ich mir das ein.

Doch was ich will ist verschwunden, wird fremd, liegt ab heute in der Vergangenheit.

Ich wollte sie, in meiner Fantasie wurden wir alt. Gemeinsam. Doch in ihrer Fantasie fand ich keinen Platz. Und in der Realität werde ich bald ausgetauscht.

Ich kann den Schmerz nicht in Worte fassen, schlimm, schrecklich, selbst abartig reicht nicht aus.

Ich sitze hier und weiß nicht weiter. Ich sitze hier und fühle mich einsam. Ich habe weniger als eine Handvoll Menschen welche mir viel bedeuten, und nun ist der wichtigste fort. Ich spüre einnehmende Hilflosigkeit, wie ein Fuchs in der Bärenfalle, ich will fliehen, doch selbst wenn ich es schaffe, blute ich weiterhin. Am Ende zahle ich den Blutzoll oder vielleicht, vielleicht bandagiere ich meine Wunde und beobachte ihre Narbenbildung.

Doch weiß ich wirklich wie man offene Wunden bandagiert,
oder bin ich nicht bereits verblutet?


© Be Strong. Alle Rechte vorbehalten, besonders das Recht auf Vervielfältigung sowie Übersetzung. Kein Teil des Textes darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder verarbeitet werden.


0 Lesern gefällt dieser Text.


Beschreibung des Autors zu "Trennungsschmerz"

Heute habe ich das Gefühl meine Welt geht unter, und auf der Reise in den Abgrund, folge ich ihr.

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Trennungsschmerz"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Trennungsschmerz"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.