Die Zeiten des Bösen waren vorüber und nun verbrachte der einstige dunkle Herrscher Azrulah sein Leben im Exil einer längst aufgegebenen Zwergenkolonie auf einer bergigen Halbinsel. Seine Heere waren schon vor langer Zeit zerschlagen worden und er selbst war nun alt und gramgebeugt – von der Zeit gezeichnet. Ihm war kaum etwas geblieben. Nur ein paar Regale voller Bücher, ein dutzend Handlanger, zwei Schiffe, ein Vertrauter und seine missratene Tochter. Die Zeit verbrachte er an einem muffigen alten Kamin und las Bücher, die nur dazu dienten die Zeit totzuschlagen bis der Tod ihn aufsuchen würde, was noch lange dauern mochte, da Dunkelelfen sehr alt werden konnten. Abgesehen vom Lesen gab es da nur noch Termitz, ein untoter Schwarzmagier, welcher ihn schon während seiner glorreichen Zeiten gedient und beraten hatte, doch heutzutage blieben ihnen beiden nur noch die Gespräche über jene goldene Tage und die Furcht vor der Zukunft.
»Heute ist Wintersonnenwende«, merkte Termitz an. »Damit haben wir wieder ein Jahr rum.«
»Ein Jahr voller Schande, dass wir im Schatten geführt haben. Wie lange soll diese Schmach noch andauern?«
»Wie so oft, siehst du nur das negative im Leben. Versuch doch etwas optimistischer ins neue Jahr zu gehen.«
»Optimistischer?! OPTIMISTISCHER?! Wir hatten die Perfektion erreicht und dann sind wir von einem Haufen Barbaren-«
»und unseren weibischen Vettern fast ausgerottet worden. Ja, ja, die Geschichte gibst du mindestens fünfmal die Woche zum Besten und sie wird immer ausgeschmückter. Ehrlich, damit gibst du dir viel Mühe.«, beendete der Untote die Tirade, bevor sie überhaupt begann. »Sieh es doch mal so: Unsere Orks vertragen sich untereinander und haben aufgehört sich andauernd untereinander zu bekämpfen. Selbst als wir noch Herrscher waren, gab es mehrfach am Tag blutige Keilereien unter ihnen. Wir haben dabei so manch guten Kämpfer verloren.«
»Und?!«, keifte der alte Dunkelelf, »Soll ich darauf jetzt etwa stolz sein, oder was?! Was für eine Art von Triumpf soll das überhaupt sein?! Wir erobern keine Länder, seit Ewigkeiten ist kein Dorf von uns niedergebrannt worden. Wie viele üble Machenschaften haben wir dieses Jahr verrichtet? Hm? Genau, keine einzige! Wir tun nichts böses mehr seit wie vielen Jahren? Zweitausend und ein paar zerquetschte?«
»Zweitausendundachtzehn, vielleicht aber auch neunzehn Jahren. Ich zähl schon lange nicht mehr mit. Ich weiß nur, dass es das Zeitalter des drachenköpfigen Dachses ist.«
»Was sollen wir nur den dunklen Göttern sagen, wenn sie uns zu sich rufen? Die erste Hälfte des Lebens handelten wir in eurem Sinne, aber im letzten Drittel ist uns einfach die Luft ausgegangen? Wie sieht das denn aus, frage ich dich, Trermitz?«
»Schon recht, das sieht nicht gut für uns aus. Was schlägst du also vor, was wir nächstes Jahr ändern sollen?«
Der einstige Schrecken der Welt rückte nachdenklich das Kinn nach vorne. »Lass mal überlegen...«
Dabei blieb es dann auch. Bis dem untoten Schwarzmagier eines Tages eine Idee mit weitreichenden Konsequenzen kam.
Diese Kurzgeschichte basiert auf einer anderen, die ich allerdings noch nicht publiziert habe. Es wird also auf jeden Fall ein Wiedersehen geben.
Jedenfalls ist das hier der letzte Beitrag zum Weihanchtsprompt von Schreiberlinge. Ich wünsche allen ein frohes Neues.
Link zum Themenblog: https://www.deviantart.com/schreiberlinge/journal/Der-Katastrophenwinter-haelt-Einzug-777869637
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Wenn Macht regiert durch Angst und Schrecken,
Blutspuren manch Bürgersteig bedecken.
Mord und Totschlag den Tag „versüßen“,
Menschen mit ihrem Leben büßen.
Du findest die Hose! Aber die
Strümpfe sind weg. Du suchst die
Strümpfe. Und findest das Hemd.
Und findest die Schuhe. Und den
Schal. Nur nicht die Strümpfe.
Dann setzt Du die Brille auf. [ ... ]
Licht malt helle Leuchtspurbahnen
in den Alterungsprozess,
Dinge, die von weither kamen,
setzen sich in Träumen fest,
die dir längst Vergangenes bringen
und dein Hiersein noch [ ... ]
Heute habe ich die Wahl der Qual, denn ich will mir die Zeit vertreiben, die mich vertreibt, damit ich nicht auf ewig etwas Übles anstellen kann. Soll ich mich, aus Verlegenheit, einfach [ ... ]