Die Eintreibung nach der Austreibung VII

© EINsamer wANDERER

»Hier, dein Kaffee. Tut mir leid, wenn er kalt ist. Mehr war in der verschütteten Kanne nicht mehr.«

    »Schon gut. Danke«, sagte Diane. Müde schlürfte sie aus der Tasse. Ihr Kopf dröhnte und sie war hundemüde.

    Nachdem sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie sich an einem Stuhl gefesselt wieder gefunden, wo Alex ihr ein Messer an die Kehle hielt. Es war genau das Messer mit dem sie ihn hatte umbringen wollen, um weitere Tode zu verhindern. Das war der Moment wo sich Diane dachte, dass war’s. Er hielt einen Moment inne, damit sie sich ihrer Lage bewusst werden konnte und sagte dann, dass ihr Leben in seiner Hand wäre. Wenn er ihren Tod wollte, würde er ihr hier und jetzt die Kehle durchschneiden. Vor lauter Angst schloss sie die Augen. Doch der kalte Biss des Stahls blieb ihr verwehrt. Stattdessen schnitt er die Fesseln durch und meinte, dass es Zeit wurde nachhause zu gehen.

    Diane drehte den Zündschlüssel um. Sie war zu müde um sich noch einen Kopf darum zu machen, ob Alex leben wirklich so viel wert war, wie das aller anderen. Die ersten Strahlen der Sonne krochen über den Rand der Welt. »Also, wohin jetzt?«, fragte sie.

    »Zum Napoleon Bonaparte Komplex.« Mit einem Mal kam Leben in den müden Alex. »Hey, sieh dir mal das Motel da neben dem Diner an! Sieht aus, wie aus Psycho!«

    »Stimmt, du hast recht.« Diane war zu erschöpft um noch irgendeine Emotion zu zeigen. »Sobald ich Zuhause bin, falle ich einfach ins Bett und mache heute Blau. Und danach suche ich mir einen vernünftigen Psychiater, damit ich all diese Scheiße hinter mir lassen kann.«

    »Die Leute rennen viel zu schnell zum Psychiater, statt einfach zu versuchen ihre Probleme selbst zu lösen.«

    »Du bist doch auch in Behandlung.«

    »Aber nicht freiwillig. Du hast gesehen, wozu es geführt hat.«

    »Stimmt, ganz vergessen. Was wirst du jetzt tun?«

    »Ich werde gute Miene zum bösen Spiel machen. So tun als ob ich wirklich dazugehören wollen würde. Diesmal weiß ich ja, was abgelaufen ist, also wird es relativ leicht Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Aber natürlich werde auch ich mich einmal richtig ausschlafen. Dann werde ich die Geschehnisse aufschreiben und vielleicht noch eine Kurzgeschichte zu diesem Motel erfinden.«

    »Du schreibst?«

    »Das ist Teil der Opferung. Fiktive Gegenstände und Personen werden den Dämonen geopfert. Sie werden ihren Bedürfnissen angepasst und dann sterben oder leiden sie dafür. Ich schreibe über diese Stadt und anderes Zeugs. Alles fiktiv, bis auf das hier, versteht sich.«

    »Wenn es dir hilft.«

    »Um zum Thema zurückzukommen: Ich halte Psychiatrie für überbewertet. Sie steckt noch in den Kinderschuhen und es gibt noch deutlich Verbesserungsbedarf. Überleg mal, wie viele Serienkiller in Amerika rumlaufen.«

    »Du sagst es, Mister Ich-steige-mit-einer-Knarre-in-fremde-Autos-ein.«

    »Ich habe mich dafür doch bereits entschuldigt. Sag mal, kannst du mir einen letzten Gefallen tun, Diane?«

    »Was wäre das?«, fragte sie seufzend.

    »Könntest du mir meine Opfergaben in die Anstalt bringen? Ich würde sie ja gerne selbst organisieren, doch ich schätze, die suchen mich bereits. Würde etwas schwierig werden. Das Geld erstatte ich dir natürlich.«

    »Na klar. Was war das nochmal? Ein King Kong-Film...?«

    »Der aktuellste Godzilla-Film. Der erste Band des Comics Sandman von Vertigo. Und zu guter Letzt etwas Blut von dir.«

    »Moment mal! Wann wurde das denn vereinbart?«

    »Dämon sagte doch im Diner, dass er dein Blut wolle.«

    »Ich werde mir bestimmt keinen Liter abzapfen, wegen dieser Scheißbitch!«

    »Die Menge wurde niemals vereinbart. Somit müssten ein paar Tropfen genügen. Nicht mehr als ein Nadelstich in den Finger.«

    »Warum hat sie das nicht gleich gesagt?«

    »Das Ziel war es Zwietracht zwischen uns zu sähen, weshalb sie sich einer schwammigen Ausdrucksweise bediente.«

    »Verstehe. Also schön, du bekommst dein Blut. Aber das mache ich kein zweites Mal, damit wir uns recht verstehen.«

    »Das Blut muss flüssig sein. Ich werde es trinken.«

    »Igitt!«

    »Ich mag den kupfernen Salzgeschmack.«

    Sie sprachen noch lange miteinander bis sie schließlich zur Ampel kamen an der sich ihre Wege das erste Mal trafen.

    »Danke für die Fahrt, Diane.«

    »Gern geschehen, Alex.«

    »Und du denkst an die Dinge?«

    »Ja, Godzilla, Sandman, Blut. Habe ich alles im Kopf.«

    »Schön.« Alex wandte sich zum Gehen. Diane verspürte leichte Wehmut, als sie ihn gehen sah. Sie hätte ihn gerne etwas besser kennengelernt. Er war ein interessanter Mann.

    »Eine Sache wäre da noch«, sagte Alex und drehte sich um.

    »Ja?«, fragte sie freudig.

    »Ist dein Mann wirklich bei der Mafia?«

    »Nein. Die Wahrheit ist, ich lebe allein. Ich wollte es nur sagen, damit du mir nichts tust.«

    »Verstehe. Schade eigentlich. Du bist eine nette, attraktive Frau. Wie dem auch sei, wir sehen uns.«

    »Ja, wir sehen uns.«

    Und damit trennten sich die Wege der beiden. Die ersten Minuten im Sonnenlicht waren nach den Schrecken der Nacht befremdlich und Diane vermisste Alex. Doch dann musste sie lächeln. Ihr Bauchgefühl verriet ihr, dass das Leben von nun an nicht mehr so langweilig sein würde, wie noch am Tage zuvor.

    
The End


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Beschreibung des Autors zu "Die Eintreibung nach der Austreibung VII"

Das war der Auftakt. Weiter geht es im neuen Jahr mit neuen Storys. Über die Feiertage mache mal blau.

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