Die Eintreibung nach der Austreibung VI

© EINsamer wANDERER

»Alex, Sie müssen einsehen, dass jedes Leben kostbar ist.«

    Und genau deshalb tue ich, was ich tue. Ich töte weder meine Dämonen noch Menschen. Niemand wird so sein Glück erfahren, doch dadurch wird auch keiner den gewaltsamen Tod finden.

    
Und mit diesen Worten stieg Alex aus und ging langsam auf das Diner zu. Es gab nur noch einen Dämon zu holen und der war hier. Ein Ort an dem er wirklich viel Schaden anrichten konnte. Kind war es egal wo er war, er konnte überall überleben. Macht hatte sich etwas gesucht wo er eher zurückgezogen lebte. Doch der letzte Teil seiner Psyche hatte sich ein Diner ausgesucht in welchem es reichlich Beute gab. Sein Name war Dämon. Er verkörperte die innere Finsternis von Alex. Seine Fähigkeit war in erster Linie die Manipulation der Dunkelheit die in menschlichen Herzen lauerte. Er brachte die hässlichsten Seiten einer liebenswürdigen Person zum Vorschein. Er wusste welche Knöpfe er dafür drücken musste. Ein perfider Menschenkenner der jegliche Art von Schmerz, Leid und Tragik liebte. Es war klar dass er nicht mitkommen würde. Widerspenstig bis aufs letzte. Früher war er der mächtigste von allen Dämonen gewesen. Unter ihnen war er ein echter Teufel. Er hetzte Kind gegen Alex und dieser hatte nur den damals schwächlichen Macht auf seiner Seite. Es hatte Jahre gebraucht, damit er Alex Kraft anerkannte. Ein Kampf war dieses Mal unausweichlich, dass wusste er.

    Diane stieg ebenfalls aus. »Ich komme mit.«

    Alex blieb auf der Stelle stehen.

    »Wenn du wüsstest, was ich für einen Hunger- Was ist denn?«

    »Du solltest besser im Wagen bleiben.«

    Einen Moment herrschte Stille, in welchem Diane wahrscheinlich versuchte die Situation zu deuten. Sie entschied sich anschließend für ein empörtes: »Vergiss es! Ich lass mich schon die ganze Nacht von dir herumschleppen. Da werde ich auf den letzten Metern keinen Rückzieher machen.«

    Macht gab zu bedenken, dass Alex ihr Leben eigentlich egal sein konnte. Kind hingegen hatte sie ins Herz geschlossen und wollte nicht, dass ihr etwas passierte. Aber Alex hatte schon vor langer Zeit lernen müssen, dass sein Einfluss auf andere Menschen ebenso gering war, wie sein Einfluss auf sich selbst groß war. Selbst wenn er es ihr erklären würde, könnte sie dies nicht davon abbringen. Und am Ende würde sie wie alle anderen auch in kürzester Zeit zusammenbrechen. Menschen sind solch schwache Kreaturen. In der Vergangenheit hatte Alex ab und an versucht die Leute vor seinen gewalttätigen Handlungen zu warnen, doch sie hatten nicht auf den schmächtigen Jungen hören wollen, der sie kurz darauf wie ein aggressives Tier bekämpfte. Schon nach kürzester Zeit lagen sie wimmernd am Boden. Was hatten sie auch anderes erwartet?

    »In Ordnung«, war alles was Alex hervorbrachte.

    Sie betraten das Diner. Das Licht war gedämpft und es war von seltsamen Geräuschen erfüllt. Ein sexuelles Stöhnen gemischt mit dem Schluchzen eines kleines Kindes hallte durch den Raum. Langsam hatten sich Alex Augen an das Schummerlicht gewöhnt. Er sah wie kleine Blutlachen auf den Tischen vom Licht vorbeifahrender Autos reflektiert wurde. Einige Leichen befanden sich auf den Bänken. Sie hatten sich die Pulsadern durchgeschnitten und dann mit ihren Blut ein grausiges Bild geschaffen, dass sie bis zu ihrem Tode an die Wand gekrakelt hatten. Alex und Diane stiegen über zwei Frauenleichen, die sich scheinbar im Zweikampf mit bloßen Händen und Zähnen getötet hatten. Die Bedienung hinter dem Tresen wirkte bei dieser Szenerie völlig deplatziert und somit am verstörendsten. Sie hatte ihr schönstes Lächeln aufgesetzt. Eine Hand an der Hüfte und in der anderen eine frische Kaffeekanne.

    Schweigend setzte sich Alex, während Diane sich immer noch umsah und versuchte den Anblick hier zu verarbeiten. Er setzte sich etwas auf, um einen Blick hinter die Küche zu werfen in der eine Frau einen abgehackten Kopf leidenschaftlich küsste.

    »Ein Kaffee, Süßer?«, und ohne eine Antwort abzuwarten schenkte sie ein und holte gleich eine zweite Tasse für Diane hervor. Die Frau ging mit großen Schritten auf die vierzig zu. Die Haare waren hochgesteckt und ein Namensschild kennzeichnete sie als Bette.

    »Ich habe noch nie Kaffee getrunken. Es gibt nur wenig, dass so gut riecht wie frisch gekochter Kaffee, aber-«

    »aber schmecken tut es schrecklich, ich weiß«, beendete Dämon den Satz.

    Inzwischen war auch Diane an den Platz gekehrt. Ihr Gesicht war bleich wie der Tod. Sie hatte Dinge gesehen, die nie ein Menschen sehen sollte.

    »D-da ist ein kleines Kind mit ausgestochenen Augen«, sagte sie völlig entgeistert und bleich.

    »Oh, das arme Ding!«, sagte Dämon mitleidsvoll. »Es wollte einfach nicht mit ansehen wie sich die Leute gegenseitig auffressen. Also habe ich ihm einen Weg gezeigt, wie es diese Gräuel nicht mehr mit ansehen musste. Die Trommelfelle hat es sich auch ausgestochen. So eine tapfere kleine Seele.«

    »Nenne mir deinen Preis.«

    Doch Dämon ging nicht darauf ein. »Sieh dich um! Sieh dir den Tod und die Zerstörung an, die du diesen Leuten gebracht hast! Du hast dich heilen lassen und uns achtlos weggeworfen. Und das ist das Ergebnis. Tod und Wahnsinn. Alles nur weil du normal sein wolltest. Es wäre besser, wenn du nie geboren worden wärst.«

    Alex kannte diesen Trick. Sie wollte ihn auf seine niedersten Instinkte reduzieren. Ihn aus der Reserve locken. Er hatte zum Glück Macht und Kind zuerst eingesammelt. Macht war es egal und Kind war trotzig – vernünftigen Argumenten nur selten zugänglich. Diane hatte leider kein solches Glück. Sie tat genau das was sie nicht tun sollte, sie blickte sich um und nahm sich die Worte zu Herzen.

    »Was willst du um mitzukommen?«, fragte Alex erneut.

    Dämon nickte in Richtung Diane, »Sie will ich. Ihr Blut. Gib es mir und ich werde kampflos mitkommen.«

    Unwillkürlich blickte Alex zu seiner Sitznachbarin. Ein Fehler.

    »Sieh dir seinen Blick genau an, meine Liebe. Er meint es ernst. Er würde alles tun, um uns in die Finger zu bekommen. Dein Leben ist ihm nichts wert. Oder hat er schon einmal etwas für dich getan, um dich zu beschützen? Vermutlich hat er dich immer links liegen lassen und sich nicht einmal schützend vor dich gestellt, als einer der anderen dich angegriffen hat.«

    Sie wirkte bleich und wich sogar noch etwas zurück, als er sie ansah. Scheinbar dachte sie, er würde ihr Angebot ernsthaft in Betracht ziehen. Was er auch tat, aber anders.

    »Bleib ruhig, Diane. Lass es mich dir erklären.«

    »Aber um es noch interessanter zu machen ... Du, Mädchen! Wenn du ihn tötest, ergebe ich mich dir. Du kannst mich verschonen oder vernichten, das liegt ganz bei dir. Ich werde dir sogar einen Schubs in die richtige Richtung geben. Wenn du hinter dich schaust siehst du ein blutiges Messer auf dem Tresen.«

    Diane drehte sich um und nahm die verschmierte Klinge. Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen was in ihr vorging. Sie hatte all dieses Grauen gesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass keines dieser Monster leben sollte. Alex musste zum Wohl der menschlichen Gemeinschaft sterben.

    Er seinerseits stand ebenfalls vom Hocker auf und ging auf Abstand. »So viel Tod und so viel Leid! Warum das alles?! Weil es deiner Natur entspricht! Menschen wie du sollte man einfach töten sobald sie auffällig werden.«

    Sie ging mit dem Messer auf ihn los. Ohne Sinn und Verstand hieb sie um sich. Sie war außer sich vor Wut, aber sie war auch erschöpft und übermüdet. Vermutlich konnte sie selbst gerade nicht einmal wirklich klar denken. Alex hatte sich hingegen auf diese Nacht mit einer Mütze Schlaf vorbereitet. Er hatte mit deutlich mehr solcher Konfrontationen gerechnet, schon bevor er in ihr Auto gestiegen war.

    »Du liebst sie?! Diese Dinger?! Das sind Monster, sie töten und manipulieren zum Spaß! Wenn du wirklich menschlich wärst, hättest du sie getötet. Macht meinte, du hattest es in der Hand, doch du hast dich auf ihre Seite geschlagen, statt auf unsere.«

    Zwar besaß Alex viele Talente, doch Multitasking gehörte nicht dazu. Er konnte nicht mit Kind ausweichen und gleichzeitig mit Macht eine Argumentationskette ausarbeiten um sie vom Gegenteil zu überzeugen.

    Dämon lächelte grausig. Sie hatte ihren Spaß. »Sieh dir mal diese kalten dunklen Augen an! Diese Menschenverachtende Finsternis in ihnen. Köstlich.«

    Menschen dachten immer eher schlecht von ihren Mitmenschen. Ein wichtiger Punkt der die Koexistenz seit jeher gefährdet hatte. Alex wich Diane mit einen Ausweichschritt aus, stellte ihr ein Bein und brachte sie so zu Fall. Sie stürzte mit dem Kopf gegen eine Tischkante und war bewusstlos. Doch damit hatte er Dämon den Rücken gekehrt. Ein böser Fehler. Sie warf die Kaffeekanne nach ihm. Auch wenn das nicht wehtat, so war sie doch leicht geöffnet und verbrühte ihn den Rücken. Schreiend ging er zu Boden. Als er sich auf den Fliesen windete und schrie kam ihm eine Idee. Wie von Macht gedacht kam die Frau auf ihn zu und beugte sich über ihn. Ihr falsches Mitleid konnte den Sadismus ihres Wesens nicht verhehlen.

    »Oh, du Armer. Dahin sind all deine Pläne. Nun gehört ihr endlich alle mir. Vergesst die Comics und die Spaziergänge im Sonnenlicht oder den Frieden zwischen uns und den Menschen. Ab sofort habe ich das Sagen. Ich werde töten, verschlingen und zerstören bis sie mich töten. Danach ziehen wir einfach in einen neuen Körper. Das wird von nun an unsere einzige Daseinsberechtigung sein.«

    Innerlich bereitete Alex seinen Angriff vor. Sie stand direkt vor ihm. Kind war bereit ihr an die Kehle zu springen. Macht sorgte dafür, dass er nicht zu früh oder spät loslegte. Doch zuerst musste er den Köder auslegen. Alex biss die Zähne zusammen, grub sein Gesicht in die geballten Fäuste und imitierte ein Weinen.

    »Witzig. Ich erinnere mich noch als du so vor uns lagst. Als kleiner Junge, weinend in deinem Bett weil du deine Eltern nicht töten wolltest und das obwohl ich dich so sehr unter Druck setzte. Du hattest nur eine Bitte an mich. Dass ich dich endlich sterben lasse. Damit du frei von dieser Verantwortung und den Schmerz wärst.«

    Sie beugte sich quälend langsam nach unten zu ihm. »Ich brauche dich nicht mehr. Dieser Körper tut es auch, doch die anderen wären mir noch nützlich. Also werde ich dir deinen Traum aus Kindheitstagen endlich erfül-«

    Mit einem Mal sprang Alex nach oben, griff nach Dämons Gesicht und zerrte ihn aus dem Körper. Er merkte den Widerstand den er leistete, doch Macht unterdrückte seine Kraft und so gelang es doch noch den letzten Dämon einzusperren.

    Keuchend ließ sich Alex nach hinten fallen. Bette fiel bewusstlos auf ihn und presste durch ihr Gewicht alle Luft aus seinen Lungen. Dämon schrie und tobte in Alex Geist, doch er ignorierte es. Der kleine Satansbraten hatte ganz andere Probleme. Kind war wütend auf ihn, weil er Diane mit reingezogen hatte. Gegen seine Wildheit kam noch nicht einmal die Dämons an. Er spürte wie die beiden sich mit aller Kraft fetzten. Macht gab zu bedenken, dass Kind dafür belohnt werden sollte. Seufzend grabschte Alex Bette an den Arsch. Kind heulte vor lauter Freude auf, während sich Macht nur dachte, wie schwabbelig es sich anfühlte. Aber Kind war es egal. Er war noch nie anspruchsvoll bei Frauen gewesen. Er erkannte die Schönheit in jeder von ihnen. Egal wie sie aussahen. Obwohl er schon eine kleine Schwäche für Milfs hatte. Alex hatte sich das alles irgendwie anders vorgestellt. Er spürte lediglich die Müdigkeit und nicht die erhoffte Euphorie des Sieges. Er hatte es geschafft, doch es freute ihn nicht. Er fühlte sich einfach nur tierisch erschöpft. So langsam wurde das Gegrabsche langweilig, weshalb er die Bedienung möglichst sachte von sich schubste.

    Er sah auf Diane runter. Ein leichtes Rinnsal Blut sickerte ihre Schläfe hinab. Hoffentlich hatte sie sich keine Gehirnerschütterung zugezogen und konnte noch fahren. Der Grund wieso Alex auf sie angewiesen war, lag an der simplen Tatsache, dass er Fahrangst hatte. Kind machten die Geschwindigkeit und die vielen schnellen Eindrücke ziemliche Angst.

    Hoffentlich würde Diane bald aufwachen. Der Tag brach an und Alex wollte nur noch Nachhause.

    
Fortsetzung folgt...


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Beschreibung des Autors zu "Die Eintreibung nach der Austreibung VI"

Alex und seine Dämonen, wieder vereint.

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