Unter dem Kreuz der Templer

© Kristina Schneider

Kaplan de Montpasson machte das Kreuzzeichen. Arnulf versenkte sich tief in die Mystik des auf- und abschwellenden Gesangs der Mönche. Dies war sein großer Tag, wie lange hatte er darauf gewartet. Heute wurde er zum frater milites, zum kämpfenden Ritter und Mönch. Vor sich sah er ein drei Meter hohes Holzkreuz. Daneben ein Bild von Jerusalem, wie die Kreuzfahrer es eroberten, eine brutale Szene voller Gewalt, Feuer und Blut. Zwei große Kerzen hüllten die ganze Szene in ein geheimnisvolles Dämmerlicht. De Montpasson fragte ihn: „Soll dein Leben ganz Christus gehören? Willst du Keuschheit, Armut und Gehorsam geloben und dich dem Kampf gegen die Ungläubigen weihen?“ Fest antwortete Arnulf: „Ja, Vater, das will ich.“ Der Kaplan griff zur Seite und nahm das Schwert, das Zeichen für Arnulfs Bestimmung. Feierlich legte er es Arnulf auf die vorgestreckten Arme. Mit diesem Schwert würde er für den Glauben streiten. Vielleicht könnte er gar das Heilige Land zurückerobern. Davon träumte jeder Tempelritter, nachdem die Sarazenen dem Kreuzfahrerstaat in Palästina ein Ende gemacht hatten. Er freute sich riesig. Vielleicht würde ihm sogar im Kampf die Krone des Märtyrers gewährt. Schon oft hatte er sich vorgestellt, wie sein Leib erschlagen liegt und seine Seele in weißen Gewändern unter dem Jubelgesang der Engel zum Himmel emporsteigt...
Der Gesang seiner Mitbrüder vermittelte ihm ein Gefühl der Feierlichkeit. Unwirkliche Wärme und Glück durchfluteten Arnulf. Er war am Ziel. Hatte Christus nicht gesagt, wer sein Leben um seinetwillen verliert, der wird es finden?
De Montpasson hängte ihm den weißen Umhang mit dem roten Kreuz auf der linken Schulter um. Damit war die Zeremonie zu Ende. Arnulf stand auf. Er umgürtete sein Schwert und ging auf die Brüder zu. Sie sahen ganz und gar nicht kriegerisch aus, eher wie völlig normale Mönche. Ihre Kleidung bestand aus einer einfachen schwarzen Kutte mit Mütze. Die Rüstung trugen Tempelritter im christlichen Frankreich nur im Manöver und auf Reisen.
Als erstes stand da Bruder Markus. Er lächelte Arnulf spitzbübisch an. Markus war ihm in den letzten Wochen ein guter Freund geworden. Das war kein Wunder, kaum jemand konnte seinem Humor widerstehen. Markus umarmte ihn und sagte laut: „Herzlich willkommen in unserer Gemeinschaft, Bruder.“ Dann jedoch knuffte er ihn in die Seite und raunte so leise, dass nur Arnulf es hören konnte: „Willkommen bei den frommen Geldwechslern.“ Arnulf versuchte krampfhaft, ernst zu bleiben. In den letzten Monaten hatte er sich vor allem mit dem Eintreiben überfälliger Raten für Kredite beschäftigt. Damit verdienten die Tempelritter ihr Geld. Die größten Kunden waren Könige und Fürsten, leider zahlten sie auch am schlechtesten. Die Mitbrüder hüstelten vernehmlich und versuchten ihre Heiterkeit zu verbergen. De Montpasson verdrehte die Augen und bedachte Markus mit einem strafenden Blick.
Nachdem ihn auch die anderen zehn Brüder umarmt und ihm gratuliert hatten, umarmte ihn auch der Kaplan. „Sei willkommen, mein Sohn.“ Sein tiefer Bass hallte im Raum wider. „Danke, Vater“, sagte Arnulf.
Nun brach sich nach der Feierlichkeit ausgelassene Fröhlichkeit Bahn. „Wie wär's mit einem kleinen Festgelage wie am Hofe des Heiligen Vaters in Avignon mit seinen Saufbrüdern und Konkubi... Verzeihung, seinen Vasallen und Edelfräulein.“ Markus blickte übertrieben ernst drein. Der Erfolg hallte an den Wänden wider, dass man meinte, dass das Haus erzitterte. Selbst Kaplan de Montpasson musste lachen und drehte sich darum schnell zur Seite. Als er Markus wieder ansah, war seine Miene sehr streng. „Markus, wie oft habe ich dir gesagt, du sollst dein Schandmaul halten? Wie kannst du es wagen, deinen neuen Mitbruder bei seiner Weihe zu belustigen? Und was fällt dir ein, den Heiligen Vater zu beschimpfen?“ „Vergebt mir, Vater, ich habe gesündigt“, sagte Markus eine Spur zu kleinlaut. „Wenn du vorher daran denken würdest, bräuchte ich dir nicht so viel Buße auferlegen.“ Aber selbst de Montpasson gluckste weiter tief in seinem Innern.
Das Mahl der Tempelritter war jedoch kärglich. Es entsprach in keiner Weise den Gelagen an manchen Bischofssitzen und schon gar nicht dem Prunk des päpstlichen Palastes in Avignon. Arnulf gefiel das asketische Klosterleben. Er fühlte sich Gott nah, wenn er sich seinen Körper unterwarf. Er tötete seinen Leib täglich, schlug ihn, bezwang ihn. Trotz des Reichtums seines Ordens lebte er arm. Es machte ihn ein wenig stolz, dass er den Glauben viel ernster nahm als die meisten Menschen, die er kannte. Arnulf dachte, dass es doch nichts Besseres geben könnte, als sich dem Kampf für Gott zu weihen.
An diesem Abend lag er noch lange wach auf seinem Lager. Er musste unwillkürlich an die letzten Jahre denken. Was hatte er alles erlebt! Besonders dachte er an seine Erzieherin Claudine. Sie hatte ihm die brennende Liebe zu Gott und für die Sache der Kirche ins Herz gesenkt. Er lächelte. Wehmütig rief er sich einen Augenblick vor über fünfzehn Jahren ins Gedächtnis, der sein ganzes Leben veränderte.

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© George Valay


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Beschreibung des Autors zu "Unter dem Kreuz der Templer"

Ein Roman über Ritter, Abenteuer, Intrigen, Furcht, Glauben und interessanten Wendungen.

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