„Was willst du? Du kitzelst mich“ sagte der Betonpfeiler zu der Rose, die an ihm emporwuchs.

„Ich will dich schmücken“, antwortete die Rose.

„Ich brauche keinen Schmuck, denn ich bin schön genug, vor allem aber bin ich stark“, sagte der Betonpfeiler. „Ich und ein paar Kollegen tragen eine Brücke, die wiegt viele tausende von Tonnen“.

„Und ich trage eine Blüte, die ist schöner als alles, das du hier im Umkreis sehen kannst“, flüsterte die Rose

„Aber bist du auch stark?“, fragte der Betonpfeiler. „Das werden wir sehen“, sprach die Rose und versank in Schweigen.

Sie wuchs und wuchs und schließlich sprengte sie den Beton des Pfeilers. Wasser drang in den Spalt, gefror im Winter und zwängte den Spalt weiter auseinander.

Schließlich zerbrach der Pfeiler und eines Nachts sackte die Brücke in sich zusammen. Zum Glück war kein Mensch auf ihr unterwegs gewesen.

Am nächsten Tag kamen die Menschen und klagten über die zerbrochene Brücke.

Die Rose aber streckte ihre Blüte der Sonne entgegen und lächelte.


© Peter Heinrichs


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Kommentare zu "Die Rose und der Brückenpfeiler"

Re: Die Rose und der Brückenpfeiler

Autor: Sandro N   Datum: 29.01.2018 23:20 Uhr

Kommentar: Ach, wie herrlich tiefgründig diese Parabel!
Es ist wirklich eine Freude für mich, deine Texte zu lesen.
Vor allem die, deren volle Blüte sich hinter einem fein gestrickten poetischen Mantel verbrigt;)
Wieder einmal großartig.
Gruß, Sandro

Re: Die Rose und der Brückenpfeiler

Autor: mychrissie   Datum: 30.01.2018 9:26 Uhr

Kommentar: Guten Morgen, lieber Sandro, vielen Dank für Deinen Kommentar!

Wenn ich doch nur die Zeit fände, mich der Dutzende von Ansätzen anzunehmen, die auf meinem Mac stumm aber unausgesetzt kreative Zuwendung einfordern!

Aber mit 79 jeden Tag ehrenamtlich 25 niedliche aber anstrengende Kinder zu betreuen, kostet viel Energie und lässt nicht allzuviel davon für schriftstellerische Arbeit übrig. Es wartet ja auch noch ein Roman auf Vollendung, der immerhin schon 260 Seiten umfasst.

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