Trampen

© EINsamer wANDERER

Der Junge kam in vollkommener Dunkelheit gehüllt zu sich. Sein ganzer Körper war feucht und klebrig. Mühsam und mit all seiner Willenskraft versuchte er sich zu bewegen, aber etwas hielt ihn in der Dunkelheit gefangen. Das Gefühl, wie eine Fliege im Spinnennetz gefangen zu sein, ließ ihn nicht los. Er glaubte eine Bewegung in der Dunkelheit auszumachen. Etwas schlängelte sich seinem Leib entlang. Es fing bei den Füßen an und hörte bei den Schultern auf. Er wollte schreien, doch aus seinem Mund kam nichts als ein leises Krätzen. Etwas fraß ihn bei lebendigem Leibe auf. Nie im Leben hätte er sich erträumt, so zu enden.

Al hielt mit einem verwegenen Lächeln den hocherhobenen Daumen an den Rand der Fahrbahn. Er trampte quer durchs Land, ohne Ziel oder Verantwortung. Er hatte einmal die Semesterferien dazu genutzt, um zu reisen. Da er aber nicht genügend Geld hatte, musste er trampen und er hatte es lieb gewonnen. Er wurde immer gefahren und konnte sich mit teils sehr interessanten Leuten unterhalten. Aber das Reisen war zu einer Sucht geworden. Er musste immer häufiger und weiter Reisen, bis er nicht mehr zurückgekommen war. Seine Einnahmequelle waren kleine Gelegenheitsjobs. Aber das war für ihn nicht schlimm. Er war glücklich und das war die Hauptsache. Heute war ein guter Tag zum Trampen. Eine Hauptstraße und trockenes, nicht allzu kaltes Wetter, mehr brauchte man nicht, um gut zu Trampen. Aber trotzdem war es kein guter Tag, denn niemand fand sich, um ihn mitzunehmen. Es gab öfters Tage, an denen alle Autos an ihm vorbeirasten, aber es war noch nie ein Tag vergangen, an dem er kein Auto traf. Es war unmöglich, aber doch war er hier Zeuge einer leeren Straße, auf der Tagelang kein Auto fuhr. Al hoffte, dass ein paar hübsche Mädchen einen Hengst, wie ihn mitnahmen. Sie würden es nicht bereuen. Aber es sollte alles ganz anders kommen. Ein alter, rostiger Laster stoppte vor Al. Achselzuckend dachte er sich: Besser als gar nichts. Er stieg ein. Als er die Tür öffnete, fielen ihm die weißen, mit Blutflecken übersäten Säcke auf der Ladefläche auf. Achtlos warf er seinen Rucksack auf den Rücksitz. „Danke fürs mitnehmen.“, sagte er höflich, zu den älteren, bärtigen Mann, der locker als Heidi ´s Großvater durchgegangen wäre. „Nichts zu danken.“ „Was haben Sie da.“ Sein Kopf nickte zur Ladefläche. Der Alte machte eine wegwerfende Bewegung. „Ach das? Das sind nur meine Schweine. Sie sind alle an einer Krankheit gestorben. Ich wollte sie zu einem speziellen Entsorgungsplatz bringen.“ Wahrscheinlich ist er ein Bauer, dachte Al, er sieht zumindest wie einer aus, also warum sollte er keiner sein? „Aha.“ Al hatte zwar noch nie von Entsorgungsplätzen für infizierte Schweine gehört, aber er war auch kein Bauer. Die Fahrt war ziemlich langweilig. Der Alte sagte nichts und egal wie sehr sich Al auch bemühte, ihn zum Reden zu bringen, er schwieg beharrlich. Die Fahrt endete an einem Kornfeld. Al fielen die vielen Krähen auf, die sich auf jeder erhöhten Position niedergelassen hatten. Eine riesige Metallröhre ragte schief aus dem Boden. Und das sollte ein Entsorgungsplatz sein? Der Bauer nahm sich die Säcke, ging damit zur Röhre und öffnete sie, peinlichst darauf bedacht, dass Al den Inhalt nicht sah. Er schüttete den Inhalt in die Röhre. Al sah sich um. Die Krähen schienen ihn anzustarren. Er fühlte sich aber noch von etwas anderem beobachtet. Mehrstimmiges Gebrüll durchbrach die Stille. Die Krähen schreckten aus ihrer Starre hoch und flogen in den immer dunkler werdenden Himmel. Entsetzt drehte sich Al in die Richtung um, aus der das Gebrüll gekommen war. Die Röhre. Er war so sehr auf das große Rohr fixiert, dass er den Bauer erst sah, als es zu spät war und er ihm mit einem Spaten niederschlug.

Al kam in vollkommener Dunkelheit zu sich. Sein Kopf dröhnte. Das Plätschern von vereinzelten Wassertropen auf Stein unterbrach die Stille. Plötzlich fielen ihm die letzten Momente wieder ein. Wie er die Krähen und die Straße beobachtet hatte. Und dann kam der Schlag und mit ihm die vollkommene Dunkelheit. Für einen alten Mann hatte dieser einen ordentlichen Schlag drauf. Das Lachen einer Frau durchbrach das Dunkel. Unheimlich hallte es von nicht sichtbaren Wänden wieder. Er musste sich in einer Art Höhle befinden. Etwas Großes schlängelte seinem Körper entlang. Das Lachen war jetzt direkt bei seinem Ohr. Er hörte, wie die Stimme laut Luft einzog, als würde sie ihren Mund sperrangelweit aufmachen. Etwas biss in seine Schulter. Al schrie vor Schmerz. Warmes Blut lief seinem Rücken und Arm entlang. Die Zähne zerrten an ihm und versuchte einen großen Brocken Fleisch rauszureißen. Es dauerte einige Zeit, bis Al das Licht wahrnahm, das ihm entgegenkam. Es war eine Fackel. Gerade als Al auf Rettung hoffte, wurde es von dem Gesicht, das vom Schein der Fackel beleuchtet wurde, zunichte gemacht. Es war der alte Mann, welcher ihn an diesen gottverdammten Ort gebracht hat. Als wenn er mich retten würde, dachte Al verdrießlich. Aber jedes Übel hatte sein gutes. Endlich konnte Al erkennen woran er hing. Es war ein klebriger Schleim, der ihn an der Decke hielt. Sein Gesicht erbleichte, als er erkannte, was ihn da zu fressen versuchte. Es war ein Mischwesen, mit den Unterleib einer Schlange, der aus dem bodenlosen Abgrund unter Al ragte und den Oberkörper einer schönen, gehörnten Frau, die nichts von BHs oder anderer Kleidung hielt. „Wieso störst du mich beim Essen?!“, fauchte sie den Mann an. Der Alte scharte verlegen mit den Fuß. „Kann ich noch etwas haben.“ Die Schlangenfrau ließ von Al ab und beugte sich zum Mann hinab. „Na gut, meinetwegen, aber dann ist es genug für heute.“ Al traute seinen Augen nicht, als der Mann damit begann an den Busen dieses Wesens zu saugen. Er versuchte seine Augen von diesem grotesken Schauspiel abzuwenden, konnte aber nicht. Es übte eine morbide Faszination auf ihn aus. Mit all seiner Willenskraft konnte er den Blick zur Decke abwenden. Von oben sah er einen kleinen- einen winzig kleinen Lichtschimmer. Er versuchte seine Arme und Beine frei zu bekommen. Aber sie kamen von diesem klebrigen Zeug nicht los. Nein, er musste es anders anpacken. Anstatt sich frei zu kämpfen, konnte er sich aber auch mehr einwickeln lassen. Mühsam brachte Al seinen Körper in Schräglage. Wie ein Jo-Jo drehte er sich um die eigene Achse nach oben. Zuerst einmal. Al ächzte, versuchte aber den Lärmpegel so gering wie möglich zu halten. Dann zweimal. Sein Körper schrie gegen derlei Anstrengung an, aber der Durst nach Freiheit war größer. Wieder und wieder drehte er sich. Dem Lichtschimmer entgegen. Er kam näher und näher. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Die Oberfläche war zum Greifen nah. Er roch schon die frische Luft und sein damit verbundenes Überleben. Das einzige, das er wollte war, so weit weg wie möglich von diesem grausamen Ort zu kommen. Er war schon fast draußen. Er musste nur noch über den Rand des tiefschwarzen Abgrundes, dann war er in Sicherheit. Erschöpft vom langen Aufstieg, quälte sich Al über den Rand. Der Schweiß rann ihm kalt den Rücken runter und verursachte eine Gänsehaut. Von unten war ein Schrei zu hören. Der Wutschrei eines Mischwesens, über den Verlust ihrer Mahlzeit. Ächzend und von der Angst beflügelt schaffte Al es über den Rand des Abgrundes, fern von bösen Mischwesen, die ihm ans Leder wollten. Keuchend lag Al im kühlen Gras und sah sich den fröhlichen Himmel mit seinen flauschigen Wolken an. Er blickte zur Seite, weg vom Abgrund und sah ein Kornfeld, mit hohen Ähren. Langsam drang das Geschrei und Gebrüll des Wesens an sein Ohr. Sofort brach ihm wieder der Schweiß aus. Sein Gesicht nahm die Farbe von Kreide an. Das Geschrei kam näher und näher. Al ´s Herz begann schneller zu schlagen. Sein Puls raste. Er konnte sich genau vorstellen, wie sie mit ihren langen Schlangenkörper dem Licht näher raste, um ihr getürmtes Futter wiederzubekommen. Al begann vor Angst zu wimmern. Gleich würde sie zur Oberfläche steigen. Doch das Gebrüll riss abrupt ab, als hätte jemand einen Ausschaltknopf gedrückt. Al atmete hörbar aus. Überglücklich der Gefahr wieder entkommen zu sein. Sein Herz beruhigte sich wieder. Ihm fiel auf, dass er der Gefahr nicht entkommen war, noch nicht. Er bemühte sich aufzustehen, aber er konnte sich keine Zentimeter bewegen. Das schleimige Zeug schien ihm jede Bewegung unmöglich zumachen. Er bemühte sich stärker. Jedes Quäntchen seiner Willenskraft war bemüht den Körper in Bewegung zu setzen. Aber es ging nicht. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er noch immer schwitzte. Die Sonne brannte auf seiner Haut. Das grelle Licht ließ seine Augen fast erblinden. War die Sonne schon immer so heiß und grell gewesen? Al versuchte, seine Augen vor dem grellen Licht zu schützen, indem er sie mit der Hand abschirmte, aber die klebte fest. Er konnte nur den Kopf zur Seite neigen, um die Augen nicht verbrennen zu lassen. Mehrere Stunden lang lag er so da. Reglos und schwitzend. Er begann sich zu fragen, wie lange man brauchen würde, um ihn wieder einzufangen. Irgendetwas stimmte nicht. Man hätte ihn doch schon längst finden und zurück bringen müssen. Mit diesem Gedanken beschäftigte Al sich bis zur Dämmerung. Dann wurde es kühl und die Helligkeit erträglicher. Jemand stampfte durchs Gras. Al konnte ihn nicht sehen. Er befand sich außerhalb seines Blickfeldes. Jemand zog ihn in die Höhe. Es war der alte Mann, mit einem großen Messer in der Hand. „Willst du weg oder bei Mutter bleiben?“, fragte er düster. „Was?!“, fragte Al verwirrt. „Na, sag schon.“ Das Messer tanzte ungeduldig in der Hand des alten Mannes. „Äh … Weg?“ Mit einer schnellen Bewegung befreite der Mann Al aus seinem klebrigen Gefängnis. „Danke.“ Al wusste nicht, was er davon halten sollte. Zuerst versuchte dieser Kerl ihn an ein böses Halb-Frau-halb-Monster-Ding zu verfüttern, dann half er ihm bei der Flucht. Gerade als Al nach dem Grund fragen wollte, sagte der Mann: „Geh. Halt dich von der Sonne fern. Und stell keine dummen Fragen.“ Al war so überglücklich, dass er seine Fragen rasch vergaß und das Weite suchte. Endlich frei. Er suchte die nächste belebte Straße. Stolz und mit erhobenen Daumen trampte er nach alter Manier. Die Scheinwerfer eines Vans kamen ihm entgegen. Al ´s Augen mussten sich in der Höhle sehr stark an die Dunkelheit gewöhnt haben. Er konnte den Fahrer sehen, oder besser gesagte die Fahrerin. Ein Van voll mit schönen Frauen, er konnte sein Glück kaum fassen. Umso enttäuschter war er, als sie an ihm vorbeifuhren. Sehnsuchtsvoll sah er den Van hinterher und wünschte sich, an Bord zu sein. Kaum, dass er das Gedacht hatte, hielt der Van auch schon an. Grinsend lief er zur Fahrkarte, die ihm von diesem grausigen Ort bringen sollte und stieg ein. „Hallo, Mädels.“ Al sah sich wie ein ausgehungerter Wolf die Auswahl an. Er musste sich zusammenreißen, um nicht gleich loszuschreien. Jedes der Mädchen erfüllte seine Vorstellung einer schönen Frau mehr, als ausreichend. Er setzte sich in die Mitte. Alle sahen ihn musternd an. Al fragte sich, ob sie ihn als Psychopaten oder Durchschnittstypen einordneten. Er grinste jede breit an. Gerade wollte er sich seinen Rucksack zwischen die Beine klemmen, als ihm einfiel, dass sein Rucksack auf dem Laster des verrückten, alten Mannes war. Er blickte auf und grinste verlegen. Was sollte er machen? Sollte er etwas sagen, um das Eis zu brechen? „Wer bist du? Woher kommst?“, fragte die Fahrerin. Sie blickte abschätzend in den Rückspiegel. „Ich bin Al uuunnnnddd ich komm von überall her.“ Die Mädchen lachten. Er wusste zwar nicht worüber, aber sie lachten. Das Eis war gebrochen. Die Gruppe bestand aus einer Gruppe Frauen, die befreundet waren und zusammen Urlaub machten. Sie wollten in einem Wald in der Nähe zelten gehen. Al war herzlich eingeladen. Bei einem Lagerfeuer und etwas Stockbrot erzählte Al ein paar Anekdoten von seinen Reisen. Als er geendet hatte lachten alle. „ … Eine wahre Geschichte.“, sagte er noch. Sein Stockbrot war durch. Sein Magen knurrte gewaltig. Er biss ein Stückchen ab. Das Brot war noch heiß, aber er wollte vor den Frauen nicht als Weichei dastehen. Also schluckte er es schnell runter. Ein plötzlicher Hustenanfall überkam ihn. Ein Gefühl, dass Brot essen total falsch sei, durchdrang sein Gehirn. Er würgte das Essen hoch und kotzte es aus. Die Frauen wichen angewidert zurück. Eine klopfte ihm auf die Schulter. „Alles gut?“, fragte sie. Doch Al hörte sie nicht. Er hörte nur das Pulsieren ihres Blutes. Wie es durch ihre Adern fuhr. Das regelmäßige Schlagen ihres Herzens. Einen Instinkt folgend, der schon älter zu sein schien, als die Menschheit, biss er ihr in den Hals. Zuerst schrie sie vor Schmerz, dann wurde es ein Stöhnen. Die anderen konnten sich nicht von dem Anblick dieses Schauspiels abwenden. Irgendwann wurde sich Al bewusst, was er da tat. Sofort war sein Verstand wieder da. Er ließ von der Frau ab. Sie brach zusammen und lag keuchend da. Ihr Blick war abwesend. „Was hast du getan?“, fragte eine der Frauen, die zuerst die Sprache wiedergefunden hatte. Al stöhnte. Er wusste selber nicht, was da passiert war. Seine Zunge leckte das restliche Blut von seinen Lippen, ohne das er etwas dagegen unternehmen konnte. Er raufte sich die Haare. Entsetzt über sein Handeln, ging er einige Schritte zurück, dann ergriff er die Flucht. Panisch rannte er durch den Wald. Was war passiert? War er dem Grauen nur entkommen, um in die Hände eines anderen Schreckens zu gelangen? All diese Fragen schossen ihm durch den Kopf. Auf einmal hielt er inne. Er hatte keinen Hunger mehr. Aber wie? Das Blut! Man hatte ihn in einem Vampir verwandelt. Ein Schrei, wie er schmerzlicher nicht sein konnte, durchhallte die Nacht. Was sollte er nur machen. Zuerst sollte er von hier weg kommen und sich ein Versteck für den Tag suchen. Schneller, als er jemals gelaufen war, rannte er durch den Wald. Von dort auf die Straße. Nochmal zu trampen traute er sich nicht. Er wollte so etwas nicht noch einmal durchmachen. Dass er das Blut einer unschuldigen Frau getrunken hatte, war schon schlimm genug, aber etwas in ihm hatte daran Gefallen gefunden. Etwas Neues und ihm Unbekanntes gierte nach mehr Blut. Das Blut sollte in Strömen fließen. Al hörte aber nicht auf diese neue, monströse Seite in ihm. Egal was passierte, er wollte das nicht. Es war falsch und verstieß gegen jede Ethik und Regel, an die er glaubte. Gegen den Blutdurst ankämpfend erreichte er eine Autoraststelle. Taumelnd erreichte er den Empfang. Der Mann hinter dem Tresen schaute ihm aus glanzlosen Augen an. „Kann ich Ihnen behilflich sein.“, seine Stimme triefte vor Langeweile. „Ein Zimmer bitte.“, Al versuchte gegen die immer größer werdende Hitze, die der Blutdurst mit sich brachte anzukämpfen. „Ein Zimmer kostet fünfzig pro Nacht.“ Das hatte Al ganz vergessen, er hatte kein Geld bei sich. Nur noch ein einziges Mal, dann wäre Schluss damit. Er packte den Mann am Kragen und biss ihm in den Hals. Gierig sog er den roten Nektar aus ihm heraus. Er sog und sog. Die Adern trockneten aus. Eine nie gekannte Lust übermannte ihn. Das Herz hörte auf zu schlagen. Al ließ den Mann los. Die Leiche sackte auf den Stuhl zusammen. Verängstigt sah Al sich die Zimmerschlüssel an der Wand an. Er wollte keine weiteren Menschen in Gefahr bringen. Aber alle Schlüssel waren vorhanden. Also übernachtete zurzeit niemand hier. Das kam ihm gerade recht. Er entsorgte die Leiche in der Gefrierkühltruhe. Hastig verschloss und verrammelte er die Übernachtungsstätte. Er wollte nicht gestört werden. Hier würde er so lange bleiben, bis er wieder ein Mensch war. Er musste sich noch ein Zimmer aussuchen. Am besten eins mit Nordfenster. Je weniger Sonne desto besser. Al suchte ein dementsprechendes Zimmer aus. Das Zimmer verbarrikadierte er extra, vor der Sonne und vor einer möglichen Flucht. Al schnappte sich ein Kopfkissen und versteckte sich unterm Bett. Früher, als er klein gewesen war, hatte er das immer gemacht, wenn er sich schuldig fühlte oder es ihm nicht gut ging. In diesem Fall traf beides ein. Die Müdigkeit übermannte ihn. Der Schlaf war weder erholsam, noch ruhig. Unruhig träumte er von dem Wesen, das ihm zu dem gemacht hatte, was er nun war.

Er war wieder in dieser seltsamen Höhle. Die Schlangenfrau schlängelte sich um ihn herum. Sie schraubte sich in die Höhe und ab einem gewissen Punkt sank sie wieder. Al wurde davon ganz schwindelig. „Ah, mein jüngster Sohn stattet mir einen Besuch ab.“, sagte sie erfreut. „Was? Ich bin nicht dein Sohn.“, sagte er. „Doch bist du. Erinnerst du dich nicht mehr? Ich habe dich geschaffen.“ Al stellte die Frage, die ihn schon so lange quälte. „Warum?“ „Warum?“, wiederholte das Wesen erstaunt. „Wie soll ich es dir erklären?“, fragte sie sich. „Ich bin ein Monster. Aber nicht nur irgendein eins. Ich bin Lilith, die Mutter aller Kreaturen der Finsternis. Mein Biss verwandelt jene, die würdig sind in Ungeheuer. Ganz verschiedene, versteht sich. Eigentlich wollte ich dich fressen, aber du bist geflohen. Dadurch konnte ich mein Mahl nicht beenden, als ich die Gelegenheit hatte, bevor der Segen bei dir Wirkung zeigte.“ „Warum frisst du mich nicht jetzt?“ Lilith schien entsetzt zu sein. „Aber, aber. Eine Mutter würde ihre Kinder doch niemals fressen. Stattdessen schickte ich dir meinen Diener nach. Er sollte dich befreien und vor die Wahl stellen.“ „Ob ich gehe oder bleibe.“ Lilith nickte anerkennend. „Richtig. Wenn du bei mir bleibst, würdest du mit deinen Geschwistern glücklich bis in alle Ewigkeiten leben. Aber wenn du in die Welt hinausziehst, bleibt dir nur die Vernichtung.“ „Was redest du da?“ Lilith schüttelte mit dem Kopf. „Ach, mein lieber, lieber Al. Bis jetzt sind noch alle meine Kinder zurückgekommen, denn sonst hätten sie die Menschen schon vor langer Zeit vernichtet.“

Al schlug die Augen auf. „Woher weißt du meinen Namen?“, fragte er in den leeren Raum hinein. Vorsichtig lugte er unter dem Bett hervor. Es war still. Das war er nicht gewohnt. Er war den Lärm der Straßen, des Waldes oder den der Stadt gewöhnt, aber nicht den Lärm der Stille. Er würde sich schon noch daran gewöhnen. Genug Zeit hatte er. Ein einzelner Lichtstrahl durchbrach die Dunkelheit des Zimmers. Es schien durch ein Loch im Holz zu kommen. Al fragte sich, ob er wirklich im Sonnenlicht verbrannte. Vorsichtig hielt er die Hand in den Strahl. Er schrie gellend auf. Sofort zog er die Hand aus dem hellen Todesstrahl zurück. Er starrte auf das Loch in der Hand. Es sah schlimm aus. So eine schlimme Verbrennung hatte er noch nie gesehen. Aber seine Heilungskräfte waren nun ausgeprägter. Das Loch begann sich bereits zu schließen. „Wow.“, war alles was er dazu sagen konnte. Inzwischen hatten seine Fingernägel sich schwarz verfärbt und eine krallenähnliche Länge erreicht. Den Rest des Tages verbrachte er damit Löcher in die Luft zu starren und nicht an die Hitze oder den Hunger zu denken. Das ganze ging bis zur Abenddämmerung. Al schreckte aus seiner Starre hoch, als es unten krachte. Etwas hatte die verbarrikadierte Tür eingetreten. Al kroch zurück unters Bett und wünschte sich weg. Inständig hoffte er, dass er, sie, es oder was es auch immer war, verschwand, ohne ihn zu stören. Als ihm dieser Gedanke kam, wurde seine monströse Seite hellwach. Sie schrie nach Blut und Tod. Sie wollte raus. Raus aus ihrem Gefängnis. Etwas machte sich an der Tür zu schaffen. Al blieb ganz ruhig. Vor Angst konnte er sich weder bewegen, noch etwas sagen, geschweige denn schreien. Die Tür wurde aus den Angeln gerissen und der Geräuschkulisse nach, weggeschleudert. Die Person trug Stöckelschuhe. Al erkannte sie an ihren Klang. Jetzt waren sie auch in seinem Blickfeld. Die Person begann die Nase zu rümpfen. Sie witterte. Langsam ging sie in die Knie. Ihre Züge schoben sich in Al´s Gesichtsfeld. Es war die junge Frau, die er ausgesaugt hatte. Sie wirkte unnatürlich Blass. Und sie schien auch stärker geworden zu sein. „Hallo, Meister.“, sagte sie ehrerbietend. „M-M-Meister?“, stotterte Al. Jetzt begann Al zu verstehen. Er hatte einen Vampir erschaffen. Jetzt würde sie den Fluch auf andere übertragen. Und die würden ihn wiederum auf andere übertragen und so weiter und so fort. Das alles war ganz allein seine Schuld. Wie hatte er sich nur dem Durst ergeben können? „Kommt doch unter dem Bett hervor. Sonst kriege ich noch einen steifen Rücken.“ Al tat wie ihm geheißen. Erschöpft und das Kissen immer noch in den Armen haltend, ließ er sich aufs Bett fallen. „Ich habe euch überall gesucht.“, sagte die Vampirin. „Es tut mir leid.“, Al begann vor Selbstmitleid zu zerfließen. „Aber warum denn?“ Die Frau schien noch gar nicht begriffen zu haben, was da passiert war. „I-Ich habe dich zu diesen Ding gemacht.“ „Ach das. Dafür wollte ich mich nochmal bedanken. Der Kuss fühlte sich echt toll an. Und erst das jetzt.“, sie blickte an sich hinab. „Ich fühle mich besser, als jemals zuvor in meinen Leben. Aber ich fühlte auch, dass ihr mich braucht. Ich fühle, dass wir miteinander verbunden sind. Ihr seid der Meister und ich Eure ergebene Dienerin.“ „Bist du gar nicht sauer auf mich?“ „Nein. Alles ist toll.“ Erst jetzt begann eine wichtige Erkenntnis in Al aufzukeimen. Alles war gut, sogar besser seit dieser Sache. Aber das Selbstmitleid hatte ihm diese Erkenntnis verwehrt. Er war ein Monster. Daran konnte er nichts ändern. Warum sich also dagegen wehren? Warum es nicht einfach genießen? Al stand auf. Wie ein Adler, der sich in die Lüfte erhob, stand er auf. „Komm. Lass uns gemeinsam durch die Nacht wandern. Lass uns Tod und Chaos bringen.“ „Was immer ihr wollt, Meister.“ Al hatte seine Vergangenheit hinter sich gelassen. Er war nun ein neuer, unbesiegbarer Al. Nichts würde ihn aufhalten. Auf dem Parkplatz wartete der Van der Frau. „Was ist aus deinen Freundinnen geworden?“, fragte Al. „Ach die. Die habe ich ausgesaugt. Gleich nachdem du mich zerstört und neu geschaffen hattest, habe ich von ihnen getrunken. Aber ich spürte, dass Ihr hungrig seid und deshalb“, sie öffnete den Kofferraum. „habe ich diese hier am Leben gelassen.“ Eine der jungen Frauen lag gefesselt und geknebelt im Kofferraum. Al fragte sich nicht, wer sie war. Es war ihm egal. Wie ein Raubtier stürzte er sich auf die arme Frau. Sie schrie auf, aber durch den Knebel kam es nur gedämpft heraus. Das Schreien ging über in ein Stöhnen. Sie genoss es ausgesaugt zu werden. Genau wie er es genoss, von ihr zu kosten. Aber er würde sie bis auf den letzten Tropfen aussaugen. Der neue Al kannte weder Mitgefühl, noch Mitleid.

Die beiden fuhren mit dem Van in die nächste Stadt. Alles Weitere würde sich noch ergeben. „Wo willst du hin?“, fragte Al seine neue Freundin Chesty. „Irgendwo, wo es viel Blut gibt und dunkel ist.“ Die beiden fuhren gerade an einer Disco vorbei. „Treffer.“, sagte Al. Die beiden gingen rein. Nichts würde sie aufhalten. Die beiden mischten sich unters Vieh. Sie waren die Jäger, die das ahnungslose Beutetier belauerten. „Wir sollten uns trennen. Einzeln fallen wir weniger auf.“, meinte Al. Chesty tat es. Sie gehorchte Al bedingungslos. Er war ihr Schöpfer. Ihr Meister. Sein Wort war Gesetz. Die beiden stellten sich in zwei verschiedenen Ecken des Raumes auf. Al ließ seinen Blick über die Auswahl schweifen. Was wollte er? Etwas Wildes? Etwas Zurückhaltendes? Oder doch etwas Verrücktes? Schließlich fand sein Blick die perfekte Beute. Ein Mädchen umringt von jungen Männern. Dieses Mädchen wollte Al haben. Dieses und kein anderes- zumindest vorerst. Seine Blicke durchbohrten sie. Das Mädchen spürte seine Blicke und schaute in seine Richtung. In ihren Zügen las Al eine eigenartige Faszination für ihn. Sie schien sich in seinen schwarzen Augen zu verlieren. Alle anderen Männer waren vergessen und existierten nicht mehr. Er stand über ihnen. Das Mädchen trat näher. Die anderen Jungs versuchten sie vom Kurs ins unvermeidliche abzubringen. Ihre Bemühungen aber schlugen kläglich fehl. Sie begab sich in die Arme des Todes und der Tod umarmte sie mit seinem blutigen Kuss. Der brennende Hunger wurde erträglicher, als Al ihr Blut schmeckte. Jeder Schluck zähmte das wilde Tier in ihm. Auf der anderen Seite sah er Chesty. Sie hatte sich für etwas Muskulöseres entschieden. Ihr schien es genauso zu ergehen wie ihm. Die Beute und der Jäger genossen ihre Ektase. Schließlich hörte das Herz des Mädchens auf zu schlagen. Al ließ sie achtlos zu Boden sinken. Es war Zeit für ein weiteres Opfer. Sein Hunger war noch nicht erloschen. Es würde noch viele weitere Beutetiere brauchen, um ihn zu stillen. Al und Chesty machten immer weiter. Die Zahl der Tänzer nahm ab. Die Beutetiere merkten erst die Gefahr, als es zu spät war. Die letzten Verbliebenen versuchten zu türmen, aber die beiden Vampire schlachteten sie achtlos und blutig ab. Als niemand in der Disco mehr am Leben war, sahen sich die beiden an. Sie waren über und über mit Blut beschmiert. Ihre gierigen Blicken zogen den jeweils anderen aus. Sie fielen sich in die Arme. Leckten sich gegenseitig das Blut von der Kleidung. Liebten sich auf den Boden. Es war genauso überirdisch wie sie selbst. Beide spürten das Leben und den Tod, der in beiden steckte. Nachdem sie wieder Herr über ihre Sinne waren, gingen sie zum Van. Die Tür zum Kofferraum stand weit offen. Von der Leiche fehlte jede Spur. „Da scheint wohl jemand wieder aufgestanden zu sein.“, bemerkte Al. „Ich hasse sie!“, fauchte Chesty. „Ich sollte die einzige Schöpfung von dir sein. Liebst du mich etwa nicht mehr?“, fragte sie mit einer dicken Schmolllippe. „Natürlich. Du bist meine erste und einzige. Eine andere will ich nicht. Aber ich habe nun mal den Fluch auf andere übertragen. Ich hatte Hunger. Das darfst du nicht persönlich nehmen. Du hattest schließlich auch andere.“ „Ja, aber das ist nicht dasselbe.“, schmollte sie weiter. „Hey, komm. Wenn du sie wiedertriffst, kannst du sie töten. Wie wär´s?“ Chesty klatschte freudig in die Hände. „Ja. Ja. Darf ich sie vielleicht als Schoßtierchen behalten?“ „Mal sehen.“, sagte Al. Ihm gefiel diese neue Art zu leben immer mehr. Er begann sogar damit, Lilith im Geiste dafür zu danken, dass sie ihm dieses Geschenk gemacht hatte. Al blickte zum Himmel und schätzte den Stand der Zeit. Die Sonne würde bald wieder auf diese Welt scheinen. Die beiden mussten sich verstecken. Al kam auch schon eine Idee. Er sah weit entfernt einen kleinen LKW, ohne Fahrer. Die Tür zum Laderaum stand weit offen und er schien auch leer zu sein. „Lass uns im Laderaum den Tag verbringen.“ Chesty begann mit einer Haarsträhne zu spielen. „Werden wir darin auch schmutzige Dinge tun?“ „Kommt ganz drauf an, wie artig du warst.“, sagte Al grinsend. Schnell huschte Chesty in den Laderaum. Al hinterher. Er schaute sich verschwörerisch um. Niemand durfte wissen, dass sie hier drin waren. Die Türen schlossen sich und schlossen auch gleichzeitig den Tag aus. Im inneren ging es dann erst so wirklich zur Sache.

Mitten in ihrem Spielchen, ging ein heftiger Ruck durch den LKW. „Oh, nein. Werden wir jetzt abgeschleppt?“, fragte Al. „Warum nicht? Vielleicht wird es ja noch ganz lustig. Und jetzt komm rüber, damit ich dich abschleppen kann.“ Als es Nacht wurde, schielte Al durch den Spalt in der Tür. Es war niemand zu sehen. Vorsichtig öffnete der Vampir die Tür. „Warum so zimperlich?“, fragte Chesty. „Denk doch mal nach. Wenn die Beute weiß, dass sie gejagt wird, wird es schwierig werden, an Blut ranzukommen. Du könntest natürlich auf das Blut verzichten, wenn du willst.“ Chesty artikulierte wild mit den Armen. „Nein, nein. Nicht nötig.“ „Na, siehst ´e.“, meinte Al. Auf dem Parkplatz standen dutzende LKW ´s. Zwischen den Reihen gingen Wachleute mit ihren Hunden. „Wie wär´s mit einem Appetithäppchen?“, fragte Al. Die beiden schlichen geduckt zwischen den LKW ´s umher. Stets im Schatten. Die Wachleute merkten nicht einmal, wie sie dezimiert wurden. Selbst der letzte von ihnen starb, ohne sich der Gefahr bewusst zu sein. Blutverschmiert schlichen die beiden Vampire zum Tor. Ihre Krallen machten kurzen Prozess mit dem rostigen Stacheldrahtzaun. Die beiden gingen weiter. Sie wollten in belebtere Teile der Stadt, wo der Tisch reichlich für sie gedeckt war. Al entschied sich für eine Einkaufsmeile. Inzwischen spürte er die Gegenwart von anderen Jägern. Es waren die Menschen, die sie bereits ausgesaugt hatten. Jetzt waren sie genau wie sie. Sie versteckten sich in der Menge, doch vor ihrem Schöpfer konnten sie sich nicht verbergen. Ob sie sich seiner Gegenwart bewusst waren? Sie waren schwächere, niedere Vampire, als Chesty und Al, soviel wusste er. Sie wussten weder was sie waren, noch was sie in der Menge sollten. Wann die Niederen wohl begriffen, dass sie das Vieh erlegen und aussaugen sollten? Al ging mit Chesty an den Rand der Straße. Es konnte spannend werden, zu sehen, wie andere ihre Beute erlegten. Chesty schien seine Neugierde nicht zu teilen. Sie wurde immer unruhiger und angespannter. Al gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie sich zu gedulden hatte. Aber eine gewisse Unruhe machte sich auch in ihm breit. Wann würde endlich einer von den Niederen die Initiative ergreifen? Schließlich verdrehte Al genervt die Augen. Seine Geduld war am Ende. Er würde den Niederen zeigen was sie zu tun hatten. Inzwischen wusste er, wie er sich vor den anderen verbergen konnte. Aber das war inzwischen unnötig. Er suchte einen geeigneten Platz, an dem ihn alle sehen konnten. Hastig schnappte er sich irgendeinen Menschen und saugte ihn aus. Die anderen Jäger erkannten, dass er der Ursprung ihrer Rasse war. Die Menschen aber waren viel zu sehr mit ihren eigenen Kram beschäftigt. Sie bemerkten nicht, wie dutzende von Jäger sich zu erkennen gaben und irgendwelche Menschen vor ihren Augen aussaugen. Chesty tat es ihnen gleich. Al ´s Augen glommen freudig auf. Endlich hatten sie begriffen. Er saugte sein Opfer bis auf den letzten Tropfen aus. Hastig zog er den Leichnam in eine dunkle Gasse und entsorgte ihn in einer Mülltonne. Bis zu seinem oder ihrem Erwachen sollte die Leiche keiner sehen. Drängelnd winkte Al Chesty her, die gerade von einem Kleinkind trank. Al wollte weiter und die Niederen sich selbst überlassen. Sollten sie doch selbst herausfinden, was sie konnten und was nicht. Al war es egal. Ihm war nur noch eines wichtig. Blut. Blut war sein Leben. Seine Leidenschaft. Sein Antrieb. Ohne Blut wäre sein Leben sinnlos. Er würde alles für den nächsten Schluck tun. Wenn er über Leichen gehen musste, um einen Tropfen Blut zu erlangen, würde er es ohne Bedingung tun.

Drei Wochen später. Al ging es gut. Inzwischen hatten die Menschen von ihren nächtlichen Jägern erfahren, aber das machte nichts. Keiner war vor den Kindern der Nacht, wie sich inzwischen selbst nannten, sicher. Die Vampire hatten einen Nachtclub erwählt, der sowohl Treffpunkt, als auch Schutz vor der Sonne war. Das Beste aber war, dass Al ihr Anführer war. Er wusste am besten mit seinen Fähigkeiten umzugehen. Einige waren so dumm gewesen, ihn herauszufordern. Jetzt lagen sie in Käfigen und wurden ab und an gequält. Al saß auf einem bequemen Sessel, der sein Thron war und sah von einer erhöhten Position aus, wie seine Kinder sich bekämpften, betranken und zankten. Er stand über allem. Wenn ihm etwas missfiel, wurde es sofort beseitigt. Mit jedem Tag kamen mehr Kinder zur Welt. Bald würde die Stadt komplett ausgesaugt sein, dann würden sie wie ein Heuschreckenschwarm weiterziehen und alles aussaugen, was ihnen in die Quere kam. Al würde den Weg des Trampers nehmen und sich von seinen Kindern abkapseln. Aber trotzdem beanspruchte er die größten und besten Stücke. Eine Vampirin betrat den Club. Obwohl sie hier zum ersten Mal war, kam sie Al bekannt vor. Er bemerkte, wie Chesty, die auf seinen Schoß saß, die Hände in der Lehne verkrallte. „Ach, du bist das.“ Jetzt fiel ihm wieder ein, wer sie war. Es war die Frau gewesen, die ihm Chesty zum Geschenk gemacht hatte und die aus dem Van geflohen war. Jetzt war sie zurück. Was sie wohl wollte? „Erinnerst du dich noch an mich?“ Al nickte erhaben. Er wollte sich selbst etwas Mystisches verleihen. „Dann weißt du auch warum ich hier bin. Schließlich verehren dich manche von uns als Gott.“ Al schwieg. So sehr es ihm auch schwerfiel, er musste das Mystische aufrecht erhalten. „Ich will an deine Seite. Du hast mich erschaffen. Deshalb gebührt mir das Recht, deine Mätresse zu sein. Und ich will dieses Miststück, das mich wie ein Tier in den Kofferraum eingesperrt hat in der Luft zerreißen.“ Jetzt fiel Al doch die Kinnlade herunter. Er hatte mit einem Zweikampf gerechnet, aber nicht mit sowas. Chesty war fuchsteufelswild. Sie sprang von seinem Schoß und stieg zu der Herausforderin runter. Inzwischen war es ruhig im Club geworden. Jeder wollte wissen, wie ihr Anführer darauf reagierte und wer von den beiden dann frei wurde. Al musste zugeben, dass die beiden Vampirinnen nicht von schlechten Eltern waren. „Du?! Warum sollte er dich nehmen? Er hat mich zuerst erschaffen.“, fauchte Chesty. „Er hat dich vor mir geschaffen, dass stimmt, aber er muss deiner schnell überdrüssig geworden sein, sonst wäre ich nicht von ihm erwählt worden.“ „Ein Kampf wird entscheiden, wer von euch beiden an meine Seite gehört.“, mischte sich Al ein. Die beiden nickten ihm einverstanden zu. Die anderen Vampire bildeten einen Kreis. Die beiden Frauen erhoben kampfbereit die Fäuste. Al lehnte sich zurück und genoss die Show. Die Hände faltete er zusammen. Er schaute sich die beiden genau an und suchte ihre Vorzüge. Die neue war dunkelhäutig, weshalb sie nicht so blass wie andere Vampire war und hatte einen größeren Vorbau. Aber Chesty war seine erste und ihr Hintern war auch nicht schlecht. Die beiden kämpften. Al achtete nicht weiter auf sie. Der Kampf war ihm, im Gegensatz zur johlenden Menge, egal. Ihn interessierte mehr die Siegerin. Während sein Blick durch den Saal schweifte, mit seinen Käfigen, in denen sowohl Vampire, als auch Menschen waren, und den ausgesaugten Leichen, fiel sein Augenmerk auf ein weiteres neues Gesicht, das ihm seltsam erschien. Es war ein Mann, mit einer Skimaske. Al konnte es sich nicht erklären, aber etwas stimmte mit dem Kerl nicht. Er war weder Vampir, noch Mensch. Er war etwas vollkommen anderes. Inzwischen hatte der Krach seinen Höhepunkt erreicht. Eine von beiden hob siegreich die Arme in die Luft, während die andere mit dem Gesicht auf den blutbesudelten Boden lag. Al stand auf und stieg zu dem gewöhnlichen Volk hinunter. Er packte die Verliererin am Kinn, zog sie hoch und entriss ihr das tote Herz, nur um es dann vor seinen entsetzten Kindern zu fressen. Obwohl Al ein abgebrühtes Monster war, wollte er einen Teil von Chesty doch immer bei sich wissen. „Schade um deinen hübschen Arsch.“, murmelte er zu sich selbst. Lächelnd ging er zur Siegerin. „Herzlichen Glückwunsch, Chesty.“ Die andere wollte Einwände erheben. „Aber ich heiße gar nicht …“ Al hielt ihr den Zeigefinger an die Lippen. „Ah-Ah. Du willst mir doch nicht wiedersprechen?“, obwohl die Worte freundlich klangen, lag in ihnen eine nicht misszuverstehende Drohung. Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu seinem Thron. Mit einer Handgeste bat er sie auf der Lehne Platz zu nehmen. Sie tat wie geheißen. Inzwischen hatte sich die Situation wieder normalisiert. Menschen, wie Vampire schrieen zu dem Beat der Lautsprecher. Menschen stöhnten ekstatisch. Durch die Menge bewegte sich unauffällig der Mann, mit der Skimaske. Er stieg auf die Erhöhung. Normalerweise war dies nur mit Al ´s Einwilligung erlaubt, aber bei diesem Kerl machte er eine Ausnahme. „Ich muss dich sprechen, Al.“, war alles was er sagte. „Gut, lass uns Backstage unter zwei Augen reden.“ Al war eingefallen, was ihm nicht gefallen hatte. Dem Kerl haftete der Geruch von Lilith an. Es war besser ihn weites gehend in Frieden zu lassen. Al hatte immer noch eine tierische Angst vor seiner Schöpferin, auch wenn er es nicht zugeben würde. Backstage unterhielten sich die beiden ungestört. „Worum geht’s?“, fragte Al. „Ich bin hier, um dich nach Hause zu bringen.“ „Nach Hause?“, fragte Al verwirrt. „Ja. Nach Hause, zu unseren Geschwistern. Du hattest nun lange genug deinen Spaß. Mutter sehnt sich nach dir.“ „Und was willst du jetzt tun? Mich verschleppen?“ „Ich habe es auf die höfliche Weise versucht, aber ich kann auch anders.“ „Verpiss dich. Ich habe genügend Diener, um dich zu erledigen.“ „Ich gehe. Aber glaub bloß nicht, dass das alles war.“, sagte der Maskentyp. „Hey warte mal, ich muss dich was fragen.“ Der Kerl hielt inne. „Als ich zum ersten Mal bei ihr war, hat irgend so ein alter Sack, an ihren Möpsen rumgenuckelt und ich frage mich, warum.“ „Das war ihr Diener. In ihren Brüsten ist ein starkes Aphrodisiakum, das süchtig macht. Es ist in etwa mit eurem Blutsaugen zu vergleichen. Es garantiert seine Treue, macht ihn unsterblich und stark.“ Damit ging der Kerl.

Wochenlang passierte nichts. Doch dann tauchten sie auf und das massenweise. Die Streitkräfte der Menschen wollten den Vampiren die Party vermiesen. Aber die gaben nicht kampflos auf. Sie verteidigten sich mit allem was sie hatten. Der Kampf tobte auf den Straßen. Helikopter durchstreiften den Nachthimmel. Menschen kämpften mit großkalibrigen Waffen gegen die Untoten. In all diesen Trubel spazierte Al mit seiner neuen Chesty umher. Leider passte sie nicht gut genug auf. Ein Schuss von der Seite zerstörte ihren Schädel und ihr ganzer Körper zerfiel zu Asche. Al machte das nichts, es würde noch andere Chestys geben. Aber dann passierte es. Plötzlich wurde es dunkel. Jemand hatte Al einen Sack aus groben Leinen übergestülpt. Er versuchte sich daraus zu befreien, konnte sich aber nicht bewegen. Jemand nahm ihn huckepack und verschleppte ihn aus der Stadt. Er wusste nicht wie lange der Fußmarsch ging. Grob wurde er auf irgendeinen harten Untergrund geworfen. „Gab es irgendwelche Probleme?“, fragte die Stimme, die dem Alten gehörte. Al ´s Augen weiteten sich vor erstaunen. Was ging hier vor? „Nein, keine. Er ging übers Schlachtfeld. Die Soldaten haben wie geplant damit begonnen, die neue Rasse auszulöschen.“ Das Knirschen von Schuhen im Sand ertönte. Fahrtüren wurden zugeschlagen und die Fahrt begann. Wieder wusste Al nicht wie lange sie fuhren, aber am Ende wurde er wieder huckepack genommen und irgendeinen Schacht hinuntergeworfen. Unten angekommen, hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Endlich ist der verschollene Sohn zurückgekehrt. Es war Lilith! Al hatte eine wage Ahnung, wo er sich befand. Endlich konnte er sich aus dem Sack befreien. Er war in einer dunklen Höhle. Zusammen mit anderen Kreaturen, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Das waren dann wohl seine Geschwister. Entschuldige, aber ich konnte dich nicht weiter ziehen lassen. Ich habe mich nach dir gesehnt. Und hätte ich dich nicht zurückgebracht, hätten dich diese bösen Menschen getötet. Ihre Stimme hallte weiter durch seinen Kopf. Al hörte nicht zu. Er starrte das Rohr hinauf. Von hier aus konnte er den Nachthimmel mit all seinen Sternen sehen. Eines Tages, dass schwor er sich, würde er von hier abhauen. Er würde sich wieder an den Fahrbahnrand stellen und den Daumen raushalten. Er war ein Tramper. Das war gleich nach Blut seine größte Sehnsucht. „Eines Tages werde ich wieder die Welt unsicher machen.“, schwor er sich selbst, während Lilith mit ihrer Predig fortfuhr.


The End


© EINsamer wANDERER


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Beschreibung des Autors zu "Trampen"

Mit vier Kapiteln umfasst Projekt Endstation nun eine Seitenanzahl von 151 A4 Seiten.

Hier nun jedenfalls das nächste Kapitel von Monster, Monster. Ich habe damals versucht den Ursprung der Vampire in einem etwas modernen Winkel aus anzupacken. Viel Spaß.




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