Episode 17: Licht und Schatten

Eine Woche hatten die 4 bereits in diesem 4 Sterne-Hotel verbracht und Ken hatte für sich eine folgenschwere Entscheidung getroffen. Genau das war es, was er machen wollte. Ein Hotel leiten. Zwar hatte er hier ebenso viel Verantwortung wie einst im Bordell Türkis, aber seine Aufgaben glichen sich dafür umso mehr. Ein Hotel war immer gut angesehen, wenn es gepflegt und ordentlich geführt wurde. Es war nicht so verwerflich wie ein Bordell. Umso mehr Zeit er hier verbrachte umso klarer wurde ihm dies. Er sprach auch mit der Leitung des Hauses und die suchte tatsächlich eine Stellvertretung. Das war der perfekte Einstieg in dieses neue Gewerbe. Alle Voraussetzungen brachte Ken ja mit. Er hatte die nötige Ausbildung, das Wissen und die Erfahrung. Denn ursprünglich hatte er ja auch Hotelfachmann (damals noch Hotelfachfrau) gelernt und danach auch studiert. Für ihn sah die Zukunft rosiger aus, als er dachte.

Gabrielle hingegen war mit Alti zu einem richtigen Arzt gegangen, der ihr bestätigte, dass sie auch wirklich schwanger war. Sie trug ein Kind in sich. Es fühlte sich an wie damals. Clementine. Wieder kamen die Erinnerungen an das kleine Kind hoch, dass nur ein so kurzes Leben vor sich hatte. Gabrielle konnte es nicht fassen, dass ihr neues Baby eventuell ohne Vater aufwachsen musste. Im Innersten freute sie sich über das Kind, aber alles war immer so schwierig. Nie konnte etwas einfach nur Freude bringen, sondern es wurde immer wieder durch eine Katastrophe überschattet. Michaela hingegen hatte ebenso Glück wie Ken. Sie hatte eine Stelle als Krankenschwester ergattern, nachdem sie vorgestern ein Vorstellungsgespräch hatte. Jetzt musste nur noch eine Wohnung her, die sich in der Nähe dieses Hotels befand und alles war gut. Alti hatte nicht mehr viel gesprochen in dieser Woche, denn sie sah noch immer zwei große Katastrophen auf sie zukommen. Der Tod von Felix und Kai schien nicht vom Schicksal eingeplant gewesen zu sein. Das war reiner Zufall. Wie sich das anhörte. Man spielte mit den Menschen wie mit Marionetten. Ein unwohles Gefühl hatten zu Teilen sicherlich alle, aber Alti ging es am schlechtesten. Sie ahnte bereits voraus, dass noch etwas Schlimmes geschehen würde. Sie sah es vor ihrem inneren Auge. Eine Katastrophe hatte scheinbar doch mit ihr zutun....

Am kommenden Abend ging ein sehr ruhiger Tag vorüber und Gabrielle lag auf ihrem Hotelbett und schaute fern. Aufgeschreckt wurde sie nur durch etwas Krach von der Straße. Als sie zum Fenster ging, um hinaus zu schauen, blieb ihr Herz stehen. Natürlich klopfte es noch weiter, aber so schnell hatte man wohl noch niemanden ein Hotelzimmer verlassen gesehen. Sie klopfte nebenan bei Ken und bei Michaela an. Auch zu Altis Tür rannte sie hin und schlug fest dagegen. Überrascht kam zuerst Ken aus seiner Tür und fragte, was denn los sei. Gabrielle hatte sich sicherlich nicht versehen. Unten am Parkplatz stand Zips Auto. Er war hier. Sofort gingen sie alle gemeinsam in Gabrielles Zimmer und sperrten die Tür hinter sich ab. An der Rezeption würde man mithilfe der Namen sicherlich schnell die passenden Zimmernummern herausgeben. Gabrielle dachte nach. Was jetzt? Sie konnte Zip nicht vertrauen, dass er auch wirklich nichts plante und musste Alti irgendwie schnell genug in Sicherheit bringen. Vom Balkon aus gab es keinen Fluchtweg. Der einzige Weg wäre der nach unten über das Treppenhaus oder den Aufzug. Doch wer wusste schon, welchen Weg Zip nehmen würde? Und er war sicherlich nicht alleine. Die anderen 3 Männer waren ganz sicher dabei. Gabrielle hatte Angst um ihr Kind. Und als niemand eine bessere Lösung wusste, als im Zimmer zu warten, klopfte es plötzlich an der Tür. Es konnte kein Zimmerservice sein, denn den hatten sie nicht bestellt. Keiner gab einen Mucks von sich. Es klopfte nochmal und diesmal etwas energischer. "Geh ins Bad Alti!", flüsterte Gabrielle und brachte sie selbst dorthin. "Wer ist denn da?", sagte Gabrielle mit fester Stimme und wartete ab, wer sich hinter der Tür melden würde.

"Hier ist Zip!". Allen fiel das Herz in die Hose. "Was willst du?". Jede Sekunde schien eine Ewigkeit zu dauern. "Ich will mit euch reden! Der Drohbrief tut mir leid! Ich hätte ihn niemals schreiben sollen! Ich will Alti nichts tun!". Keiner glaubte ihm das so wirklich. "Warum verfolgst du uns dann? Und warum hast du dich mit diesen Utopia-Leuten zusammen getan? Hast du nicht schon genug Leute auf dem Gewissen? Deine besten Freunde Kai und Felix hast du auch um die Ecke gebracht!". Es trat ewiges Schweigen ein. "Was?", sagte Zip von draußen und schien keinen blassen Schimmer davon zu haben, was mit Kai und Felix geschehen war. "Ach tu doch nicht so! Du weißt ganz genau, was du mit ihnen gemacht hast! Sie wollten uns besuchen und wurden von dir und deinen Leuten vor dem Eingang erschossen! Mach nicht so, als wärst du nicht dabei gewesen!". Wieder sagte Zip kein Wort. "Aber Gabrielle ich.....ich weiß davon überhaupt nichts. Was ist mit ihnen passiert? Wer hat auf sie geschossen? Welche Leute von Utopia? Die sind doch alle Geschichte!". Und Gabrielle begann zu zweifeln. Sagte er die Wahrheit? Oder log er sie an, um an Alti ranzukommen. "Du wolltest Alti umbringen! Ich habe dich nicht wiedererkannt! Warum solltest du deine Meinung geändert haben nach deinem Drohbrief?". Zip brauchte ein wenig, um den ersten Satz zu formulieren. "Es tut mir leid! Diese Situation mit Penny war einfach zuviel für mich! Ich hätte ihr helfen müssen und brachte es einfach nicht fertig! Es hatte weniger mit der Lehre von Alti zutun als mit der großen Angst, die ich in mir sitzen hatte! Ich weiß noch immer nicht wie ich mit dieser ganzen Schuld leben soll, aber ich möchte nicht alleine sein dabei! Ich brauche dich und meine Freunde um mich herum, bitte lasst mich doch rein! Manchmal kommt man in eine Situation, in der man sich nicht zu helfen weiß oder einfach nicht weiß, wie man sich verhalten soll und etwas Falsches tut!". Gabrielle kamen die Tränen.

Das war der alte Zip. Doch ihr Misstrauen war so groß wie ein Berg. "Zip ich kann dich nicht reinlassen! Du arbeitest mit diesen Utopia-Leuten zusammen! Ich kann dir nicht vertrauen, dass du alleine bist geschweige denn Alti nichts antust! Wo warst du denn letzte Woche bei dem Einbruch ins Bordell? Hat es dir Spaß gemacht, alles zu beschädigen und deine Freunde umzuschießen?". Doch man hörte nur noch Zips Weinen. Er weinte draußen vor der Tür. Erst jetzt wurde ihm wohl bewusst, dass Felix und Kai tot waren. Und erst jetzt glaubte Gabrielle, dass sie den alten Zip vor sich hatte. Ohne groß zu überlegen, öffnete sie die Tür und ging zu ihm nach draußen. Beide nahmen sich in den Arm. Er weinte tatsächlich und erkundigte sich nach Felix und Kai. Als Gabrielle ihm von dem Einbruch erzählte, hatte er keinen Schimmer davon. Und tatsächlich dachte Gabrielle darüber nach, dass sie ihn weder wirklich gesehen noch gehört haben in dieser Nacht. Vielleicht sagte er ja wirklich die Wahrheit?

"Ich will euch nichts tun! Ich bin zum Bordell gefahren und habe gesehen, dass ihr nicht mehr dort seid! Gefunden habe ich dich durch dein Handy! Du weißt doch, dass wir diese App auf dem Handy haben, wo wir immer gegenseitig sehen, wer wo gerade ist. Da hab ich gesehen, dass ihr 3 Stunden entfernt in einem Hotel sitzt!". Erst jetzt wurde Gabrielle bewusst wie leichtsinnig sie gewesen ist. Diese App hätte sie überall verraten. Das hätte ihr niemals passieren dürfen. Zum Glück war Zip auf ihrer Seite. Er hatte auch keine Waffe dabei. Das hatte Gabrielle bereits gecheckt. Die Nächste, die nach draußen kam, war Alti. Sie schaute Zip in die Augen und spürte sofort, dass er wieder der Alte war. Unter Tränen nahmen sich beide zwischen Zimmertür und Flur in den Arm. Für Gabrielle ein Grund leicht aufzuatmen. Und dann war es soweit. Sie wollte ihm sagen, welche anderen Neuigkeiten es noch gab. "Zip bevor wir jetzt weiter über andere Dinge reden, muss ich dir noch etwas sagen! Es ist mir sehr wichtig, dass du es jetzt erfährst, falls du dich doch wieder entscheiden solltest, uns den Rücken zu kehren! Wie ich dir so oft gesagt habe, kann nichts und niemand Clementine zurück bringen oder ersetzen! Doch trotzdem haben wir die Hoffnung nie aufgegeben, vielleicht doch noch einmal dieses pure Glück zu erleben, wieder Eltern zu werden!". Zip wusste gar nicht, was er sagen sollte. "Ich bin schwanger!". Zip hielt sich zuerst die Hand vor den Mund, weil er nicht glauben konnte, was er da gerade gehört hatte. Er wurde Vater. ER WURDE VATER!!!

Im gleichen Moment ging die Fahrstuhltür auf und dann ging alles ganz schnell. Die 3 Männer von Utopia kamen heraus, hielten allesamt eine Waffe in der Hand und schossen noch bevor überhaupt irgendjemand einen Schritt tun konnte. Zip traf eine Kugel durch die Stirn und auch Alti wurde von einer anderen Kugel am Bauch gestreift. Zip fiel ohne ein weiteres Wort in den verbluteten Hotelflur. Auch die Wände und die Zimmertür waren mit Blut verspritzt. Gabrielles weiße Bluse war von oben bis unten voll. Ohne selbst Herr über sich zu sein, sprang sie nach hinten in das Zimmer und zog Alti dabei mit. Michaela und Ken waren noch unversehrt. Die Tür trat Gabrielle mit einem Fußtritt zu und hielt die schwer verletzte Alti am Boden liegend in ihren Armen. "Alti du schaffst das! Nein mach die Augen auf! Du schaffst das! Nein bitte!". In ihr brach eine Welt zusammen. Zip. ZIP! NEIN! NEIN! NEIN! NEIN! NEIN! NEIN! NEIN! Man hörte sie noch meilenweit auf dem Balkon eines anderen Hotels schreien. Die Männer von Utopia zogen ab, aber Zip hatte es nicht geschafft und auch Alti musste ins Krankenhaus, nachdem sie in Ohnmacht gefallen war. Und erst wenige Minuten später wurde es jedem klar. Zip hatte die Wahrheit gesagt. Er hatte nie etwas mit diesen Männern zutun gehabt. Doch diese hatten jetzt sowohl ihn als auch Penny und ihr Baby sowie Felix und Kai auf dem Gewissen. Das konnte so nicht weiter gehen. Sie konnte es alle spüren, dass sie einem Ende entgegen gingen. Doch es lag in ihrer Hand, wie sie den Ausgang ihrer Geschichte gestalten wollten. Wenn sie mit allem abschließen wollten, um endgültig Frieden zu finden, mussten sie noch einmal zurück zum Anfang. An den Beginn, quasi die Wurzel allen Übels. Zurück in ihr altes Dorf nahe Köln. An den Ort, wo früher ein gut gehendes Restaurant mit dem Namen "Zum Rehwinkel" stand. Dort würde alles enden....

Fortsetzung Folgt!!!

Seralgo Refenoir


© Seralgo Refenoir


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