Episode 15: Das Grauen einer Nacht

Ken konnte es einfach nicht fassen. Schon wieder wurde Inventar im Bordell Türkis beschädigt. Wie oft hatte er das schon erlebt. Unten hörte man Krachen und Klirren. Zip und seine Leute ließen nichts unbeschädigt. Er hatte es satt immer wieder von vorne zu beginnen. Und im gleichen Moment riss ihn Michaela aus den Gedanken und bat ihn die Polizei anzurufen. "Wir kommen hier nicht raus! Ruf sie an! Zip und seine Leute werden Alti abknallen! Wir können sie nicht wirklich beschützen, wenn es so weit ist!", flüsterte Michaela. Auch Gabrielle nickte, als sie das hörte. "Wir können uns für eine Weile verstecken, aber ich weiß nicht, ob wir ihnen glaubhaft machen können, dass hier niemand ist! Sie werden uns schon finden!". Ken hielt nicht viel von der Idee mit den Bullen. Ein Bordell konnte sich sowas nicht leisten. Wenn das in die Zeitung kam, war Schicht im Schacht. Dann kamen nie mehr soviel Leute ins Bordell wie zuvor. Doch er sah auch ein, dass sie in einer aussichtslosen Lage waren. "Was wollen nur diese Typen mit den Tüchern von uns? Sie wollten schon unbedingt Pennys Baby haben! Warum sollten sie Interesse an einem Baby haben?", flüsterte Gabrielle. Immer wieder lauschten sie, doch die Geräusche kamen immer noch vom 1.Stock. In der Eingangshalle musste es schlimm aussehen und Ken war bereits klar, dass dies wieder eine tagelange Schließung zur Folge hatte. Inklusive vieler finanzieller Einbußen. Doch eigentlich waren sie gut versichert und Ken hatte mehr Geld verdient, als er sich hätte jemals erträumen können. Er hatte für seinen Lebensabend ausgesorgt. Auch ihm kam die Idee in den Sinn, das Bordell endgültig aufzugeben und etwas anderes zu machen. Vielleicht ein kleinerer Job mit weniger Verantwortung. Doch wieder riss ihn die Realität aus seinen Gedanken, denn die Geräusche kamen immer näher. Anscheinend waren die Männer nun auf dem Weg in den 2.Stock. Zu ihnen.....

"Alle in die Kleiderschränke! Los! Geht rein!". Alti verschwand zuerst darin. Da kein Licht mehr funktionierte, würden sie hoffentlich nur kurz hier hinein schauen und dann wieder abhauen. Ob sie wirklich unentdeckt blieben, war natürlich fraglich. Gabrielle machte sich keine Sorgen um sich selbst oder um Ken und Michaela. Ihr ging es nur um Alti und sie hatte Angst um sie. "Wenn wir alle im Schrank sind, macht keiner mehr ein Geräusch! Verstanden?", flüsterte Gabrielle und verschwand selbst in einem. Die Sekunden gingen vorüber und alle waren angespannt. Man hörte Männerstimmen. Es waren aber höchstens zwei und keine davon war von Zip. Er war nicht dabei. Vielleicht hatte dieser Einbruch ja auch gar nichts mit Zip zutun? Niemand hatte ihn bisher um das Bordell herum gesehen geschweige denn gehört. Im Bordell selbst waren nur diese Männer mit den Seidenschals. Vielleicht stand er draußen und sie agierten nach seinem Befehl? Vielleicht saß er aber auch irgendwo rum und bedauerte sich selbst und was er mit Penny getan hatte. Vielleicht hatte dies alles gar nichts mit ihm zutun?

Bange Sekunden gingen vorüber, aber niemand kam in den Raum. Ob sie zurück geordert wurden oder ob sie zu nachlässig beim Durchsuchen der Räume waren, blieb unbeantwortet. Man hörte sie die Treppen nach unten gehen und verschwinden. Nur einige Minuten später waren alle 4 wieder aus ihrem Schrank geklettert und horchten an der Tür. Es war nichts mehr zu hören. Doch dann hörte man plötzlich etwas von draußen. Ein Auto fuhr vor. Na nu? Wer sollte das denn sein? War es vielleicht Zip? Es war niemand der davon fuhr, sondern jemand, der gerade am Bordell ankam. Leute stiegen aus. Vom Fenster aus konnten sie alles sehen. Zip hörte man nicht. Leider konnte auch niemand von den 4 erkennen, wer dort aus dem Wagen stieg. Es waren jedenfalls nur zwei Personen. Gabrielle hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Ken hingegen wollte nachsehen, ob noch jemand im Bordell war und öffnete die Tür. Durch den Flur konnte er sich blind bewegen und zur Treppe schleichen. Im Eingangsbereich konnte man weder etwas sehen noch hören. Ken wartete kurz ab, ob sich etwas bewegen würde oder vielleicht von draußen noch jemand hinein kam, aber das passierte nicht. Und dann hörte man einen Schuss. Und einen Zweiten. Dann war alles wieder ruhig...

Ken erschrak fast zu Tode. Die Schüsse waren von draußen gekommen und sofort dachte er an die anderen 3. Hatte sie jemand am Fenster gesehen und vom Auto aus abgeschossen? Doch oben angekommen, nahm sie alle 3 glücklich entgegen. Ihnen war nichts geschehen, doch draußen waren Schüsse gefallen. Direkt in der Nähe des Autos. Viel gesehen hatte allerdings niemand. Von Zip oder den 3 Männern war zurzeit auch keine Spur mehr. Ken hielt es nicht mehr aus. Er wollte sofort wissen, was da draußen geschehen war. Wenn Schüsse gefallen sind, ist sicherlich jemand getroffen worden. Also machte er sich leise auf den Weg nach unten und begab sich auf leisen Sohlen in den Eingangsbereich. Er erkannte durch den Mondenschein, dass einiges auf dem Boden lag und zerstört wurde. Er kroch zum zerschlagenen Fenster und schaute hinaus. Niemand war zu sehen. Das Auto, das vor der Tür gehalten hatte, stand noch immer dort. Das Auto selbst war nicht mehr an, aber die Scheinwerfer noch. In dem Auto saß ebenfalls niemand mehr. Soviel konnte Ken erkennen. Auch die anderen 3 trauten sich nun wieder in den Eingangsbereich und stießen zu Ken. Es war einfach nichts zu erkennen. Doch Gabrielle behauptete, dass sie jemanden neben dem Auto liegen sah. Es mussten die zwei Menschen sein, die sie vom Fenster aus aussteigen gesehen hatten. Es vergingen viele Minuten, bis sich Ken zur Eingangstür traute und sie öffnete. Geduckt schlich er sich zum Wagen und schaute sich um. Zip und seine Männer schienen weg zu sein. Vermutlich dachten sie, dass wir getürmt waren. Als Ken die Gesichter der beiden Leichen neben dem Auto im Mondenschein entdeckte, blieb ihm der Atem weg. Damit hatte er nicht gerechnet. Und als er erkannte, um wen es sich handelte, noch weniger. Was hatten die denn hier zu suchen? Das konnte doch gar nicht sein. Die beiden Leichen, die vor ihm auf dem Boden lagen, waren Felix und Kai. Es war auch ihr Auto, was Ken in diesem Moment auffiel.

Sie wollten uns vermutlich nach den Flitterwochen besuchen und wunderten sich wohl, warum geschlossen war. Sie hatten ja von nichts gewusst. Das durfte nicht passiert sein. Ken überprüfte sofort den Puls und versuchte sie wieder zu beleben, aber alle Hilfe kam viel zu spät. Sie hatten doch bei ihm die Hochzeit gefeiert! Wie konnte das denn jetzt passiert sein? Was hatten diese verdammten Idioten denn hier zu suchen? Es war doch viel zu gefährlich, um sich hier nachts aufzuhalten. Das wussten sie doch ganz genau!!! Ken liefen die Tränen an den Backen herunter und er konnte es einfach nicht begreifen. Er nahm jeweils eine Hand von Felix und von Kai in seine und drückte sie fest. Sie waren noch immer warm. Er konnte einfach nicht mehr aufhören zu weinen. Die anderen 3 wunderten sich, was da draußen passiert sein mochte. Felix war von der 1.Stunde an im Bordell dabei gewesen. Jetzt hatte er endlich seine große Liebe gefunden und geheiratet. Welche Macht konnte sowas zulassen? Man hatte sie einfach niedergeschossen. Wie konnte Zip nur sowas zulassen? Wie konnte er einen seiner ehemals besten Freunde einfach erschießen? Dieser verdammte Wichser würde dafür bezahlen, dass er Felix und Kai dies angetan hatte. Sie hatte den Tod auf diese Weise nicht verdient. Und Ken weinte auch, weil der Kreis immer enger wurde. Das Böse zog sich wie eine Schlinge um sie herum und würgte sie bereits.

Niemand der 4 sah wirklich mehr einen Ausweg aus dieser Misere. Wenn sie Unschuldige wie Felix und Kai umbrachten, dann würden sie auch vor den anderen nicht halt machen. Ken wollte alles hinwerfen. Das hatte alles keinen Sinn mehr. Wenn das so weiter ging, war am Ende niemand mehr übrig. Als Ken den anderen erzählte, wer draußen ums Leben gekommen war, brachen Gabrielle und Michaela in Tränen aus. Sie konnten es nicht glauben. Wer auch immer diesen Mord begangen hatte, würde dafür bezahlen. Gabrielle glaubte ebenfalls nicht mehr an die Unschuld ihres Mannes. Sie fühlte sich innerlich zerrissen, weil sie sein Baby in sich trug. Doch seine Wandlung in den alten Kerl, der er einmal war, konnte sie nicht weiter dulden.

Und da saßen die 4 im Mondenschein und nur unweit von ihnen entfernt lagen Felix und Kai neben ihrem Wagen am Boden. Sie hätten wohl niemals damit gerechnet, dass sie heute Nacht an diesem Ort ihr Leben verlieren würden. Sie hatten gerade erst hier geheiratet, eine wunderbare Woche in den Flitterwochen verbracht und wollten ihre Freunde einfach mal besuchen kommen. Wo hinein sie geraten würden, war ihnen zu keinem Zeitpunkt klar. Und wer hätte es verhindern können? Niemand hatte gewusst, dass sie vorbei kommen wollten. Hätten sie sich angemeldet, hätte Ken ihnen davon abgeraten. Doch das war nicht passiert. So langsam wurde ihm klar, dass dieses Bordell ein Fluch für ihn und seine Freunde war. Wo auch immer sie dieses Bordell errichten würden, das Böse würde sie jederzeit dort finden und verfolgen. Es war an der Zeit, etwas anderes zu machen. Sobald alles gut überstanden war, würde Ken das Bordell verkaufen. Es war an der Zeit sich zu verändern. Auch den anderen 3 erzählte er in dieser Nacht von seinen Plänen für die Zukunft. Bis zum Morgengrauen blieb es ruhig. Weder Zip noch einer dieser 3 Männer tauchten wieder auf. Mit dem Mord an Felix und Kai hatten sie ein ganz deutliches Zeichen gesetzt, wozu sie fähig waren. Und über kurz oder lang mussten sie Alti ausliefern oder immer mehr Menschen waren in Gefahr. Als die Sonne aufging, wurde Ken als Erster wach. Und er hatte keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Hier konnten sie nicht mehr bleiben und sich ewig verstecken. Sie mussten weg von hier. So schnell wie möglich. Alle Sachen packen, die wichtig waren und abhauen. Auch Gabrielle, Michaela und Alti waren dieser Meinung und machten sich daran, ihre Koffer zu suchen. Was auch immer geschehen würde, sie würden es gemeinsam zu Ende bringen.....

Fortsetzung Folgt!!

Seralgo Refenoir


© Seralgo Refenoir


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