Robert saß auf einer Bank im Park. Daneben schaukelte eine junge Mutter einen Kinderwagen. Wie jedes Wochenende kamen Bewohner des Ortes hierher. Das Gelände bot alles, von Spielgeräten über Tischtennisplatten und kleinen Oasen zum Grillen.
Der zu Ende gehende Herbst verschenkte noch ein Mal wärmende Sonnenstrahlen.
Gegenüber den Parkbänken stand ein uralter Kastanienbaum. Drei Kinder flüsterten, berieten einen Augenblick und marschierten jeder in eine andere Richtung.
»Du hast diesen verdammten Krieg gut überstanden, alter Baum«, ging es Robert durch den Kopf. „Im Gegensatz zu mir.“ Ein unhörbarer Seufzer drang aus seiner Brust. Wenige Tage noch und der Winter würde Schmerzen in seinen Glieder aufbrechen lassen.
Wie zum Beweis fegte eine kühle Windbö durch das Gelände.
„Hör auf zu jammern.“ Sofort wischt er diesen Gedanken beiseite. „Dir geht’s heute besser als in Stalingrad.“
Plötzlich stieg ein kurzes, trockenes Lachen aus seinem Mund. „Gicht aus dem Krieg, meinem Mantel vom Roten Kreuz und eine mickrige Rente vom Staat.“
Sehnsüchtig schaute er zu den Müttern. Unbeschwert spielten sie mit ihren Kindern.
Der alte Mann war müde; an Leib und Seele. Sein einziger Sohn war im Krieg verschollen; seine Frau war während des letzten Bombenangriffes auf Berlin ums Leben gekommen.
Über den Dächern heulten Sirenen. Am dem Himmel dröhnt es von hunderten Flugzeugen. Erste Bomben explodierten.
Robert schreckte auf und schaute ängstlich umher. „Ich muss einen Bunker finden“, rief er und wollte aufspringen. Sein fehlendes rechtes Bein zerstach en seine Alpträume. „Ich war eingeschlafen. “Verzweifelt schlug er seine Hände vors Gesicht. „Diese verdammten Erinnerungen. Ich wird sie nie los!“
Drei kleinen Jungen rannten an ihm vorüber. „Du bist tot“, rief der Rotschopf. Mit Pappschwertern schlugen sie aufeinander ein. „Dieb; Mörder, Verbrecher“, brüllten sie sich zu. Ein Verfolgter zurück. Seine blonde Mähne flatterte im Wind. Aus seinen stahlblauen Augen strahlte unbändige Energie. „Nein du bist tot“, schrie er mit überschlagender Stimme. Die Jungen rannten um die Bank, weiter zum Baum und zurück.
„Bitte schreit nicht so laut“, flehte der alte Mann. Unwillkürlich verspannte sich sein Körper. „Was spielt ihr denn für’n blödes Spiel.“ Ärgerlich und zugleich verängstig über sein Verhalten hob er drohend die Faust.
Die Jungs blieben verdutzt stehen. Der Rotschopf stemmte beide Fäuste an seine Hüften. „Wir spielen Krieg alter Mann. Ich bin heute ein Guter und die beiden sind Böse.“ Sein Gesicht strahlte wie ein Kind zu Weihnachten. „Fünf Mal hab ich sie schon getötet.“
„Könnt ihr nicht leiser spielen?“ Robert seufzte.
Unfähig dieser Frage einen Sinn zu geben, starrten sie ihn an. „Das geht nicht!“ Der Rothaarige grinste ungeniert. „Krieg ist immer laut.“
„Dann spielt was anderes!“ Sämtliche Trümmer Stalingrads entstanden vor seinen geistigen Augen.
„Was sollen wir sonst spielen?“, fragten alle drei verwundert.
„Na ...“ Robert schluckte sein Mund war trocken. „Spielt ihr heute Mal Frieden.“
Der Blondschopf trat einen Schritt auf den alten Mann zu. „Mensch Opa!“ Mit den Finger tippte er sich an die Stirn. „So ein Quatsch.“ Um Anerkennung heischend schaute er umher. Seine Kameraden nickten heftig.
Der Junge ging einen weitern Schritt vor. „So was spielt doch keiner.


© Roland O. Spewak


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Nach einer wahren Begebenheit

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