''Bordell Türkis'' (Staffel 4) (Episode 4/20)

"Gabrielle lebt?"

Ken hatte überhaupt nicht gut geschlafen. Als er morgens aufwachte und nach unten ins Büro des Bordells stolperte, hatte er ein ganz unwohles Gefühl im Magen. Schon wieder hatte er von Gabrielle geträumt. Die Frau von Zip. Was hatte sie alles erleiden müssen. Erst verlor sie ihr Kind durch eine Entführung, wurde von ihrem Exmann bedroht und hatte es mit Zip nie leicht gehabt. Sie war verantwortlich am Tod von James, dem blinden Mann, der jeden Abend ins Bordell Türkis kam, um sie zu sehen. Kaum hatten sie sich kennengelernt und kamen sich etwas näher, verlor er vor genau 3 Jahren bei einem Autounfall das Leben. Das war knapp ein halbes Jahr nach der Eröffnung gewesen. Erst hatte sie James gar nicht bemerkt, aber er wusste trotz seiner Blindheit wie er eine Frau beeindrucken konnte. Wieso Ken in den letzten Nächten immer wieder von ihr träumte, war ihm auch nicht klar. In dieser Nacht war es so greifbar nah gewesen. Er hatte nochmal die Szene gesehen, in der sich Gabrielle im Krankenhaus aus dem Fenster stürzte.

......

(Rückblick: Staffel 3, Episode 11 "Tod keiner Mutter")

Gabrielle hatte kein Gefühl mehr in ihren Augen, sie empfand nur noch Hass und Leid. Sie drückte ihr den Hals immer dichter zu und riss sie plötzlich wie wild aus der Decke heraus zu Boden. Als Michaela auf dem harten Boden aufkam und immer noch keine Schwester etwas bemerkt hatte, zog Gabrielle sie an den Haaren nach oben und schlug ihr immer wieder aufs Gesicht. "Wo ist meine Tochter? Wo ist meine Tochter? Wo ist meine Tochter? Wo ist meine Tochter? Wo ist meine Tochter?", schrie sie nicht gerade laut genug, um Aufmerksamkeit zu erregen. Michaela wusste es nicht und sprechen konnte sie nicht mehr. "Du hast mir meine Tochter genommen du elendes Stück Dreck! Das war sicher dein geistesgestörter Freund Uwe dem wir das zu verdanken haben und du hast ihn zu uns gebracht! ICH HASSE DICH!". Gabrielle bemerkte überhaupt nicht, dass sie Michaela fast ohnmächtig geprügelt hatte. Sie zuckte nur noch und aus beiden Augen floss Blut. Sie hatte dicke Schwellungen an den Lippen, den Augen und beiden Backen. Doch Gabrielle war noch lange nicht fertig mit ihr. Michaela war Schuld. Ihre Tochter wurde seit 1 Tag vermisst und es war ihre Schuld. Immer wieder schlug sie ihren Kopf auf den Boden auf und empfand dabei keinen Schmerz mehr. Es tat ihr gut. Wieder zog sie Michaela an den Haaren hoch, obwohl sie mittlerweile bewusstlos war. Ihr Gesicht war blau und blutete. Sie hatte Schürfwunden, Narben und üble Wunden am Körper. Gabrielle tat es nicht leid. Sie zog sie an den Haaren über den Boden und öffnete das große Fenster. "Wer meine Tochter tötet, den töte ich auch!", flüsterte sie Michaela zu und legte sie mit dem Bauch auf den Fenstersims. Ihr Kopf hing dabei bereits vorne aus dem Fenster. "Jetzt bekommst du, was du verdient hast du Mörderin! Eine Freundin wolltest du sein und eine Mörderin bist du gewesen! Du hast meine Tochter ermordet! Ermordet hast du sie! DU HAST SIE ERMORDET DU SCHLAMPE! ERMORDET!".

Gabrielle weinte fürchterlich. Doch sie musste es tun. Sie packte Michaela an den Füßen und wollte sie gerade nach vorne drücken, als Zip mit einer Schwester reinkam und erstarrte. "Gabrielle nein! Tu das nicht! Michaela kann nichts dafür, dass jemand unsere Tochter entführt hat! Lass sie los! Sofort! Gabrielle lass Michaela sofort los!". Doch Gabrielle hielt ihn zurück. Noch hing Michaela erst mit ihrem Kopf aus dem 6.Stock. Wo auch immer sie diese her hatte, aber Gabrielle zückte plötzlich eine Waffe und zielte auf Zip. "Du lässt mich das jetzt zu Ende bringen und bleibst da stehen! Sie alle bleiben da stehen! Diese Frau hat mein Kind ermordet! Ich habe es ihr anvertraut und sie hat mein Vertrauen missbraucht! Sie hat mich um das Einzige gebracht, was mir je was bedeutet hat! Ich habe soviel gelitten und soviel mitgemacht, dass ich EINMAL ein wenig Glück haben wollte und jetzt reißt man mir auch das aus den Händen! Ich kann nicht mehr! Ich bin am Ende Zip! Es tut mir wirklich so leid!".

Zip's Schrei hörte man durch das ganze Krankenhaus und darüber hinaus. Es war ein Schrei, wie man ihn von Zip noch nie gehört hatte. Unten im Erdgeschoss krachte etwas auf den Boden und Passanten waren sofort in heller Aufregung. Ein toter Körper lag in einer Lache voll Blut.....

(Rückblick Ende)

Schweiß trat aus Kens Poren, als er wieder daran dachte. Vielleicht lag es daran, dass er mit Zip vor einigen Tagen nochmal darüber gesprochen hatte. Er war immerhin vor Ort gewesen, als es geschah. Zip hatte zwar immer noch Rache im Sinn, aber er kam mit dem Tod von Gabrielle mittlerweile klar. Es war fast ein Jahr her. Und seine Ansicht, ihr bald zu folgen, hatte sich auch geändert. Er wollte jetzt leben und versuchen, ein guter Mensch zu werden. Als das Bordell vor 3 Jahren eröffnet wurde, war Zip alles andere als ein guter Mensch gewesen. Er hatte mit Drogen und Alkohol zutun und versuchte das Bordell Türkis hinter dem Rücken seiner Freunde zu verkaufen. Das lag mittlerweile alles hinter ihm. Sein Ziel war es, seiner Frau auch nach dem Tod zu beweisen, dass er ein guter Mensch werden konnte. Das hatte er immer gewollt. Als seine Scheintochter Clementine damals starb, hätte er es auch fast geschafft gehabt. Doch dann wurde sie entführt. Auch seine Aidserkrankung hatte er gut im Griff. Natürlich konnte man es nicht heilen, aber es schien auch nicht schlimmer zu werden.

Was Ken von Michaela halten sollte, wusste er noch nicht so ganz. Im letzten Jahr war viel geschehen und Michaela hatte fast an allem Schuld. Als dieser Uwe ihr den Hof machte und sie sich in den Sektenanführer verliebte, veränderte sich für ihre Freunde und das Bordell Türkis einfach alles. Sie war wie blind vor Liebe und hatte nicht gesehen, was für ein Mensch Uwe wirklich war. Er manipulierte die Menschen in ihrem Dorf mit seiner Lehre von "Utopia" - einer Welt in Harmonie und Frieden. Trat ein Problem auf, wurde es eben beseitigt. Dann wurde man als Bewohner des Dorfes eben aus dem Dorf vertrieben. Man musste seiner Lehre einfach folgen, wenn man dort leben wollte und eine freie Meinungsäußerung konnte einen womöglich das Leben kosten. Es war keine Politik, sondern eine Diktatur. Angeblich hat Michaela mittlerweile begriffen, was für ein Unmensch dieser Uwe ist. Dass sie mit Zip gerade unterwegs zurück in ihr altes Dorf waren, gefiel Ken trotzdem irgendwie nicht. Was würde sie tun, wenn sie Uwe wieder sehen würde? Vielleicht würde sie rückfällig werden? Aber dieser Mistkerl hatte sicherlich schon eine neue und würde Michaela gar nicht beachten. Sie war seine Marionette gewesen und das wusste Ken die ganze Zeit. Doch Liebe macht eben blind. Und Michaela musste ihm erst beweisen, wie ernst sie es meinte. Eine zweite Chance musste sie sich bei Ken erst verdienen.

Und dann geschah etwas, was sich Ken absolut nicht erklären konnte. Es war, als nehme etwas von ihm Besitz und zwängte sich in seinen Kopf. Er hatte so etwas wie einen Tagtraum. Eine Vision. Er sah ein Bild vor sich und konnte fast alle Details darauf erkennen. Nach nur wenigen Sekunden war alles vorbei und sofort rief er Zip mit dem Handy an. Das musste er ihm erzählen, doch Zip war wenig verwundert, denn er hatte zur genau gleichen Zeit dasselbe Bild vor Augen gesehen und wollte Ken ebenfalls anrufen. "Michaela hat es auch gesehen! Wie kann sowas sein? Hast du auch das gesehen, was wir gesehen haben?". Und Ken bestätigte Zip, dass er genau das Gleiche gesehen hatte. Wie konnte es sein, dass drei Personen, die kilometerweit voneinander getrennt sind, die gleiche Vision haben? Und dann auch noch zur gleichen Zeit? Doch eins war ganz sicher. Dies hatte was zu bedeuten. Denn sowas geschah nicht eben jeden Tag. Dies war kein Traum gewesen. Oh nein. Dies war irgendwie real. Es wirkte so, als hätte sie Kontakt mit ihnen aufgenommen. Ja sie. Alle drei hatten zur gleichen Zeit eine Vision, in der Gabrielle zu sehen war. Sie saß in einem Verlies und war mit der rechten Hand an einem Eisenpfosten angekettet. Sie hatten es alle gesehen. Doch Gabrielle war tot. Sie konnte auch nicht mehr leben, denn Zip hatte genau gesehen, dass sie aus dem Fenster im Krankenhaus gesprungen war und tot unten aufkam. Das hatte er sich doch nicht eingebildet. Er war doch zusammen mit einigen Krankenschwestern dort vor Ort gewesen. SIE WAR TOT! Und doch sagte Ken eine leise Stimme in seinem Innersten, dass Gabrielle noch lebte. Warum auch immer. Es konnte ja eigentlich nicht sein. Das ergab doch gar keinen Sinn. Wenn man tot ist, ist man tot. Da kann man auch nachträglich nichts mehr dran ändern. Doch diese Vision war real. Sie konnte vermutlich erst jetzt mit uns Kontakt aufnehmen, nachdem wir uns wieder getroffen und angenähert hatten. Das Band zwischen uns drei war wieder ein wenig enger. Nur Gabrielle fehlte noch. Als dann kurz darauf auch Kai bei Ken anrief und ihm von der Vision erzählte, die er hatte, war Ken eines klar. Gabrielle musste noch leben.

Fortsetzung Folgt in Kürze!!

Seralgo Refenoir

Link zu Episode 3:
https://www.schreiber-netzwerk.eu/de/2/Geschichten/13/Kurze/40633/Bordell-Tuerkis-Staffel-4-Episode-3-20/


© Seralgo Refenoir


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