''Bordell Türkis'' (Staffel 4) (Episode 2/20)

"Ein flotter Dreier"

Ken konnte es immer noch nicht fassen. Er stand nur wie angewurzelt da. Zip lebte noch. Aber er hatte doch selbst gesehen, wie er erschossen wurde, umfiel und in ein Auto gezerrt wurde. Als sie damals das Dorf vor 6 Monaten verlassen mussten, glaubte er nicht, dass er Zip jemals wieder sehen würde. Er konnte nicht anders, als ihn zu umarmen. Auch Zip kamen die Tränen, denn er musste Schlimmes erlebt haben. Das letzte Jahr war ein Albtraum gewesen für ihn. Er hatte seine Frau Gabrielle verloren. Und danach auch noch seine kleine Tochter Clementine. Das hatte ihm ordentlich zugesetzt und es war auch wirklich nicht verwunderlich. Es tat so gut, ihn im Arm zu halten. Zip war einer derjenigen gewesen, der das "Bordell Türkis" damals mit eröffnet hatte. Genauso wie Ken. Damals noch Kendrix. Doch mittlerweile sah man es nicht mehr, dass Ken mal eine Frau war. Die Geschlechtsumwandlung war abgeschlossen und niemand ahnte mehr, dass Ken mal eine Kendrix war. Das tat ihm und seinem Selbstbewusstsein auch gut, denn eine Frau wollte er einfach nie mehr sein.

Kurz nachdem alle Leute ins Bordell gestürmt waren und die Presse ihre Fotos hatte, gab es endlich die Möglichkeit für Ken und Zip ein paar Worte miteinander zu reden. Und was Zip alles erzählte schockte Ken gleich mehrmals. Er wusste nämlich jetzt, wer seine Tochter Clementine entführt und ermordet hatte. Es war Uwe gewesen. Und den gab es sehr wohl noch, genauso wie seine bekloppte Sekte und deren Anhänger. Sie hatten vor 6 Monaten ganz plötzlich Gehör in der Gemeinde unseres ehemaligen Dorfes bekommen und sich als neue Sekte Respekt verschafft. Ihre neue Lebensweise nach "Utopia" - einer Welt in Frieden und Harmonie - kam gut an. Ein Bordell passte da natürlich nicht hinein und schlussendlich mussten sie das Bordell schließen und gehen. Zip hatte den Schuss überlebt und danach viel in Erfahrung gebracht. Die Sekte habe sich angeblich weiter ausgebreitet. Auch die umliegenden Dörfer seien mittlerweile davon "befallen". Man sprach sogar schon von einer neuen Religion, die noch in den Kinderschuhen steckte. Dass er sogar die Leiche seiner Tochter gesehen hatte, verschwieg er Ken. Das brauchte er nicht zu erfahren, denn es war schlimm genug. Doch bis heute konnte er Uwe nie etwas nachweisen. Er war mittlerweile sowas wie ein Gott. Unantastbar. Die Behörden und Beamten vor Ort trauten sich nicht mehr, gegen ihn auszusagen. Und Uwe selbst bekam man kaum noch zu fassen oder zu sehen. Die unangenehmen Geschäfte erledigte Sven, der Exmann seiner verstorbenen Frau Gabrielle. Wenn jemand im Dorf nicht gehorchte oder andere Lehren verbreitete, musste er eben das Dorf verlassen. Alles, was irgendwie verwerflich war, wurde nicht geduldet. Und dann war da noch Michaela. Auch sie hatte das "Bordell Türkis" damals mit aufgebaut. Auch über sie gab es neues zu berichten. Denn ihre "große" Liebe zu Uwe war mittlerweile verblasst. Immer mehr sah sie ein, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Ihre rosa Brille war zerbrochen und sie sah wieder klar. Zip hatte sogar Kontakt mit ihr gehabt, bis Uwe dafür sorgte, dass sie nicht mehr das Haus verlassen durfte. Eines Abends trafen sie sich aber trotzdem und besprachen eine mögliche Flucht. Es dauerte keine 3 Tage mehr, bis sie die Flucht in die Tat umsetzten. Zip kam alleine nicht mehr weiter und hatte beschlossen in die Stadt zu fliehen. Und als er diesen Satz zu Ende gesprochen hatte, tauchte hinter ihm plötzlich eine Frau auf, die Ken sehr bekannt war und trotzdem so fremd wie nie zuvor. Michaela.

"Was macht die denn hier?", sagte Ken verärgert und verzog das Gesicht zu einer hasserfüllten Miene. Michaela hatte sich verändert. Sie war rank und schlank und sah verlebt aus. Sie musste viel Schlimmes gesehen haben, genauso wie Zip. "Dass du dich hierher traust, nachdem was du alles im Dorf mit uns gemacht hast! Wegen dir und Uwe mussten wir sogar das Bordell aufgeben und das Dorf verlassen!". Michaela sagte kein Wort. Sie hatte damit gerechnet. Sie hatte Uwe und seine Sekte in allem unterstützt, was sie damals tat und hatte ihre Freunde damit verraten. Auch sie wusste mittlerweile, wer die kleine Clementine ermordet hatte. Es war Uwe gewesen. Ihre ach so große Liebe. Doch wenn Zip ihr verzeihen konnte, musste Ken das irgendwie auch schaffen.

Es fiel ihm aber schwer. Michaela hatte zugesehen, wie diese gestörte Sekte ein ganzes Dorf übernahm und diejenige ausgrenzte, die nicht an ihre Lehre glaubten. Sie hatte ihre Freunde im Stich gelassen. Doch dieses Dreiergespann hatte einst sehr gut funktioniert. Sie waren der harte Kern der ehemaligen Truppe. 3 Jahre lang hatten sie zusammen gelitten, gefeiert und gearbeitet. Das war das erste Mal in Monaten, dass sie wieder so zusammen standen. Ein richtig flotter Dreier. Doch Zip und Michaela hatten erstmal nicht vor, in das Bordell-Geschäft wieder einzusteigen. Ken sollte die Leitung ruhig weiter alleine innehaben. Michaela war es ein großes Bedürfnis etwas gegen die Zustände in ihrem Dorf zu unternehmen. Auch Zip hatte nur ein Ziel: Uwe, Sven und seine Anhänger zu stürzen. Wie auch immer das gehen sollte. Sie würden es schaffen. Das klang wirklich fast unmöglich, aber Ken wusste auch, dass etwas, was diese 2 sich in den Kopf gesetzt hatten, auch funktionieren konnte. Und die Zustände in ihrem alten Dorf waren wirklich unbeschreiblich. Es herrschte dort mittlerweile eine Art Diktatur. Uwe hatte das Sagen und entschied, was man machen durfte und über was man sich unterhalten sollte. An allen Ecken hing Propaganda der Sekte. Selbst die Kleiderordnung war einheitlich. Jeder trug das gleiche Gewand. Frauen wie Männer. Ken konnte jetzt verstehen, warum sie dagegen etwas unternehmen wollten. Diese Zustände waren ja nicht mehr normal. Und sollten sie jemals seine Hilfe brauchen, wäre er da. Doch das wollten die beiden nicht. Ken sollte jetzt erstmal das "Bordell Türkis" wieder zu alter Frische erblühen lassen. Wenn es richtig gut lief, würden sie wieder einsteigen ins Geschäft. Haha. Wie witzig. Und es fühlte sich gut an. Endlich schien eine Zeit des Erfolgs und des Friedens angebrochen zu sein. Die alte Truppe war wieder zusammen. Zip und Michaela bekamen ein Zimmer im obersten Stock und konnten dort mietfrei wohnen, solange sie wollten. Ken kümmerte sich weiter alleine um das Bordell. Auch er musste einsehen, dass man die Vergangenheit ruhen lassen musste. Irgendwann musste man nach vorne schauen und die Zukunft am Schopf packen. Er hatte jetzt die Möglichkeit, das Bordell endlich groß raus zu bringen. Und was könnte schöner sein, als seine ehemals besten Freunden um sich zu haben. Und alle Zeichen schienen wirklich auf Erfolg zu stehen, denn der Eröffnungstag hatte Einnahmen eingebracht, die Ken nie erwartet hätte. Das Bordell war eingeschlagen wie eine Bombe. Selbst die Presse berichtete über das Bordell. Hier sah man ein Bordell nicht als verwerflich an. Hier waren die Menschen einfach anders. Toleranter. Besser. Doch nicht jedem gefiel diese Neueröffnung. Doch davon ahnte Ken noch nichts....

Fortsetzung Folgt!


© Seralgo Refenoir


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