''Bordell Türkis'' (Staffel 4) (Episode 1/20)

"Offen für alles"

Fast 6 Monate waren vergangen, seit sie das Dorf nahe Köln verlassen hatten. Knapp 3 Jahre hatten sie dort das gut laufende „Bordell Türkis“ geführt. Doch das Pech verfolgte die Besitzer von Beginn an. Viele Menschen, die dort gearbeitet hatten, gab es nicht mehr. Das Geschäft mit dem Sex war eben kein leichtes. Die Arbeit in diesem Gewerbe forderte von Anfang an hohe Opfer. Nach den Vorkommnissen vor einem halben Jahr, bei denen das Bordell ausgeräumt werden musste und schließlich abgerissen wurde, wurde ihnen allen wieder bewusst, wie schwer es doch war, in diesem Gewerbe Fuß zu fassen. Sie standen wieder am Anfang. Das „Bordell Türkis“ gab es nicht mehr. Und doch hatten viele von ihnen Visionen. Raus aus dem kleinen Dorf und hinein in die Großstadt. So lautete ihr Motto.

Was anfangs nach einer einfachen Umsetzung klang, stellte sich als wesentlich schwieriger heraus. So schnell fasste man in der Großstadt keinen Fuß. Dort war zwar die Toleranz für ein Bordell größer, aber auch die Konkurrenz. Und doch wusste man genau, wie es einmal aussehen sollte. Mitten in der Stadt – an der Hauptstraße. Mit roten Lichtern an den Fenstern, aus denen Angestellte ihre Dienste anboten und roten Laternen, wie man es eben von einem Bordell von früher kannte. Irgendwie kitschig und doch genau das, was es werden sollte. Und obwohl sie gedacht hatten, schon wenige Wochen nach ihrer Flucht aus dem Dorf, in einem größeren und modernerem Bordell durchstarten zu können, dauerte es fast 6 Monate lang, bis es soweit war. Einige ihrer Mitarbeiter waren mittlerweile schon abgesprungen. Ihnen dauerte es alles zu lange. Und dabei hätte es sich gelohnt, denn heute war der Tag der Neueröffnung endlich gekommen.

Auf drei Etagen bot das „Bordell Türkis“ alles an, was man sich nur vorstellen konnte. Es gab mehr Zimmer, als jemals zuvor. Jedes Zimmer besaß ein Motto und nach diesem Motto wurde darin „gearbeitet“. Eine halbe Etage befasste sich nur mit BDSM. Also mit allem, was mehr oder weniger wehtat. Hier konnte man sich unterwerfen, sich einsperren lassen, verprügelt werden oder einer Domina nach Wahl die Schuhe lecken. Ob diese Schuhe sauber waren, entschied der Kunde. Auch einen Darkroom gab es im neuen Bordell. Hier konnte man sich als Kunde nach Herzenslust von Fremden im Dunkeln gegen die Wand nageln lassen. Holzvertäfelung sei Dank. Doch die Leute aus der Stadt hatten noch viel mehr Erwartungen und brachten in der Vorbereitungszeit immer mehr Ideen ein. Das Pornokino war im 21.Jahrhundert mittlerweile Pflicht. Hier konnte man tiefgründige Filme anschauen, in denen das Wort „tief“ eine sehr breit gefächerte Bedeutung bekam. Hier wurde nicht nur gerammelt, sondern auch viel gelacht. Vor allem, wenn dann mal das Licht anging und ein Mann sein Gegenüber zum ersten Mal sah. Und der Mann, der ihm gegenüber saß, wunderte sich wahrscheinlich auch, dass dort keine Frau saß. Homosexualität mag nicht jeder tolerieren, aber man „steckt“ so schnell drin. Einfach hammerhart.

Außerdem gab es einen großen Raum mit Spielautomaten, Billardtischen und erotischen Brettspielen, die man meistens mit mehreren Leuten nackt am Tisch spielte. Da wurde auch meist viel gelacht. Für die Kunden, die sich nicht in das Bordell hinein wagten, gab es eine neue Option, die ideal für eher schüchterne Männer gemacht war. Ein mobiles Bordell. Man rief einfach im Bordell an, buchte einen Termin und die Frau kam zu einem nach Hause. Die Kosten waren zwar hier wesentlich höher, aber so wackelten auch außerhalb des Bordells öfters die Wände. Und es waren auch nicht nur Frauen im Bordell angestellt. Mittlerweile arbeiteten hier auch Männer und die meisten von ihnen waren bisexuell, also für beide Geschlechter einsetzbar. Auch zwei Transen waren eingestellt worden. Eine von ihnen allerdings für die Live-Musik-Unterhaltung, die jeden Abend an der Bar stattfand. Dort konnte man sich für teures Geld jeden im Raum schön saufen. Kleinere Snacks wie „Wiener im Weck“ gab es natürlich auch.

Und dieser Tag war ganz besonders. Denn der alleinige Besitzer des Bordells stand in diesem Moment vor dem Eingang und zerschnitt das rote Band. Selbst die Presse interessierte sich für das neue Bordell und war vor Ort. Diese Eröffnung kam sogar in die Zeitung. Und nicht nur das. Auch das Radio hatte darüber berichtet und dafür gesorgt, dass ganz viele Interessierte an der Straße auf den Einlass warteten. Ken fühlte sich wie befreit. Nachdem er sich den Wunsch sich in einen Mann umoperieren zu lassen, erfüllt hatte, ging nun auch sein zweiter, großer Wunsch in Erfüllung. Sein „Bordell Türkis“ öffnete wieder die Türen. Seine besten Freunde Felix und Kai arbeiteten zwar nicht mehr bei ihm, hatten sich aber nach 6 Monaten endlich entschieden zu heiraten. Wenn das mal keine schöne Hochzeit wird. Eine traditionelle, schwule Hochzeit. Mit 2 Bräuten. Wenn sie das hören würden, wäre er jetzt fällig.

Alles schien perfekt. Doch war das nicht zu schön, um wahr zu sein? Denn wenn Ken eins gelernt hatte in den Jahren im „Bordell Türkis“, dann dass auf einen guten Moment immer etwas Schlimmes folgt. Und irgendwie bekam er das Gefühl nicht los, dass etwas Schlimmes immer näher auf ihn zu kam. Doch jetzt erstmal lächeln und die Fragen der Presse beantworten. Schön die weißen Zähne zeigen und so tun, als wäre alles okay. Immerhin hatte es 6 Monate gedauert, bis er sein eigenes Bordell wieder eröffnen konnte. Einfach lächeln. Cheese. Doch das Lachen verging ihm urplötzlich. Er hatte jemanden in der Menschenmenge gesehen und rannte sofort in dessen Richtung. Das konnte nicht sein. Er musste sich das eingebildet haben. Und als er diese Person auch nicht mehr in der Menschenmenge fand, war für ihn klar, dass er sich das nur eingebildet hatte. Und in dem Moment tippte ihm jemand auf die Schulter.

Ken hielt den Atem an. Das war nicht echt. „Du lebst?“, flüsterte er dem Mann zu, der ihm in diesem Moment zum ersten Mal in 6 Monaten wieder gegenüberstand. „Ja ich lebe noch!“, flüsterte der Mann zurück, der das „Bordell Türkis“ von Beginn an mit aufgebaut hatte. Und auch wenn sich Ken nicht erklären konnte, warum er noch lebte, stand Zip in voller Größe und mit bester Gesundheit gerade vor ihm. Totgesagte leben länger. War es nicht so?

---> Fortsetzung Folgt in Kürze mit Episode 2!

Seralgo Refenoir


© Seralgo Refenoir


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