Episode 3: Ein unverhofftes Wiedersehen

"Ist sie da?", fragte Felix, als er am kommenden Morgen das Bordell betrat. "Wer?", fragte Kendrix. "Na Barbie! Schau ich hab ihr extra Blumen mitgebracht! Das macht auf jeden Fall Eindruck!". Kendrix musste fast losbrüllen vor Lachen. "Blumen? Du hättest ihr wohl eher ein paar Kondome mitbringen sollen! Ich glaube nicht, dass Barbie so sehr romantisch veranlagt ist!". Felix schaute auf die Blumen und warf sie ganz spontan neben sich in den Eimer. "Hast du Kondome?". Kendrix musste dann schlussendlich doch lachen. "Oben im Zimmer liegen genug, frag Michaela! Die füllt die doch immer auf! Aber das war ein Scherz! Du kannst doch Barbie keine Kondome schenken! Was willst du denn überhaupt bei ihr erreichen? Verhältnisse unter Kollegen fangen wir gar nicht erst an! Sowas stört nur die Arbeitsatmosphäre und schadet im Endeffekt der gesamten Einrichtung!". Felix war enttäuscht. "Aber ich bin so einsam! Ich lege ja nicht viel Wert darauf, ob es ein Mann oder eine Frau ist, aber ich brauche auch mal wieder ein wenig Zuneigung!". Kendrix erhob sich leicht erschrocken und antwortete :"Hier wirst du jedenfalls keine Zuwendung finden! Und bei Barbie bist du definitiv an der falschen Adresse! Ich muss jetzt noch zum Arzt! Ich habe wieder ein Beratungsgespräch bezüglich meiner Umwandlung, falls jemand fragt!". Felix nickte und verließ das Büro von Kendrix mit betroffener Miene. Als er unten an der Bar ankam und Barbie entdeckte, zauberte sie ihm aber ein großes Lächeln auf das Gesicht. Doch in derselben Sekunde verschwand es auch wieder, denn niemand Geringeres als Kai, sein Ex-Freund, stand vor der Bar und flirtete wild entschlossen mit der vollbusigen Blondine. Das machte ihn wirklich sprachlos. Kai hatte er verlassen, weil er so aufdringlich und nervig gewesen war, dass er es keinen Tag länger ausgehalten hätte. Dieser stand eigentlich auch nur auf Männer, doch scheinbar wollte er Felix so richtig eine reindrücken. Wollte er ihm etwa die neue Angestellte vor der Nase wegschnappen? Das würde ihm nicht gelingen. Wenn es ums Flirten ging, war er unschlagbar. Doch Kai hatte bereits einen großen Vorsprung, da sich Barbie interessiert und neugierig nach vorne lehnte und seinen Worten lauschte, wobei sie ein Glas mit ihrer rechten Brust zum Zerbersten brachte. "Mann, das ist Nr.19 für heute! Ich muss echt mehr darauf achten! Also was sagtest du?". Kai hatte Felix in diesem Moment bereits entdeckt und schmunzelte. „Gibt’s dich auch noch? Hast ja nichts mehr von dir hören lassen, nachdem du mich abserviert hast! Felix ist eine ganz schön unpersönliche Socke musst du wissen Barbie! Wenn er keinen Bock mehr auf dich hat, wirft er dich einfach weg wie ein Stück Dreck!“. Na klasse. Und das vor Barbie. Die hatte jetzt sicher ein tolles Bild von ihm. „Ach so einer bist du!“, sagte Barbie lachend und kehrte die Glasscherben vom Boden auf. Eine peinliche Situation. Wie konnte Kai überhaupt ins Bordell kommen? Sollte nicht jemand am Eingang darauf aufpassen, dass keiner unverhofft hinein spazierte? Ach ja. Er sollte das. Er wusste grade nicht, ob es schlimmer war, wenn Kai einfach so durch den Eingang trat oder ein weiteres unheimliches Wesen wie vor einigen Wochen. Kai machte ihm deutlich mehr Angst. „Was willst du denn hier Kai? Ich dachte du besteigst nun andere Gefilde? Wolltest du nicht einen Job als Aushilfsaffäre starten?“. Kai schaute ihn verdutzt an. Er hatte wohl nicht mit einer derart trockenen Antwort gerechnet. „Du verstehst mich schon! Was machst du derzeit außer arbeitslos zu sein? Lässt du dich von einem alten Sack aushalten, der dir dein veganes Knäckebrot bezahlt und dir die Brotbox für die große Pause füllt?“. Kai schaute zu Barbie und wirkte leicht verunsichert, was Felix nicht wunderte, denn Kai teilte gerne aus und konnte absolut nicht kontern, wenn er angegriffen wurde. Bei ihm war alles lange vorher überlegt. „Also bist du nur arbeitslos oder nur Schmarotzer zurzeit? Wenn du nichts Besseres zutun hast, als hier im Bordell abzuhängen, habe ich vermutlich Recht, aber wir arbeiten hier im Gegensatz zu dir gerne!“. Das sagte grade Felix, der nicht wirklich viel machte und am Eingang keinen guten Job ablieferte. Doch es zeigte Wirkung, denn Kai plötzlich ganz ruhig und in Aufbruchsstimmung. „Finde ich witzig, dass du auf Anhieb gewusst hast, wie man rein kommt, wo doch sonst die Anderen immer bei dir…“, begann Felix und wurde von Barbie unterbrochen. „Felix!“, kicherte sie und wollte den Rest gar nicht mehr hören. Der hatte aber gesessen und Kai verließ kurz darauf das Bordell durch den Vordereingang. Barbie schmunzelte. „Deinen Ex-Freund nimmst du aber ganz schön ran und ich meine das nicht im übertragenden Sinne! Du solltest nicht so grob zu ihm sein! Er hat auf mich einen sehr verzweifelten Eindruck gemacht, bis du reinkamst! Er war gerade dabei mir zu erzählen, dass es ihm nicht so gut geht! Er ist seit ein paar Wochen ständig krank und hat keine richtige Bleibe! Er wollte wohl fragen, ob wir ihn für einige Tage aufnehmen, aber dann kamst du rein und er war wie ausgewechselt!“. Felix hielt kurz inne und dachte nach. Scheinbar ging es Kai nicht gut. Und ein wenig zu grob war er auch gewesen. Das tat ihm jetzt schon leid. Aber Kai war ein Schmarotzer. Er machte für jeden seine Beine breit und hatte weder Skrupel noch einen Funken Ehrlichkeit in sich. Er würde gut zu Zip passen, wenn es den überhaupt noch gab. Von ihm und Gabrielle hatte man nämlich noch immer nichts gehört. Sie waren beide vom Erdboden verschwunden und auch James ließ sich nicht mehr blicken. Er hoffte so sehr, dass James und Gabrielle ihr Glück gefunden hatten und eventuell heimlich geheiratet haben. Er dachte schon die ganze Zeit daran. Das musste der Grund sein, warum sie noch nicht zurückgekommen waren. Sie waren sicherlich in einem anderen Land und hatten dort geheiratet. Armer naiver Felix. Denn James war tot und Gabrielle am Boden zerstört. Sie war schon wieder verantwortlich gewesen für den Tod eines Geliebten. Es war ein Unfall gewesen, bei dem Zip am Steuer saß. Doch davon ahnte noch niemand etwas, auch wenn es nicht mehr lange dauern sollte, bis ihre schöne, frohe Welt zusammenbrechen würde.

Episode 4: Die Übernahme (Teil 1)

An dem Tag, an dem Kai vorbeigekommen war und Felix ihn unsanft nach draußen geschickt hatte, war besonders viel los im Bordell Türkis. Kendrix hatte sogar gemeint, dass es einer der umsatzstärksten Tage werden könnte, seit Gabrielle „abgehauen“ ist. Die Rolle als Chefin stand Kendrix immer besser und sie machte einen sehr guten Job. Schon lange nicht mehr dachte sie an Gabrielle und die Möglichkeit, dass sie eines Tages zurückkehrte und den Job wieder an sich ziehen würde. Sie kannte sich nun aus und war fest im Sessel der Bordellchefin angekommen. Auch ihre Freunde waren mit ihrer Arbeit extrem zufrieden. Mal durfte man etwas später kommen oder früher gehen, bei besonders viel Betrieb gab es einen Bonus und auch mal ein Getränk umsonst. Das hatte Gabrielle niemals erlaubt. Ihre Regeln waren strenger und Kendrix hatte das Ganze etwas aufgelockert. Natürlich vermisste man Gabrielle als Person, aber vermisste man auch die Bordellchefin Gabrielle? Sie hatte sich nun wochenlang nicht mehr gemeldet und auch Zip sah man nicht wirklich mehr als Bestandteil des Bordells. Wenn sie eines Tages zurückkommen würden, wäre eigentlich kein freier Platz mehr an der Seite von Kendrix und der neuen Angestellten Barbie. Man kann davon ausgehen, dass niemand wirklich auf den Tag wartet, an dem die Entscheidung getroffen werden muss, ob Kendrix bleibt oder Gabrielle übernimmt. Auch Felix hatte an diesem Tag kein gutes Gewissen, da er von Barbie zu verstehen bekommen hat, dass sein Verhalten falsch war gegenüber Kai. Der arme Kerl, der er eigentlich auch war, hatte nicht mal ein Dach über dem Kopf und schlief an diesem Abend womöglich unter einer Brücke oder Schlimmeren. Felix hatte noch am selben Abend beschlossen, ihn aufzusuchen und ihm nach Absprache mit Kendrix ein Zimmer zur Verfügung zu stellen, in dem er zumindest schlafen und wohnen konnte. Kendrix selbst hatte genug um die Ohren, da sie mehrmals in der Woche zum Arzt musste und die letzten Details vor der großen Umwandlung anging. Das war ein großer Schritt in ihrem Leben und wenn Kendrix erstmal zu „Ken“ geworden war, ist dies nie mehr rückgängig zu machen. Als die letzten Gäste um 3.00Uhr nachts das Bordell verließen, waren alle sehr geschafft. Sie setzten sich wie so oft noch an die Bar und besprachen die Lage und den aktuellen Tag. Barbie stand zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr hinter der Bar, sondern saß bei Felix. Michaela und Kendrix saßen schräg gegenüber. „Das war ein guter Tag! Ich glaube wir haben heute einen Umsatzrekord aufgestellt! Die Bar war ja wie ich gesehen habe, den ganzen Tag besetzt! Die Zimmer waren ausgebucht und nach der Reinigung immer wieder sofort reserviert! Ich bin stolz auf euch alle! Das Bordell erlebt gerade einen Aufschwung, den ich so nie erwartet hätte! Wir können wirklich sagen, dass wir den Einstieg in dieses Gewerbe geschafft haben und nun der Aufbau beginnt! Wir müssen jetzt dran bleiben, innovativ sein und immer vorne mitschwimmen! Die Preise sind hier annehmbar und die Atmosphäre stimmt, auch wenn ich überlegt habe, ein paar Tänzerinnen zu engagieren und hier ein paar Tanzstangen im Raum aufzubauen, an denen sie tanzen werden! Das regt die Kundschaft noch mehr dazu an, viel zu trinken und eventuell ein Zimmer zu reservieren! Die Tänzerinnen werden allerdings nur tanzen und nicht auf die Zimmer gehen! Poledance sollte jedes Bordell im Repertoire haben und das fehlt uns noch! Das nehmen wir aber bald in…“. Plötzlich knallte es und die Tür fiel nach vorne in den Raum hinein und wurde aus den Angeln gerissen. Vor ihnen stand Mario mit einer Knarre in der Hand. Neben ihm tauchte eine weitere Gestalt auf und hielt eine Waffe in der Hand. Kaum zu fassen. Was sollte denn das jetzt? Es war Kai. „Legt euch hin! Sofort! HINLEGEN HAB ICH GESAGT!“. Alle vier dachten nicht lange nach und legten sich hin. Den Haupteingang hatte Mario wohl hinter sich verschlossen, da keine kalte Luft nach drinnen drang. Kai schien verunsichert und auch nicht wirklich im Reinen mit sich zu sein. Er stand etwas hinter Mario und sagte auch kein Wort. „Diesen Tag werdet ihr euch höchstens noch mit eurem eigenen Blut im Kalender rot anstreichen können, denn dies ist der letzte Tag, an dem ihr dieses Bordell führt und es von innen seht! Kai du hast gesagt, du weißt, wo die Telefonleitungen sind, also erfüll deine Aufgabe und schneid sie durch! Wir wollen doch nicht, dass die noch die Polizei rufen! Mach die PCs aus, die Faxe und such das Bordell nach Handys ab! Wenn du das erledigt hast, verriegelst du alle Ein – und Ausgänge und kümmerst dich um die Fenster! Wir werden ein wenig Zeit zusammen verbringen befürchte ich! Das Bordell bleibt vorerst geschlossen und wir werden euch Gesellschaft leisten! Denk dran, dass du draußen einen Aushang machst, damit niemand Verdacht schöpft! Häng einmal einen Zettel draußen hin, dass wir aufgrund eines plötzlichen Todesfalls geschlossen haben! So eine große Lüge wird das auch gar nicht sein, denn bis heute Abend die ersten Gäste dies lesen, wird es mindestens eine Person in diesem Raum nicht mehr geben!“. Und damit sollte er Recht behalten.

Fortsetzung Folgt mit Episode 5+6 in Kürze!!!

Seralgo Refenoir


© Seralgo Refenoir


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Kommentare zu "Bordell Türkis (Staffel 2) (Episode 3+4)"

Re: Bordell Türkis (Staffel 2) (Episode 3+4)

Autor: axel c. englert   Datum: 07.06.2014 18:15 Uhr

Kommentar: Hallo Seralgo!

Bin mächtig gespannt wie’s weitergeht!

LG Axel

Re: Bordell Türkis (Staffel 2) (Episode 3+4)

Autor: noé   Datum: 07.06.2014 23:01 Uhr

Kommentar: Spannend wie immer!
noé

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