Science Fiction: Das ist Spekulation total. Mit Raum und Zeit, in Raum und Zeit. Mit nie dagewesen Kulturen, fremden Zivilisationen und Philosophien. Wir stehen vor dem Tor zur Unendlichkeit und gehen in Gedanken auf Reisen. Die Erde und die Planeten des Sonnensystems werden zur winzigen Realität. Fast unbedeutend, aber noch immer bedeutend genug als Schauplatz und Ausgangspunkt unzähliger, unbekannter Möglichkeiten. Wir suchen nach Antworten auf die Frage: Was wird uns in vorstellbarer Zukunft erwarten?
Die Science Fiction will das eigene Denken anregen und das eigene Bewusstsein erweitern helfen, um das Unfassbare zu beschreiben, hier im Jetzt und in Zeiten nach unserer Zeit.
Vielleicht können wir etwas daraus lernen?
Der Autor
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Die einzelnen Geschichten
1. Das Geheimnis der schwarzen Kugel
2. Betty, meine geliebte Androidin
3. Das Mysterium von Golgatha
4. Das Raumschiff der Riesen
5. Der Traumgenerator
6. Fünf Liter Wasser für einen Außerirdischen
7. Das Wasser der Erde
8. Der Dunkelplanet
9. Der Planet der Trilobiten
10. Die Frau in Weiß
11. The time machine
12. Der Königsandroide
Der Tod ist ein einzigartiges Phänomen, das jeder Mensch nur einmal erlebt. Er, der Tod, holt jeden auf seine Art und Weise. Das musste auch der alte Mr. Robert Starmer erfahren.
Der Autor
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Der alte Mr. Robert Starmer stand vor seinem Wohnzimmerfenster, schob die Gardine langsam ein wenig zur Seite und schaute wehmütig auf die leerstehende Terrasse vor seinem Haus, wo er noch vor einem Jahr mit seiner geliebten Frau zusammen an warmen Sommerabenden bis tief in die Nacht hinein gemütlich gesessen hatte.
Ganz plötzlich war nämlich seine Frau Marlene gestorben und seitdem lebte er ganz allein in dem großen Haus, das weit draußen einsam und verlassen am Rande der Stadt lag, wo sich nur selten irgendwelche Menschen hin verirrten.
Der weite Rasen war mittlerweile total verwildert, weil der Alte ihn nicht mehr aus körperlichen Gründen mähen konnte. Das gesamte Grundstück wurde von einer großen Thujenecke begrenzt, vor der hier und da einige mächtige Fichten standen, die hoch in den Himmel hinein ragten.
Gerade wollte Mr. Starmer das Wohnzimmerfenster wieder verlassen, als es draußen in seinem Garten einen sehr lauten Knall gab, dem eine gleißend helle Lichterscheinung folgte, die aber gleich wieder verschwand und nur einige wabbernde Rauchschwaden hinterließ.
Der Alte schob neugierig abermals die Gardine zur Seite, weil er wissen wollte, was da vor sich ging und erblickte zu seiner großen Überraschung eine große schwarze Kugel, die ganz plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, auf seiner Terrasse stand.
Ihr Durchmesser betrug wohl etwas mehr als zwei Meter. Hier und da gab es noch einige kleinere elektrische Entladungen, die allesamt wie kleine Feuerzwerge blitzschnell über die feucht glänzende Außenhaut der Kugel huschten, bis auch sie schließlich ganz verschwanden.
Urplötzlich trat eine unheimlichr Stille ein.
Nach einer Weile des Abwartens verließ Mr. Starmer das Wohnzimmer und ging nach draußen. Er benutzte sicherheitshalber den Hinterausgang seines Hauses, von wo man über den Hof aus, sowohl den Garten, als auch die Terrasse, gut erreichen konnte.
Am Ende der Hauswand blieb er stehen und lugte vorsichtig um die Ecke, hinüber zur Terrasse, auf der die schwarze Kugel immer noch stand, ohne sich auch nur ein Stück weit von ihrem eingenommen Ort weg bewegt zu haben.
Ganz plötzlich hörte er zu seiner großen Überraschung die Stimme seiner verstorbenen Frau Marlene, die er nur zu gut kannte. Offenbar rief sie mehrmals nach ihm.
Wieder blickte der alte Mann vorsichtig um die Hausecke.
Dann wurden ihm schlagartig die Knie weich, denn aus der schwarzen Kugel trat seine geliebte Frau Marlene wie ein körperloser Geist hervor, als wäre die Hülle keine feste Materie. Sie breitete ihre Arme weit einladend auseinander und kam lachend auf ihren Mann zu, der sich jetzt von der Hausecke gelöst hatte und wie zu einer Salzsäule erstarrt war.
„Marlene, bist es du?“, stammelt der Alte verwirrt und konnte es nicht fassen, dass seine verstorbene Frau plötzlich leibhafig direkt vor ihm stand. Sie war wieder so jung und genauso schön wie früher, als sie sich kennen gelernt hatten als junge Menschen.
„Ja, mein lieber Robert, ich bin es wirklich. Deine Marlene ist wieder da. Aber ich kann nicht lange bei dir bleiben und muss bald wieder zurück in meine neue Welt, die einfach eine wunderbare ist. Komm' mit Robert! Wir werden wieder für immer zusammen sein, und du wirst genauso jung wie ich werden.“
Dann ergriff seine Frau energisch die rechte Hand ihres völlig verdutzten Mannes und zog ihn liebevoll rüber zur schwarzen Kugel, die auf der Terrasse vor ihrem Haus auf sie wartete.
Der alte Starmer war wie hypnotisiert und ließ sich widerstandslos von seiner jetzt jungen Frau mitnehmen. Kurz darauf verschwanden beide in der seltsamen Kugel, die sich auf einmal wie ein verblassendes Bild langsam aufzulösen begann, bis auch der letzte Rest von ihr verschwunden war, als hätte es sie nie gegeben.
Auf der Terrasse aber, wo sie einst stand, lag jetzt dafür der tote Körper des alten Mannes, der mit friedlichen Gesichtszügen dort lag, das Geheimnis der schwarzen Kugel für immer mitnehmend.
ENDE
(c)Heiwahoe
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2. Betty, meine geliebte Androidin
Ich bumste die Frau schon mindesten 15 Minuten lang und blickte ihr dabei die ganze Zeit unverwandt in ihre blitzenden Augen. Plötzlich trat bei ihr der Orgasmus ein. Jedenfalls tat sie so. Tja, eigentlich war ich immer noch der dümmlich anmutenden Meinung, ihr ein bisschen Geist und Verstand reinbumsen zu können, aber leider vergeblich. Ist doch klar, fiel mir plötzlich ein, so was geht bei ihr nicht.
Ich stoße, keuche und schwitze und versuche, keine negativ gefärbten Gedanken aufkommen zu lassen. Sex und kritisches Denken, beides passt gleichzeitig nicht zusammen.
Aber kein Funke von Geist erkenne ich in diesen blicklosen, leeren Augen, nicht einmal jetzt, wenn sie sich im Rausch des Orgasmus begierig unter mir hin und her bewegt. Ich stoße weiter, schwitze wie ein 100 Meter Läufer und sie versucht alles, mir auf dieser animalischen Ebene Freude zu bereiten.
Eigentlich möchte ich es ja nicht zugeben, aber in der Tat: sie treibt mich ebenfalls zum Höhepunkt und im anschwellenden Feuerwerk der Gefühle scheine ich fast die Sinne zu verlieren. Dann, mit einem Schlag ist alles vorbei. Während ich mich langsam wieder entspanne, betasten mich die weichen Lippen ihres Mundes immer noch am ganzen Körper.
Ich muss zugeben, auf ihre Art ist Betty einfach unschlagbar. Schade, dass sie keine echte Frau ist, so eine aus Fleisch und Blut meine ich.
Betty ist nur ein weiblicher Androide, aber sie ist mir trotzdem lieb und teuer geworden.
Die Zeit drängt. Es ist schon fast acht Uhr. Um 9 Uhr muss ich spätestens im Büro sein.
Ich schalte Betty kurzerhand ab und verlasse das runde Wasserbett, um mich frisch zu machen. Als ich das Haus verlasse, werfe ich noch einmal einen prüfenden Blick ins Schlafzimmer. Betty starrt immer noch mit weit aufgerissenen Augen regungslos zur Decke. Noch kurz vor dem Abschalten hatte sie beide Arme zu einer seltsam aussehenden Pose hochgerissen, gerade so als wolle sie damit sagen: "Komm bald wieder, ich warte auf dich!"
Die Kurzgeschichte von Betty ist im Prinzip ein Protest gegen die sexuelle Verfügbarkeit der Frau in unserer modernen Gesellschaft. „Lust" zeichnet sich hier in meiner Geschichte als das bedrückende Bild eines desolaten und gefühllos gewordenen Gesellschaftssystems, das die Frau (aber auch nicht minder den Mann) in allen sozialen und politischen Bereichen in die Rolle des Objekts zu zwingen versucht. Sex beschreibe ich in diesem Falle als Machtergreifung des Mannes über die Frau. Der Protagonist nimmt seine „Betty“, wenngleich sie auch nur eine Androidin ist, tagtäglich gewaltsam in Besitz. Betty wird zum Instrument seiner Lustbefriedigung. Wäre sie ein menschliches Wesen, könnte man in der Tat von „Entmenschlichung“ sprechen.
Aber Betty ist sein (willenloses) Eigentum, in das er investiert hat, und das er deshalb auch benutzen darf. Sie ist kein menschliches Wesen. Man kann sie nicht degradieren. Sie ist nur ein Gebrauchsgegenstand wie ein Auto, das seinen Zweck erfüllt, ein Behältnis, das zur Aufnahme seiner Lust bereitsteht.
So steht Betty sinnbildlich für eine Klomuschel, damit der Mann sein Geschäft in sie hinein machen kann. Die Liebe ist tot. Eine Maschine kann man nicht lieben, weil echte Liebe nur von beseelten Wesen erlebt, gelebt und durchlebt werden kann und mehr als bloßer Sex ist.
Viele mögen es nicht wahr haben. Wir leben in einer Gesellschaft, in der viele Menschen Angst vor der echten Liebe haben, weil sie fürchten, die Liebe könnte größer werden als ihr Egoismus.
(c)Heiwahoe
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3. Das Mysterium von Golgatha
Vor der Stadt auf dem Berg Golgatha wurde Jesus ans Kreuz genagelt. Als er starb, breitete sich Finsternis aus über das ganze Land. Aber diese Finsternis hatte andere Ursachen. Eine mächtige, außerirdische Zivilisation hatte ein waghalsiges Zeitexperiment gestartet und wollte wissen, wer dieser Jesus von Nazareth wirklich war.
Die gewaltigen Energien, die dazu nötig waren, verdunkelte die Atmosphäre und die gesamte Umgebung der Schädelstätte Golgatha.
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Ein flimmernder, äußerst gleißend heller Lichtschein erhellte die nähere Umgebung und wurde schnell größer. Es roch stark nach elektrischer Entladung, wie nach einem Blitzeinschlag.
Kurz darauf materialisierte eine menschliche Gestalt in einem langen altertümlichen Gewand, trat aus dem Licht heraus, blieb zuerst regungslos stehen, sah sich schließlich nach allen Seiten verwundert um, als würde sich der Verstand weigern, die ungeheuerliche Tatsache zu akzeptieren, was soeben geschehen war und machte schließlich behutsam einen Schritt nach vorne.
Das pulsierende Energieportal hinter ihm schrumpfte mit einem scharfen Zischgeräusch plötzlich in sich zusammen, bis es am Ende, in einem immer kleiner werdenden Lichtpunkt, ganz verschwunden war.
Im nächsten Moment brach eine wahre Flut von Sinneseindrücken über den Zeitreisenden herein. Ein Gefühl des Triumphes kam in ihm hoch, das ihn zu übermannen drohte. Sein Verstand bewegte sich hart an der Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn. Doch er riss sich, nach einem besinnlichen Moment des Wartens, zusammen.
Er hatte den Zeitsprung ohne jeden Schaden überstanden.
Trotz einer mehrere Sekunden lang anhaltenden Schwäche, die er als Zeichen der vorausgegangenen Anspannungen deutete, empfand er eine vollkommene Genugtuung über das gerade Geschehene.
Er warf einen kurzen Blick auf die moderne Multifunktionsarmbanduhr, die sich unter seinem weiten Ärmel am linken Handgelenk befand. Ihm wurde sofort klar, dass ihm ab jetzt nur noch zehn bis fünfzehn Minuten blieben, um einige Fotos mit der Spezialkamera für den Beweis seines erfolgreichen Zeitsprunges machen zu können.
Es wurde jetzt also höchste Zeit für ihn.
Die versteckte Navigationseinheit an seinem präparierten Holzstab war ein technisches Wunderwerk in Miniformat und wies dem Zeitreisenden den genauen Weg zur Schädelstätte, die außerhalb der Mauern der Stadt Jerusalem lag.
Das Ziel, welches er schnellstens erreichen musste, hieß auf hebräisch „Golgatha“. Es war der Ort, wo man den Juden Jesus Christus hingerichtet hatte, der sich als Sohn Gottes ausgegeben hatte und dafür grausam sterben musste.
Der Zeitreisende wusste, dass er ganz in der Nähe dieser Hinrichtungsstätte angekommen war.
Draußen war der Himmel tief dunkel behangen. Eine furchterregende, bedrückende Atmosphäre machte sich breit. Alles wirkte düster, bis auf die Umgebung der drei wuchtigen Holzkreuze, die in einem seltsam anmutenden Licht auf standen.
Am Hügel Golgatha angekommen, sah er eine leblose Gestalt am mittleren Kreuz hängen, die eine Dornenkrone auf ihrem blutenden Kopf trug. Hände und Füße waren an den breiten Holzbalken mit großen Nägeln durchschlagen worden.
Es roch nach Schweiß, Blut und stinkenden Exkrementen.
Der Zeitreidende stellt sich unwillkürlicher die Frage, ob das der Mann am mittleren Kreuz war, den er suchte? Den eingegebenen historischen Angaben zufolge, musste er es sein, was seine digitalen Daten jetzt auch eindeutig bestätigten.
Langsam schritt die geheimnisvolle Person die sanfte Anhöhe des Hügels hinauf. Zwei römische Soldaten standen neben einigen Frauen in einiger Entfernung des Hinrichtungsplatzes, die mit irgend einem Kleidungsstück herum hantierten. Offenbar waren sie sich nicht einig, wer es bekommen sollte.
Ansonsten waren keine anderen Menschen mehr zugegen. Jedenfalls im Moment nicht. Die Gelegenheit war also günstig, völlig unbemerkt an die Kreuzgruppe zu gelangen.
Der Mann aus der Zukunft näherte sich vorsichtig und unauffällig von der Seite des in der Mitte stehenden Kreuzes, das höher und wuchtiger war als die zwei anderen daneben. Es wies eine leichte Schräglage nach vorne auf.
Das Gesicht des Mannes, den man als Jesus Christus kannte, war von ihm abgewandt und es schien, als würde der Kopf wie tot auf der schlaffen Schulter liegen. Blut tropfte aus seinen langen, von Dornen durchdrungenen Haaren und aus einigen hässlich aussehenden Wunden seines geschundenen Leibes.
Weder die beiden Soldaten noch die jetzt auf dem Boden hockenden Frauen beachteten ihn. Sie schauten noch nicht einmal zu ihm hinüber, obwohl er jetzt direkt neben dem Gekreuzigten stand, der keinen einzigen Laut von sich gab. Offensichtlich war dieser Christus schon gestorben. Es sah jedenfalls ganz danach aus.
Trotzdem war der Zeitreisende mehr als vorsichtig und vermied jede noch so kleine Auffälligkeit.
Sollten ihm allerdings die anwesenden Personen aus irgendwelchen Gründen Schwierigkeiten bereiten, müsste er sie wohl oder übel mit seiner wirkungsvollen Destruktionswaffe unschädlich machen, zwar nicht gleich töten, dafür aber in eine tiefe Bewusstlosigkeit versetzen, um durch eine kurzfristig erzeugte Schockwelle im Gehirn ihre Erinnerungen an ein solch mögliches Szenario komplett zu löschen.
Die zukünfige Geschichte durfte auf keinen Fall etwas davon erfahren, das er ein Angehöriger einer zeitreisenden Rasse war, die wichtige Orte fremder Zivilisationen im Universum besuchen konnte.
Plötzlich erschrak der Zeitreisende, denn der vermeintliche Tote bewegt sich etwas. Er wich augenblicklich zurück und griff im nächsten Moment unter seine weite Kleidung, um die mitgeführte Spezialkamera hervor zu holen.
Noch während er den Sensor für die Einschaltfunktion betätigte, das Objektiv leise surrend automatisch herausfuhr, riss er die Kamera hoch, drückte mit zitternden Händen mehrmals hintereinander wie gebannt auf den Auslöser und beobachtete dabei konzentriert das Bild auf dem kleinen LCD-Display.
Gerade als er dabei war, eine Serie von Bildern aus nächster Nähe vom Kopf mit der Dornenkrone zu machen, drehte der vermeintlich Tote am Kreuz plötzlich, wie in Zeitlupe, sein Blut verschmiertes Haupt zu ihm herum, sodass der Zeitreisende direkt in sein gemartertes Gesicht sehen konnte. Dann hoben sich, ohne jede Vorwarnung, mit einem Schlag die blutverschmierten Lider des Gekreuzigten, dessen große Augen jetzt den Kamera haltenden Mann mit sehnsüchtig verklärtem Blick anstarrten, fast so, als glaubte dieser Jesus, Gott selbst stünde vor ihm.
Rasch machte der Zeitreisende noch ein paar Aufnahmen, schaltete dann das Gerät aus und verstaute es hastig in einer kleinen Tasche unter seinem wallenden Gewand.
Die gesamte Aktion hatte kaum mehr als ein oder zwei Minuten gedauert.
Wieder setzte ein kurzes Triumphgefühl ein, welches den Zeitreisenden wie eine Welle der Begeisterung überkam. Doch er riss sich abermals mit aller Gewalt zusammen. Schnell wich die aufkommende Freude einer gespannten Konzentration. Ehe er seinen Emotionen freien Lauf lassen durfte, musste die Rückkehrphase durch die Zeit reibungslos verlaufen. Er wollte seine heikle Mission nicht durch eigene Disziplinlosigkeit gefährden.
Zwar war auch dieser Teil des Zeitsprunges theoretisch erprobt, aber die praktische Durchführung fand hier und jetzt statt. Ein maschineller Defekt war allerding nmit fast hundertprozentiger Sicherheit auszuschließen, denn die vielen Tests waren bisher absolut perfekt gewesen.
Doch es gab genügend Faktoren, welche im ungünstigsten Fall gleichzeitig auftretend konnten, die wohlmöglich erhebliche Schwierigkeiten beim Sprung durch die Dimensionen auslösen konnten.
Doch alles schien reibungslos abzulaufen.
Der Zeitreisende öffnete die Sperrschaltung an seiner Multifunktions-Armbanduhr, die sofort ein hochsensibles Hypersignal an die Gegenstation sendete und die höher dimensionierte Energie der Zeitmaschine aktivierte. Das Transportfeld, das ihn wieder in die Zukunft zurück befördern sollte, baute sich noch im gleichen Augenblick keine zwei Meter vor ihm knapp über den Boden als hell pulsierender Lichtbogen auf. Schnell ging er darauf zu und verschwand darin.
Der waghalsige Besuch beim sterbenden Jesus auf Golgatha durch die Zeit war nicht nur gelungen, sondern eine Sensation für die Konstrukteure der Zeitmaschine seines Heimatplaneten.
Eine seltsame Finsternis breite sich währenddessen in der gesamten Landschaft aus.
Bevor sich das Energieportal wieder schloss, drehte sich der Zeitreisende ein letztes Mal zu dem sterbenden Mann am Kreuz um, der anscheinend gerade sein volles Bewusstsein für wenige Sekunden wiedererlangt hatte und mit weit aufgerissenen Augen bittend zu ihm rüber sah.
Dann rief er mit laut klagender Stimme: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Dann waren noch seine letzten Worte zu hören: „Es ist vollbracht!“
Im nächsten Moment sackte auch schon sein Kopf leblos nach vorne auf seine blutige Brust. Dann starb er.
Die beiden römischen Soldaten waren mittlerweile laut schreiend mit gesenkten Speeren herbeigeeilt, da sie vom hell flimmernden Lichtschein der Energieentladungen angelockt wurden und wissen wollten, was da vor sich ging.
Aber das Zeitportal war zusammen mit dem Zeitreisenden schon längst wieder verschwunden. Ungläubig starrten sich die beiden Soldaten gegenseitig an und konnten keine plausible Erklärung dafür finden, was sie gerade mit ihren eigenen Augen gesehen hatten.
Da der Mann am Kreuz zur gleichen Zeit gestorben war, brachten sie einfach die unerklärliche Lichterscheinung mit seinem Gott in Verbindung, von dem dieser Christus den Menschen immer erzählt hatte. Der Zusammenhang erschien ihnen plausibel, dachten sie und gaben sich mit dieser Feststellung zufrieden.
Nichts deutete mehr darauf hin, dass ein Besucher aus der Zukunft tatsächlich ein gefährliches Zeitparadoxon in Kauf genommen hatte, nur weil er ein paar aussagekräftige Fotos vom sterbenden Christus machen wollte, um damit seinen eigenen, maßlosen Ehrgeiz und das der Zeitmaschinen-Konstrukteure zu befriedigen.
Ihre hochmoderne Zivilisation besaß jetzt die Macht über Raum und Zeit. Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Durch die unendlichen Weiten des Alls flog ein gewaltiges Raumschiff geräuschlos dahin, das von Wesen gesteuert wurde, die groß wie Riesen waren.
Auf der Brücke befand sich ein junger Astronaut namens Titan, der die ganze Zeit neugierig auf die Monitore starrte und sich fragte, welche Geheimnisse er und seine Crew noch aufdecken würden auf ihrer interstellaren Reise.
So nahm das Schiff seinen einsamen Weg durch die unendlichen Weiten des Universums und die gesamte Besatzung hielt ständig Ausschau nach irgendwelchen lebensfreundlichen Planeten.
Plötzlich schlugen die Langstreckensensoren an und meldeten ein seltsames Objekt in der Ferne, das aussah wie eine blaue Murmel. Der Astronaut Titan, der auch Kapitän des Raumschiffes war, erkannte sofort, dass es ein Planet war, der Leben beherbergte, weil alle eingehenden Daten darauf hindeuteten und sogar Bilder lieferten, dass seine Oberfläche mit Kontinenten und Wasser bedeckt war.
Kapitän Titan änderte umgehend den Kurs und gab Befehl, den Planeten zu erkunden. Dann zogen er und ein paar ausgesuchte Crewmitglieder ihre Raumanzüge an, nahmen ein Beiboot und flogen damit runter auf die Oberfläche der neu entdeckten Welt.
Unten angekommen traten sie in die Luftschleuse und begannen sofort damit, alles in ihrer Nähe genauestens zu untersuchen.
Auf einmal bemerkten sie eine winzige, menschenähnliche Lebensform, die überall wie die Ameisen herumliefen und die Neuankömmlinge argwöhnisch, aber neugierig beobachteten.
Manche versteckten sich sogar vor ihnen, zumindest versuchten sie es, was ihnen auch gelang, weil sie so klein waren. Offenbar hatten diese Minikreaturen Angst vor den fremden Raumfahrern, die ihnen wie Riesen vorkommen mussten.
Kapitän Titan konnte es nicht glauben, dass es eine Welt mit so kleinen Bewohnern gab. Er bemerkte auch die Angst dieser Wesen und schaltete deshalb seinen Translator ein, der in der Lage dazu war, seine Sprache in die der kleinen Wesen direkt zu übersetzen.
Dann sagte er mit deutlich lauter Stimme: „Wir kommen in Frieden und freuen uns, euch kennen zu lernen. Wir möchten, dass ihr unsere Freunde werdet. Wir kommen aus dem All und suchen schon seit langer Zeit nach bewohnten Welten. Endlich haben wir eine gefunden. Das ist faszinierend für uns. Wir sind wirklich überwältigt, dass wir endlich neues Leben im Universum entdeckt haben. Wir sind also nicht allein. Das ist wunderbar!“
Jetzt traten plötzlich die kleinen Wesen überall aus ihren Verstecken hervor und begrüßten die fremden Raumfahrer aus dem All ebenfalls mit großer Freundlichkeit, auch deshalb, weil sie genau so aussahen wie sie, nur waren die Fremden viel, viel größer als sie selbst. Komischerweise hatten sie auf einmal auch keine Angst mehr vor ihnen und das Vertrauen war schnell aufgebaut.
Im weiteren Verlauf zeigten sie freizügig ihre eigene Welt, die Kapitän Titan und seine Mannschaft in großes Erstaunen versetzte, da diese winzigen Wesen bereits über eine unglaubliche Technologie verfügten und eine sehr hohe Kultur entwickelt hatten. Sie kannten auch keine Kriege mehr und brachten sich auch nicht gegenseitig um. Diese schrecklichen Zeiten lagen schon lange hinter ihnen, wie sie sagten. Vielmehr lebten sie jetzt alle in Harmonie mit ihrer empfindlichen Umwelt zusammen, die sie fast wie einen Gott verehrten. Außerdem waren ihre Städte wunderschön futuristisch und voller Grün. So etwas hatte Kapitän Titan und seine Mannschaft noch nie gesehen.
Dann war die Zeit gekommen, dass der Kapitän mit seinen Crewmitgliedern zurück zum Raumschiff mussten, das oben im Orbit des Planeten auf sie wartete.
Schweren Herzens und überaus freundlich verabschiedeten sie sich schließlich von den kleinen Wesen, die sich selbst als Menschen bezeichneten. Der Kapitän und seine gesamte Mannschaft freuten sich schon darauf, eines Tages wiederkommen zu dürfen. Dann stiegen sie ihn ihr Beiboot, starteten es und waren mit blinkenden Lichtern bald hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden.
ENDE
(c)Heiwahoe
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5. Der Traumgenerator
Draußen war es bitterkalt. Die Nacht klirrte vor Kälte. Hoch droben am pechschwarzen Himmel glitzerten die Sterne wie kleine Diamanten.
Es schneite schon seit Tagen und niemand konnte vorhersagen, wann es wieder aufhörte.
Die junge Soldatin Riva Meridian stand auf Wacht hoch droben hinter den steinernen Zinnen einer mächtigen, ausgedehnten Festungsmauer und fröstelte.
In der rechten Hand hielt sie eine Lanze. Ein brauner Ledermantel, der ihr bis zu den Knien reichte, schlank sich um ihren üppig geformten Körper. Um nicht noch mehr zu frieren, ging sie jetzt einige Schritte auf und ab, wobei ihre blonde Mähne unter dem Eisenhelm trotzig hervorlugte und im eisigen Wind wild hin und her flatterte.
Eigentlich war das momentane Wetter für sie nichts ungewöhnliches. Sie war hier zwar nicht geboren, aber mit Wölfen, Bären, Waldkatzen und allerlei anderen wildlebenden Tieren kannte sie sich dennoch gut aus.
Auch die gewaltigen Kräfte der Natur, angefangen vom heulenden Wind über die weite, schneebedeckte Ebene, bis hin zu den hohen, aufwirbelnden Schneefontänen schreckte sie nicht. Das langgezogene Heulen der nach Nahrung suchenden Wölfe, das gefährliche Knistern der Eisdecken auf den zugefrorenen Seen und das Ächzen der Bäume unter der Last der hohen Schneemassen konnte Riva nicht ängstigen.
Sie sog die eiskalte Luft tief in ihre Lungen, blieb kurz stehen und ging schließlich langsam weiter. Die junge Frau war eine echte Abenteurerin. Am östlichen Ende der Festungsmauer traf sie auf den Soldaten Flynn Wanen.
Flynn war ein hünenhafter Krieger, mit freundlichen Augen zwar aber mit scharf geschnittenen, furchterregenden Gesichtszügen, die jedem Gegner tödliche Verwegenheit und wilde Entschlossenheit signalisierten.
Als er sie sah, lächelte er lüstern.
Der jungen Soldatin zitterten plötzlich die Knie. Hier oben war sie mit diesem kräftigen Kerl allein und niemand könnte ihr helfen, wenn er zudringlich würde. Sie fragte sich, ob die Kraft seiner Lenden und Arme auch der seines Geistes und seines Verstandes entsprachen.
Riva räusperte sich ein wenig.
„Ist bei dir alles ruhig, Flynn?“ fragte sie ihn zögerlich.
Der nickte nur mit dem Kopf und schaute sie dabei von unten bis oben interessiert an. Sie konnte seine Gedanken erraten. Er begehrte sie. Seine Stimme klang schleppend.
„Bei mir ist nichts los, außer, dass ich langsam kalte Füße bekomme. Hoffentlich ist bald die Wachablösung da“, antwortete er mürrisch und verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen. Dabei entblößte er seine ebenmäßigen Zähne, die in der Dunkelheit weiß wie Schnee leuchteten.
Für Riva Meridian war die Welt wieder in Ordnung. Sie umfasste ihre Lanze noch fester und marschierte den gleichen Weg auf der Festungsmauer wieder zurück, den sie vorher gekommen war. Während sie sich umdrehte, warf sie einen Blick über die nächtliche Schneelandschaft.
Plötzlich hielt sie abrupt inne, schob sich in die nächste, zugeschneite Zinne, beugte ihren Körper über den Mauerrand und schaute mit halb zugekniffenen Augen in die Finsternis hinein. Ihr war eine Bewegung im Schnee aufgefallen.
Schon stand Flynn ganz nah neben ihr.
„Was ist?“ fragte er sie flüsternd.
„Da! Hast du das gesehen?“
Riva deutete mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf eine hohe Schneeverwehung, keine hundert Schritte vom Haupttor entfernt.
Auch Flynn kniff jetzt die Augen zusammen und starrte mit angestrengtem Blick in die Dunkelheit hinein.
Ein großer Schatten huschte herum, der näher kamen.
Vielleicht ist es ein Tier, dachte sich Riva und blickte abermals hinüber zur Schneeverwehung.
„Was meinst du, Flynn? Schlagen wir Alarm?“
„Warte noch ein bisschen, Riva! Ich glaube...“
Dann erschreckte er. Flynn erkannte plötzlich deutlich eine riesenhafte Gestalt, die gleich neben der hohen Schneeverwehung stand.
Riva duckte sich instinktiv. Nur Flynn blieb stehen und blickte mit nervös flackerndem Blick über die verschneiten Zinnen.
„Wer ist dieser Kerl? Will der uns angreifen?“ fragte er mit heiser gewordener Stimme und schaute hinüber zu der jungen Soldatin, die nur ratlos mit den Achseln zuckte.
Langsam verrann die Zeit. Riva hatte das komische Gefühl, dass sich da draußen etwas Unheimliches anbahnte. Etwas, das ausschließlich sie allein betraf.
Flynn fuhr zurück, duckte sich ebenfalls und gesellte sich zu Riva.
„Vielleicht gehört der Kerl zu einer Vorhut. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man uns bei diesem Wetter angreifen will.“
„Ich gehe runter, um die Bereitschaft zu wecken“, sagte Riva leise. Sie spürte auf einmal die Kälte nicht mehr und ihr Puls schlug ihr bis zum Hals. Der Fremde neben der Schneeverwehung interessierte sie so sehr, dass sie sich noch einmal in eine Zinne schob und angestrengt in die Nacht blickte.
Das Schneetreiben nahm zu. Genaues war deshalb nicht zu erkennen. Die Gestalt war irgendwohin verschwunden. Die Soldatin schüttelte verwirrt den Kopf.
Mittlerweile hatte Flynn vorsichtshalber die Bereitschaft selbst alarmiert. Ein ziemlich hochgewachsener Hauptmann kam mit einigen seiner Bereitschaftssoldaten auf die Mauer. Ihre Ledermäntel flatterten im Wind, als sie leise wie Raubkatzen zu den Zinnen der mächtigen Festungsmauer heraufschlichen. Nur keine Geräusche machen. Der Feind sollte nicht wissen, wo sie sich aufhielten. Ein anderer Teil der Bereitschaft hatte sich schwer bewaffnet unten am Tor in der Nähe der Seilwinde versammelt und wartete auf neue Befehle.
Der Hauptmann und einige seiner Offiziere, die man eilig herbei gerufen hatte, berieten sich gerade im Schutze eines Festungsraumes. Ein Melder kam herein.
„Herr Hauptmann“, sagte er mit leiser Stimme, „der Fremde wurde wieder gesichtet. Er trägt einen halbkugelförmigen Helm mit einem durchsichtigen Visier, hinter dem sich unentwegt ein rotes Licht bewegt. Offenbar ist er völlig nackt. Unsere Späher konnten nichts an ihm entdecken, was nach Bekleidung ausgesehen hätte. Eigentlich müsste der Mann schon längst erfroren sein. Kein normaler Mensch hält die Kälte da draußen in dieser dürftigen Aufmachung aus.“
Der Hauptmann blickte den Melder missmutig an. Dann sagte er mit skeptischem Gesichtsausdruck: „Lasst zwanzig Männer durch den geheimen Nebenausgang nach draußen gehen. Sie sollen sich an den Fremden heranschleichen und ihn überwältigen. Der Kommandant will, dass sie diesen Kerl in die Festung zu ihm bringen. – Führen sie den Befehl sofort aus und erstatten sie mir umgehend Bericht, wenn die Truppe mit dem Gefangenen zurückgekehrt ist!“
„Jawohl, Herr Hauptmann!“ bestätigte der Melder mit leiser Stimme, verließ die Mauer und verschwand in der Dunkelheit des Hofes. Die junge Soldatin Riva und der Soldat Flynn folgten ihm auf dem Fuß.
Als sie zusammen im Hof angekommen waren, hatte der Melder bereits dem anwesenden Offizier die Anweisungen des Hauptmannes vollständig überbracht. Wortlos gab er den Soldaten ein Zeichen, die daraufhin ihre Schwerter zückten und einen geheimen Nebeneingang auf der gegenüberliegenden Seite des weitläufigen Hofes zielstrebig ansteuerten. Einer nach dem anderen verließen sie das Innere der schützenden Festungsanlage durch das mannshohe Tor, das aus massiver Eiche bestand und mit eisernen Riegel bestückt war.
Flynn und Riva waren die letzten, die hindurch huschten. Sie versanken draußen sofort bis an die Knie im tiefen Schnee. Beide stießen sie stille Verwünschungen aus und eilten dem vorausgehenden Offizier und seinen Männern hinterher.
Das schaurige Heulen einer hungrigen Wolfsmeute ertönte. Doch weder Flynn noch Riva machte das Angst, auch wenn die Schneewölfe um diese Jahreszeit besonders gierig nach Fleisch waren.
Der Offizier, sein Name war Flavius Strabo, streckte plötzlich seine rechte Hand aus, indem er das Schwert in eine ganz bestimmt Richtung hielt. Die Klinge deutete auf ein verschneites Gebüsch hin, das auf einer leichten Anhöhe lag.
„Von dort oben aus können wir den Fremden beobachten. Wir schleichen uns ins Unterholz und rühren uns erst wieder, wenn ich es sage. – Ich will keinen Ton hören! Also, vorwärts mit euch, Leute!“
Die Soldaten schlichen geduckt weiter, und die Soldatin Riva fragte sich insgeheim, warum der Fremdling so verstohlen tat. Schließlich erreichten sie alle gemeinsam die kleine Anhöhe und krochen ins Unterholz. Das Gebüsch war total zugeschneit und bot ihnen deshalb eine hervorragende Tarnung. Der Offizier suchte die vor ihm liegende Umgebung ab. Bald entdeckte er die unheimlich aussehende Gestalt, die wie angewurzelt keine dreißig Meter vor ihm im tiefen Schnee stand. Aus seinem Kopf ragten dünne Stangen hervor und in seiner rechten Hand hielt er einen länglichen Gegenstand, der aber nicht aussah wie ein Schwert oder eine Lanze.
Der Fremde schien sie nicht bemerkt zu haben. Noch nicht.
Der Offizier gab plötzlich einen leisen Pfeifton von sich. Das war der vereinbarte Befehl zum Angriff. Gemeinsam huschten er und seine Soldaten wie lautlose Schatten aus der Deckung hervor und gingen von hinten auf die unheimliche Gestalt zu, die sich immer noch nicht rührte. Das Heulen des Windes verschluckte das verräterische Knirschen ihrer Schritte.
Als sie etwa nur noch sechs oder sieben Meter hinter ihm standen, drehte sich die Gestalt behäbig um. Ein leichtes Surren ging von ihr aus. Offenbar handelte es sich um einen Mann, dessen Körpergröße wohl an die drei Meter maß. Er hatte die heranschleichenden Soldaten anscheinend schon längst entdeckt, vor denen er nicht die geringste Angst hatte. Jedenfalls zeigte er sie nicht.
Der Offizier blieb stehen und seine Soldaten taten es ihm nach. Fassungslos standen sie da und vor Grauen ließen sie die Waffen sinken, als sich der Fremde schlagartig in die Luft erhob und vor ihren Augen in Richtung der Festungsanlage davon schwebte.
Ein lautes Donnern erschallte, als er die Mauer überflog. Schreie wurden dahinter laut und die aufwachenden Menschen in der Festung gerieten in Panik.
Flynn und Riva liefen so schnell sie konnten den gleichen Weg zurück ins Innere der Festungsanlage.
Als sie drinnen angekommen waren, stand der Fremde bereits in der Mitte des Hofes und bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle. Wie eine in Beton gegossene Säule stand er da. Eine große Menschenmenge hatte sich mittlerweile um ihn herum versammelt. Offenbar war die anfängliche Furcht vor dem Riesen gewichen und hatte jetzt einer aufkommenden Neugierde Platz gemacht.
Ein lauter Kampfschrei erschallte über der Mauer, als plötzlich ein versteckter Bogenschütze auf die wie erstarrt da stehende Gestalt zielte und einen Pfeil abschoss, der allerdings wirkungslos von der Haut des Fremden abprallte. Ein erstauntes Raunen ging durch die verblüffte Menge.
Flynn stand jetzt zusammen mit Riva direkt vor dem Riesen. Mit mörderischer Kraft lief Flynn wie von Sinnen auf den Mann zu, prallte aber einen Schritt vor ihm in einem weiß blauen Blitz ab und fiel in den festgetretenen Schnee. Die Menge floh schreiend auseinander, als der Fremdling den länglichen Gegenstand in seiner rechten Hand hob und ihn auf den am Boden liegenden Soldaten richtete.
Ein gleißend heller Strahl verließ die Waffe des Ungetüms und traf Flynn direkt in der Mitte des Körpers, der mit einem hässlichen Geräusch zerplatzte, wie ein zu stark aufgeblasener Luftballon. Seine Fleischfetzen flogen nach allen Seiten durch die Gegend.
Riva übergab sich und versteckte sich vorsichtshalber hinter einem großen Holzwagen, der mit etlichen Strohballen beladen war.
Dann meldete sich der Hauptmann zu Wort. Sein Blick suchte den Fremden, der wie ein Roboter aussah.
„Was wollt ihr von uns?“ schrie er mit lauter Stimme.
Der Blick der riesenhaften Gestalt wanderte zum Hauptmann, der sich daraufhin ängstlich zwischen seine Soldaten mischte.
„Ich suche jemanden, der sich in eurer Festung aufhält“, sagte die hünenhafte Gestalt mit lauter Stimme. „Es handelt sich um jemanden, der meinem Herrn gehört und seit etwa fünf Sonnenumläufen verschwunden ist. Ich aber habe die Person gefunden und muss sie unbedingt zurückbringen. Koste es, was es wolle. Seid also vernünftig und euch wird kein Haar gekrümmt.“
Die junge Soldatin Riva Meridian empfand plötzlich eine eisige Kälte. Verschüttete Erinnerungen kamen zurück, von denen sie eigentlich nichts wissen wollte. Aber sie drängten sich unaufhörlich in ihr Bewusstsein. Sie konnte nichts dagegen tun.
Sie war die einzige, die nicht aus dieser Umgebung stammte oder hier geboren worden war. Sie wusste auch auf einmal, wer dieses Ungetüm war, das hier mitten im Hof der Festungsanlage stand und bereits einen Mann getötete hatte. Es war ein Such- und Kampfandroide ihres Vaters, des Herrschers vom Planeten WANDERER, der eines seiner interstellaren Sternenschiffe geschickt hatte, um sie, die Sternenprinzessin, Miss Riva Meridian, nach Hause zurückzuholen.
„Wie ist der Name der von euch gesuchten Person?“ fragte der Hauptmann mit lauter Stimme.
„Ihr Name ist Riva Meridian. Ich habe sie bereits geortet und möchte die Prinzessin darum bitten, sich zu zeigen.“
Die junge Soldatin hatte keine andere Wahl. Der Androide würde die Menschen hier töten, wenn sie persönlich nicht bald seiner unmissverständlichen Aufforderung folgen würde. Langsam und nur zögerlich trat sie hinter dem Holzwagen hervor. Als sie frei stand, wurde sie im gleichen Augenblick von einem Tracktorstrahl eingehüllt und festgehalten. Dann verschwand sie auf der Stelle im Nichts, als hätte sie der Boden mit Haut und Haaren verschluckt.
***
„Miss Meridian? Können Sie mich hören? Wie geht es ihnen jetzt?“ fragte ein Mann im weißen Kittel, der sich weit zu ihr heruntergebeugt hatte. Riva lag auf einer breiten, beheizten Liege, die gerade aus einer gläsernen Röhre rollte.
Ein leichtes Schwindelgefühl erfasste sie, als sie sich abrupt aufrecht hinsetzte und ihr einfiel, wo sie sich befand.
Dr. Martin Rockwell zuckte verlegen die Achseln. Er war der Betreiber des Traumstudios und musterte die junge Frau lächelnd.
„Meine liebe Miss Meridian. Das war die erste Folge. In der zweiten geht es dann weiter, natürlich nur dann, wenn sie es ausdrücklich wünschen. Dort können sie dann herausfinden, welches Geheimnis die Sternenprinzessin umgibt und warum sie vor ihrem Vater, dem Herrscher von WANDERER, geflohen ist.
Wissen Sie, das kann eine unendliche Geschichte werden...“
Die junge Frau zuckte mit den Schultern. Verlegen schaute sie sich um, als käme ihr das Scheinweltenspiel selbst ein wenig kindisch vor.
„Ich glaube nicht, dass ich das herausfinden will, Dr. Rockwell. Der Androide hat angefangen zu töten. Das ist mir zu phantasielos. Ich dachte, das grausames Töten nicht in ihren Traumangeboten vorkommt. Das war ja richtig widerlich, was ich da erleben musste. Zerfetzte Körperteile flogen mir um die Ohren. Ich hatte richtige Angst um mich.“
„Ich habe sie vorher gewarnt, Miss Meridian. Das Traumspiel heißt nun mal „Die Prinzessin von Wanderer“. Es ist ein Stück mit allem, was ein Abenteuer dieser Art zu bieten hat, inklusive Intrigen, mit Krieg, grausamen Kämpfen, mit Mord und Totschlag. Das gehört einfach dazu. Sie wollten doch knisternde Spannung – oder habe ich mich da etwa falsch ausgedrückt, als sie mich danach fragten?“
„Ist ja schon gut, Doktor Rockwell. Ich bin die ungezogene Tochter eines Sternenkönigs, die immer wieder von zu Hause abhaut, ihre königliche Herkunft vergisst und sich überall im Universum herumtreibt, um neue Abenteuer zu erleben, aber ihrem Vater das Leben dabei schwer macht. Ich muss mich dabei außerdem mit Barbaren herumschlagen und werde von einem Androiden verfolgt. – Wie spannend.“
„Meine Kunden sind jedenfalls ganz verrückt danach“, sagte Dr. Rockwell fast schon beleidigt und setzte eine Unschuldsmiene auf.
„Ich nicht, auch wenn das Medium vielleicht seine gewissen Reize für manche meiner Zeitgenossen hat. Ich wollte es eben auch mal ausprobieren. Ist halt modern...“
Die junge Frau gähnte. Sie fühlte sich merkwürdigerweise wie zerschlagen. Sie rührte sich deswegen auch nicht, als Dr. Rockwell die Stirnkontakte löste, die sie mit dem Traumgenerator im Hintergrund verbanden.
„Prinzessin von Wanderer hin oder her – ich hab wohl keine Ader für so was. Aber immerhin kann man sich damit prima die Zeit totschlagen“, sagte sie schnippisch.
Der Doktor nickte höflich. Er schaute nebenbei auf die Uhr, denn seit einer halben Stunde hatte er eigentlich schon Feierabend.
Aber was tut man nicht alles für eine junge hübsche Frau, die die verzogene Tochter seines Arbeitgebers war, der über ein Heer von über 300 000 Angestellte und Arbeiter weltweit verfügte.
Doktor Rockwell schaltete den sanft brummenden Traumgenerator ab, verließ den Raum und verabschiedete sich von seiner Kundin, Miss Riva Meridian.
Anton Maier war früh aufgestanden, lag an diesem sonnigen Morgen bereits auf einer weichen Decke allein am Strand eines nahe gelegenen Badesees und war eingeschlafen. Plötzlich schreckte er hoch und sah sich nach allen Seiten um. Wieder vernahm er dieses komische Geräusch.
Bumm, klatsch!
„Verflucht noch mal! Welcher Idiot macht um diese Zeit schon so einen schrecklichen Lärm?“, fragte er sich und erblickte keine zehn Schritte von seinem Liegeplatz entfernt einen alten Mann mit langen, weißen Haaren, der vor einer selbstgebastelten Kanone stand und damit auf die vorbeiziehenden Wolken schoss.
Bumm, klatsch!
Maier stand jetzt auf und ging schnurstracks zu dem alten Mann an der Kanone hinüber, um sich wegen des Lärms zu beschweren.
Bald stand er vor ihm.
„Was machen Sie eigentlich hier? Was ist das überhaupt für ein komisches Ding, mit dem Sie mich so fürchterlich erschreckt haben?“, wollte Maier erbost wissen.
„Ich bitte um Entschuldigung, mein Herr! Mein Name ist Daniel Drüsentrieb. Ich bin Erfinder und habe eine Wolkenabschusskanone gebaut, die ich jetzt am Strand dieses Sees ausprobiere möchte um festzustellen, ob sie auch wirklich funktioniert. Wie Sie ja gehört haben und auch bald selbst sehen können, arbeitet meine Erfindung einwandfrei. Ich schieße extra für Sie jetzt nochmal eine Wolke ab. Stellen Sie sich hier unter den großen Schirm, damit Sie nicht naß werden, wenn aus der abgeschossenen Wolke das Wasser runterkommt!“
Bumm, klatsch!
Der Schuß war nicht zu überhören. Kurz danach rauschte klatschend ein regelrechter Sturzbach von Wasser aus der Wolke und ergoß sich direkt vor ihnen auf den Strand, nur wenige Meter von Herrn Maier entfernt.
„Na, haben Sie das gesehen? Meine Erfindung funktioniert tadellos. Mit der Kanone kann ich jede Wolke abschießen, sodass sie ihr Wasser zwangsweise ablassen muss. Ich kann damit Regen machen, wann und wo ich will, sofern natürlich Wolken da sind.“
Der alte Mann jubelte vor Freude und begann kurz darauf damit, seine Wolkenabschusskanone wieder abzubauen. Er verstaute alles in einen Anhänger, der von zwei Pferden gezogen wurde und verschwand bald mit dem voll beladenen Gespann hinter einem großen Wiesenhügel.
***
Anton Maier war früh aufgestanden, lag an diesem sonnigen Morgen bereits auf einer Decke allein am Strand eines nahe gelegenen Badesees und war eingeschlafen. Plötzlich schreckte er hoch und sah sich nach allen Seiten um.
Ein Fussball hatte ihn am Kopf getroffen, der gerade von einem jungen Mann aufgehoben wurde.
„Bitte entschuldigen Sie, Herr Maier, aber mein Freund hat einen Weitschuss hingelegt und Sie nicht gesehen. Es tut mir wirklich sehr leid, Herr Nachbar. Wird auch nicht wieder vorkommen.“
„Ist schon gut, Robert. Aber geht bitte wirklich ein Stück weiter weg, damit das nicht noch einmal passiert.“
Der Junge nickte mit dem Kopf und ging.
Anton Maier legte sich zurück auf seine Decke. Bald war er wieder tief und fest eingeschlafen und träumte einen komischen Traum von einem alten Mann, der sich als Erfinder ausgab und mit einer Kanone auf Wolken schoss, damit es regnen konnte.
ENDE
(c)Heiwahoe
***
6. Fünf Liter Wasser für einen Außerirdischen
Es war mitten in der Nacht und der Vollmond schien so hell, dass man weit in die Landschaft hinein sehen konnte.
Ich stand an meinem Schlafzimmerfenster, weil ich draußen vor dem Haus etwas gehört hatte, das sich wie das Knurren eines Hundes anhörte.
Es war ziemlich stickig im Zimmer. Ich öffnete daher das Fenster, um die frische Nachtluft reinzulassen. Gerade wollte ich das Fenster wieder schließen, da sah ich diese schlanke Gestalt mit ihren viel zu großen Augen im Hofeingang stehen, die zur mir rüber blickte und einen hilflosen Eindruck auf mich machte.
Ich kniff ein paar Mal die Augen zusammen, weil ich dachte, ich sei einer optischen Täuschung zum Opfer gefallen.
Aber die unbekannte Person stand immer noch da und blickte zu mir rüber.
Ein ziemlich flaues Gefühl kam in mir hoch. Die Angst kroch mir unter die Haut. Gerade wollte ich schon schreien, riß mich aber gleich wieder zusammen und hielt den Mund mit der flachen Hand zu, denn ich traute mich schon allein der Nachbarn wegen nicht, in der Nacht wie ein Irrer Getöse zu machen. Sicherlich würden sie die Polizei rufen wegen Störung der Nachtruhe.
Ich schloß das Fenster wieder. Dann ging ich nach unten in den Flur, zog meine Klamotten an und öffnete vorsichtig die Eingangstür. Ich lugte hinaus. Die seltsam aussehende Person war immer noch da und keinen Zentimeter von ihrem Platz gewichen.
Plötzlich hörte ich wieder dieses komische Knurren, das sich jedoch schon fast wie eine Sprache anhörte, die ich verstand.
Im nächsten Moment hörte ich, wie jemand sagte: „Hallo, kann ich mal kurz mit ihnen sprechen? Ich möchte Sie wirklich nicht stören, aber Sie werden es nicht glauben, dass ich ein Außerirdischer bin und gleich hinter dem Wald dahinten mit meinem kleinen Raumschiff notlanden musste, weil ich vergessen hatte, die Kühlwassertanks mit genügend Wasser zu füllen. Vielleicht ist auch irgendwo ein Leck eingetreten, aber ich brauche ungefähr fünf Liter Wasser, um das Kühlsystem für einen kurzen Flug bis zu meinem Mutterschiff im Orbit wieder in Gang zu bekommen. Ich brauche nur eine gefüllte Kanne mit Wasser, wie sie dahinten unter dem Wasserhahn steht. Danach werden Sie mich nie wieder sehen.“
„Sie sind ein Außerirdischer? Naja, jedenfalls sehen sie schon mal so aus. Ich habe schon viel von euch gehört, aber noch keinen echten gesehen. Wir sind also doch nicht allein. Finde ich echt toll. Natürlich habe ich Wasser genug im Haus. Sie dürfen sich eine Kanne von mir aus vollmachen. Sie steht gleich hier vorne unter dem Wasserhahn. Sie haben beides ja schon entdeckt.“
Der Außerdische kam jetzt langsam näher und zögerte noch ein wenig. Er war fast zwei Meter groß und dünn wie eine Bohnenstange. Schlacksig ging er an mir vorbei, blickte mich aber immer wieder an. Als er vor dem Wasserhahn stand, nahm er die große Kanne in die Hand, die ich immer zum Blumengießen hernahm, füllte sie bis zu Rand voll mit Wasser, drehte sich behäbig um und wollte schon wieder gehen.
Er trat vor mich, schaute mich mit seinen schwarzen Riesenaugen an und sagte mit knurrender Stimme: „Vielen Dank fürs Wasser, Erdenmensch. Ich will das kostbare Nass auch nicht umsonst haben. Ich bezahle mit Edelsteinen, die es auf unserem Planeten wie Sand am Meer gibt. Bei euch sind sie viele Millionen wert. Hier nimm' eine Handvoll davon.“
Der Außerirdische griff in seinen elastischen, eng angliegenden Raumanzug und holte plötzlich eine Menge Edelsteine daraus hervor. Ich war darüber derart verblüfft, dass mir die Kinnlade runterfiel. Die Steine funkelten in allen nur denkbaren Farben, gerade so, als würden sie wie kleine Sterne leuchten.
„Da, nimm' sie! Auf der Erde bist du jetzt mit Sicherheit ein vielfacher Millionär, denke ich mal. Ach, da ist noch so ein Ding, äh Edelstein. Den kannste auch noch haben“, sagte der Außerirdische grinsend zu mir und ging. Ich schaute ihm noch lange hinterher, bis er in der Dunkelheit verschwunden war.
Ungefähr 15 Minuten später schwebte ein kleines Raumschiff surrend und blinkend aus dem Wald hervor. Dann schoß es plötzlich mit riesiger Geschwindkeit hinaus in die Schwärze des Alls.
Einige der Edelsteine waren auf den Boden gefallen. Ich klaubte sie alle gewissenhaft auf, zog meine Schlafjacke aus und wickelte sie darin ein.
Als ich oben in meinem Schlafzimmer auf der Holzkante meines Bettes saß, zählte ich die Edelsteine akribisch nach. Es waren weit über einhundert Stück unterschiedlichster Größe, die von bester, ja sogar allerbester Qualität waren und mich nicht nur reich, sondern steinreich machen würden.
Meine Träume konnten jetzt wahr werden, nur weil ich einem Außeridischen fünf Liter Wasser geschenkt habe, damit er sein kleines Raumschiff wieder flott bekam.
Gutheit muss nicht immer Dummheit sein, dachte ich so für mich, wickelte die Edelsteine in ein großes Handtuch, knotete es oben zu, schob es unter mein Kopfkissen und legte mich zufrieden schlafen.
Ein schönes Gefühl, endlich reich zu sein, war mein letzter Gedanke, bevor mir die Augen wie Blei zufielen.
ENDE
(c)Heiwahoe
***
7. Das Wasser der Erde
Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war kurz vor Mittag. Draußen war es sehr heiß, so um die +50 Grad oder mehr. Ich quälte mich den Hang zum Kettenfahrzeug hinauf, das verlassen auf dem staubigen Felsenboden des Plateaus stand. Ich wusste nicht, ob ich noch genug Kraft besaß, um mich aus dem tiefen Flussbecken hochzuziehen, in dem ich eine kleine Wasserstelle gefunden hatte. So konnte ich wenigstens meinen zur Neige gehenden Wasservorrat wieder auffüllen, der nur noch für maximal ein oder zwei Tage gereicht hätte.
Die glutheiße Sonne tauchte das hinter mir liegende Tal in eine flimmernde, gespenstisch aussehende Gerölllandschaft. Die meisten Bäume und Sträucher waren verdorrt. Man hörte kein anderes Geräusch als den leicht säuselnden Wind, der die ausgedörrten Gräser und Blätter erzittern ließ. In der Mitte des Tals befand sich das riesige ausgetrocknete Flussbett, wo früher einmal träge ein breiter Streifen sauberen Wassers dahinkroch. Das ist aber schon lange her.
Nur in den ausgeschwemmten Senken, tief auf dem ehemaligen Flussgrund, befanden sich hier und da noch kleinere Ansammlungen von Wasserpfützen über denen riesige Fliegen- und Stechmückenschwärme schwirrten, die in dem flachen Brackwasser in einem verzweifelten Überlebenskampf Milliarden ihrer Eier ablegten.
Dort, wo sich einmal das Flussufer befunden haben muss, stand ein Häuschen aus vertrocknetem Holz, das die unregelmäßigen Stöße des Windes klappernd abfing. Seine vordere Fassade, mit zwei offenen Fenstern und einem Eingang ohne Tür, loderte Orangen farbig unter der Glut des hoch am Himmel stehenden Gestirns auf. Drinnen, in dem einzigen Raum, befand sich ein menschliches Skelett. Auf einem vermoderten Flugzeugsitz halb ausgestreckt, grinste mich ein Pilot mit seinen Zähnen ohne Lippen und ohne Zahnfleisch an, den Knochenschädel in der Höhlung seines Helmes ruhend. Sein altes Wasserflugzeug war mit dem sinkenden Wasserpegel bis auf den Grund des ehemaligen Flussbodens abgesackt, wo es schon seit vielen Jahren stark beschädigt langsam verrottete.
Aber selbst ein Leichnam kann noch sprechen, wenn man die Umstände seines Todes kannte.
„Helft mir doch! Helft! Ich verdurste!“
Der Donnerschlag krachte durch die trockene Gegend, keine hundert Meter vom Haus entfernt. Aber ich dachte nicht länger darüber nach, obwohl deshalb in mir ein unangenehmes Gefühl hochkam. Ich kannte diese scheußliche Wettererscheinung, die es früher, als die Welt noch in Ordnung gewesen war, so nicht gegeben hatte. Ein heißer Sandsturm kam auf, gefolgt von heftigen Blitzen, die sich spontan entluden und die umliegende Umgebung in ein höllisches Inferno verwandelten.
Trotz der Gefahr riss ich mich zusammen und beeilte mich mein Kettenfahrzeug zu erreichen, einen Koffer ähnlichen Behälter auf zwei kleinen Rädern hinter mir herziehend, in dem sich mein aufbereitetes Trinkwasser befand.
***
Sie waren von weit her gekommen, von einem anderen Sonnensystem, vielleicht sogar aus einer anderen Galaxie. Kommt es überhaupt noch darauf an? Schließlich gab es ja fast niemanden mehr, der sie kommen sah, weil die meisten Menschen tot waren. Alle elendig verdurstet.
Die Außerirdischen hatten mit einer gewaltigen Armada von Raumschiffen die Erde überfallen, die Menschheit nicht einmal mit ihren überlegenen Waffen bekämpft, sondern im Verlauf ihrer jahrzehntelangen Besetzung einfach über 90 Prozent des vorhandenen planetarischen Wassers in eine endlosen Kette heran fliegender Transportschiffe hoch gebeamt und mitgenommen. Und so schnell wie sie gekommen waren, so schnell verschwanden sie dann auch wieder irgendwo in den unendlichen Weiten des Alls. Zurück blieb eine sterbende Menschheit, deren Bestand nach dem Raub des Wassers innerhalb weniger Jahre von acht Milliarden Menschen auf weniger als Hunderttausend zusammenschrumpfte.
Einer von diesen letzten Überlebenden war ich.
Ich habe sie gesehen, diese Fremden aus dem All.
Sie kamen von weit her, von einem anderen Sonnensystem, vielleicht sogar aus einer anderen Galaxie.
Niemand konnte sie aufhalten.
Die Wesen kannten keine Gefühle, kein Mitleid. Sie weinten auch nicht. Und auch das Wort Wahnsinn war ihnen fremd. Sie sahen die Menschheit vor ihren eigenen Augen qualvoll in gewaltigen Massen dahin sterben, und wie auf allen Kontinenten der blanke Horror ausbrach, als das vorhandene Trinkwasser immer weniger wurde. Grauenvolle Szenen ereigneten sich unter den Menschen, aber die Okkupanten aus dem All interessierte das nicht. Ihnen war nur das lebenswichtige Wasser des Planeten Erde wichtig, das sie für ihre weitere Reise durchs Universum brauchten.
Dann wurde es still auf Terra.
Die Erde bestand danach fast nur noch aus wasserlosen, ausgetrockneten Flussbecken und ebenso ausgetrockneten Meeresgründen. Ein Planet der Wüsten, ein Planet der Hölle. Reste von Wasser waren zwar noch vorhandenen, aber die lagerten tief und unerreicht in ihrem Innern. Und dort, wo es zutage trat, verdunstete es meistens sehr schnell und war den Insekten und Bakterien wehrlos ausgeliefert, die es ungenießbar für die letzten Überlebenden der Menschheit werden ließen.
Ich stieg matt und geschwächt in mein Kettenfahrzeug und fuhr langsam los. Ganz in der Nähe gab es eine kleine menschliche Siedlung am Rande einer ausgestorbenen Riesenstadt, die früher mal eine schillernde Metropole gewesen sein soll und sich New York nannte. Sie lag jetzt an einem riesigen, ausgetrockneten Kontinentalhang, der von tiefen Gräben und Schluchten durchzogen war. Man hätte von hier zu Fuß nach Europa gehen können.
Ich starrte nach vorne durch die verschmutzte Frontscheibe des Fahrzeuges in eine völlig ausgetrocknete Landschaft und dachte während der Fahrt an eine längst vergangenen Zeit.
Ich stellte mir vor, ich würde wieder im grünen Gras liegen, lauschte hingebungsvoll dem gleichmäßigen Plätschern eines vorbeifließenden Baches und labte mich an seinem frischen Wasser. Das muntere Zwitschern unzähliger Vögel erfüllte mein zufriedenes Herz.
Ach, das ist schon so lange her. Ich habe manchmal das komische Gefühl, alles nur geträumt zu haben. Aber ich erinnerte mich gerne daran, solang ich noch konnte.
Tränen liefen mir jetzt über meine knochigen Wangen, als ich die trostlos aussehende Siedlung erreichte, die nur aus einigen verrosteten Eisenbahnwaggons bestand.
Wie lange würde ich dieses schreckliche Leben noch aushalten?
***
Eine halbe Stunde später.
Schweigend starrte ich finster ins Glas.
Dann, nach einer langen Pause trank ich mit Genuss den Rest meines Drinks aus und verließ die Holothek, wo ich mir eines dieser real wirkenden Weltuntergangsvisionen reingezogen hatte, die unsere mächtige Raumflotte von ihren vielen Streifzügen durchs grenzenlose All auf der Suche nach neuen Wasserplaneten als Holographie abgespeicherte 3D-Realdokumentation mitgebracht hatte.
Man konnte dabei auf raffinierte Art und Weise in die Rolle eines der Lebewesen schlüpfen, die in ihrer langsam austrocknenden Welt verzweifelt ums Überleben gekämpft hatten.
Der Unterhaltungswert der holographischen Darstellungen war schlichtweg atemberaubend und jedes mal der reinste Nervenkitzel, weil man den Eindruck von absoluter, selbst erlebter Realität vermittelt bekam.
Als ich durch den zuckenden Energievorhang nach draußen ins Freie trat, war der künstliche Himmel über mir mit grauen, weißen und an einigen Stellen auch mit schwarzen Wolken überzogen, die am weiten Firmament dahinzogen. Hier und da schütteten sie Regen aus, den ich wohltuend feucht und frisch auf meiner grünen Schuppenhaut spürte.
Ob es das Wasser von diesem sterbenden Planeten Erde war, das da von oben herunter regnete?
Im Prinzip war mir das egal.
Ich genoss einfach das kühle Nass wie immer. Ich wünschte mir, dass es nie versiegen würde.
Aber deswegen brauchte ich mir bestimmt keine Sorgen machen. Auf unsere mächtige Raumflotte war stets Verlass. Sie hat immer noch irgendwo in den unendlichen Weiten des All einen Planeten mit Wasser gefunden.
Der Planet war in völliger Dunkelheit gehüllt und schwebte wie eine schwarze Kugel einsam durch die Weiten eines unbekannten Universums.
Es gab zwar in der Ferne eine riesige Sonne, die aber nur als schwach leuchtender Punkt im All zu erkennen war.
Aus der ewigen Finsternis dieser unheimlichen Welt starrten
tausende von Augenpaaren wie glühende Kohlen auf die
neuen Ankömmlinge, die mit ihrem gewaltigen Raumschiff langsam zur Landung ansetzten und mit starken
Scheinwerfern die Umgebung geisterhaft ausleuchteten.
Als das dröhnende Brüllen der Triebwerke des Kugelraumers allesamt verstummt waren, verließen auf seiner abgeflachten Unterseite mehrere Gruppen von humanoiden Lebewesen in glänzenden Raumanzügen das riesige Raumschiff. Nach und nach drangen sie in die nähere Umgebung vor und verteilten zielstrebig verschiedene Geräte, um wichtige Messungen durchführen zu können.
Noch ahnten sie nichts von ihrem kommenden Unglück.
***
Sie beherrschten diesen dunklen Planeten seit undenklichen Zeiten, und sie waren sehr viele.
Überall warteten sie schon seit einer Ewigkeit geduldig hinter bizarren Felsen ab, um sich endlich auf ihre Beute stürzen zu können, die sie per konzentrierter Gedankenkraft hier an diesen unwirtlichen Ort im Universum mit Hilfe falscher Signale, die einer Illusion glichen, zu sich gelockt haben. Jetzt würde ihre gestellte Falle zuschnappen. Für ihre ahnungslosen Opfer gab es kein Entrinnen mehr.
So machten sie das schon immer seit Anbeginn ihrer Existenz. Sie kannten auch keine Zeit, die es auf ihrem dunklen Planenten nicht gab.
***
Alle verteilten Gruppen standen untereinander mit Sprechfunk in Verbindung.
Einer der Raumfahrer, der in der Nähe einer der offenen Einstiegsschleusen stand, fing plötzlich an zu sprechen.
"Ehrlich gesagt, kommt mir die ganze Situation hier irgendwie komisch vor. Unsere Scanner haben im Orbit noch das üppige Vorhandensein von vielfältigem Leben auf diesem dunklen Planeten angezeigt, aber jetzt ist davon nichts mehr zu sehen. Die Scanner sind alle tot und zeigen nichts mehr an. Hier stimmt was nicht, Commander. - Sagen sie uns, was wir tun sollen!"
"Ich möchte euch nicht in Gefahr bringen. Zieht euch sofort
ins Raumschiff zurück und schließt alle Einstiegsluken hinter euch sorgfältig ab. Ich erkenne auf dem Bildschirm seltsam aussehende Gebilde, die schnell näher kommen. Ich befehle daher den sofortigen Abbruch der Mission! Alle Crewmitglieder, die sich draußen aufhalten, kehren sofort unverzüglich ins Schiff zurück!"
"Verstanden Commander! Wir sind schon unterwegs. Jede Gruppe kommt sofort ins Raumschiff zurück. Ende und aus."
***
Plötzlich waren sie da, die unheimlich aussehenden Wesen dieser dunklen Welt, überfielen in sekundenschnelle die völlig überraschten Raumfahrer und hüllten sie in schwarze, wallende Totengewänder ein, in denen einer nach dem anderen schließlich qualvoll erstickte.
Auch das gewaltige Raumschiff, mit seinen leuchtenden
Bugfenstern aus Panzerglas, war auf einmal nicht mehr zu
sehen. Die anstürmenden Dunkelwesen hatten es ebenfalls nach und nach umhüllt und waren wie die Pest durch die offenen Einstiegsluken ins Innere des Kugelraumers eingedrungen.
Dann gingen überall auf den einzelnen Decks des Kugelraumers ganz plötzlich die Lichter aus und bald herrschte im gesamten Raumschiff eine unheimlich anmutende Stille, weil alle Besatzungsmitglieder von den Dunkelwesen getötet worden sind. Ihre Leichen lagen überall herum.
***
Der König der Dunkelwesen aber stand oben auf einem
hohen Plateau und schaute zufrieden runter ins Tal, dorthin,
wo der gewaltige Kugelraumer der Fremden aus dem All
gelandet war, der jetzt immer mehr in sich zerfiel, fast so, als würde er innerlich von einer aggressiven Säure in Zeitlupe zerfressen.
Eine bassartige Stimme drang durch die Dunkelheit des unheimlichen Planeten.
"Was für eine glorreiche Segnung für unser Volk. Bringt alle verwertbaren Bestandteile der neuen Fleischbeute in die sicheren Nahrungskammern tief im Innern unseres Planeten! Wer weiß, wie lange es dauern wird, bis uns wieder ein so großer und seltener Fang zuteil wird. Zerlegt das gesamte Raumschiff in seine Bestandteile und bringt alles in die untersten, sicher abgeschottenten Lagerstätten, wo wir die seltenen Materialien weiter verarbeiten werden. Fangt sofort damit an!"
Ende
(c)Heiwahoe
***
9. Der Planet der Trilobiten
Dunkle Gewitterwolken hingen düster am neu entdeckten Planetenhimmel. Am fernen Horizont zuckten gleißend helle Blitze in das grüne Dickicht eines endlosen Dschungels hinein.
Angestrengt schaute Commander Tyrion Maybeelen durch das getönte Panzerglas des quadratischen Beobachtungsturmes, der hoch droben sicher auf einer felsigen Anhöhe am Rande eines weitverzweigten Flusses stand, der von einem wuchernden, schier endlos erscheinenden, giftgrünen Urwald gesäumt wurde.
Der geräumige Turm war Teil einer komplexen Außenstation, die ringsherum von einer mehr als sechs Meter hohen und fast mehr als fünfzig Zentimeter dicken, extra harten Mauer aus Stahl verstärktem Beton umgeben war. Das obere Ende wurde durchgängig von einem rot leuchtenden Laserstrahl permanent gesichert, der jedes Mal laut knisterte, wenn ihn herab prasselnde Regentropfen trafen.
Immer wieder zuckten in der Ferne heftige Blitze durch eine graue Regenwand. Nur schwach konnte man die Silhouetten der gewaltigen Berge am Horizont erkennen, die hinter einem dichten Regenvorhang lagen.
Die Blitze kamen immer näher, gefolgt von heftig dröhnenden Donnerschlägen, die die einsam da liegende Außenstation erbeben ließen. Plötzlich gingen die Lichter aus und die Notbeleuchtung schaltete sich ein. Eine Sirene heulte mehrmals kurz hinter einander auf, die aber, wegen eines offensichtlichen Fehlalarms, bald wieder verstummte.
Dem ganzen Geschehen haftete etwas Irreales an. Außerdem hatte dieser erdähnliche Planet, auf dem es scheinbar die meiste Zeit nur regnete, bisher noch keinen Namen erhalten. Vielleicht sollte man ihn „Seeworld“ nennen, dachte sich der Commander, weil er nur aus zwei kleinen Kontinenten bestand, die gerade mal zusammen ein Fünftel der sichtbaren Landmasse ausmachten. Vier Fünftel des Planeten waren mit riesigen Meeren bedeckt.
Darüber hinaus wusste Commander Tyrion Maybeelen, dass da draußen ein gestrandetes Raumschiff lag und einige seltsam anmutende Wesen existierten, die sogar mehrmals versucht hatten, in das Innere ihrer Außenstation zu gelangen. Aufgrund dieser Tatsache hatte die künstliche Intelligenz (KI) zwingend die höchste Alarmstufe ausgelöst. Alle Waffensysteme waren vorsorglich aktiviert worden und im Bedarfsfall sofort einsatzbereit.
Eigentlich war es nicht das Ziel ihrer Mission gewesen, havarierte Raumschiffe oder eine außerirdische Spezies zu entdecken, sondern sie hatten einfach nur in Erfahrung bringen wollen, was da draußen war, als diese schemenhaften Erscheinungen auf den Monitoren ihrer ferngesteuerten Erkundungsfahrzeuge plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht waren, um gleich darauf wieder zu verschwinden, als hätte es sie nie gegeben.
Es galt die klare Maxime: Exakte Aufklärung diente der allgemeinen Sicherheit, denn ohne Sicherheit war an eine ungestörte Forschungs- und Erkundungsarbeit nicht zu denken. Einige der Bordwissenschaftler der Firebird II, die sich mit neu entdecktem Leben auf Exo-Planeten beschäftigten, hielten es daher für dringend erforderlich, sich so schnell wie möglich zuerst mit der fremdartigen Kreatur zu befassen und forderten deshalb gleich mehrere Suchexpeditionen an, um die geheimnisvollen Wesen aufzuspüren.
Der oberste Raumschiffrat der Firebird II, dem auch Commander Tyrion Maybeelen angehörte, hatte nach Lage der Dinge nichts dagegen und erteilte die Genehmigung zur Durchführung der von den Forschern beabsichtigten Expedition. Schon bald begannen die Suchmannschaften damit, die weit voneinander entfernt liegenden Kontinente in großer Höhe mit Raumfähren zu überfliegen, um sie mit ihren hochempfindlichen Bioscannern flächendeckend abzutasten. Für die abgelegenen Inseln, auf die man überall verstreut in den unendlich erscheinenden Wassermassen gestoßen war, setzte man unbemannte Flugdrohnen ein, die den gleichen Suchauftrag hatten.
Ein anderer Teil der Crew war ebenfalls mit einigen der zahlreich vorhandenen Landefähren des gewaltigen Explorer Raumschiffes, das weit oben im Orbit kreiste, auf dem Regenplaneten gelandet, um die bevorstehende Suche nach möglichen Rohstoffvorkommen vorzubereiten. Der verbliebene Rest der Besatzung errichtete parallel dazu mit Hilfe zahlreicher Androiden und einfachen Baurobotern zusammen die Außenstation am Rande eines Felsplateaus, zu dessen Füßen sich ein breiter Fluss in zahllosen Windungen bis zum Horizont durch den dichten Dschungel träge dahin schlängelte.
Die Station erhielt nach ihrer Fertigstellung den Namen ‚Refuge’ und wurde überwiegend aus vorgefertigten Bauelementen zusammengesetzt. Sie hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Bunkerverteidigungsanlage, als mit einer wissenschaftlichen Forschungseinrichtung. An allen strategisch wichtigen Punkten waren darüber hinaus gefährlich aussehende, vollautomatisch arbeitende Lasergeschütze auf mächtigen Türmen postiert.
Es gab auch keine Fenster, höchstens ein paar kleine Bullaugen aus dickem Panzerglas. Im Innern war alles so praktisch und optimal wie möglich ausgestattet worden. Jedes einzelne Gebäude konnte von den übrigen durch schwere Sicherheitsschotts hermetisch abgeriegelt werden, um im Ernstfall nicht die ganze Station durch irgendwelche Eindringlinge zu gefährden. Größtmögliche Sicherheit war stets das oberste Gebot in der intergalaktischen Raumflotte.
Die Raumschiffbesatzung der Firebird II hatte die bewohnten Welten weit zurück gelassen, auf denen sich menschliche Siedlungen befanden. Sie waren damit ein hohes Risiko eingegangen. Aber was tat man nicht alles, wenn lukrative Gewinne lockten, die mächtige interplanetarische Minengesellschaften dafür zahlten, wenn neue für sie wichtige Rohstofflagerstätten auf weit entfernten Planeten in der Galaxis gefunden wurden.
Fakt war aber auch, dass die intergalaktische Raumflotte nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Anspruch genommen werden durfte, wenn z. B. existenzielle Gefahr für Besatzung und Raumschiff bestand. Dafür gab es genau festgelegte Notfallpläne, die sogar vorsahen, dass die künstliche Intelligenz (KI), auch ohne Zustimmung der obersten Kommandoführung, Zeitsprung fähige Schlachtschiffe der intergalaktischen Raumflotte anfordern konnte, die mit ihrem schrecklichen Waffenarsenal dazu in der Lage waren, ganze Planeten in Schutt und Asche zu verwandeln. Alle Mitglieder eines Raumschiffes im Universum schätzten natürlich diesen Sicherheitsservice ungemein, denn er bedeutete in vielen Fällen oft auch Rettung aus höchster Lebensgefahr.
Plötzlich ertönte eine tiefe Stimme aus dem Lautsprecher. Commander Maybeelen zuckte unwillkürlich etwas zusammen, als er aus seinen Gedanken gerissen wurde.
„Hier Landefähre ‚Libelle’. Wir sind unterwegs, Tyrion. Die Flugzeit wird etwa noch vier bis fünf Minuten dauern.“
„Seid nach der Landung vorsichtig, wenn ihr da rausgeht. Geht direkt zu der Luftschleuse. Habt ihr den E-Generator mitgenommen?“
„Na klar. Wir haben auch den Hochenergielaser und einige Magnetkäfige dabei. Wir werden trotzdem vorsichtig sein. Mach dir keine Sorgen, Tyrion.“
„Vorsicht ist besser als Nachsicht, Messias. Zielkoordinaten sind eingegeben. Zielort ist die zweite nördliche Luke der Außenstation.“
„Verstanden, Tyrion. Schade, dass wir die Flugtore nicht öffnen und mit der ‚Libelle’ in die Bodenstation direkt rein fliegen können.“
„Tut mir einen Gefallen und macht es so, wie wir es vorher besprochen haben. Die Sicherheit hat absolute Priorität. Setzt die Kampfandroiden zum Transport der Gerätschaften ein und kommt mit euren eigenen Waffen nach der Landung sofort zu mir.“
„Okay, Tyrion. Wir sind gleich da. Wir sehen bereits die nördliche Luke. Wir nähern uns kontinuierlich dem markierten Landeplatz. Die Positionslichter sind trotz des heftigen Dauerregens deutlich zu erkennen.“
„Tyrion an Messias und Stronghold. Ich werde die Entriegelung sofort freigeben, sobald ihr gelandet seid.“
„Wir haben verstanden. Setzen jeden Moment auf. Wir sind so weit. Öffne jetzt die äußere Schleuse, Tyrion!“
„Vorsichtig Männer! Das Wetter spielt hier unten verrückt. Das Wasser steht kniehoch. Die Sicht ist mehr als nur schlecht. Wir wissen auch nicht, ob einige von den seltsam aussehenden Kreaturen in der Nähe unserer Station herumschleichen.“
„Wir haben die Scanner aktiviert. Der Autopilot steuert tadellos. Wir sind gerade gelandet. KI schaltet Atmosphärentriebwerke ab und geht in Bereitschaft. Ich sehe gerade, dass die äußere Luftschleuse offen ist. Alles klar, Tyrion. Wenn wir drinnen sind, gebe ich dir umgehend Bescheid.“
„Sehr gut Männer! Macht weiter so!“
„Besatzung der ‚Libelle’ an Tyrion. Haben die Fähre verlassen. Wir sind jetzt in der äußeren Luftschleuse. Die Androiden sind bei uns. Ihre Verteidigungssysteme sind aktiviert. Schließe das äußere Tor und öffne die innere Sicherheitsluke. Bis jetzt ist alles noch im grünen Bereich.“
„Okay Männer! Äußeres Schott geschlossen, inneres geöffnet. Die Luftschleuse ist sicher. Ich erwarte euch im Bereitschaftsraum. Wir sehen uns dann gleich.“
„Alles in Ordnung, Commander. Schalten jetzt auf stationäre Kommunikation um.“
„Roger, Messias. Die KI hat alles mitgehört und hält die Verbindung mit dem Mutterschiff aufrecht. – Ende der Durchsage.“
Ein paar Minuten später betraten Othello Messias und Pit Stronghold den geräumigen Bereitschaftsraum. Nach einer kurzen Pause mit anschließender Besprechung bereitete man sich auf die Erkundung des fremden Raumschiffes vor, das auf der anderen Flussseite wie verloren im dichten Dschungel lag. Zwei mächtige Kampfandroiden nahm man zur Sicherheit mit.
Die KI an Bord der Firebird II zeichnete alles auf, was in der Außenstation, in den einzelnen Landefähren, auf der Brücke, im Frachtraum oder im Maschinenraum passierte. Es gab kein Bereich, der von ihr nicht abgehört und mitgeschnitten wurde. Allerdings konnte sie mittels eines bestimmten Codes auch abgeschaltet werden, um beispielsweise ein privates Gespräch führen zu können oder wenn es generell um die Einhaltung der Privatsphäre ging. Allerdings konnte man in dieser Hinsicht nie ganz sicher sein. Manche Besatzungsmitglieder glaubten nämlich, dass sich die KI nur zum Schein abschaltete, weil ihr die Sicherheit der Crew, die Einsatzfähigkeit und die Unversehrtheit der Firebird II wichtiger war als alles andere. Für die KI konnte so was wie Geheimhaltung oder ähnliches nicht geben.
***
Commander Tyrion Maybeelen, Steuermann Othello Messias und der Navigator Pit Stronghold flogen mit der Landefähre ‚Libelle’ zu dem unbekannten Raumschiff hinüber, das etwa sechs oder sieben Meilen vor ihnen auf einer Lichtung im Urwald stand. Sie umrundeten in geringer Höhe das Schiff und konnten keinerlei Anzeichen einer Beschädigung ausmachen. Auch auf der Brücke, die sich hoch über dem Rumpf befand, schien alles in Ordnung zu sein.
Die Kennzeichnung auf der Außenhaut des Schiffes war allerdings verbrannt und dadurch unlesbar geworden. Die KI bekam während dessen den Auftrag, das fremde Raumschiff aufgrund seiner äußeren Bauform zu identifizieren.
„Messias, bring uns längsseits zur Haupteinstiegsluke und lande dort“, ordnete Commander Maybeelen an. Der Steuermann führte den Befehl aus und setzte die kleine Fähre auf den weichen Dschungelboden auf. Dann kontrollierten sie ihre Sicherheitsdruckanzüge und verließen, als die Lampen der Schleuse grün aufleuchteten, die kleine Landefähre und gingen hinüber zu dem unbekannten Raumschiff, das wie ein gigantisch aussehender, lebloser Körper eines Wales aussah.
In diesem Augenblick meldete sich die KI über den internen Funk.
„Commander, ich habe interessante Nachrichten für Sie. Nach den Umrissen zu urteilen handelt es sich bei dem Raumschiff offenbar um die verschollen geglaubte SS Hyperion, die nach geheim gehaltenen Berichten der Sternenflottenadministration vor mehr als zwanzig Jahren von der gewaltigen Schockwelle eines explodierenden Riesensternes erfasst und dann, ähnlich wie ein Stück Treibholz in der Flut, von dieser mehrere Lichtjahre weit mitgerissen wurde. Seit dem Zeitpunkt galt sie als vermisst, weil kein Not- bzw. Peilsignal von der SS Hyperion aufgefangen wurde. Doch wie es jetzt aussieht, hat der Autopilot das Schiff nach jener überraschend eingetretenen Kollision noch bis zu diesem Planeten geflogen, wo er dann notgelandet ist. Was dann aus der Besatzung wurde, darüber weiß man eigentlich nichts. Man nimmt jedoch an, dass alle Besatzungsmitglieder der SS Hyperion nach und nach auf diesem Planten gestorben sind. Anscheinend hat keiner der über zweihundert Männer und Frauen, die sich an Bord des Schiffes befanden, die nachfolgenden Strapazen auf diesem Wasserplaneten überlebt. Trotzdem könnten meinen Überlegungen nach theoretisch noch einige Mitglieder der Crew am Leben sein. Der Planet verfügt nach unseren Beobachtungen über fischreiche Nahrungsvorkommen. Leider haben wir bis jetzt keine verwertbaren Daten darüber, ob die vorgefundene Flora und Fauna auch für Menschen genießbar ist. Das müssen wir erst noch untersuchen. Unsere Spezialisten sind gerade dabei, das heraus zu bekommen.“
„Waren Androiden mit an Bord der SS Hyperion?
„Nein, Commander. Die sündteuren Androiden sind ausschließlich ein Privileg der Raumschiffe der Explorer-Klasse und der Zeitsprung fähigen Schlachtschiffe der intergalaktischen Raumflotte. Damals, wie heute. Die SS Hyperion gehörte außerdem zu einer privaten interplanetarischen Fluggesellschaft, die viele Jahre lang ausgesuchte Kolonisten zu weit abgelegenen Planetensystemen brachte. Sie stand für ihre Mission damals jedoch bei der intergalaktischen Raumflotte vorübergehend unter Vertrag und diente einem geheimen Auftrag. Näheres kann ich ihnen dazu nicht sagen.“
„Danke KI. Jetzt wissen wir wenigsten Bescheid, dass es sich um kein direktes Schiff unserer eigenen Raumflotte handelte. Es war eine privates Unternehmen. Vielleicht finden wir heraus, was mit der Besatzung passiert ist. Ich denke, wir sind es ihr schuldig. Es waren mutige Männer und Frauen, an die wir uns erinnern sollten.“
***
Das ovale Bedienfeld des monströsen Außenschotts funktionierte einwandfrei, und schon nach kurzer Zeit öffnete sich die Einstiegsluke. Die Männer in ihren Schutzanzügen traten in die Luftschleuse; die Luke schloss sich hinter ihnen automatisch. Dann öffnete sich surrend die Innenluke.
Es war dunkel im Innern des havarierten Raumschiffes. Die Temperatur lag etwas höher als draußen. Dafür war es trocken. Die drei Männer schalteten ihre Schulterlampen an und nahmen die Druckhelme ab, nachdem die Sensoren die Atemluft als ausreichend sauerstoffhaltig, sauber und normal anzeigte.
Commander Tyrion Maybeelen rief den Code aus, um die KI des Schiffes anzusprechen. Er hätte ihr zwar keine Anweisungen erteilen können, aber wenn sie noch intakt geblieben ist, müsste sie ihm antworten. Nichts rührte sich jedoch.
Stronghold schüttelte den Kopf.
„Sie arbeitet nicht, obwohl anscheinend noch genug Energie vorhanden ist. Mein Energiescanner zeigt an, dass fast einhundert Prozent der Antimaterie noch vorhanden sind“, sagte er mit nachdenklicher Stimme.
Der Steuermann Messias ließ seine Lampe über die Inneneinrichtung gleiten. Mittlerweile befanden sich alle drei in der zentralen Befehls- und Gemeinschaftshalle. Ihre Ausmaße waren so groß wie ein Kino und konnte mindestens zweihundert Personen locker Platz bieten.
Der Commander ging auf die Brücke, die sich weiter oben auf der dritten Ebene befand. Nach ein paar Minuten war er wieder zurück und informierte seine beiden zurückgebliebenen Männer.
„Keine Seele an Bord. Auch nicht auf der Brücke. Niemand da. Und was noch seltsamer ist, man kann nirgendwo eine Beschädigung feststellen. Das Raumschiff ist sogar noch nach all den Jahrzehnten vollkommen flugtauglich. Es muss nicht einmal technisch überholt werden. Das zeigt jedenfalls die Analyse meines Recorders an, der die Daten überprüft. Wenn die KI funktionieren würde, könnte sie sogar das Licht wieder einschalten. Wir müssten dazu in den Maschinenraum, der sich am Heck des Schiffes befindet. In einem Nebenraum sind alle Hauptsicherungen untergebracht, sowohl für die E-Generatoren, als auch für die gesamte elektrische Anlage des Raumschiffes.“
„Ob die gesamte Besatzung der SS Hyperion tot ist?“ fragte der Navigator Pit Stronghold mit lauter Stimme in den Hallen ähnlichen Raum hinein und schaute dann seinen Commander an.
Der fühlte sich auch gleich angesprochen und zuckte aber sofort mit der Schulter.
„Kann ich nicht sagen, Pit. Ich selbst habe nicht die geringste Ahnung, was mit den Männern und Frauen der SS Hyperion geschehen ist“, antwortete Commander Maybeelen.
„Aber es besteht die Möglichkeit von Überlebenden“, warf der Steuermann Messias ein und schaute mit fragendem Blick in die Runde. Dann sprach er mit leiser Stimme weiter.
„Das Schiff verfügte zum Zeitpunkt der Schockwellenerfassung offenbar noch über ein intaktes Schutzschild, andernfalls wäre es zerstört worden. Es wurde mitgerissen und später vom Autopiloten hier hin gebracht, und zwar unversehrt, wie man eindeutig sehen kann. Wahrscheinlich hat die gesamte Besatzung den fürchterlichen Höllenritt auf der Schockwelle des explodierenden Sterns überlebt, aber dann die SS Hyperion nach der Landung auf diesem Planeten aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen verlassen. Unsere Bioscanner haben im gesamten Schiff bisher kein einziges menschliches Lebenszeichen entdecken können. Also, entweder sind sie alle tot oder es laufen von denen noch einige Überlebende hier auf dem verdammten Planeten herum. Das müssen wir unbedingt heraus bekommen. Vorher sollten wir mit unserer eigentlichen Aufgabe, der vertraglich vereinbarten Rohstoffsuche, nicht beginnen.“
„Vielleicht sind ein paar von ihnen durchgedreht und haben sich gegenseitig umgebracht. Wer weiß, was die Besatzung durchgemacht hat, als sie von der Energie der Schockwelle erfasst und mitgerissen worden ist“, gab Pit Stronghold, der Navigator, zu bedenken.
Der Commander räusperte sich und fuchtelte etwas verärgert mit der rechten Hand in der Luft herum. Er wandte sich an Stronghold und sagte mit deutlich hörbarer Stimme:
„Das ist eine waghalsige Theorie, mein lieber Pit. Jemand schnappt sich eine Waffe und läuft damit Amok. Das tut keiner dieser Raumfahrer und Kolonisten, die sich der Besiedelung fremder Welten verschrieben haben. Es sind allesamt gut ausgebildete, charakterstarke Männer und Frauen. Nein, nein..., jeder von ihnen hatte ein beispielhaftes Leben geführt und wäre zu so einer Tat grundsätzlich nicht fähig gewesen.“
Dennoch ließ ihn allein die Vorstellung daran schon schaudern. Sollte es tatsächlich einen irren Schlächter an Bord des havarierten Raumschiffes gegeben haben? Vielleicht sogar mehrere? Commander Tyrion Maybeelen schnitt diesen Gedanken einfach abrupt ab. Er wollte davon nichts wissen. Derart abstruse Überlegungen waren für ihn schlichtweg undenkbar.
„Wir brauchen Licht. Geh’ in den Maschinenraum und suche nach den Hauptsicherungen“, befahl er seinem Steuermann Messias, der neben Stronghold stand. Kurz darauf machte sich Messias auf den Weg ins Heck der SS Hyperion. Nach etwa fünfzehn Minuten war er wieder zurück und öffnete eine graugrüne Abdeckplatte am Fuß des Pilotensitzes, der sich in einem eigenen Raum gleich unterhalb der Brücke befand.
„Die elektrische Anlage ist in Ordnung. Irgend jemand muss die zentralen Hauptsicherungen der Knotenpunkte heraus genommen haben. Das ist eigentlich verboten, weil damit auch die KI abgeschaltet wird. Ich habe die Dinger wieder installiert.“
Dann griff er nach einem gelb markierten Schalter und schob ihn behutsam nach vorne. Anschließend drückte er eine Reihe blinkender Einschaltsensoren und mit einem Schlag ging überall die Bordbeleuchtung des Raumschiffes an. Auch die KI funktionierte plötzlich wieder.
Sie nannte sich ‚Quantenrose“ und begrüßte die anwesenden Männer der Sternenflotte mit ihrer sanften, femininen Stimme.
„Hallo, mit wem habe ich die Ehre? Ich stelle fest, ihr seid Mitglieder der intergalaktischen Raumflotte.“
„Ich bin Commander Tyrion Maybeelen vom Explorerraumschiff Firebird II der intergalaktischen Raumflotte. Es folgt eine dringliche Prioritätenabfrage! Was ist mit diesem Schiff und der Besatzung geschehen‚Quantenrose?“
„Commander, es tut mir wirklich Leid, aber ich verstehe Ihre Frage nicht“, antwortete die KI.
„Ihr seid vor mehr als zwanzig Jahren hinter dem Andromedanebel von der Schockwelle einer explodierenden Sonne mitgerissen worden und Lichtjahre davon auf diesem Planeten notgelandet. Wir haben euch durch Zufall entdeckt, aber ohne die Crew des Schiffes. Wo ist die Besatzung der SS Hyperion, KI?“
Es dauerte eine Weile, bis die KI Quantenrose antwortete.
„Ich habe das Schiff auf den Sprung zurück zur Galaxie Milchstraße vorbereitet, da wir unsere Mission schon fast beendet hatten“, sagte die KI zum Commander Maybeelen.
„Was ist dann passiert?“
Die KI zögerte etwas mit der Antwort.
„Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Meine Erinnerungsspeicher sind leer. Jemand muss meine Datenaufzeichnungen gelöscht haben.“
„Wer kann so etwas getan haben, KI?“ fragte der Commander.
„Es gibt nur wenige Personen an Bord eines Raumschiffes, die auf den Datenspeicher einer KI zugreifen dürfen. Das Löschen der Daten ist allerdings strengstens verboten. Ein Backup ist zwingend vorgeschrieben, falls mal so ein Eingriff notwendig werden sollte.“
„Die KI kann uns also nicht weiterhelfen. Wir werden uns demnach selbst auf die Suche machen müssen, was mit der Besatzung passiert ist. Wir bleiben in Sichtweite zusammen“, sagte Commander Maybeelen und gab den Befehl dazu, das Raumschiff genauestens zu inspizieren.
Sie durchschritten zuerst den Hauptkorridor. Der Commander berührte einen Taster an der ersten Tür. Es war genau jene, die zum Quartier des Captains führte. Die Kabine war leer, aber alle persönlichen Sachen befanden sich ordentlich aufgeräumt an ihrem Platz.
Auch die übrigen Kabinen der anderen Korridore waren ebenfalls leer. Das Gleiche galt für die Waschräume.
„Unheimlich“, bemerkte Stronghold.
„Was befindet sich unter diesem Deck?“ fragte der Commander über Funk die KI.
„Frachtraum, Depot für die Landefähren, Waffenkammern usw.“, gab diese zur Antwort.
Sie gingen in einen der Personenaufzüge und ließen sich hinunterfahren. Doch auch hier unten war niemand.
Messias ging voran in den Frachtraum, dann hinüber zum Fährenhangar.
Sie näherten sich den dort fest verankerten Landefähren, dem einzigen Platz im ganzen Schiff, an dem sie noch nicht nachgesehen hatten. Jede einzelne Fähre wurde genauesten untersucht. Messias öffnete jede Luke und blickte hinein.
Niemand auf den Vordersitzen, niemand auf den Sitzen im hinteren Teil der Fähren.
Der Commander und seine Männer fühlten sich wie in einem Geisterhaus.
„Ich möchte zum Teufel noch mal wissen, was hier vorgegangen ist. Alles ist unversehrt geblieben. Man könnte schon fast glauben, jemand hat das Schiff in Schuss gehalten, um selbst damit fliegen zu wollen. Nur fehlte es bisher an der nötigen Besatzung“, sagte der Commander.
„Sie machen wohl einen Scherz, Commander Maybeelen. Wer sollte denn so was Abgefahrenes vorhaben?“ fragte der Navigator Pit Stronghold leicht nervös.
„War nur so ein Gedanke von mir, Pit. Reg’ dich ab!“ beschwichtigte der Commander seinen Navigator und ordnete an, die SS Hyperion wieder zu verlassen.
Sie schalteten das Licht aus und setzten das Raumschiff in den Energiesparmodus. Dann gingen sie durch die Luftschleuse hinaus, ließen die Außenluke offen und kehrten in ihre eigene Raum- und Landefähre zurück.
Die drei Männer waren froh, als sie wieder in den trockenen Räumen der Außenstation waren. Draußen regnete es immer noch wie aus vollen Eimern. Commander Maybeelen rief nach der KI und ließ sich mit dem Explorerraumschiff Firebird II verbinden.
„Was werden Sie ihnen erzählen?“ fragte Stronghold?
„Darüber denke ich noch nach. Mir bleibt ja doch nichts anderes übrig, als der obersten Administration das zu schildern, was wir bisher in Erfahrung bringen konnten, nämlich so gut wie nichts. Erfreulich ist nur der gute Zustand des Raumschiffes. Auf jeden Fall werden wir die SS Hyperion in sicherem Abstand zur Firebird II rauf bringen lassen. Wenn wir unsere Mission hier beendet haben, fliegen wir zusammen mit ihr zurück zur Erde“, sagte der Commander, setzte sich hin und ließ sich von der KI einen Kanal zur Kommandoführung der Firebird II frei schalten.
Die KI kam ihm zuvor.
„Die oberste Raumschiffadministration hat eine wichtige Information für Sie, Commander. Ich habe Sie direkt durchgestellt. Sie können das Gespräch jetzt annehmen.“
***
Die Planetenforscher hatten für eine riesige Sensation gesorgt.
Nachdem der starke Regen etwas nachgelassen hatte, entdeckten die externen Bioscanner an der Außenhaut der Raumfähren schon nach kurzer Zeit an einigen Meeresküsten eine arthropodische Kreatur, die offenbar ein ausgesprochenes kulinarisches Interesse an menschlichem Fleisch hatte.
Die Außenstation wurde aufgrund dieser faszinierenden Entdeckungen unverzüglich um eine große exobiologische Abteilung erweitert, um exakte Forschungen vor Ort an dieser neu entdeckten Lebensform durchführen zu können.
Die vorwiegend marinen Lebewesen sahen aus wie jene Trilobiten, welche vom Kambrium bis ans Ende des Perm in den Urmeeren der Erde existierten.
Nur waren diese Dinger hier auf dem unerforschten Planeten um ein Vielfaches größer und schienen darüber hinaus nicht nur schnell und überaus flink zu sein, sondern verfügten offensichtlich auch über eine ziemlich hohe Intelligenz, was zumindest für jene Exemplare zutraf, die man dort unten entdeckt hatte.
Die Biologen für außerirdische Lebewesen vermuteten sogar, dass sie sich untereinander mittels eines komplizierten Lautsystems verständigen konnten. Sie krochen oft in großen Formationen bis weit ins Landesinnere, um auch dort nach Nahrung zu suchen. Es schien, als täten sie das ganz bewusst, um das Land zu erkunden. Wasser in Flüssen und Seen gab ja es überall genug.
Zum Entsetzen der Forscher fand man bei dieser besonders großen Art die sterblichen Überreste von mehr als einhundert Besatzungsmitgliedern der SS Hyperion, die den Trilobitenwesen offenbar alle im Laufe der Zeit zum Opfer gefallen waren. Dem Rest der Crew war anscheinend das gleiche Schicksal zuteil geworden. Ihre Leichen konnten allerdings nirgendwo gefunden werden und so erklärte man sie einfach für tot. Das Geheimnis des verschollen geglaubten Raumschiffes SS Hyperion und das grausame Schicksal der Besatzungsmitglieder war damit überraschend aufgeklärt worden. Man schloss die ganze Sache ab und errichtete in der Nähe ihres Landeplatzes auf dem Wasserplaneten, den man bereits „Seeworld“ getauft hatte, ein weithin sichtbares Denkmal mit den Namen all jener Männer und Frauen, die hier im Dienste der intergalaktischen Raumflotte gestorben waren. Spätere Generationen von Raumfahrern und wagemutigen Siedlern sollten sich ihrer stets erinnern.
Tief in der Mitte der SS Hyperion waren die gewaltigen kugelförmigen Wassertanks untergebracht, die immer noch randvoll gefüllt waren. Niemand ahnte etwas davon, dass sie von Millionen und Abermillionen winziger Trilobiten bevölkert waren, die darauf warteten, irgendwann auszuschlüpfen.
***
Rückblick
Was war mit der SS Hyperion wirklich geschehen?
Als die KI zusammen mit dem Autopiloten das havarierte Raumschiff auf einer Lichtung mitten im Dschungel sicher runter gebrachte hatte, stellte die überraschte Besatzung über ihre intakt gebliebenen Außenscanner sehr schnell fest, dass sie auf einem Regenplaneten notgelandet waren. Sie hatten im Prinzip Glück im Unglück gehabt.
Später schickte man Erkundungstrupps los, die damit beauftragt wurden, das kostbare Süßwasser der zahlreich vorhandenen Flüsse und Seen auf Trinkbarkeit zu testen. Es war tatsächlich für Menschen genießbar.
Obwohl das Wasser des erdähnlichen Planeten ständig auf Keime und sonstige Verunreinigungen untersucht wurde, übersah man aus noch unbekannten Gründen eine fast unscheinbar wirkende mikroskopisch kleine Substanz, die wie ein transparentes Kügelchen aussah und im Wasser nur sehr schwer erkannt werden konnte. Die Schiffsbesatzung der SS Hyperion füllte jedoch damit ihre Wassertanks neu auf und trank auch ausgiebig davon, weil man aufgrund der durchgeführten Tests das neugewonnene Frischwasser für unbedenklich hielt.
Weil man nicht wusste, wo man sich im Universum eigentlich mit dem Raumschiff genau befand und sich zudem die Positionsbestimmung durch die fremde Sternenkonstellation als ungewöhnlich schwierig gestaltete, war das reichlich vorhandene Süßwasser des Regenplaneten für die Besatzung der SS Hyperion tatsächlich zur einzigen Überlebenschance geworden. Hätte es das Raumschiff irgendwo anders hin verschlagen, wären die gesamte Crew wohl früher oder später verdurstet, da die mitgeführten Wasservorräte irgendwann aufgebraucht worden wären, trotz der Wiederaufbereitungsanlagen. Das Wasser des Planeten war demnach ihre Rettung gewesen.
Doch was bis dahin keiner der gestrandeten Besatzungsmitglieder ahnen konnte: Eine tödliche Gefahr lauerte bereits in den riesigen Wassertanks der SS Hyperion.
Aus einem Teil der winzigen Eier schlüpften nämlich bald kleine Trilobiten artige Kreaturen, die sich explosionsartig über das gesamte Trinkwassersystem des Raumschiffes ausbreiteten. Jedes Mitglied der Besatzung trank von dem Wasser, ohne zu wissen, dass es ein tödliches Geheimnis in sich barg.
Die Katastrophe nahm damit ihren schrecklichen Lauf.
Die unscheinbaren Kleinstlebewesen waren magensaftresistent und drangen schon nach kurzer Zeit über den Darm in die Blutbahn ihrer Opfer ein. Sie entwickelten sich in dem warmen Medium noch besser, als in ihren angestammten Lebensräumen, weil das Blut des Menschen vom Salzgehalt her dem Meerwasser ähnelt. Nach den ersten Todesfällen brach unter der Besatzung eine Panik aus, dann setzte schlagartig ein regelrechtes Massensterben ein, denn die schnell wachsenden Mini-Trilobiten begannen damit, ihre Opfer von Innen her aufzufressen. Die befallenen Crewmitglieder verbluteten elendig und starben innerhalb nur weniger Minuten.
Da die restlichen Überlebenden der Raumschiffsbesatzung davon überzeugt waren, dass sich der Ursprungsherd der Seuche anscheinend in ihrem eigenen Raumschiff befand, wurde es vorsorglich vollständig evakuiert. Vorher kappte man noch die Hauptenergieversorgung, indem man die wichtigsten Knotenpunktsicherungen entfernte. Damit wollte man sicherstellen, dass die KI der SS Hyperion kein SOS-Peilsignal senden konnte, um ahnungslose Raumschiffsbesatzungen auf das havarierte Schiff aufmerksam zu machen. Ihnen würde, wie man glaubte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das gleiche tödliche Schicksal widerfahren. Soweit wollte man es aber unter keinen Umständen kommen lassen.
Nicht auszudenken, wenn sich die schreckliche Seuche unbemerkt ausbreiten und möglicherweise sogar auf die Bewohner anderer Planetensysteme übergreifen würde, was man um jeden Preis verhindern wollte.
Die Erinnerungsdatenbank der KI wurde gelöscht und ein Backup angelegt, das der 1. Captain der SS Hyperion in einem kleinen Speicherwürfel am Ringfinger bei sich trug. Ausgewachsene und überaus intelligente Trilobiten verschleppten den geschwächten Offizier und hielten ihn bis zu seinem Tode in Gefangenschaft. Danach diente er ihnen als willkommene Nahrungsergänzung.
Der weitaus größte Teil der Überlebenden der SS Hyperion wurde jedoch nach und nach von wandernden Trilobiten angefallen, verschleppt und ebenfalls gefressen. Niemand der ehemals stolzen Besatzung überlebte das schreckliche Gemetzel.
Zurück blieb nur ein einsames Raumschiff, bis die SS Hyperion mehr als zwanzig Jahre später zufällig von der Besatzung der Firebird II auf dem Regenplaneten ‚Seeworld’ wiedergefunden wurde..., ihre tödliche Gefahr aber immer noch in sich tragend.
***
Eine kleine Gruppe intelligenter Trilobiten schaute aus sicherer Entfernung zu, wie sich das gewaltige Raumschiff langsam und majestätisch in den Himmel erhob. Die Antimaterietriebwerke der SS Hyperion fauchten donnernd durch die regnerische Atmosphäre und bald war das Schiff hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden.
Einer der Trilobiten zirpte plötzlich wie eine Grille.
„Glaubst du, dass unsere Nachkommen die weite Reise durchs All überstehen werden, Maakh?“
„Die Zweibeiner verfügen über einen Lichtantrieb. Sie beherrschen auch die Zeitsprungtechnik perfekt. Mach’ dir keine Sorgen, Ohook! Ich denke mal, unsere Rasse ist robust genug, dass sie auch diese schwere Prüfung unbeschadet überstehen wird.“
„Das denke ich auch“, sagte ein dritter Trilobit, der sich jetzt hoch aufgerichtet hatte und alle anderen weit überragte. Dann fuhr er fort: „Alles Wasser im Universum ist von der gleichen Beschaffenheit. Und wo diese aufrecht gehenden Wesen herkommen, da muss es Wasser in sehr großen Mengen geben. Sie tragen es sogar in sich. Sie bestehen überwiegend daraus. Unsere kleinen Trilobiten können, ohne Schaden zu nehmen, in ihrem Blut leben. Das Fleisch der Zweibeiner ist außerdem bemerkenswert saftig. Es schmeckt einfach vorzüglich. Unsere mutigen Nachkommen werden nicht verhungern. Das stimmt mich außerordentlich hoffnungsvoll. Wir Trilobiten werden einen neuen Planeten erobern. Lasst uns daher jeden Tag in demütiger Ehrfurcht an sie denken“, sagte Thoonguulu, der Trilobitenkönig und schaute dabei wehmütig nach oben in einen wolkenverhangenen Himmel, aus dem es immer noch in Strömen regnete und dadurch den freien Blick zu den Sternen verwehrte.
ENDE
(c)Heiwahoe
***
10. Die Frau in Weiß
Sind wir allein im Universum? Allein in Raum und Zeit? Allein in der Ewigkeit? Bis heute sind diese Fragen die interessantesten überhaupt, die es in der Astrophysik gibt. Doch eine schlüssige Antwort haben wir bis heute nicht gefunden. Wir Menschen können nur spekulieren. Kann im Universum noch anderes Leben entstanden sein und hat es sich bis zur Intelligenz entwickelt? Ist Bewusstsein und Intelligenz an ein Gehirn, wie das unsrige, gebunden oder kann beides auch außerhalb eines Gehirns existieren? Ich denke..., ja.
***
Die Amper nahe Fürstenfeldbruck bei Einbruch der Dunkelheit: aufsteigender Nebel; aus dem flachen steinigen Flussbett murmeln die vielen Stimmen des dahin plätschernden Wassers.
Ich war auf einem Spaziergang und hatte es gut bis zu einem abgelegenen Stück in den Amperauen bei Schöngeising geschafft. Gerade warf ich einen Blick über das vorbeifließende Wasser, als ich eine Gestalt am Ufer stehen sah.
Eigentlich nichts besonderes, doch in diesem Falle war ich sehr erstaunt darüber, denn das, was ich da sah, hatte ich nicht erwartet: eine große Blondine in einem eng anliegenden weißen Kleid, das über und über mit kleinen roten Blumen bedruckt war, die aussahen wie Rosen. Sie hätte die Zwillingsschwester von Marilyn Monroe, dieser verstorbenen, legendären US-amerikanischen Schauspielerin sein können, die ich mal irgendwo auf einem alten schwarz-weiß Poster gesehen habe, wie sie mit gespielter Laszivität versucht, ihren nach oben wehenden Rock zu bändigen, um der lüsternen Männerwelt das vorzuenthalten, wonach sie naturgemäß dürsten.
Die unbekannte Frau stand zögernd im ufernahen Gebüsch und fingerte mit ihren Händen ziemlich nervös an den Seiten ihres Kleides herum, gerade so, als ob ihr daran nichts gefallen würde. War ihr das deplatzierte Outfit peinlich? Ich vermutete jedenfalls so was ähnliches in diesem Moment. Aber vielleicht gab es ja auch noch andere Gründe für ihr ungewöhnliches Verhalten.
Wie auch immer. Sie hatte mich jedenfalls ziemlich stark abgelenkt, sodass ich für einige Augenblicke nicht so recht wusste, warum ich überhaupt hier draußen in der grünen Wald- und Wiesenlandschaft herum spazierte.
„Hallo“, sagte ich halblaut etwas verlegen und ging einige Schritte auf sie zu.
Sie antwortete mir nicht.
Ich bemerkte rein zufällig ihren wuchtigen Unterkiefer, der sie irgendwie unvorteilhaft erscheinen ließ und einfach nicht zu ihrer Gesamterscheinung passen wollte. Aber sie hatte eine unglaublich schöne Haut.
Die ganze Zeit über war ich mir bewusst, dass sie mich beobachtete. Ich empfand das als grobe Unhöflichkeit, zumal sie auf meine freundliche Begrüßung nicht reagierte. Vielleicht war sie nicht von hier oder verstand meine Sprache nicht, fiel mir dazu ein. Ich sinnierte darüber nach, warum sich eine derart schicke Frau in den matschigen Boden eines Flussufers stellte, nur um vorbeigehende Spaziergänger anzustarren.
Schließlich ging ich mit der nötigen Zurückhaltung weiter auf die blonde Schönheit zu.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ fragte ich sie direkt, als ich sie fast erreicht hatte.
Ich empfand nicht die geringste Vorahnung einer drohenden Gefahr.
Dann stand ich unmittelbar vor ihr, sozusagen von Angesicht zu Angesicht. Auch sie bewegte sich ein Stück auf mich zu und kam mir jedoch für meinen Geschmack viel zu nah, sodass ich gleich wieder einen Schritt zurückwich, um die neu eingetretene Situation nicht peinlich erscheinen zu lassen. Dafür konnte ich sie jetzt aber umso besser erkennen.
Anscheinend musterte sie mich ebenfalls interessiert von oben bis unten.
Sie war größer als ich, und ihre Augen waren dunkle, schattenhafte Löcher, als wären sie zu stark geschminkt worden. Um die breiten Lippen hatte sie einen hinterhältigen Zug, und aus der Nähe betrachtet verlor ihre Schönheit schnell an Faszination. Um ehrlich zu sein, war ich mehr als enttäuscht. Vielmehr rief in mir diese unbekannte Frau irgendwie eine unbestimmte, nicht näher erklärbare Angst hervor.
Ich schaute mich deshalb vorsichtig um und musste feststellen, dass ich mit ihr ganz allein hier am Flussufer stand. Weit und breit war niemand zu sehen und jede Hilfe fern.
Es wurde langsam noch dunkler.
Schattenhaft konnte ich die Konturen ihrer Muskeln sehen; offensichtlich war sie kräftig. Die komische Vorstellung drängte sich mir auf, dass diese Frau möglicherweise ein Produkt hinterwäldlerischer Inzucht sein könnte, da sich besonders in dieser Gegend in den letzten Jahren immer mehr Fremde herum trieben. Es konnte durchaus sein, dass sie eine von diesen herumvagabundierenden Personen war.
Dann roch ich etwas Schreckliches. Ich war wie vom Donner gerührt und beinahe hätte es mich umgehauen. Ein vertrauter und doch lähmender Geruch nach Schwefel haftete diesem weiblichen Geschöpf an.
Wieder stieg eine unbestimmte Furcht in mir hoch. Mein Gefühl sagte mir, dass hier irgendwas nicht stimmte. Ich wollte nur noch weg.
Anstatt zurück zum Wanderweg zu laufen, sprang ich einfach vom seichten Ufer hinab in den Fluss, der an dieser Stelle um diese Jahreszeit sehr niedrig war. Mühselig kämpfte ich mich mit meinen klobigen Wanderschuhen durchs fließende Wasser, indem ich mich vorsichtig über das flache Kiesbett vorwärts tastete, so schnell es mir nur möglich war. Hier gab es überall von der Strömung ausgespülte Strudeltöpfe.
Die seltsam anmutende Blondine schien mir zu folgen. Ängstlich schaute ich zu ihr hinüber, wobei ich voller Entsetzen noch aus dem Augenwinkel mitbekam, dass sich ihr makelloser Körper scheinbar unablässig und Schritt für Schritt in ein außerirdisches Wesen veränderte, das aussah wie ein Alien mit Teller großen Augen, schlankem Hals und einem oval geformten Schädel.
Am anderen Ufer angekommen griff ich in panischer Angst nach einem herab hängenden Busch und zog mich daran hoch. Ich stieß auf ein Gewirr von herum liegenden morschen Ästen und losen Zweigen im Unterholz. Ich sah nichts mehr und rannte kopflos in die wachsende Finsternis hinein, bis mich schließlich eine knorrige Wurzel zu Fall brachte.
Meine Gedanken kreisten wie ein Wirbelwind im Kopf herum, als ich auf dem feucht-kalten Waldboden lag. Dieser komische Geruch. Aber das war doch eine Frau, eine ganz normale Blondine, wie man sie überall antreffen kann, dachte ich halb benommen. Wieso kann sie sich ein Alien verwandeln? So was kann es nicht geben. Nie und nimmer, dachte ich.
Ich rappelte mich schnell wieder auf und schaute hinüber auf das vorbeifließende Wasser der trübe glitzernden Amper. Ich war schon ziemlich weit von der Stelle weg, wo ich das unheimliche Wesen gesehen hatte.
Offenbar hatte ich die Kreatur abgehängt. – Dachte ich jedenfalls.
Dieser auffällige Geruch – nie werde ich ihn vergessen, und wenn ich alt wie ein Methusalem werden sollte.
Dann sah ich hinter mir das kurze Aufflackern eines Lichtscheins.
Ich verlor keine Sekunde. Das unheimliche Wesen verfolgte mich hartnäckig wie der böse Wolf das scheue Reh.
Ich rannte noch weiter vom Fluss weg. Ich musste schnell machen, sonst konnte ich sie seitlich nicht umgehen, denn ich wollte wieder zurück auf die andere Seite der Amper, wo sich der Wanderweg befand.
In der Dunkelheit knackten auffällig hinter mir einige trockene Äste und dürre Zweige. Mir wurde buchstäblich schwindlig vor Angst.
Ich lief noch weiter in den Wald hinein, zerriss mir dabei Jacke und Hose und schürfte mir die Hände blutig.
Die Frau in Weiß, jetzt zu einem außerirdischen Alien mutiert, war mir immer noch dicht auf den Fersen und..., sie kam näher. Wie ein Geist schien sie mit Leichtigkeit durch die Bäume und Sträucher zu huschen, wobei ihr das sporadisch aufleuchtende Licht offenbar der Orientierung diente. Auch glaubte ich zu hören, dass sie einen Laut von sich gab, das wie ein schwaches Pfeifen klang.
Plötzlich stürzte ich eine baumlose Anhöhe hinunter und rutschte in eine mit hohem Laub bedeckte Waldmulde, die von einem kleinen Felsvorsprung überdeckt wurde. Ich presste mich instinktiv fest auf den Boden liegend in eine kleine Nische am Fuße des Felsens.
Nur wenige Sekunden später konnte ich aus dem Blickwinkel heraus meine außerirdische Verfolgerin deutlich am oberen Rand der Mulde wie einen dunklen Schatten erkennen. Ihr schwefelartiger Geruch drang mir in die Nase. Sie bewegte sich nicht und war ganz still. Ich konnte sie sogar atmen hören. Sie lauschte.
Wieder blitzte ein heller Lichtstrahl über mir auf.
Ich schob mich noch weiter unter den Felsen, scharrte so leise es ging Laub über meinen Körper und verhielt mich ganz ruhig.
Kurz darauf sah ich eine knöcherne Hand über dem kleinen Felsvorsprung hervor schießen, gefolgt vom ovalen Kopfansatz der außerirdischen Kreatur. Sie war also schon da und hatte mich die ganze Zeit scheinbar wie eine blutrünstige Jägerin verfolgt. Sobald ihre Augen über der kleinen Felskante auftauchten, würde sie mich sehen.
Mir stockte der Atem.
Ich zwang mich noch weiter an den schroffen Fels und unter das feucht faule Laub. Ich wollte so tief wie möglich darunter kriechen, bis ich vollständig darin verschwunden war. Moos und Erde rutschten mir in den Mund. Krabbelnde Insekten verhedderten sich in meinen Haaren und krochen mir in den Nacken hinab.
Dann schien plötzlich etwas ganz in meiner Nähe zu sein. Überall um mich herum hörte ich ein seltsames Keuchen und Rascheln.
Ich war wie gelähmt und verhielt mich mucksmäuschenstill. Auf einmal nahm ich kurz hinter einander drei gedämpfte Schreie wahr. Sie hatten irgendwie einen zärtlichen Ton, doch in meinen Ohren klang es wie die Liebe des Löwen zu einer scheuen Gazelle oder wie die Liebe einer hungrigen Riesenschlange zum verängstigten Kaninchen.
Die drei Schreie wurden wiederholt, diesmal aus kürzer Entfernung. Es waren drängende, verführerische Laute.
Da.
Mir standen die Haare zu Berge. Eine Gänsehaut überzog meinen zitternden Körper.
Knochige Hände schlossen sich von einer Sekunde auf die andere unvermittelt um meine beiden Fußgelenke. Ich strampelte mich verzweifelt mit einem Ruck los und schrie laut auf. Ein heftiger Wind umwehte mich daraufhin. Ich schlug mit den Armen um mich und schrie wie von Sinnen.
Dann fiel ich scheinbar ins Bodenlose. Ich schlug nirgendwo auf; ich fiel und fiel und fiel.
Schlagartig HELLIGKEIT, als würde jemand einen Lichtschalter betätigen.
Ich öffnete meine Augen und betrachtete zu meiner allergrößten Überraschung eine großartige Aussicht. Ich verstand gar nichts mehr. Wo war die mit dichtem Laub bedeckte Mulde und dem kleinen Felsen im nächtlichen Auenwald geblieben?
Träumte ich nur alles?
Ich erhob mich über den spätabendlichen Sonnenuntergang hinaus in die wolkenlose Atmosphäre und befand mich kurz darauf im hellen Tageslicht, das zu erreichen sich aufsteigende Lerchen bemühten.
Das pure Entsetzen erfasste mich über diesen plötzlichen Ortswechsel. Ich war derart überwältigt, dass ich auf eine primitive Stufe der Entwicklung zurückfiel. Mein Menschsein zerbröckelte. Ich spürte, wie die Hülle der menschlichen Natur wie ein dünnes Kostüm von mir abglitt und mit dem Wind davon flatterte.
Ich heulte wie ein kleines Kind. Aber meine lauten Schreie verhallten ungehört. Hier oben hörte mich niemand.
Nichts hielt mich auf oder begrenzte mich in irgendeiner Weise. Ich befand mich noch immer im freien Fall. Oder war es genau umgekehrt? Wurde ich nach oben gerissen?
Die unzähligen Lichter meiner schönen Stadt an der sich durch die weite Landschaft schlängelnden Amper verschwanden abrupt in der umfassenden Dunkelheit einer aufsteigenden Erdkugel. Als ich versuchte zu atmen, schien das anfangs nur schwer zu funktionieren. Doch ich riss mich zusammen. Die Kälte kroch mir unter die Haut. Ich fror wie ein Schneider.
Was hatte man mit mir vor? Wer oder was tat mir das an?
Dann bemerkte ich etwas seltsames.
Um mich herum war kein Wind zu hören, obwohl ich fiel. Aber wohin? Nach oben oder unten oder zur Seite? Ich wusste es nicht, weil ich meinen Orientierungssinn total verloren hatte.
Meine Haut fühlte sich an, als würde sie sich spannen. Meine Augäpfel traten heraus.
Die Welt unter mir war ein einziger purpurfarbener Schatten, zweigeteilt durch eine leuchtende Linie des Sonnenlichts. Auf der einen Seite breitete sich der Abend über das weite Land, und auf der anderen Seite ruhte es gleichzeitig im Licht des Tages. Ein ungewöhnlicher Anblick.
In meinem Körper rumorte es plötzlich. Mein Magen verkrampfte sich, meine Knie wurden weich und schlotterten unkontrolliert hin und her. Mein Herz pochte in meinem Brustkorb wie nach einem Tausend-Meter-Lauf. Ich hatte das Gefühl, dass sich meine Kehle langsam aber sicher zuschnürte. Es gab kein Entrinnen für mich. Ich dachte schon, ich müsste sterben. Weißer Schaum flog mir vom Mund, und genau in diesem Augenblick allerhöchster Pein meinte ich, wieder auf dem Boden zu sein.
Ich hustete und würgte; ich konnte den Brechreiz nicht mehr zurückhalten. Das Zusammenwirken von Schock, Kälte und Sauerstoffmangel hatte offensichtlich diese heftige Reaktion hervor gerufen. Ich erlitt einen Anfall, spuckte und keuchte, bis ich beinahe daran erstickt wäre.
Ganz langsam erholte sich schließlich mein Körper wieder. Nach einiger Zeit hatte ich mich dann soweit im Griff, dass ich klar denken konnte. Ich stemmte mich auf die Beine. Scheinbar befand ich mich in einem total finsteren Raum, alles um mich herum war pechschwarz. Nichts konnte ich erkennen, noch nicht einmal meine Hand vor mein Gesicht.
Ich erinnerte mich daran, dass ich ein Benzinfeuerzeug in meiner Tasche mit herum trug. Ich holte es heraus und rieb den Feuerstein.
Dann erschrak ich bis aufs Innerste meiner Knochen. Einen Augenblick lang verstand ich nicht, was ich da in der zitternden Flamme erblickte.
Waren das Raumanzüge? Reihen von glitzernden Objekten lösten sich wie von selbst auf: Dutzende von riesigen Augenpaaren glotzten mich aus der schummrigen Dunkelheit an.
Mit einem Schreckensgebrüll schleuderte ich das Feuerzeug vom mir weg, mitten in die mich anstarrenden Augen hinein. Ich machte einen Satz nach hinten, aber die Augenwesen verfolgten mich und griffen sogar mit ihren knöchernen Fingern nach mir. Bald spürte ich, wie sich ihre Klauen in meine Haut krallten.
Ich wusste nicht, was das für Kreaturen waren, aber ihre langen Arme fühlten sich irgendwie pflanzlich an, fast so wie biegsame Lianen.
Ich schrie und kämpfte um mein Leben wie ein wildes Tier in der Falle.
Immer wenn ich nach den aufdringlichen Augenwesen schlug, zogen sie sich ins Dunkel zurück. Danach herrschte für eine Weile absolute Ruhe.
Ich kämpfe mit der Kraft eines Wahnsinnigen. Beim Atmen brannten mir die Lungen, und meine Beine wackelten vor Erschöpfung. Um mich herum gurrte und wisperte es, und direkt in meinem Kopf hörte ich eine Frau, die ein sanftes Lied in einer unbekannten Sprache sang.
Ich spürte, wie ihre weichen Hände über meinen Rücken glitten. Eine der Kreatur zog mich näher zu sich heran. Ich war vom dauernden Kämpfen so erschöpft, dass ich die Arme nicht mehr hochbrachte.
Dann stand noch jemand hinter mir, und noch einer und noch einer. Es wurden anscheinend immer mehr.
Ich war umzingelt und schrie mit aller Kraft, so laut ich konnte.
Die unbekannten Wesen gurrten und wisperten in einem fort, und schließlich sprach eine Stimme zu mir. Es war fast so, als spreche ein Automat.
„Was müssen wir tun, damit du aufhörst zu schreien?“
Ich hörte nicht auf ihre Worte, sondern schrie einfach weiter. Nichts konnten sie für mich tun. Irgendwann versagten schließlich meine Stimmbänder und meine Schreie gingen in ein armseliges Krächzen über, bis ich gänzlich verstummte.
Ich kippte nach hinten weg und fiel der Länge nach auf den Boden. Die außerirdischen Wesen waren jetzt überall und streichelten mich mit ihren weichen, knöchern aussehenden Händen am ganzen Körper.
Sie redeten in meiner Sprache zu mir.
„Sollen wir dich ausziehen oder willst du das lieber selbst machen?“
Die Stimme war ohne Atem und klang etwa wie die eines zwölfjährigen Kindes.
Dann wieder ein gleißend heller Lichtblitz.
Von einer Sekunde auf die andere befand ich mich auf einem goldgelben Stoppelfeld, weit ab einer kleinen Siedlung, wo ich früher einmal in meiner Jugendzeit gewohnt hatte. Dann sah ich das Buchenwäldchen, das dunkel vor mir lag. Ich spielte Cowboy und Indianer mit meinen damaligen Schulfreunden. Wir hatten uns versteckt, als plötzlich diese außerirdischen Wesen wie aus dem Nichts vor mir standen und mich zu sich hochzogen.
Ich war damals noch ein kleiner Junge gewesen, und sie hatten mich getragen. Ja, sie hatten mich getragen. Ich konnte es mir bis heute nicht erklären, warum sie es getan haben. Dann muss ich wohl bewusstlos geworden sein. Später fanden mich meine Freunde schlafend am Waldrand vor. Meine rechte Körperseite war stellenweise blau angelaufen und schmerzte fürchterlich. Alle glaubten, ich sei vom Baum gefallen und hätte mich dabei verletzt.
Wie im Fieberwahn fing ich wieder an zu schreien.
„Lasst mich endlich in Ruhe. Ihr..., ihr...“
Die fremden Wesen fingerten abermals an mir herum, zogen mir die Jacke aus und öffneten mein Hemd. Ich vernahm ein schnelles Atmen und schnell hintereinander folgende kurze Schnapplaute. Dann zog man mir die Hose und den Rest meiner Kleidung aus. Offenbar wurde ich von ihnen eingehend untersucht. Hin und wieder summte eine Apparatur im Hintergrund und ein blaues Licht tastete meine Haut ab.
Ich spürte, wie man vehement an mir herum fummelte. Es gab ein Geknuffe und Gezerre. Nach einer Weile war Schluss damit.
„Ihr habt mich ausgezogen. Warum tut ihr das? Mir ist kalt.“
„Wir sind auch nackt“, antworteten sie.
Dann fuhr einer von ihnen fort. „Erinnerst du dich überhaupt nicht mehr an uns? Wir haben dich schon oft besucht, Erdenkind. Sieh her!“
Ich erblickte plötzlich mein kleines gelbes Holzauto. Es stand da, von einem pulsierenden Lichtkranz umgeben. Der verlorene Schatz meiner Kindheit. Ich hatte so sehr daran gehangen. Ich streckte meine Hand danach aus und legte sie behutsam darauf. Ja, es war wirklich mein über alles geliebtes gelb farbenes Holzauto, das ich im Alter von etwa vier oder fünf Jahren verloren hatte.
Noch viele Jahre später hatte ich davon geträumt. Ich habe es lange Zeit vermisst. Wie niedlich es doch war. Tränen liefen mir über die Wangen. Mein Herz tat mir weh, als ich es liebevoll von allen Seiten betrachtete. Dann verschwand es langsam wieder vor meinen Augen.
Schon damals waren diese fremden Wesen also bei mir gewesen. Ich erinnerte mich daran, wie ich als kleines Kind von ihnen besucht worden bin. Ich war mit ihnen zusammen geflogen..., ja geflogen. Sie haben mich in ihrem Raumschiff mitgenommen und danach wieder zurückgebracht.
Wieder ein heller Lichtblitz.
Ich war plötzlich allein und stand einsam auf dem schmalen Wanderweg in den nächtlichen Amperauen zwischen Fürstenfeldbruck und Schöngeising.
Obgleich ich rein körperlich die einzig anwesende Person war, hatte ich nicht das Gefühl, geistig allein zu sein. Von überall her hörte ich flüsternde Stimmen und leise Kommandos. Es war so, als würde unmittelbar vor mir ein unsichtbares Raumschiff gestartet. In der abendlichen Stille vernahm ich die verstümmelten Botschaften einer außerirdischen Rasse, die von ganz weit her irgendwo aus einer Ecke des Universums zu uns Menschen auf die Erde gekommen war.
Wie lange taten sie das schon, diese fremden Besucher aus dem All?
Vielleicht schon länger, als es uns Menschen auf der Erde gibt?
Irgendwann, wenn ich einmal alt und grau geworden bin, werden sie mich bestimmt für immer mitnehmen.
Es war einmal ein hochbegabter Professor namens Daniel Düsenberg, der in seinem einsam gelegenen Haus, weit am Rande einer Großstadt, zurückgezogen lebte und in seiner alten Garage im Laufe vieler Jahre heimlich eine Zeitmaschine konstruiert hatte, die jetzt fertig da stand.
Es kam der Tag, an dem er sie praktisch ausprobieren wollte, ob sie auch funktionierte, wie er sich das ausgedacht hatte.
In einer mondhellen Nacht, es war bereits weit nach Mitternacht, als die meisten Menschen schon schliefen, entschloß sich der Professor dazu, seine Zeitmaschine in der Garage ans hiesige Stromnetz der Stadt anzuschließen, um sie mit elektrischer Energie versorgen zu können. Er wollte seine Erfindung endlich testen und einen Zeitsprung wagen.
Gesagt, getan.
Als er den klobigen Lastschalter an der Rückwand seiner Garage vorsichtig nach oben drückte und damit den Stromkreis schloß, fing auch schon kurz danach die Zeitmaschine geheimnisvoll an zu brummen, wobei fast alle Zeiger auf dem Schaltpult schlagartig in den grünen Bereich ausschlugen, die damit anzeigten, dass seine Erfindung wie geplant in den betriebsbereiten Zustand überging.
Der Professor hatte sich vorsorglich einen ausgedienten Raumanzug besorgt, den er sich aus Gründen der Sicherheit angezogen hatte, und der ihn vor lebensbedrohlichen Ereignissen beim Zeitsprung schützen sollte. Dann setzte er sich in die Mitte der Zeitmaschine in einen bequemen Lederstuhl und schnallte sich an. Als alles bereit war, schob er langsam den Energiehebel vor sich immer weiter auf volle Leistung, den er schließlich bis zum Anschlag durchdrückte.
Schon kurz danach gab es einen ziemlich lauten Knall, der so heftig war, sodass der Professor erschrocken zusammenzuckte. Die Zeitmaschine fing im hinteren Bereich an zu qualmen, lief aber laut brummend weiter. Der beißende Rauch verteilte sich jedoch so schnell in der ganzen Garage, dass der Professor sie überstürzt verlassen musste, um nicht zu ersticken.
Als er die Garagentür ganz geöffnet hatte, trat er hinaus ins Freie, legte den schweren Helm seines Raumanzuges ab und sah zu seiner großen Überraschung, dass er mit seiner Zeitmaschine ganz in der Nähe einer großen, futuristisch aussehenden Stadt angekommen war, die vor ihm in einer weiten, grünen Ebene lag. Überall surrten Flugmaschinen der unterschiedlichsten Bauformen in großer Höhe über seinen Kopf hinweg, die in alle Richtungen flogen.
Als der Professor sich umdrehte, um nach der Zeitmaschine in der Garage zu sehen, war diese aber nicht mehr da. Auch sein schönes Haus, in der er fast sein ganzes Leben verbracht hatte, stand nicht mehr an seinem Platz und war nur noch ein einziges Trümmerfeld. Hier und da ragten noch die zerbröselten Überreste eines alten Fundamentes aus dem Boden, das jetzt allerdings mit Bäumen und Sträuchern überwuchert war. Der Professor stand wie angewurzelt da und konnte nicht sagen, wie das durch den Zeitsprung passieren konnte. Er fragte sich daher, ob wohlmöglich ein Fehler eingetreten war.
Plötzlich kam ein stromlinienförmiges Fahrzeug ohne Räder auf einer alten, mit Schlaglöchern übersäten Straße auf ihn zu, das nur wenige Meter vor ihm mit aufheulendem Motor stehen blieb.
Die Fahrertür öffnete sich und ein Mann stieg aus, der genau so aussahe wie er selbst. Dann kam der Mann mit langsamen Schritten näher und blieb schließlich direkt vor ihm stehen.
„Sie sind doch Professor Daniel Düsenberg und haben eine Zeitmaschine konstruiert, mit der sie in die Zukunft durch die Zeit und in eine andere Welten reisen können, nicht wahr? Nun, ich weiß alles über Sie, Herr Professor. Ich sage es Ihnen gleich: Sie können hier nicht bleiben, denn Sie sind ausgerechnet in meine Welt gekommen, in der ich ihr Doppelgänger bin. Ach so, darf ich mich der Höflichkeit wegen kurz vorstellen? Ich bin Professor Daniel Düsenberg und Erfinder der Zeitreisen. Es kann daher nur einen von uns geben, Herr Professor. Das werden Sie doch verstehen – oder? Ich möchte nämlich gerne in meiner Welt bleiben. Deshalb muss ich sie leider umbringen, so leid es mir tut. Sie haben hier nichts zu suchen“, sagte der Mann.
Der unfreundliche Besucher vor ihm, der sich ebenfalls als Professor Daniel Düsenberg ausgab und wie ein Kopie von ihm selbst aussah, hielt plötzlich einen Revolver in seiner rechten Hand und schoß noch im gleichen Moment ohne Vorwarnung auf den völlig verdutzt da stehenden Professor, der nicht wusste, wie ihm geschah.
Das abgefeuerte Projektil traf den vor Schreck erstarrten Zeitmaschinen-Erfinder mitten ins Herz, der jetzt mit einem lauten Schrei die Hände noch oben riß und wie ein nasser Sack Mehl nach hinten weg kippte. Mit einem dumpfen Geräusch schlug der Getroffe zuckend am ganze Körper auf den harten Boden auf und war sofort tot.
Sein Doppelgänger, Professor Daniel Düsenberg, steckte nach der Mordtat den schweren Revolver wieder in seine Jackentasche zurück und ging zu seinem Wagen hinüber, der ohne Räder leise surrend über dem Boden schwebte. Bevor er wieder ins Fahrzeug stieg, dreht er sich noch einmal zu seinem Ebenbild um, der aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt gekommen war, dessen Körper sich jetzt auf einmal langsam, wie in Zeitlupe, aufzulösen begann.
Der Professor hatte ein Zeitparadoxon verhindert und empfand keine Reue, dass er sein Gegenüber brutal erschossen hatte.
Dann stieg er in seinen laufenden Schwebegleiter ein und fuhr mit aufheulender Turbine zurück in sein einsam gelegenes Haus, das irgendwo am äußersten Rand einer futuristisch aussehenden Stadt lag, wo er heimlich in seiner Garage an einer neuen Zeitmaschine arbeitete, mit der er nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit von anderen Parallelwelten reisen konnte.
„Ich werden den Professor in seiner Zeit und in seiner Welt wohl besuchen müssen, um ihn daran zu hindern, dass er mit seiner Zeitmaschine fertig wird. Ich werde sie zerstören, um ihn daran zu hindern, dass er in meine Zeit bzw. in meine Welt gelangt. Damit werde ich es erreichen, ihn nicht erschießen zu müssen. Das bin ich meinem Doppelgänger schuldig, der ein begabter Erfinder ist, so wie ich“, murmelter er halblaut vor sich hin, drückte den Gashebel der Turbine seines Gleiters ganz durch, verließ die alte, mit Gras bewachsene Seitenstraße und bog schließlich auf die hell erleuchtete Autobahn ein, die ihn zu seinem Haus am fernen, einsam da liegenden Stadtrand bringen würde, wo seine Zeitmaschine in der Garage auf ihn wartete.
ENDE
(c)Heiwahoe
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12. Der Königsandroide
"Jahrzehntelang erforschte ich den Planeten TELLOGG und entdeckte immer wieder Aufregendes. Doch die Jahre gingen dahin, und bald merkte ich, wie der Zahn der Zeit auch an mir unaufhörlich nagte. Ja, die Menschheit hat das Universum erobert aber gleichzeitig auch den Tod überall mit hingenommen, den jedes einzelne Individuum als biologisches Erbe in sich trug."
Peter Rosenberg
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Hier draußen auf dem weiten Landeplatz mit seinen Staub überzogenen Positionslichtern hatte die Stille schon seit vielen Jahrzehnten ein festes Zuhause. Nur das leise Dauerrauschen der mannshohen Rotoren der Frischluftanlagen im Hintergrund der riesigen Betongebäude störte ein wenig die unheimliche Ruhe der einsam daliegenden Planetenstation, die sich weit draußen irgendwo in den unendlichen Weiten des Universums auf dem Planeten TELLOGG befand, der eine für den Menschen weitestgehend lebensfreundliche Atmosphäre besaß und über eine äußerst exotische Flora und Faune verfügte.
Es gab sogar monströs aussehende Fleisch fressende Pflanzen, die leicht einen ausgewachsenen Menschen verspeisen konnten. Sie lebten gerne in sandigen Gegenden, wo sie sich tief im Boden eingegraben hatten und oft viele Wochen lang geduldig auf ihre Beute warteten. Deshalb mied ich diese wüstenähnlichen Gebiete tunlichst und machte meist einen weiten Bogen um sie herum, wenn ich hin und wieder die Station ROSENBERG mit einem der robusten Antigravitationsgleiter (kurz von mir AGG genannt) verließ, um die abwechslungsreichen, kontinentalen Landschaften des Planeten zu erkunden.
Ich suchte allerdings stets nach irgendwelchen größeren Hügeln im offenen Gelände, die mit genügend festem Untergrund ausgestattet waren und mir für den schweren AGG als Landeplatz ausreichend geeignet und entsprechend sicher erschienen.
Von solchen Stellen aus unternahm ich zusammen mit meinem Androiden TRION ausgedehnte Märsche in die umliegende Gegend, aber nur zusammen mit ihm, weil dieser künstliche Mensch über Kräfte verfügte, die einem hydraulisch arbeitenden Bagger gleichkamen. Da TRION fast drei Meter groß war, saß ich deshalb die meiste Zeit oben auf seinem breiten Rücken in einem durchsichtigen, Kabinen ähnlichen Rucksack und beobachtete von dieser Warte aus die weite, sich bis zum fernen Horizont ausbreitende, grüne Dschungellandschaft.
Außerdem verfügte TRION über einige gefährliche Waffen, wie z. B. einen Hochenergie-Impulslaser und über eine unbestimmt Anzahl dieser faustgroßen und flugfähigen Antimaterie-Granaten, die eine fürchterliche Explosionswirkung entwickeln konnten. Schon allein mit diesen Dingern war es ihm möglich, eine kleine Armee aufhalten zu können. Der Androide war damit sozusagen meine wichtigste Lebensversicherung, denn seine unglaublichen Fähigkeiten ließen seine Einsatzmöglichkeiten schier unbegrenzt erscheinen.
Der Name der Station hieß früher übrigens ASS-TG 6422. Irgendwann habe ich sie einfach "Rosenberg Station" genannt, weil ich glaubte, dass es für mich besser war, wenn sie meinen Namen trug. Dafür hatte ich meine ganz persönlichen Gründe, denn nach so langer Zeit war sie zu meinem einzigen Zuhause geworden..., so unendlich weit von Mutter Erde entfernt.
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Auf TELLOGG gab es immer viel Neues zu entdecken. So gesehen wurde es mir auch nie langweilig. Auf meinen ausgedehnten Entdeckungsreisen, in die völlig unberührte Natur dieses außergewöhnlichen Planeten, traf ich bisweilen auf gewaltige Gebirgsketten mit mehr als achttausend Meter hohen, schneebedeckten Gipfeln von außergewöhnlicher Schönheit. Am Fuße der Berge gab es tiefe Täler und ungestüm dahinfließende Wildbäche, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben gesehen habe. Sie wurden auf beiden Seiten von einer unglaublich bizarren und schier undurchdringlichen Pflanzenwelt gesäumt, in die ich mich allerdings nicht rein traute, auch in Begleitung meines Beschützers TRION nicht, denn diese wilde Dschungellandschaft erschien mir irgendwie außerordentlich heimtückisch und gefährlich zu sein, auch deshalb, weil es in ihr ziemlich viele fressgierige Tiere gab, die bestimmt selbst vor dem Verzehr von menschlichem Fleisch nicht zurückschrecken würden. Manche von ihnen schienen sehr intelligent zu sein, und ich konnte nur von Glück reden, dass die gesamte Station von einer fast vier bis fünf Meter hohen Steinmauer umgeben war, die zusätzlich rundherum durch eine große Anzahl empfindlicher Annäherungssensoren abgesichert wurde. Bei drohender Gefahr schossen die Lasergeschütze der zahlreich vorhandenen Verteidigungstürme mit tödlicher Sicherheit automatisch und ohne Vorwarnung auf alles, was sich in unberechtigter Weise der Station näherte oder möglicherweise sogar in sie eindringen wollte.
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Wie ich im Laufe meiner Erkundungsreisen herausfand, gab es auf TELLOGG insgesamt fünf kleinere Kontinente, die durch gewaltige Meere voneinander getrennt waren. Zwischen den weit auseinander liegenden Landmassen entdeckte ich zahllose große und kleine Inseln. Auf den größeren davon gab es imposant aussehende Vulkane, die äußerst aktiv waren. Manche dieser beeindruckenden Feuerberge schleuderten Massen von glühender Lava in die Luft und dicke Rauchwolken verfinsterten zusätzlich den Himmel bis hin zum Horizont, sodass ich mit meinem AGG diesen gefährlichen Bereich stets weit umfliegen musste.
Der größte Kontinent bestand, einmal abgesehen vom Meerwasser umspülten Küstenbereich, nur aus trockenen Wüsten und kargen Steppen. Trotzdem gab es hier üppig gedeihendes Leben, wie z. B. diese gefährlichen Fleisch fressenden Pflanzen, vor denen man sich ganz besonders in Acht nehmen musste.
Jahrzehntelang erforschte ich den Planeten TELLOGG und entdeckte immer wieder Aufregendes. Doch die Jahre gingen dahin, und bald merkte ich, wie der Zahn der Zeit auch an mir unaufhörlich nagte. Ja, die Menschheit hat das Universum erobert aber gleichzeitig auch den Tod überall mit hingenommen, den jedes einzelne Individuum als biologisches Erbe in sich trug.
***
Nun, nach irdischer Zeitrechnung schrieb man heute den 21. Juni des Jahres 4920. Ich bin also schon seit über siebzig Jahre hier allein auf dem Planeten TELLOGG. Diese vollautomatisch arbeitende Außenstation wurde genau im Jahre 4800 funktionstüchtig fertig gestellt. Für sie war zu einem späteren Zeitpunkt unter anderem auch eine militärische Bedeutung vorgesehen. Die zahlreich vorhandenen unter dem Boden liegenden Abschussrampen für die atomar bestückten Abwehrraketen stehen aber heute noch leer und waren somit völlig nutzlos geblieben. Gegen einen bewaffneten Angreifer aus dem All gab es somit überhaupt keine all zu großen Verteidigungsmöglichkeiten. Die Lasertürme oben auf der Schutzmauer konnten die Station zwar auch effektiv verteidigen, wozu sie bestimmt in der Lage gewesen wären, aber einem massiv geführten Angriff würden auch sie bestimmt nicht dauerhaft standhalten können.
Gott sei Dank hat die Rosenberg Station seit ihrer Fertigstellung bis heute aber nie auch nur einen einzigen direkten Angriff erfahren, was sicherlich einzigartig war, denn die intergalaktische Föderation hatte sich auch einige schlimme Feinde im Universum gemacht, die danach trachteten, alles was menschlich war gnadenlos zu vernichten.
***
Ich erinnere mich an die Zeit, als ich zum ersten Mal meinen Fuß auf diesen Planeten setzte.
Ich wurde von der galaktischen Flottenleitung im Jahre 4850 als Wartungstechniker nach TELLOGG zur Station Rosenberg abkommandiert, da war ich gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt. Doch kurz nach meiner Indienststellung kam alles ganz anders, als die meisten von uns wohl gedacht hatten. Eine gefährliche Konfrontation zwischen den PLEJANERN und der intergalaktischen Föderation bahnte sich an.
Als der große galaktische Krieg 4851 schließlich begann, verließen alle Besatzungsmitglieder mit dem einzig noch verfügbaren Raumschiff fluchtartig den Planeten TELLOGG, weil sie einen Hyperfunkspruch mit der dringenden Warnung erhalten hatten, dass wohl mehrere feindliche Kampfschiffe der PLEJANER bereits auf dem Weg zu unserer Station waren, um sie zu vernichten.
Plötzlich ging alles sehr schnell. Innerhalb weniger Stunden war die gesamte Anlage menschenleer und ohne Personal. Komischerweise griffen die PLEJANER aber nie an, weil einfach keine kamen. Mich hatte man allerdings Mutterseelen allein zurück gelassen. Der Grund dafür war einzig und allein der, dass ich mich damals ziemlich weit unten im elektrischen Turbinenraum der Zwillingskernfusionsreaktoranlage befand und von der überstürzten Flucht der übrigen Stationsbesatzung einfach nichts mit bekommen hatte. Mehr als 120 Männer und Frauen waren in panischer Angst vor den zu erwartenden Angriffen der PLEJANER geflohen, die für ihre grausame, überaus gnadenlose Brutalität gegenüber der menschlichen Rasse überall im Universum bestens bekannt waren. Und so kam es, dass ich plötzlich ganz allein war und nicht wusste, ob mich ein Rettungsteam der Föderation hier von TELLOGG jemals wieder abholen würde.
Ich selbst habe eigentlich nie in Erfahrung bringen können, was der Besatzung mitsamt ihrem Raumschiff, der EARLY BIRD, nach der hastigen Flucht vom Planeten TELLOGG da draußen in den unbekannten Weiten des Alls zugestoßen war. Ich hatte jedoch schon damals die böse Vermutung, dass die PLEJANER das terranische Raumschiff wohl möglich als leicht zu erlegende Beute ohne lange zu zögern angegriffen haben und es ein für allemal vernichten wollten. Wenn das zutraf, dann mussten die PLEJANER ihr blaues Wunder erlebt haben.
Die EARLY BIRD besaß nämlich außerordentlich gefährliche Waffen an Bord, die sie zu ihrer Verteidigung sehr wirkungsvoll einsetzen konnte. Ich hielt es sogar theoretisch für möglich, dass alle beteiligten Raumschiffe im Verlauf der kriegerischen Handlungen mindestens schwer beschädigt oder sogar vernichtet worden waren. Immerhin haben sich die PLEJANER auf TELLOGG ja nicht sehen lassen und von der EARLY BIRD erhielt ich ebenfalls kein einziges Lebenszeichen mehr, obwohl ich damals pausenlos ein verschlüsseltes Notsignal gesendet habe, um heraus zu bekommen, was eigentlich geschehen war. Leider bekam ich auf meine verzweifelten Funksprüche keine Antwort. Also musste etwas Außergewöhnliches passiert sein, was auch eventuell die Vernichtung der EARLY BIRD mit einschloss.
Dann gab es plötzlich auch keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr. Immer dann, wenn ich die Hyperempfangsanlage der Station einschaltete und auf ein erlösendes Rettungssignal von draußen aus den unendlichen Weiten des Alls hoffte, empfing ich nur ein langweiliges, knisterndes Dauerrauschen, das ich irgendwann einfach nicht mehr hören konnte, weil es mich total nervte. Ich ließ deshalb die gesamte Sende- und Empfangsanlage einfach im automatischen Empfangsmodus weiterlaufen, ohne mich dabei auch nur einen Deut um sie zu kümmern.
Ab und zu befasste sich allerdings TRION mit der Anlage. Es gab Tage, da schlich er sich unauffällig in den Senderaum der Station und machte dort irgendwelche Dinge, die ich nicht verstand. Ich kümmerte mich aber wohlweislich nicht darum. Es war mir auch irgendwie egal gewesen, was er da tat. Ich vermutete jedoch, dass er hin und wieder heimlich ein Notsignal in den Hyperraum absetzte, wohl in der Hoffnung, dass es irgendwo aufgefangen und gehört wurde. Aber nichts geschah. Es gab einfach keinen Kontakt mehr mit der intergalaktischen Förderation. Nicht einen einzigen Funkspruch erhielt ich, der mir sagte, es käme bald Rettung, um mich aus meiner grenzenlosen Einsamkeit in Raum und Zeit zu befreien.
***
Nun, ich stand wieder einmal allein und verlassen hier draußen mitten auf dem kreisrunden Landeplatz für die AGG's und blickte nachdenklich nach oben in den blauen, wolkenlosen Himmel. Die Doppelsonnen von TELLOGG standen hoch am Firmament und langsam wurde es unerträglich heiß.
Doch heute war für mich ein ganz besonderer Tag, denn ich hatte Geburtstag. Es war der 21.06. des Jahres 4920, nach irdischer Zeitrechnung jedenfalls. Und damit bin ich genau 92 Jahre alt geworden. Über siebzig Jahre meines Lebens habe ich auf diesem einsamen Planeten zugebracht und währenddessen nie einen anderen Menschen zu Gesicht bekommen, außer TRION, der aber kein echter Mensch war, sondern ein Androide, allerdings der Extraklasse, die ihn fast menschenähnlich aussehen ließ. Manchmal stellte ich mir daher die wundersame Frage, ob man einen Androiden, der ja eigentlich im Prinzip eine Maschine war, ebenso lieben könnte wie einen echten Menschen. Ich konnte es jedenfalls nicht, obwohl TRION mir sehr ans Herz gewachsen war. Für ein echtes, unverfälschtes Gefühl der Liebe reichte es eben nicht, weil dem Androiden etwas fehlte, was uns Menschen ja so einzigartig machte. Wir besaßen eine Seele, die Androiden nicht.
Wie auch immer.
Ich wunderte mich plötzlich darüber, dass ich überhaupt solange auf dem Planeten TELLOGG allein durchgehalten hatte, denn ich war mittlerweile ziemlich gebrechlich geworden. Der Rücken war in den letzten Jahren immer krummer geworden und meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Auch waren die Haare mittlerweile schlohweiß und reichten mir fast bis zur Schulter runter. Ich hatte einfach keine Lust mehr dazu, sie immer wieder kurz zu schneiden. Die Haut an meinem Körper war dunkelbraun und sah wie gegerbtes Leder aus. Mein Gesicht war eingefallen und von tiefen Furchen durchzogen. Sehen konnte ich noch relativ gut, obwohl meine Augen in den letzten Jahren immer häufiger schlimme Entzündungen über sich ergehen lassen mussten, und die Sehkraft langsam aber sicher dadurch ständig weiter abnahm.
Heute jedoch gestand ich mir endlich ein, dass mir die Lust am Leben zu bleiben, endgültig vergangen war. Die Einsamkeit in den vielen zurückliegenden Jahrzehnten hatte mich zermürbt und seelisch fertig gemacht. Außerdem wollte ich nicht auf einem fremden Planeten, so entsetzlich fern der heimatlichen Erde, langsam und qualvoll dahinsiechen, bis der Tod mich von meinen Qualen endlich erlösen würde. Ich hatte deshalb beschlossen, am Tag meines jetzigen Geburtstages Selbstmord zu begehen. Für mich gab es in dieser Hinsicht kein Zurück mehr. Mein Entschluss stand fest. Ich wollte einfach nur noch sterben, mehr nicht.
***
Ja, heute würde ich meinem Leben ganz bewusst ein Ende setzen. Ich rief deshalb über Interkom nach TRION, der wenige Minuten später neben mir stand.
"TRION, hast du die Spritze dabei?" fragte ich ihn mit fast tonloser Stimme.
"Natürlich Sir. Sobald Sie mir den außerordentlichen Befehl dazu gegeben haben, werde ich Sie narkotisieren und danach das Gift spritzen. Normalerweise dürfen Androiden keinen Menschen töten, aber Sie haben mich für diesen bevorstehenden Prozess kurzzeitig anders programmiert. Diese Programmierung wird in etwa dreißig Minuten von selbst aufgehoben bzw. gelöscht. Wir sollten uns deshalb hier nicht lange aufhalten und mit dem AGG auf ihre Lieblingsanhöhe fliegen. Dort werde ich Ihnen das Giftgemisch injizieren. Nachdem Sie friedlich eingeschlafen sind, lege ich den toten Körper in den bereitgestellten Vakuumzylinder und befülle ihn gänzlich mit flüssigem Stickstoff. Ihr Körper wird darin möglicherweise mehre Jahrhunderte oder länger vollständig erhalten bleiben, weil keine Verwesung eintreten kann. Auch die DNA bleibt in diesem Kältezustand der Konversierung komplett erhalten. - Wir sollten jetzt aber endlich aufbrechen, Sir."
"In Ordnung, dann lass uns losfliegen, TRION! Du wirst anschließend zurück zur Station fliegen und alle notwendigen Wartungsarbeiten übernehmen. Es könnte ja sein, dass irgendwann einmal ein Raumschiff der Föderation nach TELLOGG zurück kommt. Wenn es die PLEJANER sein sollten, dann jage die gesamte Anlage in die Luft. Du musst auf alles vorbereitet sein! Ist es die Föderation, dann zeige der Besatzung, wo du meine Leiche aufbewahrt hast. Vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder, auf welche Art und Weise auch immer, TRION. Nun, ich danke dir jetzt schon mal für deine Loyalität und Treue, die du mir gegenüber in all den vielen zurück liegenden Jahrzehnten so eindrucksvoll bewiesen hast. Du warst ein wirklich großer Freund für mich. Was hätte ich ohne dich gemacht, hier auf diesem einsamen Planeten am Rande der Milchstraße, den wir TELLOGG nennen? - Übrigens, was ich dich schon immer mal fragen wollte. Wie alt kannst du eigentlich werden TRION?"
"Wie bitte, Sir?"
"Komm schon TRION! Stell dich nicht so an! Wie alt kannst du werden?"
"Meine technische Lebenserwartung liegt im Durchschnitt bei ca. 800 Jahre. Dann sind meine Antimateriebatterien verbraucht. Da ich mich auch ohne fremde Hilfe reparieren und warten kann, bin ich auch dazu in der Lage, die Antimateriebatterien selbst austauschen zu können. Solange mir diese rechtzeitig zur Verfügung stehen, ist meine Lebensdauer also unbegrenzt - nach dem heutigen Stand der Androidentechnik natürlich."
"Kann man da überhaupt noch von ‚Alter’ sprechen, wie bei einem Menschen? Ihr Androiden seid uns heute schon weit überlegen. Wir Menschen sind äußerst zerbrechliche Wesen. Wir sehnen uns nach Schutz und Fürsorge. Deshalb brauchen wir euch Androiden. Ihr verfügt über Fähigkeiten, von denen wir nur träumen können. Wir haben euch zur Existenz verholfen. Dann habt ich euch eigenständig weiter entwickelt und habt euch trotzdem nicht von uns abgewendet. Im Gegenteil. - Wie auch immer, vergiss mich nicht, TRION! Halte mich immer in guter Erinnerung, mein alter Freund!"
"Natürlich Sir. Wie könnte ich Sie auch jemals vergessen. In meinen Molekularspeichern wurde jede Information über Sie abgelegt, die ich für relevant gehalten habe. - Aber gut, lassen Sie uns jetzt losfliegen und die verabredete Angelegenheit zu Ende bringen. Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, wohin auch immer, Sir!"
"Danke TRION. Du bist schon fast wie ein richtiger Mensch geworden. Nun trage mich rüber zum AGG und lass' uns von hier verschwinden."
***
Etwa einhundertunddreißig Jahre später nach irdischer Zeitrechnung.
Ein gewaltiger Kugelraumer war neben der Rosenberg Station gelandet. Überall ging es hektisch zu. Androiden und Roboter untersuchten die wissenschaftlichen Labors der Außenstation und sammelten Informationen.
Ein Mann in einem schwarzen Raumfahreranzug stand einsam und allein mitten auf dem freigelegten, kreisrunden Landplatz und blickte angestrengt hinüber zu einer nah gelegenen Anhöhe.
Plötzlich kam über Funk eine Nachricht zu ihm rein.
"Jack, wir haben hier einen vollautomatisch funktionierenden Metallzylinder mit einer einwandfrei erhaltenen, männlichen Leiche darin gefunden. Sie liegt in Flüssigstickstoff. Auf der Erkennungsplatte außen steht gut lesbar der Name des Verstorbenen. Willst du, dass ich ihn dir über Funk mitteile?"
"Ja..., schalte aber auf eine andere Frequenz um, Mike! Ich will nicht, dass jeder den Namen des Mannes erfährt, der hier mal vor langer Zeit auf der Rosenberg Station seinen Dienst einsam und völlig allein auf sich gestellt so heldenhaft verrichtet hat. Nun, um wen handelt es sich also? Ich bin mal gespannt ob ich mit meiner Vermutung richtig liege."
"Sein Name war Peter Rosenberg. Alle weiteren Informationen teile ich dir mit, wenn wir den gesamten Metallzylinder an Bord unseres Schiffes gereinigt und analysiert haben. Da steht noch mehr auf der Erkennungsplatte, aber sehr undeutlich und schlecht lesbar."
"In Ordnung! Der Metallzylinder wird aber vorläufig nicht geöffnet. Es ist gut möglich, dass die DNA auch noch nach so langer Zeit erhalten geblieben ist. Wenn das der Fall sein sollte, können wir ihn als Königsandroiden auferstehen lassen. Aber darüber muss der intergalaktische Rat entscheiden. Verdient hätte er sich das. Also ab mit der Leiche in die Konservierungskammer. Wir werden zur Erde zurückfliegen und lassen etwa 120 Männer und Frauen auf der Rosenbergs Station zurück. Sie sollen die gesamte Anlage wieder richtig in Schuss bringen. Sie haben Zeit dafür, bis wir wieder zurückkommen."
"Alles klar Jack. Wir bringen jetzt die Leiche aufs Schiff. Wir sehen uns dann später!"
"Ist in Ordnung, Mike. Ich werde in etwa dreißig Minuten bei dir sein. Ich habe hier noch jemanden, mit dem ich reden muss. Ich werde mich aber beeilen. Also warte auf mich!"
Der Mann in dem schwarzen Raumfahreranzug drehte sich plötzlich auf der Stelle herum. Hinter seinem Rücken hatte sich ein fast drei Meter großer Androide aufgebaut und schaute stumm auf ihn herab.
"Wie ist dein Name. Gib dich zu erkennen, Androide!"
"Mein Name ist TRION, Sir. Ich stehe Ihnen jederzeit zu Diensten. Ich habe Peter Rosenberg gut gekannt. Wir waren etwa siebzig Jahre lang zusammen hier auf der Station und haben gemeinsam den Planeten TELLOGG erforscht. Die Daten sind alle in meinem Molekularspeicher untergebracht. Bevor Peter Rosenberg mit 92 Jahren starb, habe ich eine DNA Probe von ihm nehmen können und in der Kältekammer der wissenschaftlichen Abteilung konserviert, sozusagen aus Sicherheitsgründen. Ich war mir nämlich nicht ganz sicher, ob die DNA in dem Metallzylinder größere Zeiträume unversehrt überstehen kann. Die von mir sicher gestellte DNA von Peter Rosenberg ist auf jeden Fall noch vollständig erhalten. Ich habe sie immer wieder überprüft. Ich würde mich daher sehr freuen, wenn Rosenberg als Königsandroide wieder auferstehen könnte. Wir waren auf TELLOGG ein überaus erfolgreiches Team. Sein ganzes Leben hier habe ich mit ihm ohne Probleme zusammengearbeitet. Auf diesem Medium, einen Quantenspeicherwürfel, sind alle meine Aufzeichnung und Daten abgelegt. Sie haben das Recht, darüber zu verfügen."
Der Androide stockte plötzlich. Dann sagte er: "Sir, ich hätte da mal eine Frage an Sie."
"Und die wäre, TRION?"
"Sind Sie wirklich mit Peter Rosenberg entfernt verwandt?"
"Ja, das bin ich. Ich heiße Jack Rosenberg. Peter Rosenberg ist in der Tat ein entfernter Verwandter von mir, sozusagen ist er mein Ururur Großvater. Er hatte seinerzeit eine kurze Liebschaft mit einer jungen Astrophysikerin, die ebenfalls zur Besatzung dieser Station gehörte. Als der Krieg gegen die PLEJANER begann, floh die Mannschaft überstürzt mit ihrem Raumschiff vom Planeten TELLOGG und sie gerieten schon kurze Zeit später an zwei Kriegsschiffe der PLEJANER, die auf dem Weg zur Rosenbergs Station waren. Es kam schließlich sehr weit von TELLOGG entfernt zu einem heftigen Kampf. Die PLEJANER wurden dabei vernichtend geschlagen, aber auch das terranische Schiff, die EARLY BIRD, wurde dabei erheblich beschädigt und torkelte ohne Antrieb durchs All. Als die Überlebenden endlich gerettet wurden, waren nur noch ganze zwölf Besatzungsmitglieder am Leben, darunter auch eine schwangere Frau namens Linda Davies. Als sie später erfuhr, wer der Vater ihres Kindes war, taufte sie ihn auf den Namen Erik und nahm den Familiennamen Rosenberg ihres Geliebten an. Auch Linda Rosenberg glaubte wohl ganz fest daran, dass ihr Geliebter bei dem Kampf mit den PLEJANERN ums Leben gekommen sei, dabei war er gar nicht auf dem Schiff gewesen, wie wir heute wissen. Nun, als Erik Rosenberg schließlich erwachsen war, heiratete er mit etwa achtundzwanzig Jahren eine gewisse Stella Cromwell, die sich nach der Heirat Stella Cromwell-Rosenberg nannte. Erik zeugte selbst wieder drei Söhne mit ihr. Die Söhne hießen Bruce, Philipp und Ron. Der jüngste von ihnen, Philipp Rosenberg, war übrigens mein Vater."
"Und wie haben Sie Peter Rosenberg gefunden?"
"Als man die elektronische Passagierliste der schwer beschädigten EARLY BIRD überprüfte, fehlte ein Mannschaftsmitglied, nämlich Peter Rosenberg. Man gab diese Information an die Zentrale der intergalaktischen Föderation weiter, die auf dem Mond ein Zentralarchiv für verschollene Raumfahrer unterhielt, wo dieser spezielle Fall auch aufgenommen und abgespeichert wurde. Aber man vergaß ihn wohl, aus welchen Gründen auch immer. Wahrscheinlich wegen der Kriegswirren. Die Sache wurde irgendwann nicht mehr weiter verfolgt. Der Krieg gegen die PLEJANER dauerte länger als ein halbes Jahrhundert, bis wir ihn endlich für uns entscheiden konnten. Heute ist die Föderation mächtiger denn je. Die PLEJANER wurden entwaffnet und der intergalaktischen Föderation einverleibt. Als ich die Raumakademie mit Erfolg verließ, arbeitete ich eine Zeit lang in dem erwähnten Zentralarchiv auf dem Mond. Dabei stieß ich zufällig auf den Namen Peter Rosenberg und nahm mich der Sache an, weil mich schon allein die Namensgleichheit irgendwie interessierte. Seltsamerweise wusste die Föderation nichts mehr von dem damals neu entdeckten Planeten TELLOGG, auf dem sich die Rosenberg Station befand. Jahre später wurde ich dann Raumschiffkommandant des hypersprungfähigen interstellaren Kugelraumers TRANSGALAKTIKA mit weit über 2000 Besatzungsmitgliedern. Es ist ein reines Kampfschiff und bestens ausgerüstet für ausgedehnte Reisen durch Raum und Zeit. Eines Tages erinnerte ich mich wieder an das Schicksal Peter Rosenbergs und forschte nach den Koordinaten des Planeten TELLOGG. Ich fand sie schließlich im alten Logbuch der EARLY BIRD, die es allerdings zurzeit meiner Nachforschungen nicht mehr gab. Man hatte sie kurz nach Rettung der letzten überlebenden Besatzungsmitglieder in ein Hangar geschleppt und verschrottet. Das Logbuch der EARLY BIRD befand sich übrigens in einem der zahlreichen Raumfahrtmuseen in NEW YORK. Ich fand schließlich die Koordinaten des Planten TELLOOG. Mit der TRANSGALAKTIKA war es schließlich ein Kinderspiel, ihn am Rande der Milchstraße wiederzufinden."
Der Androide hörte aufmerksam zu. Schließlich räusperte er sich ein wenig, fast wie ein Mensch.
Dann sagte er: "Die Geschichte ist sehr interessant, Major Rosenberg. Alles scheint mir irgendwie miteinander über weite Strecken in Raum und Zeit verknüpft zu sein. Nun, wenn Sie es erlauben, würde ich gerne auf der TRANSGALAKTIKA Dienst tun, Herr Major."
"Kein Problem für mich, TRION. Ab jetzt bist du Mitglied meiner Crew. Ich möchte dich immer in meiner Nähe haben und alles von dir über Peter Rosenberg erfahren. Melde dich in der Kommandozentrale bei Captain Mike Avenger. Er wird dich in deine neue Arbeit bei uns einweisen."
"Vielen Dank Sir. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem Peter Rosenberg wieder auferstehen wird. Vielleicht setzen wir eines Tages unseren Dienst gemeinsam wieder auf der Rosenberg Station fort, wenn alles gut geht und der intergalaktische Rat seine Zustimmung zur Wiederaufstehung gibt."
"Ich hätte nichts dagegen, TRION. Ich habe sehr großen Einfluss auf die Entscheidungen des intergalaktischen Rates. Eines der Mitglieder ist übrigens mein ältester Bruder Ron, der Flottenadmiral ist und zum inneren Zirkel der weisen Männer gehört. Sein Wort hat großes Gewicht. Ich denke, er wird sich in dieser Angelegenheit bestimmt positiv entscheiden. Er hat mir noch nie einen Wunsch abschlagen können. - Aber jetzt ist erst einmal Arbeit angesagt, TRION. Ich muss auf die Brücke. Captain Avenger wartet auf mich. Wir haben noch viel zu tun. Die TRANSGALAKTIKA ist startbereit und wird in etwa 30 bis 40 Minuten abheben. Gehen wir also an Bord!"
***
Neun Jahre Später nach irdischer Zeitrechnung.
Die Rosenberg Station ist um vier neue Start- und Landeplätze erweitert worden. Die Abwehrraketen sind mittlerweile installiert und befinden sich einsatzbereit in Explosion gesicherten Bunkern. Überall geht es überaus hektisch zu. Am fernen Horizont entsteht gerade eine riesige Kuppelstadt, denn seit zwei Jahren kommen immer mehr Siedler mit Raumschiffen aus allen Regionen des Alls und lassen sich auf TELLOGG nieder.
Vor dem Haupteingang der Rosenberg Station stehen zwei fast drei Meter große Androiden stumm nebeneinander vor einem in Stein gemeißelten Gesicht. Darunter steht der Name auf einer schwarzen Metallplatte: "ZUM ANDENKEN AN DEN RAUMFAHRER PETER ROSENBERG".
Unter der Metallplatte befand sich ein gläsernes Medium und erzählte mit freundlicher Stimme die Geschichte von einem Mann, der hier mal auf der Rosenberg Station siebzig Jahre lang seinen Dienst getan hat, und das einsam ganz allein auf sich gestellt.
Plötzlich fing einer der Androiden an zu sprechen.
"Man hat mir alle meine Erinnerungen wieder gegeben, TRION. Nichts ist bei der Wiederauferstehung verloren gegangen. – Das war ich also einmal. Ich kann es fast nicht glauben. Die Menschen verehren mich heute als großes Vorbild und nur wenige wissen, was aus mir geworden ist und wer ich wirklich bin. - Ich bin jetzt ein Königsandroide und war einmal der Mensch Peter Rosenberg."
Jeden Morgen beginnst du
ein paar Sonnenstrahlen
zu erhaschen, doch du hast dich
verirrt in einem Gefühlslabyrinth.
Entblößte Gedanken,
brennende Tränen,
die das heute [ ... ]
Ich bin ein kleines Vogelkind und schaue aus dem Nest.
Wenn meine Mutter Futter bringt gibt es ein Freudenfest.
Ich piepse in den Tag hinein und find das Leben schön.
Die Welt muss draußen [ ... ]
Meine Gedanken fließen ins Uferlose.
Mein Herzblut fließt warm hinterher.
Ich liebe dich, hast du gesagt.
Mir blieb der Atem stehen.
Und ich fühlte in mich hinein.
Und zuallererst vernahm ich [ ... ]