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Der Tod ist ein einzigartiges Phänomen, das jeder Mensch nur einmal erlebt. Er, der Tod, holt jeden auf seine Art und Weise. Das musste auch der alte Mr. Robert Starmer erfahren.

Der Autor

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Der alte Mr. Robert Starmer stand vor seinem Wohnzimmerfenster, schob die Gardine langsam ein wenig zur Seite und schaute wehmütig auf die leerstehende Terrasse vor seinem Haus, wo er noch vor einem Jahr mit seiner geliebten Frau zusammen an warmen Sommerabenden bis tief in die Nacht hinein gemütlich gesessen hatte.

Ganz plötzlich war nämlich seine Frau Marlene gestorben und seitdem lebte er ganz allein in dem großen Haus, das weit draußen einsam und verlassen am Rande der Stadt lag, wo sich nur selten irgendwelche Menschen hin verirrten.

Der weite Rasen war mittlerweile total verwildert, weil der Alte ihn nicht mehr aus körperlichen Gründen mähen konnte. Das gesamte Grundstück wurde von einer großen Thujenecke begrenzt, vor der hier und da einige mächtige Fichten standen, die hoch in den Himmel hinein ragten.

Gerade wollte Mr. Starmer das Wohnzimmerfenster wieder verlassen, als es draußen in seinem Garten einen sehr lauten Knall gab, dem eine gleißend helle Lichterscheinung folgte, die aber gleich wieder verschwand und nur einige wabbernde Rauchschwaden hinterließ.

Der Alte schob neugierig abermals die Gardine zur Seite, weil er wissen wollte, was da vor sich ging und erblickte zu seiner großen Überraschung eine große schwarze Kugel, die ganz plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, auf seiner Terrasse stand.

Ihr Durchmesser betrug wohl etwas mehr als zwei Meter. Hier und da gab es noch einige kleinere elektrische Entladungen, die allesamt wie kleine Feuerzwerge blitzschnell über die feucht glänzende Außenhaut der Kugel huschten, bis auch sie schließlich ganz verschwanden.

Urplötzlich trat eine unheimlichr Stille ein.

Nach einer Weile des Abwartens verließ Mr. Starmer das Wohnzimmer und ging nach draußen. Er benutzte sicherheitshalber den Hinterausgang seines Hauses, von wo man über den Hof aus, sowohl den Garten, als auch die Terrasse, gut erreichen konnte.

Am Ende der Hauswand blieb er stehen und lugte vorsichtig um die Ecke, hinüber zur Terrasse, auf der die schwarze Kugel immer noch stand, ohne sich auch nur ein Stück weit von ihrem eingenommen Ort weg bewegt zu haben.

Ganz plötzlich hörte er zu seiner großen Überraschung die Stimme seiner verstorbenen Frau Marlene, die er nur zu gut kannte. Offenbar rief sie mehrmals nach ihm.

Wieder blickte der alte Mann vorsichtig um die Hausecke.

Dann wurden ihm schlagartig die Knie weich, denn aus der schwarzen Kugel trat seine geliebte Frau Marlene wie ein körperloser Geist hervor, als wäre die Hülle keine feste Materie. Sie breitete ihre Arme weit einladend auseinander und kam lachend auf ihren Mann zu, der sich jetzt von der Hausecke gelöst hatte und wie zu einer Salzsäule erstarrt war.

„Marlene, bist es du?“, stammelt der Alte verwirrt und konnte es nicht fassen, dass seine verstorbene Frau plötzlich leibhafig direkt vor ihm stand. Sie war wieder so jung und genauso schön wie früher, als sie sich kennen gelernt hatten als junge Menschen.

„Ja, mein lieber Robert, ich bin es wirklich. Deine Marlene ist wieder da. Aber ich kann nicht lange bei dir bleiben und muss bald wieder zurück in meine neue Welt, die einfach eine wunderbare ist. Komm' mit Robert! Wir werden wieder für immer zusammen sein, und du wirst genauso jung wie ich werden.“

Dann ergriff seine Frau energisch die rechte Hand ihres völlig verdutzten Mannes und zog ihn liebevoll rüber zur schwarzen Kugel, die auf der Terrasse vor ihrem Haus auf sie wartete.

Der alte Starmer war wie hypnotisiert und ließ sich widerstandslos von seiner jetzt jungen Frau mitnehmen. Kurz darauf verschwanden beide in der seltsamen Kugel, die sich auf einmal wie ein verblassendes Bild langsam aufzulösen begann, bis auch der letzte Rest von ihr verschwunden war, als hätte es sie nie gegeben.

Auf der Terrasse aber, wo sie einst stand, lag jetzt dafür der tote Körper des alten Mannes, der mit friedlichen Gesichtszügen dort lag, das Geheimnis der schwarzen Kugel für immer mitnehmend.

ENDE

(c)Heiwahoe


© Heiwahoe


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Kommentare zu "Das Geheimnis der schwarzen Kugel"

Re: Das Geheimnis der schwarzen Kugel

Autor: Michael Dierl   Datum: 31.01.2025 20:53 Uhr

Kommentar: Hi, das muß wohl ein schöner Tod sein wenn einem die Geliebte abholt. Würde ich gleichfalls mitgehen und das ohne zu zögern! Nette Geschichte hast Du Dir da ausgedacht! Beim Lesen habe sich sehr schöne Bilder in meinem Kopf gebildet. Als junger Mensch war ich davon immmer begeistert wenn Menschen so wie Du einen Text so hinbiegen können dass Bilder im Kopf entstehen. Das hat mich immer so fastziniert dass ich zu einer Leseratte geworden bin und habe erst mal alle Schmöker die meine Eltern im Schrank hatten gelesen und das meist Nachts mit Taschenlampe unter der Bettdecke damit niemand merkt dass ich nicht schlafe. Manchmal wurde ich dann doch entdeckt und man hat mir dann die Taschenlampe abgenommen und versteckt aber ich habe sie immer wieder gefunden. :-). Guter Lesestoff kann süchtig machen, so wie eben Deine Geschichte!

lg Michael

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