„Ihr! Versteht Ihr überhaupt, was Ihr mit Eurer Aktion auf dem Trainingsplatz angerichtet habt?“ Ihre Stimme bebte vor Anspannung, als sie einen Schritt näher trat. „Ich wurde vor der gesamten Truppe gedemütigt. Was für eine Anführerin bin ich, wenn ich meine eigenen Rekruten nicht vor Euch schützen kann?!“
Ihre Worte schnitten scharf, doch ich spürte den inneren Konflikt, den sie hinter ihrer Strenge zu verbergen suchte. Mit einem tiefen Atemzug wandte sie sich ab, ihr Blick suchte die Tür, durch die Tinasa gegangen war, als verfolge sie die Abwesenheit der Priesterin. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme gedämpfter, fast wie ein Selbstgespräch.
„Diese Frau mag von unserer Göttin gesegnet sein und in ihrem Antlitz existieren, aber sie versteht nichts davon, wie man eine Truppe anführt, motiviert und zusammenschweißt. Hätte ich nach ihrem Willen gehandelt, müsste Eilana jetzt im Kerker sitzen – nicht Ihr.“
Sie presste zwei Finger gegen ihre Stirn, als würde sie versuchen, Kopfschmerzen zu vertreiben.
„Was glaubt Ihr, Priester, was es bedeutet hätte, wenn ich Euch bevorzugt behandelt und eine meiner eigenen Rekrutinnen bestraft hätte? Eine Fremde, ein Mann, der göttlichen Einfluss geltend macht… Glaubt Ihr, das hätte meine Truppe unberührt gelassen?“
Ihre Worte hatten Gewicht, und ich spürte die Parallelen zu meinem eigenen inneren Konflikt. Mit Bedacht antwortete ich: „Meisterritterin, ich glaube, ich verstehe Ansätze Eurer Situation – genauso wie Ihr die meine nur in Ansätzen erfassen könnt. Unsere Welten und Götter sind verschieden. Doch ich möchte Euch etwas vorschlagen – wenn Ihr es mir gestattet.“
Elizabeth sah mich misstrauisch an, nickte aber schließlich. Erleichtert fuhr ich fort:
„In meiner Tasche, die bei Tonsa zurückblieb, befindet sich ein grün-schwarzer Diamant, das Blut Cthulhus. Ein Teil meiner Präsenz wohnt in ihm. Ich möchte Euch diesen Stein anvertrauen.“
Ein verwirrter Ausdruck huschte über ihr Gesicht, und sie lachte trocken.
„Ihr glaubt, Ihr könnt mich mit Geschenken dazu bringen, Euch zu akzeptieren? Typisch Mann. Ihr denkt, Ihr könnt uns Frauen mit solchen Tricks gefügig machen.“
Ihre Abwendung war abschätzig, doch ich hielt standhaft dagegen:
„Nein, Meisterritterin. Es ist kein Geschenk. Der Stein enthält Macht. Wer ihn besitzt, kann mich mit einem Wurf auf den Boden treffen, als schlage er mich mit eigener Hand. Sprecht mit dem Stein, und ich werde Euch hören, egal, wo ich bin. Er ist ein Vertrauensbeweis – von mir und meinem Orden.“
Ihre Augen weiteten sich, Ernsthaftigkeit ersetzte den Spott.
„Wenn das wahr ist, Priester… könnte das meine Sorgen lindern.“
Ich versicherte ihr, dass sie den Stein selbst prüfen könne. Ihre zuvor zornigen Züge mischten sich nun mit Neugier und Skepsis. Ohne ein weiteres Wort deutete sie mir an, ihr zu folgen.
Als die schwere Tür aufschwang, wehte der Duft der Abenddämmerung herein. Der Regen hatte die Erde durchtränkt, und der Geruch von nassem Laub schien meine Gedanken zu beruhigen. Elizabeth führte die Gruppe an, gefolgt von vier Festungswachen, die uns flankierten wie Marionetten an unsichtbaren Schnüren. Ihre Speere waren so lang wie Eilana groß. Die kunstvoll verzierten Helme trugen das Symbol des brennenden Schwertes Tinias, und ihre rot-silbernen Brustpanzer schützten sie, ohne ihre Beweglichkeit einzuschränken. Bei jedem Schritt klapperten die metallenen Stiefel, ein rhythmisches Echo der Disziplin.
Elizabeth blieb vor meiner Baracke stehen, einer einfachen Holzhütte ohne jeden Schmuck. Mit einer knappen Geste befahl sie drei Wachen, draußen zu bleiben. Eine begleitete uns hinein.
„Ich muss den Schein für die Truppe wahren,“ bemerkte sie mit einem unerwartet ironischen Lächeln. „Ein wenig Ansehen wird Euch schließlich auch nicht schaden.“
Ihr Tonfall überraschte mich, und ich konnte nur ahnen, welche Rolle sie mir zudenken mochte. Elizabeth blieb für mich ein Rätsel – eine Mischung aus strenger Führung und unberechenbarer Offenheit.
Als wir die Baracke betraten, offenbarte sich mir ein spartanisch eingerichteter Raum. Eine einfache Pritsche diente als Schlafstätte, daneben ein kleiner Tisch mit einem Hocker, auf dem Papier und eine Schreibfeder lagen. Am Ende des kurzen Raumes leuchtete der flackernde Schein von Kerzen einen kunstvoll geschnitzten Götzen Cthulhus aus. Ich hielt inne, überrascht von der vertrauten Darstellung meines Herren, und blickte zu Elizabeth.
Sie bemerkte meinen erstaunten Ausdruck und sagte: „Euer Abt hat einige Gegenstände für Euch mitgeschickt, die wir hier aufgebaut und verstaut haben. Eigentlich sollte Tonsa Euch mit dieser Überraschung empfangen, aber durch die Umstände stehen wir nun hier.“
Mein Blick fiel auf meinen Priesterstab, den ich in der Hauptstadt verloren geglaubt hatte, sowie meinen Reisesack, von dem ich im Gefängnis gesprochen hatte. Als ich instinktiv einen Schritt in Richtung der Pritsche machen wollte, trat die Wache vor und versperrte mir mit ihrem imposanten Körper den Weg.
Elizabeth lachte trocken. „Vergesst nicht, Priester, offiziell seid Ihr immer noch ein Gefangener.“
Sie trat selbst an die Pritsche heran, griff nach dem Reisesack und hielt ihn mir entgegen. „Ihr habt ihn gut gesichert, diesen Sack. Keine unserer Priesterinnen konnte das Siegel lösen.“
Ein Anflug von Stolz durchfuhr mich. Ich nahm das Band, das den Sack verschloss, und murmelte leise: „Cthulhu Fhtagn.“ Grünschwarze Symbole flammten für einen Moment auf und warfen ein unheimliches Licht in den Raum. Die Wache wurde sichtlich unruhig, doch Elizabeth hob beruhigend die Hand und hielt sie zurück.
Es fühlte sich wie ein kleiner Triumph an, zu hören, dass die Priesterinnen Tinias das Siegel nicht hatten brechen können. Doch ich ließ mir nichts anmerken. Bedächtig öffnete ich den Sack und holte ein kleines Kästchen hervor, in dem der grünschwarze Diamant sicher verwahrt war.
Ein kurzer Moment des Zweifels ergriff mich, als ich realisierte, was ich im Begriff war, dieser Frau zu übergeben. Es war eine Geste des Vertrauens, doch ich wusste auch um das Risiko. Würde sie dieses Vertrauen erwidern – oder es missbrauchen?
Doch die Drohung, die Tinasa ihr gegenüber ausgesprochen hatte, sollte Elizabeth eigentlich motivieren, diese Macht nicht zu missbrauchen. Ich hielt ihr das Kästchen entgegen, und sie nahm es zögernd an sich.
Elizabeth nahm das Kästchen vorsichtig in beide Hände und betrachtete es eingehend. In ihren Augen schien es zunächst nichts weiter als ein schlichtes Holzkästchen zu sein. Fragend sah sie mich an.
„Öffnet es. Habt keine Angst, ich bin wohl kaum in der Position, Euch etwas anzutun,“ sagte ich mit einem nervösen Lächeln, während ich mit einem Finger auf die Wache neben mir deutete.
Kurz zögernd öffnete sie das Kästchen, und darin lag ein grünschwarzer Diamant, gebettet in roten Leinenstoff. Als ich den Stein erblickte, durchflutete mich ein Gefühl der Ruhe, denn er war ein Bindeglied zu der Welt, die ich hinter mir gelassen hatte, um nun hier zu sein.
Elizabeth schien fasziniert von dem tanzenden Farbenspiel, das der Diamant in Grün und Schwarz ausstrahlte. Vorsichtig nahm sie ihn in die Hand und hielt ihn gegen das Licht, um ihn genauer zu betrachten. Das Kästchen verstaute sie in einer Seitentasche ihrer Rüstung.
„Es wirkt, als würde ein Nebel im Innern wabern. Priester, ist das die Essenz, von der Ihr gesprochen habt?“ fragte sie und richtete ihren Blick auf mich.
Ich nickte. „Ein Priester des Cthulhu wird man, indem man einen Teil seines Geistes an ihn abtritt. Ein Teil von ihm wird zu einem Teil von mir – und ebenso verhält es sich mit diesem Stein.“
Elizabeth drehte den Diamanten hin und her, offenbar von seiner Ausstrahlung gefesselt. „Ihr habt also einen Teil Eures Geistes abgespalten? Ein großes Opfer für Euren Herrn,“ sagte sie nachdenklich. Dann sah sie mich mit ernster Miene an.
„Ihr sagtet, wenn ich diesen Stein auf den Boden werfe, fühlt es sich für Euch an, als würde ich Euch ins Gesicht schlagen – ist das wahr?“
Erneut nickte ich und sagte, ohne zu zögern: „Probiert es aus. Vielleicht habe ich es in Euren Augen verdient.“
Ein Lächeln, das zugleich schelmisch und nachdenklich wirkte, zog über ihr Gesicht. Und dann warf sie den Diamanten auf den Boden.
Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Kopf, und ich sackte auf die Knie. Es fühlte sich an, als würde mein Geist erzittern. Doch sie ließ nicht ab. Sie hob den Stein auf und warf ihn erneut, diesmal gegen die Wand. Ein weiteres Mal traf er, dieses Mal die Rüstung der Wache.
Ich krümmte mich vor Schmerz und begann an meiner Einschätzung zu zweifeln. Hatte ich mich so sehr in Elizabeth getäuscht? Doch schließlich hob sie den Diamanten auf, legte ihn zurück in das Kästchen und verstaute dieses sicher in ihrer Tasche.
Während die Schmerzen langsam abklangen, bemerkte ich, dass die Wache ein leichtes Grinsen auf den Lippen hatte. Zu meinem Erstaunen beugte sich Elizabeth zu mir herunter und reichte mir ihre Hand.
„Entschuldigt diesen Ausbruch, aber es tat gut, Euch so zu sehen,“ sagte sie, während ich ihre helfende Hand ergriff.
Ich blickte in ein sichtlich erleichtertes Gesicht, und auch die Wache, Kilana, schien amüsiert. Elizabeth bedeutete ihr mit einer knappen Geste, die Baracke zu verlassen. Sobald die Tür hinter Kilana ins Schloss gefallen war, wandte sie sich wieder mir zu.
„Versteht das bitte nicht falsch, Priester,“ begann sie. „Das war weder Rache noch Missbrauch. Kilana, die eben noch hier stand, ist eine der größten Tratschen der Festung. Wenn sie es weiß, dann weiß es morgen die ganze Garnison. Ihr könnt euch darauf verlassen.“
Ein leises Lachen begleitete ihre Worte, und langsam begann ich zu verstehen. Sie hatte meinen vermeintlichen Verstoß gegen die Regeln in eine scheinbar angemessene Strafe verwandelt – vollzogen von meinem eigenen Gott. Ein genialer Schachzug, der nicht nur meinen Stand in der Festung klärte, sondern auch zeigte, dass Gerechtigkeit in den Augen der Amazonasi gewahrt wurde.
Noch während ich ihre Weitsicht bewunderte, durchbrach ein tiefer Seufzer die Stille.
„So, Priester,“ sagte Elizabeth mit ernster Stimme. „Nun muss ich euch auf die bevorstehende Weihe vorbereiten. Ruhe kann ich euch leider nicht gewähren, denn glaubt mir – mit den Feuerschwestern wollt ihr es euch nicht verscherzen.“
Mein Magen verkrampfte sich bei ihren Worten. Die Weihe – in all dem Trubel hatte ich sie völlig verdrängt. Mein Blick wanderte zum Cthulhu-Götzen, und ich spürte, wie ein mulmiges Gefühl in mir aufstieg. Wie würde der Teil von ihm, der in meinem Geist lebt, auf die Göttin Tinia reagieren? Warum hatte der Abt mir nichts davon erzählt? Bin ich nur ein Experiment? Die Fragen übermannten mich, und Elizabeths Stimme wurde zu einem dumpfen Rauschen.
Ein Schlag auf meine Schulter riss mich aus der Trance. „Hey, Priester, hört Ihr mir überhaupt zu?“ Ihr Blick war durchdringend. Ich atmete tief ein, doch mein Atem klang stoßweise. Meine Hände zitterten, und mein Mund fühlte sich trocken an.
„Meisterritterin, verzeiht. Mein Geist ist noch von der Strafe geschwächt, aber jetzt fokussiere ich mich auf das, was Ihr sagt.“
Schnaufend verdrehte Elizabeth die Augen und wies mich an, mich auf die Pritsche zu legen. Sie setzte sich auf einen kleinen Hocker, die Arme auf die Knie gestützt. „Priester, ich wiederhole mich ungern, also hört zu, oder ich überlasse euch ohne Vorbereitung den Feuerschwestern. Verstanden?“
Angestrengt nickte ich, während mein Herz schneller schlug. Elizabeth zog ein schlichtes Leinengewand unter der Pritsche hervor. Auf Vorder- und Rückseite war das brennende Schwert Tinias abgebildet.
„Ihr entkleidet euch vollständig und legt dieses Gewand an. Zwei Akolythen werden euch zum Tempel begleiten und euch die Augen verbinden, als Zeichen, dass ihr Tinias Licht und ihrer Führung vertraut. Vor dem Tempel brennt ein Feuer, das von unserer Göttin erhalten wird. Sobald die Augenbinde abgenommen wird, werdet ihr keine Holzscheite darin sehen. Die Flamme ist rein von Tinia.“
Sie hielt inne und musterte mich, bevor sie fortfuhr. „Die Hohepriesterin wird ein Gebet sprechen und euch dann in das Feuer Tinias werfen.“
Erschrocken setzte ich mich auf. Mein Atem stockte. „Ihr … werft mich ins Feuer?“
Elizabeth hob beschwichtigend die Hand. „Habt keine Angst, Priester. Ihr werdet nicht verbrennen. Nur eure Haare werden Opfer der Flamme, ein Zeichen der Reinigung und Hingabe. Sie wachsen nach.“ Sie strich sich über ihr kurzes, zurückgekemmtes Haar und lächelte.
Doch ihre Worte beruhigten mich nicht. Mein Herz raste, und kalter Schweiß rann meinen Rücken hinab. Unser Orden duldet keine Einmischung fremder Mächte. Der Abt musste gewusst haben, dass so ein Ritual erforderlich wäre. Aber warum hatte er mich nicht vorbereitet? Mein Geist ist Werkzeug, nicht Opfer. Was würde Cthulhu dazu sagen?
Elizabeth schnippte mit den Fingern, um meine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. „Gibt es ein Problem, Priester?“ Ihr Blick war ernst, und ich wusste, dass ich die Verbindung zu ihr riskierte, wenn ich mich weigerte. Noch während ich zögerte, flüsterte eine Stimme in meinem Geist: „Kümmere dich nicht um die Gesetze von Menschen. Folge meinem Willen …“ Eine plötzliche Zuversicht durchflutete mich.
„Nein, kein Problem, Meisterritterin. Ich werde tun, was Ihr verlangt.“ Meine Stimme klang ruhiger, als ich mich fühlte.
Misstrauisch zog Elizabeth die Augenbrauen zusammen, doch sie sprach weiter. „Wenn ihr aus dem Feuer steigt, verneigt ihr euch vor der Hohepriesterin und sprecht: ‘Oh Flamme der Tinia, leuchte meinen Weg und verbrenne meine Feinde.’ Die Hohepriesterin wird euch einen Namen geben und euch in Tinias Gemeinschaft willkommen heißen. Alles verstanden, Priester?“
Ich nickte leicht verkrampft, was Elizabeth auffiel. Sie schnaufte leise und blickte zu Boden, bevor sie mit strenger Stimme sprach:
„Ich merke doch, dass Ihr einen Konflikt in Euch austragt. Aber sei es, wie es sei, Priester. Ihr sollt Teil meiner Truppe werden, und dazu gehört, dass Tinia Euch weiht. Daran gibt es keinen Weg vorbei.“
Sie stand abrupt auf, ging zur Tür und blieb im Türrahmen stehen. Einen Moment lang wirkte sie nachdenklich, dann sagte sie mit einem leichten Lächeln:
„Tinasa hat von einem Feuer in Euch gesprochen. Ich sehe es auch in Euch. Sollte sie und ich uns täuschen, steht es Euch frei, die Festung zu verlassen. Niemand wird Euch aufhalten, Priester.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, trat sie hinaus und schloss die Tür hinter sich. Ihre Schritte durch den nassen Sand verklangen langsam, und ich wusste, dass sich auch die Wachen zurückgezogen hatten.
In meinem Inneren bebte alles. Das Flüstern Cthulhus erhob sich in meinem Geist, dunkel und verführerisch: „Folge nicht den Gesetzen der Menschen. Folge meinem Willen.“
Was bedeutete das? Waren die Regeln und Gesetze des Ordens nur von Menschen geschaffen und gar nicht von ihm? Zweifel keimten in mir auf wie giftige Dornen. Ich wandte mich zum Götzen und kniete mich nieder.
Eine der Kerzen vor dem Götzen nahm ich in die Hand und ließ das heiße Wachs auf meine Handflächen tropfen. Schmerz durchzuckte mich, und mein Gesicht verzerrte sich kurz, doch die drängenden Fragen in mir gaben mir keine Ruhe. Ich griff nach meinem Priesterstab und stellte ihn vor mich auf. Mit den verbrannten Handflächen presste ich das heiße Wachs in das Holz, als ob ich meine Seele in den Stab brennen wollte.
Der Schmerz klärte meinen Geist. Ich begann den monotonen SingSang des Ordens:
„Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn.“
Meine Stimme wurde immer rhythmischer, gleichmäßiger. Langsam ließ ich den Stab sinken, bis das geschnitzte Antlitz Cthulhus auf dessen Spitze den Götzen berührte. Plötzlich durchbrach ein schrecklicher Schrei die Dunkelheit meines Geistes. Das Flüstern kam von allen Seiten, bedrängend und chaotisch. Hände griffen nach meinem Geist, Tentakel umschlossen meinen Hals.
Doch ich ließ nicht ab. Mein SingSang wurde zum Anker in diesem Sturm. Die Hände zogen sich zurück, die Tentakel lösten ihren Griff, und schließlich hörte ich die leise, flüsternde Stimme:
„Mein Schüler, ich spüre Eure Verwirrung und Eure Fragen. Was ist Euer Anliegen?“
Die Stimme gehörte Gerthulhu, meinem Abt. Eine Welle der Ruhe breitete sich in meiner Brust aus. Ehrfürchtig sprach ich im Geiste zu ihm:
„Werter Vater, die Amazonasi verlangen, dass ich mich einer Weihe zu Tinia unterziehe und mich ihrem Feuer aussetze. Doch unsere Regeln gebieten mir, keine andere göttliche Kraft als die unseres Herrn anzuerkennen. Was ratet Ihr mir, oh Vater?“
Meine Worte hallten wie ein dumpfes Echo durch die Schatten, die meinen Geist umgaben. Einen Moment lang herrschte Stille, dann kam die Antwort:
„Kind Cthulhus, Eure Aufgabe ist es, die Flammenschwestern zu erforschen und, wenn nötig, zu manipulieren, um unseren Sieg über die Pythen voranzutreiben. Wenn sie verlangen, dass Ihr Euch der Flamme Tinias aussetzt, dann ist es Eure Aufgabe, sie zu beeinflussen, sodass dies nicht nötig wird. Die Regeln des Ordens dürfen nicht gebro—“
Ein gewaltiger Tentakel sauste durch die Dunkelheit, durchtrennte die Verbindung zu Gerthulhu mit brutaler Gewalt. Der SingSang verstummte, und mein Stab flog aus meinen Händen. Wie ein Pfeil bohrte er sich in die Holzwand.
Panik überkam mich. Das Flüstern des Abtes war verstummt, und die plötzliche Stille war schlimmer als die Schreie zuvor. Nur mein Herz pochte, laut und unaufhörlich.
Doch dann, mit dem Rhythmus meines Herzschlags, erhob sich erneut das Flüstern.
„Achtet nicht auf die Gesetze der Menschen. Folgt meinem Willen…“
Es wiederholte sich immer wieder, bis sich mein rasendes Herz allmählich beruhigte. Der Wahnsinn, der meinen Geist umklammert hatte, wich, und meine zitternden Hände fanden Ruhe. Mit einem tiefen Atemzug verstummte das Flüstern, und ich wandte meinen Blick zum Stab, der in die Holzwand gebohrt war.
In meiner noch angespannten Lage, die meinen Geist zittern ließ, wollte ich meinen Stab ergreifen und ihn als Stütze nehmen. Viele Fragen wirbelten durch meinen Kopf: Warum sprach das Flüstern davon, ich solle mich nicht an die Gesetze der Menschen halten? Welche Gesetze meinte es? Die des Ordens? Wer hatte die Verbindung zu meinem Abt unterbrochen? War es mein Herr selbst? Wollte er nicht, dass ich höre, was der Abt mir zu sagen hatte?
Diese Fragen wühlten meinen Geist auf, während ich mit meinen von den Verbrennungen schmerzenden Händen nach dem Stab griff, den mir der Abt bei meiner Weihe übergeben hatte. Doch als ich die geschnitzte Darstellung meines Herrn an der Spitze des Stabes umfasste, zerfiel der Rest des Stabes zu feinem Staub. Eine dünne Schicht, die wie weißer Sand wirkte, blieb auf dem Boden zurück.
Ein weiterer Schock durchzog meinen Körper, und ich umklammerte die geschnitzte Spitze des Stabes. Alles, was mich mit meinem Orden verband, schien zu zerfallen. Mit rasenden Gedanken begann ich auf und ab zu gehen, unfähig, die aufkommende Verzweiflung in meinem Geist zu unterdrücken. Schließlich brach ich auf die Knie, mein Blick fiel auf das Antlitz Cthulhus, das einzige Überbleibsel meines Stabes.
Eine Träne rann über meine Wange – doch plötzlich schien sie innezuhalten und auf seltsame Weise zurück in mein Auge zu fließen. Ein unerklärliches Gefühl der Stille machte sich in meinem Kopf breit. Die Verzweiflung und der Wahnsinn wichen einer Ruhe, die von kühler Objektivität erfüllt war.
Dann vernahm ich das Flüstern erneut, klarer als zuvor:
„Nur ich bin zentral. Keine Regeln, keine Autorität, kein Mensch. Achte nicht auf die Gesetze der Menschen. Folge meinem Willen.“
Ein schwerer Seufzer entwich mir, und mein Blick verharrte auf der geschnitzten Darstellung meines Herrn. Was war dann der Orden, wenn nur das Flüstern zählte? Hatten meine Brüder und ich uns angemaßt, zu wissen, was der Herr wollte, ohne auf sein Flüstern zu hören?
Langsam erhob ich mich, legte die Überreste meines einstigen Stabes neben den Götzen und entkleidete mich. Das Weihegewand der Tinia lag bereit, und ich zog es an, während mein Inneres von einer seltsamen Entschlossenheit erfüllt war.
Es dauerte nicht lange, da klopfte es an meiner Tür. Mit pochendem Herzen trat ich heran, bereit, mich dem zu stellen, was auf mich wartete, und nur dem Flüstern zu vertrauen.
Ich öffnete die Tür langsam, und sie knarzte unheilvoll. Der Regen hatte wieder eingesetzt, und das monotone Rauschen der Tropfen verstärkte die bedrückende Stimmung der Nacht, die sich wie eine dunkle Wolke auf meinen Geist legte. Vor mir standen zwei Priesterinnen der Tinia, beide gekleidet in identische Roben und mit dem gleichen kunstvollen Kopfschmuck wie Tinsu. Unwillkürlich fragte ich mich, ob Tinsu immer noch im Dreck vor dem Tor kauerte, wo ich sie das letzte Mal gesehen hatte.
Das Licht, das von den Roben der Priesterinnen ausging, schnitt durch die Dunkelheit des Trainingsplatzes und verlieh dem Moment eine bedrückende Erhabenheit. Eine der Frauen, mit leeren, fast seelenlosen Augen, sprach:
„Anwärter, folgt uns im Lichte Tinias, und ihr werdet ihr begegnen.“
Sie deuteten auf das große Stahltor der Festung, das weit geöffnet war. Dahinter standen die vier Rekrutinnen, mit denen ich angereist war, sowie Eilana. Die fünf Frauen standen in einer Reihe, offenbar bereit, zum Tempel aufzubrechen.
Als mein Blick auf Eilana fiel, durchzuckte mich ein Schock. Ihr ganzer Arm war bandagiert, und sie schien ihn nicht bewegen zu können. Die Strafe, die mein Herr ihr auferlegt hatte, schien tiefe Wunden hinterlassen zu haben. Doch was würde geschehen, wenn sie mit dieser Verletzung das Feuer Tinias betrat?
Ich wandte mich an die Akolythin.
„Priesterin, ich halte es für keine gute Idee, dass diese Rekrutin an der Weihe teilnimmt. Die Strafe meines Herrn lastet noch auf ihr. Gebt ihr drei Tage zur Erholung, und ihre Wunde wird sich schließen. Dann kann sie Tinia geweiht werden. Die Gefahr, dass mein Herr die Verbindung zu ihr nutzt, um sie noch härter zu bestrafen, ist zu hoch.“
Die Priesterin ließ sich jedoch nicht beirren und sprach mit derselben monotonen, fast mechanischen Stimme:
„Anwärter, diese wird durch das Feuer Tinias geheilt und gereinigt werden – so wie ihr es werdet durch euren Herrn.“
Ich konnte den Fanatismus in ihren Augen kaum ertragen. Wieder versuchte ich, meine Bedenken zu äußern, doch bevor ich erneut sprechen konnte, hörte ich das dumpfe Stampfen von Metallstiefeln auf dem matschigen Sandboden. Zwei Wachen traten heran.
„Gibt es hier ein Problem?“ Ihre Stimmen waren streng und kalt.
Der Regen lief in Strömen an mir herab, und die Kälte kroch durch meine Kleidung, zog mir bis in die Knochen. Der Gedanke an die Gefahr für Eilana verstärkte dieses Gefühl noch, als würde sämtliche Wärme aus meinem Körper entweichen.
Die Akolythin wiederholte unbeirrt:
„Anwärter, folgt uns im Lichte Tinias, und ihr werdet ihr begegnen.“
Ich blickte zu den Wachen und durch den Spalt zwischen ihnen hindurch. Dort sah ich Elizabeth, die am Fenster einer Baracke stand und die Szene beobachtete. Ihre Worte hallten in meinem Kopf: Du kannst jederzeit gehen, ohne dass dich jemand verfolgt. Oder du nimmst an der Weihe teil.
Und dann war da noch das Flüstern. Waren die Strafen, die wir als Zeichen meines Herrn deuteten, vielleicht gar nicht von ihm? War es möglich, dass Tinia tatsächlich heilte, statt zu strafen?
Ich kämpfte innerlich mit meinen Zweifeln, aber schließlich nickte ich der Akolythin zu. Obwohl in meinem Inneren ein Sturm tobte, zwang ich mich, den nächsten Schritt zu gehen. Alles, was ich bisher gelernt hatte, schien auf den Prüfstand gestellt, und doch wusste ich: Um Antworten zu finden, musste ich diesen Weg weitergehen.
Ich ging die zwei Stufen hinunter, die zu meiner Baracke führten, als die beiden Priesterinnen meine Hand ergriffen und mich zum Stahltor begleiteten. Noch einmal warf ich einen Blick zu Elizabeth, die ihre Hand vor den Mund hielt. Plötzlich hörte ich ihre Stimme in meinem Geist. „Priester, euer Feuer ist beeindruckend. Geht zu unserer Göttin und zeigt es.“ Sie hatte durch den Diamanten, den sie durch mich besaß, zu mir gesprochen. Zögernd nickte ich ihr zu. Welches Feuer meinte sie? War es mein Mut, mich dieser Weihe zu stellen?
Meine Füße waren beim Gang über den Trainingsplatz vom nassen Schlamm umhüllt, und je näher ich den Frauen kam, die auf mich warteten, desto mehr erreichte mich ihr Misstrauen. Eilanas Augen fixierten mich wie ein wildes Tier, das bereit war, sein Opfer zu zerreißen. Doch im Angesicht der Weihe rührte sich keine von ihnen. Nur das Rauschen des Regens gab der Szene einen Klang, und ich reiht mich neben Eilana ein, die versuchte, so viel Abstand wie möglich zwischen uns zu bringen.
Die zwei Priesterinnen holten sechs schwarze Tücher hervor und sprachen: „So wie ihr blind zur Welt kommt, sollt ihr zum Licht Tinias wandeln, und das Vertrauen zu ihr wird euch das Licht eurer Augen sein.“ Dann gingen sie zur ersten Rekrutin und verbanden ihr die Augen.
Ich wandte meinen Blick in Richtung des Tempels, der dunkel auf dem Hügel thronte, hinter der Stadt Tinarra. Es war das erste Mal, dass ich die Stadt in ihrer Gesamtheit sah. Sie war von einer Mauer umgeben, die eher dazu diente, sie zu begrenzen, als sie zu schützen. Die Hauptstraße, die durch die Stadt führte, war hell erleuchtet von den Priestern der Tinia, die den Rand säumten. Auch die Einwohner schienen am Rand der Straße zu stehen und dem Treiben beizuwohnen. Unter ihnen entdeckte ich ein paar Männer, die im Gegensatz zu den Frauen vollständig verhüllt waren, außer ihrem Gesicht, das bartlos und ausdruckslos wirkte. Sie durften nicht stehen, sondern knieten im Schlamm des Regens neben ihren, so vermutete ich, Besitzerinnen. Diese Entdeckung ließ mich kurz innerlich erschauern.
Als Eilana ihre Augenbinde erhielt, verlor ich den Blick für die Stadt, da ich nun selbst an der Reihe war. Als ich mich umwandte, entdeckte ich im Schein des Leuchtens der Roben der Priesterinnen Tinsu, die immer noch im Schlamm kniete, wie ich sie zuletzt gesehen hatte. Sie lag da, wie tot, doch das leichte Heben und Senken ihres Rückens wies darauf hin, dass sie noch lebte.
Dann trat die Priesterin vor mich, mit einem Fanatismus in den Augen, wie ich ihn nur von meinen Brüdern während eines Rituals kannte. Ihre Stimme wirkte genauso, als sie mir die Augen verband: „Die Dunkelheit wird euch tragen, und Tinia wird euch die Antwort sagen.“
Nun war ich blind, und die Dunkelheit umfing meinen Geist. Nur das Rauschen des Regens und die Spannung, die in der Luft lag, gaben mir sinnliche Eindrücke. Aus der Ferne war ein Trommeln zu hören. Eine Hand ergriff meine und begann, mich zu führen. War es eine der Priesterinnen, oder war es eine andere Hand? Mein Verstand wurde von vielen Fragen durchtränkt, als ich merkte, wie meine Füße den mit Pflastersteinen bedeckten Boden der Hauptstraße der Stadt betraten. Ich hörte, wie wir der Trommel näher kamen, die monoton von weitem in das Tal zu klingen schien. Die Menschen am Straßenrand sprachen in einer sehr monotonen Tonlage immer wieder: „Tinias Feuer… Tinias Feuer… Tinias Feuer“, im gleichen Takt wie die Trommel. Es fühlte sich an wie eine Stimme, ein Wille.
Begleitet von dieser Stimmung durchfuhr in meinen Kopf die Monotonie dieses Moments, und ich merkte, wie mein Verstand begann, mit dieser Stimmung zu verschmelzen. Auch mein Geist sprach: „Tinias Feuer… Tinias Feuer…“ Die Trommel wurde immer lauter, was mir zeigte, dass wir näher kamen. Fast wäre ich gestolpert, als ich plötzlich Stufen erklimmen musste, deren Stein sich von dem groben Pflasterstein der Straße unterschied, die wir anscheinend hinter uns gelassen hatten.
Am Ende der Stufen bemerkte ich, wie ein grelles Licht durch die Fasern des schwarzen Stoffes drang, und die Hand, die mich geführt hatte, mich verließ. Ich blieb stehen, ohne zu wissen, wo ich war und was ich tun sollte. Ein letzter Schlag ging von der Trommel aus, und der monotone Klang des Sprechgesangs „Tinias Feuer…“ verklang ebenfalls.
Ein Windzug umfuhr meinen Körper, der mein Weihegewand wehen ließ, und eine Stimme, die ich gut kannte, ersetzte Trommel und Gesang. Tinasas Worte hallten mir ins Ohr, deutlich, als würde sie direkt neben mir stehen. Das zeigte mir, dass wir uns in einer theaterähnlichen Konstruktion befinden mussten, die ihre Hörbarkeit verstärkte. „Unsere Göttin ist zu uns herabgekommen, um diese Kinder ihres Willens zu segnen und sie in ihrem Feuer zu weihen. Kinder der Tinia, kommt und empfängt ihren Segen. Lasst eure Vergangenheit verbrennen und empfangt eure neuen Namen.“
Ich spürte, wie jemand hinter mir das schwarze Tuch löste, das meine Augen verbannt hatte. Als ich meine Augen wieder öffnete, war ich beinahe geblendet von dem gigantischen Feuer, das vor mir brannte. Es war, als würde man direkt in die Sonne blicken, aber es verursachte kein Unbehagen und blendete mich nicht stark. Als sich meine Augen an den Anblick gewöhnten, empfand ich tiefe Ehrfurcht in meinem Inneren. Während meiner Reise hatte ich von diesem Feuer gelesen, doch dass es so beeindruckend war, erfüllte meine Seele mit Staunen.
Wir standen alle sechs nebeneinander aufgereiht auf einem rechteckigen Vorplatz des Tempels, dessen Steine glattpoliert und geschliffen waren und eine rotgoldene Farbe trugen. Das ganze Tal schien von der Flamme erleuchtet zu werden, und der rote Schein des Platzes verstärkte die Intensität des Moments.
Ich sah Tinasa auf einem Podest stehen, das auf der anderen Seite der Flamme leicht erhöht war, um ihre Stimme über den Platz zu tragen. Sie trug keinen Gesichtsschleier, was mich erkennen ließ, dass ihre Augen goldgelb brannten und die Form von Katzenaugen besaßen. Erneut erklang ihre Stimme: „Die Wahrheit und Reinheit wird euch von allen Zweifeln befreien, und in der Flamme des Glaubens werdet ihr neugeboren.“
Nach diesen Worten wurde die erste Rekrutin von den Priestern an den Armen ergriffen und zu einem Turm geführt, der direkt über der Flamme stand. Sie führten sie bis zum Ende der Brücke, und Tinasa sprach: „Hinein, Kind, in das Feuer unserer Göttin, und badet in ihrem Antlitz.“ Danach stießen sie die Rekrutin in das Feuer.
Meine inneren Überzeugungen waren voller Angst, und ich zuckte kurz nach vorne, als könnte ich den Sturz aufhalten. Doch der Sturz, den ich für tödlich hielt, wurde im Feuer gebremst. Die Rekrutin, die kopfüber gefallen war, schien von einer unsichtbaren Kraft aufgefangen zu werden. Etwa auf der Hälfte des Sturzes entflammte eine goldene Flamme, die vom Kopf der Rekrutin ausging, und ihre Haare brannten vollständig ab. So schwebte sie langsam zum Boden, und der gesamte Platz verstummte.
Ich spürte auch den Regen nicht mehr, der den Platz scheinbar nicht erreichen konnte, als wäre dieser Ort abgeschirmt. Die Rekrutin erreichte schließlich den Boden, trat aus dem Feuer heraus, und es schien, als wäre ihr nichts passiert. Ihr Gang war entschlossen, als sie auf die Hohepriesterin zuschritt. Sie verneigte sich bis zum Boden vor Tinasa, und Tinasa erhob ihre Stimme: „Tinia hat dich berührt, meine Schwester, und so sollst du den Namen Hirea erhalten. Führe diesen Namen im Tempel, und Tinia wird mit dir sprechen.“
Die Rekrutin erhob sich und wurde von den umstehenden Priestern zum Tempel geführt. So durchliefen auch alle anderen Rekrutin ihre Weihe, bis als nächste Eilana an der Reihe war.
Die Tatsache, dass Eilana nun für die Weihe vorbereitet wurde, löste in mir erneut die Angst aus, sie könnte dadurch verletzt oder Schlimmeres erleiden. Tinasa sprach wieder ihre einführenden Worte, und die Priesterinnen ergriffen Eilanas Arme, um sie den Turm hinaufzuführen. Instinktiv ergriff ich die Schulter einer der Priesterinnen und sagte eindringlich: „Lasst davon ab, sie wird bestraft werden... Sie...“
Eine Stimme, die fast wie ein Beben war, ging durch den Platz. „Sie wird in die Flammen unserer Göttin fallen, und diese wird ihr Urteil fällen, genauso wie sie es bei euch tun wird.“
Es war Tinasas Stimme, so tief und kalt, dass mein ganzer Körper zitterte. Ich wagte es nicht, in ihre Richtung zu schauen und nahm wieder die Position ein, die ich vorher hatte. Die Priesterinnen liefen weiter, und ich bemerkte, wie Eilana mir noch einen abfälligen Blick zuwarf, bevor sie den Turm erklomm. In meinem Inneren kämpfte mein eigenes Ich, das überzeugt war, dass sie ihren Arm, wenn nicht sogar ihr Leben verlieren würde. Sie hatte nur Hass für mich übrig, doch war nicht ich es gewesen, der die Strafe über sie verhängt hatte? Mitleid, Angst und Zorn über ihren letzten abschätzigen Blick wirbelten in meinem Verstand.
Als sie an der Spitze des Turms angekommen war, lösten die Priesterinnen den Verband von Eilanas Arm, und ich sah, wie aufgerissen er war. Es war eine schwarze, tiefe Wunde, die sich von ihrer Schulter bis zu ihrer Hand zog. Sie war so dunkel, als wäre ihr Fleisch verfault, und das Unbehagen in meinem Inneren wurde immer größer. Ein leises Raunen ging durch die Umstehenden, als sie die Wunde an Eilanas Arm sahen.
Sie ging zum Rand des Turms, und in meinem Kopf setzte plötzlich das Flüstern ein: „Achte nicht auf die Gesetze der Menschen, folge meinem Willen...“
Ich schloss die Augen und horchte auf das Flüstern. Dann kam der Befehl von Tinasa, dass Eilana sich in die Flammen werfen sollte, und meine Augen rissen auf. Sobald sie die Flammen berührt hatte, ging ein grünschwarzer Schein von ihrem Arm aus. Ein ohrenbetäubender Schrei durchzog den Platz, was viele der Umstehenden erschreckte, und auch Tinasa schien überrascht von dieser Entwicklung. Langsam driftete Eilana durch das Feuer, und es wurde deutlich, dass ihr Arm immer schwärzer wurde. Ihre Schreie durchzogen weiterhin den Tempelplatz.
Schock und Angst ließen mich erstarren, und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Sollte ich es aushalten und einfach zusehen, um die Regeln des Rituals zu wahren? Kaum hatte ich diese Frage in meinem Kopf gestellt, erklang das Flüstern wieder, doch diesmal wie ein Befehl: „Achte nicht auf die Gesetze der Menschen, FOLGE MEINEM WILLEN!“
Plötzlich wusste ich, was zu tun war. Ich formte mit meinen Händen ein Dreieck und positionierte es so, dass Eilana exakt darin auftauchte. Ich stampfte mit meinem rechten Fuß im Rhythmus meiner Sprache auf den Boden, und jedes Mal, wenn ich das Wort „fhtagn“ sagte, stampfte ich erneut auf den Steinboden. Eilanas Schreie durchzogen weiterhin den Ritualplatz, und die Priester, die in meiner Nähe standen, wichen erschrocken von mir zurück.
In meinem Wahn sprach ich zuerst leise den Singsang des Ordens, wurde jedoch immer lauter: „Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn...“
Mit jedem Abschließen des Satzes wurde mein Stampfen intensiver, und es fühlte sich an, als würde ein Schmied auf einen Amboss schlagen, Funken sprühend. So sprühten grünschwarze Funken auf die Stelle, an der ich aufstampfte. Weiter fokussiert auf Eilana, war zu erkennen, wie die Schwärze von ihrem Arm herauszuschweben begann. Ihre Schreie wurden leiser, und langsam bildete sich ihr Fleisch um ihren Arm wieder.
In meinem Wahn sah ich nur noch diesen Schatten, der jetzt aus ihrem Arm auf mich zutrieb. Der Singsang ließ mich die Umgebung komplett vergessen. Alles um mich herum war in Schwärze gehüllt, erfüllt von Schreien und Tentakeln, die wild um mich herum tanzten. Der Schatten aus Eilanas Arm war jetzt so nah an mich herangekommen, dass ich mit meiner linken Hand nach ihm griff. Ein Tentakel, der meinen Arm zurückhalten wollte, ergriff meinen Unterarm, was mich zögern ließ.
Dann schrie erneut diese Stimme in meinem Kopf: „FOLGE MEINEM WILLEN!“
Durch diesen Ruf entfacht, riss ich mich von dem Tentakel los und ergriff den Schatten aus Eilanas Arm, führte ihn an meinen rechten. Augenblicklich durchzog es meine Haut diese platzte mit einen wiederlichen geräusch auf, riss in voller Länge in zwei Teile bis zu meiner Hand. Ich fühlte in meinem Wahn nichts außer blankem Zorn. Auf was mein Zorn gerichtet war, wusste ich nicht, aber mein Stampfen und der Singsang wurden langsamer und leiser.
Als die Dunkelheit, die mich umhüllte, langsam wich, sah ich, wie Eilana, wie die anderen Rekrutin, ohne Haare und mit unversehrtem Arm, auf dem Boden aufsetzte. Das Realisieren dessen, was passiert war, setzte bei mir ein, und ich spürte den Schmerz, der meinen Arm durchzog. Ich fiel auf meine Knie und schrie vor Schmerz, während Eilana nicht auf die Hohepriesterin zuging, sondern in meine Richtung kam. Doch sie wurde von anderen Priestern aufgehalten, die sie zur Hohepriesterin führten.
Der Blutfleck, der mich umgab, wurde immer größer, und ich bekam nicht mit, was die Hohepriesterin zu Eilana sagte. Doch einen kurzen Moment später umfing mich ein Licht, das mir die Schmerzen meines Arms nahm, und die große Flamme, die eigentlich chaotisch dahin tanzte, formte eine Silhouette eines Gesichts. Ich sah nur noch, wie die Priester und selbst Tinasa auf die Knie vor der Flamme fielen, als ein grünschwarzer Schimmer mich umgab und das Gesicht aus der Flamme mit mir zu sprechen begann.
Beschreibung des Autors zu "Der Wahnhaft Ritus (Der Priester des Wahnsinns)"
"Der Priester des Wahnsinns"
In einer Welt, die von strengen Hierarchien und uralten Göttern geprägt ist, wird Peethulhu, ein Priester des Cthulhu-Ordens, als erster Mann in die Reihen der weiblich dominierten Amazonasi-Armee entsandt. Doch sein Weg ist von Misstrauen, verborgenen Ritualen und kosmischem Wahnsinn gesäumt. Während Peethulhu versucht, seinen Platz in dieser fremdartigen Ordnung zu finden, flüstert ihm eine dunkle Macht zu, die seine Loyalität auf eine harte Probe stellt. Kann er den Zwiespalt zwischen göttlichem Willen und menschlicher Moral überwinden, ohne sich selbst zu verlieren?
Diese Geschichte ist inspiriert von den Werken H.P. Lovecrafts und greift Themen des kosmischen Horrors auf, ohne jedoch direkt auf seine Charaktere oder Geschichten zurückzugreifen.
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