Ich konnte fliegen….das Gefühl war atemberaubend. Alles war so einfach und fühlte sich leicht an. Keine schlechten Gedanken versperrten den Weg zur Leichtigkeit. Ich machte meine Augen auf und sah die Wolken an mir vorbei ziehen…..ich flog durch ihnen hindurch und spürte ein wenig die Feuchtigkeit, die sich auf meiner Haut ausbreitete…..ein wenig fror ich dabei, aber ich vergaß die leichte Kälte bei dem Anblick! Erst konnte ich nur alles verschleiert sehen, doch dann war alles hell und leuchtete in den schönsten Farben. Es glitzerte sogar etwas.
Dieses Glitzern erinnerte mich an einen Tag am Meer. Ich saß auf einem Felsen und schaute aufs Meer hinaus. Nie werde ich vergessen, was ich damals sah. Eine Weile dachte ich, das Meer spielte mir einen Streich, aber nachdem ich genauer hinschaute bemerkte ich einen dunklen Punkt ganz weit draußen im Meer. Ich strengte mich an genaueres zu sehen, versuchte zu erkennen, was da auf mich zu kam. Es kam näher und näher und entpuppte sich als eine Walfamilie. Da ich auf einem erhöhten Felsen saß, bekam ich nicht gleich mit, was unter mir geschah. Plötzlich sprang direkt vor mir eine Fontäne in die Höhe und verfehlte mich nur knapp. Ein riesiger Regenbogen in den leuchtensten Farben ergoss sich direkt vor mir aus dem Himmel ins Meer und begleitete die Walfamilie. Ganz schnell war der für mich weit entfernte schwarze Punkt nahe gekommen, es waren ca. 5 Tiere, jedes mit einem Jungen. Sie schwammen auf mich zu und schauten mich an, jedenfalls dachte ich es. Sie schwammen mitten im Regenbogen und die Farben spiegelten sich auf ihrer Haut wieder. Diese Farben waren so tief und klar, dass es mir erst sehr schwer fiel genauer hinzuschauen. Als sich meine Augen dran gewöhnt hatten wollte ich es nicht wahr haben, es konnte eigentlich nicht sein, dass diese Tiere mit ihren Augen zu mir sprachen. Aber sie taten es und ich hörte zu. Ich saß auf dem Felsen, unter mir die Brandung und dazwischen die Wale….immer in einem für sie guten und sicheren Abstand zum Ufer. Ich sah wieder aufs Meer hinaus und machte meine Augen zu, ich horchte und hörte auf einmal ein paar für mich bekannte Töne. Es hörte sich sehr vertraut an, denn sie sangen ihre Worte! Nicht so wie man es aus einer Dokusendung über Wale kannte, sondern ganz anders . Die Töne verschmolzen zu Worten und ich konnte sie verstehen! Sie erzählten mir ihre Geschichte, eine Geschichte, die mich sehr anrührte, war sie doch meiner so ähnlich! Es ging um Liebe, die sie nicht spürten konnten, weil sie ihnen versagt war, es ging um Berührungen, die sie nicht annehmen konnten, die aber doch so lebenswichtig waren. Und es ging um das Leben, das so einmalig war. Ich weiß nicht, woher sie wussten, dass ich müde war, müde von diesem Leben, das mich nicht zur Ruhe kommen ließ. Ich kam auf diesen Felsen, um allein zu sein und um zu überlegen, wie ich aus diesem ganzen Schlamassel raus kam. Manchmal blieb mir kein anderer Ausweg, als an einen Ort zu gehen, an dem ich ganz allein sein konnte mit meinem Gefühl der Ausweglosigkeit. Es ist einfach in mir. Ich hole mir dann manchmal Hilfe und es gelingt mir dann auch wieder zu mir zu kommen. Heute war es anders…..ich kam mit dem Gedanken nicht mehr zurück zu gehen und einfach hier zu bleiben an diesem Ort.
Die Wale kreisten im Meer und forderten mich immer wieder auf, ihnen zuzusehen. Sie sprangen mit ihren massiven Körpern aus dem Wasser und riefen mir zu, ich solle zu ihnen kommen! Ich stand auf und sehnte mich, ihnen nach zu eifern. Mein Kopf sagte, spring nicht! Mein Herz sagte, mach es, lass dich fallen und schwimm zu ihnen! Ich stand auf und meine Füße gingen ein paar Schritte auf den Abgrund zu…ich zögerte………. es schien mir, dass sie mir von unten zuriefen und Mut machten. Ich nahm all meinen Mut zusammen und ließ mich einfach vorn über fallen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich im Wasser landete und dann wirbelte alles durcheinander. Die aufgeschäumten Wellen schlugen über meinem Kopf zusammen und ich versank in der Tiefe. Ich konnte mich unter Wasser nicht zu Recht finden und so sank ich immer tiefer. Meine Luft schien weg zu bleiben und in meinem Kopf rauschte es fürchterlich……..ich wurde immer schwächer und versuchte meine Augen aufzumachen. Oben und unten schien es nicht mehr zu geben, alles war falsch in meinem Kopf. Plötzlich spürte ich etwas neben mir und hielt mich irgendwie dran fest. Ein kleines Waljunges tauchte neben mir und rief mir zu, dass ich mich fest halten solle. Es schwamm mit mir an die Oberfläche und ich bekam endlich wieder Luft! Es tat so gut, zu atmen und den Sauerstoff zu spüren……oft hatte ich gedacht, dass es doch nicht so schlimm wäre zu sterben, aber nach diesem Erlebnis wollte ich leben! Ich sog die Luft laut ein und war überglücklich, am Leben zu sein. Der Wal schwamm um mich herum und sagte, dass sie sich freuten, mich kennen zu lernen. Sie hatten sich gewundert, warum ich dort oben so allein und traurig saß. Sie hätten sich beraten und beschlossen mir zu helfen. Mit diesem Sprung sollte ich merken, dass es sich lohnt zu leben, egal wie schwer es ist, in dieser Welt klar zu kommen. Sie vertrauten mir ihr Geheimnis an: „ Geh an Land und suche die Zauberblume, du wirst sehen, wenn du sie gefunden hast, wird sie dir helfen zu leben, glücklich und zufrieden zu sein.“
Ich war so erschöpft und müde, dass ich vergaß nachzufragen, wo ich diese Zauberblume denn finden könnte.
Also machte ich mich auf den Weg und ließ mich von der Abendsonne führen……ich ging immer an den Klippen entlang, weil ich glaubte, dass die Blume hier irgendwo wachsen müsse. Die Blume musste hier so nah am Wasser wachen, sonst wüssten die Wale nicht, wo ich die Blume finden konnte. Sie waren im Meer und das Einzige was sie sehen konnten, waren die Klippen. Das leuchtete mir ein und ich vertraute meinem Bauchgefühl. Ich lief ein paar Stunden immer geradeaus, die Sonne war fast am Horizont verschwunden und die Nacht kam schnell und unaufhaltsam. Plötzlich sah ich etwas ganz weit vor mir leuchten….ich ging schneller, rannte fast…..stolperte …stand wieder auf und wollte unbedingt schnell bei dem Licht sein! Meine ganze Hoffnung war diese Blume, die mir die Wale zeigten. Es ging mir viel zu langsam voran, aber ich musste höllisch aufpassen, dass ich in der Dämmerung den Weg nicht verfehlte und abstürzte. Die Klippen waren an diesem Ort sehr scharfkantig und verursachten kleine Schnitte in den Fußsohlen. Es brannte höllisch unter meinen Füßen, aber das war mir egal….ich lief und lief, wurde wieder schneller, rutschte aus und fing mich wieder. So schnell ich konnte lief ich vorwärts, immer das Licht im Auge behaltend und immer bedacht nicht abzustürzen!
Da stand sie vor mir: Eine wunderschöne Blume, etwa 1 Meter hoch und von ungeheurer Schönheit. Noch nie habe ich so viel Anmut und Leuchtkraft in einem gesehen……sie funkelte regelrecht, sie verströmte einen lieblichen Duft und bewegte sich ganz leicht im seichten Wind des Meeres. Das Rot im Inneren ihrer Blüte war so drängend, dass ich meine Augen nicht abwenden konnte. Ich konnte mich nicht satt sehen, an diesem Rot der Blüte, an dem Goldgelb der Blütenspitzen und an dem lebendigen Grün der Blätter. Aus der Blüte schlängelten sich silberne Tentakel und tanzten in der Luft. Ich hielt meine Hand ganz vorsichtig an die Blüte, um mich zu vergewissern, dass es sie wirklich gab! So märchenhaft kam sie mir vor….. dass ich glaubte zu träumen!
Als meine Hand sie berührte, dachte ich einen Moment, dass sie unsichtbar wurde. Ich zog sie schnell wieder zurück und versuchte es nochmal, diesmal langsamer und wirklich: Meine Hand verschwand im Inneren der Blume. Ich wurde mutiger und mit meiner Hand verschwand mein Arm, meine Schulter……als mein Kopf die Blüte berührte, konnte ich sehen, wohin mein Körper verschwunden war. Ich fand mich in einer anderen Welt wieder, sie war nicht wie unsere, sie war weiß….keine Farbe war zu sehen, sondern nur ein klares Weiß! Ich fühlte mich wohl, denn hier waren alle Schmerzen, alle trüben Gedanken verschwunden. Ich dachte nach und kam zu dem Schluss, dass hier alle Schmerzen und schlimmen Erinnerungen keinen Platz hatten. Sie konnten hier nicht haften bleiben, weil es hier nichts gab, dass als Erinnerung gespeichert wurde. Ich vernahm eine Stimme, die mir half, dies alles zu verstehen….sie sagte:“ Ich befreie dich nun von deiner Last. Ab heute bist du frei von den Erinnerungen, die dich fern halten vom Leben. Lass deine Gefühle raus, aber gehe sorgsam mit ihnen um! Bestrafe dich nicht dafür, dass es dich gibt, sondern feiere dein Erdendasein. Gib dir die Chance den Rest deines Lebens glücklich zu sein. Lass die Musik in dir wachsen und lerne so, dass alles gut ist, so wie es ist! Du bist wichtig! Berühre mit deiner Seele die Blüte und du wirst klar sehen!“ Ich verstand alles und machte die Augen einen Moment zu….als ich sie wieder aufmachte, stand ich wieder vor der Blume, die nun um einiges größer schien….sie bog sich unter der Last der Blüte und kippte zu mir rüber. Ich nahm beide Hände und berührte sie ganz vorsichtig, ich hatte das Gefühl sie in den Arm nehmen zu müssen…….sofort erfasste mich ein goldener und silbersprühender Strahl, der sich über meinen Händen, meinen Armen und auf meinen ganzen Körper ausbreitete. Ich fühlte eine innige Wärme und eine nie dagewesene Leichtigkeit machte sich in mir breit. Es tat so gut, dies zu fühlen, ich weinte und es kamen alle Gefühle gleichzeitig in mir hoch. Die Tatsache, dass ich mit allem alleine war rührte mich zutiefst. Jeder Mensch ist in bestimmten Situationen allein, er muss es selbstständig schaffen zu überleben, nur dann kann es weiter gehen, nur dann kann das eigene und ehrliche Leben beginnen.
Hatte ich nun die Entscheidung getroffen, die es mir erleichterte zu leben? Ich ging zu meinem Platz an den Klippen zurück und sah die Wale kreisen, sie kamen noch einmal ganz nahe zu mir und erzählten mir, dass ich nun gehen sollte. Ich würde schon noch merken, was sie mir mitgegeben haben…..
Dies sind meine Erinnerungen an einen Tag, der für mich ganz wichtig war. Ich flog über meinen Wolken, spürte die Luft auf meiner Haut dachte an die Dinge, die dann geschahen.
Als ich nach Hause ging, spürte ich den unwiderstehlichen Drang zu rennen, immer schneller zu werden und nicht aufzuhören! Es ging ganz leicht….ich rannte und rannte...plötzlich spürte ich keinen Halt mehr unter meinen Füßen, ich hob ab und konnte fliegen! In meinem Kopf drehte sich alles und ich musste aufpassen, nicht zu hoch zu fliegen! Ich brauchte ein wenig Zeit, um mich zu Recht zu finden, dann machte es unheimlich Spaß! Die Wale hatten mir die Fähigkeit zu fliegen mitgegeben! Ich bin ihnen unheimlich dankbar um diese Erkenntnis, denn wer in seinen Träume fliegen kann, hat viel erreicht und wird niemals alleine sein! Er hat immer den Wind und die Wolken, den Himmel und das Gefühl der Leichtigkeit bei sich……..


© Sternenkatze


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Beschreibung des Autors zu "Über den Wolken mitten ins Meer"

Eine gefühlvolle Fantasiereise in die eigene Seele, die vielleicht auch etwas Wahrheit zu lässt, wenn man träumen kann.

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